Beiträge von Pasiphaë

    Ich war gerade damit beschäftigt, ein wenig Obst in einer Schale zu arrangieren, welche ich am vorigen Tage auf dem Markt erstanden hatte, als es klopfte und ein Mann eintrat. Er stellte sich als grammateos vor und übermittelte mir die Botschaft, dass es wichtige Dinge zu besprechen gäbe. Ich starrte ihn an, denn er sprach einen unerwarteten Satz aus. Erst dann sagte er, dass ihn der ehrenwerte strategos Thimótheos Bantotakis, so hatte er gesagt, schicke, woraufhin sich die Falten meiner Stirn etwas glätteten. Er erwarte mich im paneion, wo auch immer das war und ich solle ihm doch sogleich folgen, denn der strategos warte schon.


    Ich war natürlich überrascht und neugierig. Trotzdem bat ich den Boten, noch einige Minuten zu warten und schickte ihn kurz hinaus, um in aller Ruhe mein Aussehen zu überprüfen. Wenn Timos so offiziell schickte, dann wollte ich auch so gut wie möglich aussehen.


    Eine Viertelstunde später befanden wir uns auf den Straßen Alexandrias und ich genoss es, nicht darauf achten zu müssen, wohin mein Weg mich führte, denn ich hatte den grammateos an meiner Seite, der vorausging und wusste, in welcher Richtung ich meinen Jungendfreund erreichen konnte.
    Es war heiß, sehr heiß an diesem Tage und schon nach wenigen Minuten begann ich, zu schwitzen und war froh darüber, dass ich meine kurze palla mitgenommen hatte und nicht die lange. Es war eine Frage der Farbwahl gewesen. Als der Bote meine Kammer betrat, trug ich meine olivgrüne Lieblings-Leinen-Tunica und war mit ihr so zufrieden, dass ich kein anderes Kleidungsstück tragen wollte. Also blieb mir nur die kurze, beigefarbene palla, denn die lange, himmelblaue hätte mich zu einer grotesken Erscheinung mutieren lassen und das wollte ich mir selbst und allen, die mich erblickten, nicht zumuten.
    “Was ist denn das paneion?” fragte ich den grammateos, denn es interessierte mich schon im Voraus, wohin er mich führen würde. Ich dachte an Pan und war mir sicher, dass der Ort mit diesem im Bunde war.
    Der Mann, der mich führte, reagierte nicht sogleich, sondern schlüpfte, mit mir im Schlepptau, um eine Ecke und erst, als wir dem Haupttrubel entschwunden waren und einigermaßen freies Sichtfeld hatten, verlangsamte er seinen Schritt etwas und antwortete auf meine Frage. “Es ist ein Heiligtum des Gottes Pan. Sehr hübsch, mit vielen Pflanzen und Tieren. Du wirst sehen. Wenn du noch nicht dort warst, wird es ein schöner Anblick.” Mehr konnte ich nicht aus ihm herausbekommen, denn nun schwieg er wieder und ging mit schnellen Schritten voran, den Blick nach vorn gerichtet.
    Auch ich schaute nach vorn und harrte der Dinge, die kommen sollten. Wir bogen noch um einige Ecken und je mehr Minuten verstrichen, desto ruhiger wurde es. Die lebhaften Viertel hatten wir hinter uns gelassen und da .. plötzlich .. erstreckte sich vor mir ein wunderschöner Park. Ein Teil von Alexandria, den ich noch nicht gesehen hatte. Oasengleich ragte dieser Fleck Erde aus der Umgebung hervor und ließ mich vergessen, dass ich mich noch immer in einer der belebtesten Städte des Römischen Reiches befand.


    Es war ruhig hier und doch waren wir nicht die einzigen. Hier und da kam uns ein lachendes Paar entgegen, eine Gruppe Männer oder ein einzelner Spaziergänger. Viele redeten, doch ich schwieg und beobachtete alles, was ich wahrnehmen konnte.
    “Wir sind da.” sagte da plötzlich der grammateos und wies auf einen Weg, der zu einem Pavillon führte. “Der strategos wartet dort.” Er zeigte noch einmal auf den Pavillon. “Dort drüben. Folg dem Weg. Ich verabschiede mich.” Auch ich verabschiedete mich und dankte dem Mann, der mir den Weg gezeigt hatte. Ohne ihn hätte es sicher länger gedauert. Dann drehte ich mich um und folgte dem Pfad zum Pavillon.


    Nach wenigen Metern konnte ich Thimótheos Gestalt ausmachen und musste schmunzeln. Er trug den gleichen Hut, den er auch bei meiner Ankunft am Hafen getragen hatte. Damals, als er in der Sonne brutzelte, nur, um auf mein Eintreffen zu warten und mich empfangen zu können. Ich freute mich wie damals, als ich ihn zum ersten Mal nach langer Zeit erblickte und ich denke, man sah es mir an, denn sobald ich ihn erreicht hatte, strahlte ich aus voller Kraft.

    Als ein Ja ertönte, öffnete der größere der beiden Legionäre die Tür und sagte in derber Stimme: "Wir haben hier eine, die was von dir will, scriba.", ließ mich vortreten und ging wieder nach draußen.


    Als er weg war, wandte ich mich dem Mann vor mir zu. Ich grüßte höflich und trug sogleich mein Anliegen vor. "Salve. Meine Name ist Pasiphaë. Ich möchte mich gern erkundigen, ob gegenwärtig ein Posten als scriba provincialis frei ist, denn ich interessiere mich dafür."

    Zitat

    Original von Thimótheos Bantotakis
    Doch als er des Blickes seiner Freundin auf diesen Lycidas gewahr wurde, flüsterte er ihr ins Ohr. "Ein stattlicher Jüngling, hm? Ein Glück, dass er sich sein Brot mit solch kunstvollem Spiel verdienen kann und nicht auf die Vorzüge seines Antlitzes angewiesen ist." Er lehnte sich mit einem spöttischen Grinsen zurück und betrachtete den Jüngling mit der Lyra.


    Ich war noch halb mit applaudieren beschäftigt, als ich vernahm, dass Timos mir etwas ins Ohr flüsterte. Er spielte auf Lycidas an und hatte, wie ich feststellte, meine Begeisterung etwas falsch verstanden. Die Musik hatte mich verzückt, nicht das Antlitz des Jungen, obgleich ich jetzt, da ich als Reaktion auf die Worte noch einmal genauer hinschaute, zugeben musste, dass er hübsch anzusehen war.
    Unglaublich, dachte ich, wollte er mich necken oder spielte die Eifersucht mit seiner Zunge?
    Ich drehte mich nach rechts und grinste leicht. "Tatsächlich." sagte ich. "Es ist mir gar nicht aufgefallen, aber jetzt, wo du es sagst, fällt mir in der Tat auf, wie hübsch sein Gesicht ist." Ich drehte mich kurz um und lehnte mich interessiert nach vorn. In dieser Position verharrte ich einige Sekunden. Sollte Timos ruhig glauben, dass ich ein wenig Feuer gefangen hatte. Ich brauchte noch zwei, drei Sekunden mehr, dann drehte ich mich wieder in seine Richtung, mit gespielten Flammen in den Augen, deren Unaufrichtigkeit zwar auffliegen, die vermutlich aber einen ersten Schreck verursachen würden. "Er ist wirklich hübsch." sagte ich mit leiser, dennoch euphorischer Stimme. "Und wie er die Lyra hält. So etwas habe ich in Memphis noch nie gesehen. Dass Mensch und Kunst eine Einheit bilden können." Ich seufzte. Natürlich war ernst gemeint, was ich sagte. Ich hatte das Spiel genossen und der Junge verdiente großes Lob, aber ein bisschen übertreiben musste ich, nachdem mein Begleiter so gestichelt hatte.
    Mit strahlenden Augen richtete ich meinen Blick wieder nach vorn.

    Nachdem ich die porta hinter mir gelassen hatte, gelangte ich, in Begleitung der zwei mich eskortierenden Legionäre, zu einem der vielen officii.


    Einer von ihnen trat zur Tür vor und klopfte für mich an. Danach wartete er, auf ein Herein sicherlich.

    Nun, da ich endgültig entschlossen hatte, mich in Alexandria niederzulassen und mich zudem recht gut eingelebt hatte, war es an der Zeit, mich nach einer Arbeit umzusehen, denn auch in dieser Stadt schienen die Sesterzen nicht einfach vom Himmel zu fallen.
    Ich hatte da auch schon so eine Vorstellung, aber dazu musste ich erst einmal den Weg zur Verwaltung finden.


    Gesagt, getan. Ich ging einfach los, auf gut Glück und hoffte, dass ich das entsprechende Viertel, auch in der mir noch eher fremden Stadt, finden würde und schließlich führte mich mein Weg vor die Tore des Königsviertels. Geduldig platzierte ich mich hinter den vor mir ankommenden Eintrittbegehrenden und wartete, bis ich an der Reihe war.

    Ich war eine Weile in meine Gedanken versunken gewesen, hatte anschließend einige Weintrauben gegessen und die Unterhaltung erst dann wieder aufgenommen. Erst, als ich mir überlegt hatte, was ich auf Emilías Ausführungen antworten konnte.
    Sie hatte nun meine Meinung gehört und ich die ihre und wie sie darüber dachte. Sie hatte in vielem Recht und doch interessierte mich eines ganz besonders. So wandte ich meinen Blick wieder dem ihren zu.
    "Emilía, du bist doch auch noch nicht so lang in Alexandria und ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass du hierher gekommen bist, um schnellstmöglich einen Mann zu finden." Ich wusste so wenig über sie und auch über ihre Schwester. "Was hat dich bewegt, als du deinen Fuß in diese Stadt gesetzt hast? Hattest du irgendwelche besonderen Pläne?"

    Von meinem Platz aus lauschte ich den Beiträgen der Teilnehmenden, als mich plötzlich eine mir bekannte Stimme ansprach. Und wie sie sprach. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen. So geschwollen redete er selten. Ob es an der Umgebung lag, den Menschen, die ihn hören könnten oder erlaubte er sich nur einen Scherz?
    Erfreut über seine Ankunft, beschloss ich einfach, mit einzusteigen. "Edler Herr, welch Freude, dein Antlitz zu erblicken. Ich fürchtete bereits, du wärest in den Straßen Alexandrias verschollen oder aus mir unbekannten Gründen der Partizipation abgeneigt." Nur gut, dass gerade eine Pause zwischen den Beiträgen entstanden war und alle um uns herum lautstark redeten, über die Politik, die Preise auf den Märkten und den Wellengang der See. So vernahm wenigstens niemand unsere Albernheiten. "Selbstverständlich wäre es mir eine Ehre, von deiner Hand an deine Seite geleitet zu werden." Ich grinste ihn nun doch an und reichte ihm meine Hand. Er sah ein wenig erschlagen aus und so hoffte ich, dass meine nach oben gezogenen Mundwinkel ihm etwas Aufmunterung verschaffen würden.


    Wenig später nahm ich an seiner Seite Platz. Gar nicht weit entfernt von einigen Gesichtern, deren dazugehörige Menschen ich seit meiner Ankunft bereits kennengelernt hatte und gerade rechtzeitig, um dem nächsten Beitrag sitzenderweise beizuwohnen. Er klang nicht schlecht und so fiel ich, meinen Nachbarn gleich, in Applaus ein, während ich zeitgleich eines meiner Ohren für Thimótheos Worte offen hielt.

    "Ich denke nicht, dass ihre Gesundheit angeschlagen ist." sagte ich zu Nikolaos, als ich dessen besorgtes Gesicht betrachtete. Anscheinend schien er sie zu mögen und sich Sorgen um sie zu machen. "Als ich sie unlängst sah, war sie gesundheitlich guter Dinge." Ich hoffe, das beruhigte ihn. Die Tage hier waren schon stressig genug, da störten zusätzliche persönliche Sorgen mit Sicherheit nur.


    Wenig später lenkte uns, oder zumindest mich, jedoch der Start des pentathlons ab. Die Speerwerfer hatten sich versammelt und schon wenige Sekunden nach Beginn fokusierte ich meine Aufmerksamkeit auf die aktuellen Geschehnisse.
    Unwillkürlich drückte ich die Daumen, als Ánthimos an der Reihe war, doch: Oh weh, er hatte übertreten. Ich zog scharf die Luft ein. Damit hatte ich nicht gerechnet. Er vermutlich auch nicht. Ob es ihm peinlich war? Aber schwamm drüber. Verloren war die Disziplin damit ja nicht, denn immerhin hatte er noch eine Chance und außerdem war er nicht der Einzige, dem die Qualifikation in der ersten Runde misslang. Nur 16 der 24 Teilnehmenden hatte es geschafft. Gerade mal zwei Drittel und gleich würde der Nervenkitzel von Neuem beginnen.

    Als Penelope endlich an der Reihe war, versuchte ich, die Intensität meiner Aufmerksamkeit auf ein Vielfaches des jetzigen Levels zu erhöhen. Ich hatte auch den Beiträgen der Vertreter der anderen poleis schon sehr aufmerksam gelauscht, doch irgendwie dachte ich, dass ich diesem noch einmal besonders zuhören sollte.


    Ganz still wurde es, als sie schließlich mit ihrem Beitrag begann. Er war anders, als die anderen, die ich zuvor vernommen hatte und das lag nicht nur daran, dass sie die erste und vielleicht einzige weibliche Teilnehmerin des Tages war. Sie trat mit einem völlig anderen Thema auf. Dem Tod. Gewagt, wie ich meinte.
    Jedoch vollbrachte sie es, die Traurigkeit des Todes in eine Art überirdische poetische Schönheit zu verwandeln und machte ihren Beitrag so zu einem besonderen Erlebnis.


    Als sie geendet hatte, fiel auch ich in den Beifall ein. Gern hätte ich mich mit jemandem ausgetauscht, doch die einzigen Alexandriner, die ich bisher kannte, waren entweder in der Preisrichterloge oder absent. Dann eben später, dachte ich und nahm mir vor, die Eindrücke fest in meinem Gedächtnis zu verankern, damit ich sie auch zu späterer Zeit noch so präsent hatte wie zum jetzigen Zeitpunkt.

    Freundlich erwiderte ich den Gruß des Nikolaos. "Chaire, ehrenwerter gymnasiarchos." sagte ich und wandte mich kurz von Emilía ab und mich ihm zu. "Ich freue mich sehr auf die Wettkämpfe. Auf alle. Doch habe ich eben schon Emilá gesagt, dass sich meine Freude wohl besonders bei den musischen Wettkämpfen entfalten wird."


    Ich überlegte, was ich noch zu den gymnischen Wettstreiten sagen konnte, ohne eine Explosion auszulösen. Dass es zwischen Nikolaos und Ánthimos gewisse Spannungen gab, das hatte ich ja gestern beim Abendmahl schon mitbekommen. Den Grund allerdings kannte ich nicht.
    "Dennoch hoffe ich, dass Alexandreia auch bei den gymnischen Wettstreiten strahlen kann."


    Ich lächelte, denn ich freute mich wirklich auf den Tag. Abwechslung und dann auch noch eine solch pompöse und das schon so bald nach meiner Ankunft hier, taten immer gut. "Wo Penelope sich aufhält, würde ich gern sagen." antwortete ich auf seine zweite Frage. "Doch leider weiß ich es selbst nicht." Fragend schaute ich Emilía an.

    Auf Emilías Worte hin sah ich zu Wazeb hinüber. "Kann schon sein, dass Wazeb Ánthimos ein ernst zu nehmenden Gegner sein wird." Ich musterte ihn noch ein paar Sekunden. "Doch sicher kannst du das viel besser beurteilen, als ich, du siehst ihn ja schon viel länger an." fügte ich neckisch hinzu und konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Die lebhafte Griechin schien sich pudelwohl zu fühlen, inmitten all der nackten Männer.


    "Ihr wurdet gebeten, euch zurückzuhalten?" fragte ich wenig später. "Sicher war damit gemeint, dass ihr nicht jubelnd aufspringen sollt, sobald Penelope die Bühne betritt oder sowas. Ich glaube auch, dass du deine Aufgabe ordentlich erfüllen wirst und dass du Penelope so bewerten wirst, wie es ihr gebührt, das glaube ich dir auch."

    "Das wäre was gewesen. Timos beim gymnischen Wettstreit." sagte ich. "Ich hätte es mir schon gern angesehen." fügte ich verschmitzt hinzu. "Aber." Ich senkte meine Stimme ein wenig. "Ich glaube nicht, dass er gegen Ánthimos gute Chancen gehabt hätte. Nicht, weil er nicht auch athletisch sein könnte, aber Ánthimos hat doch viel mehr Übung." Ich lächelte. "So komme ich wenigstens in keine Zwickmühle und muss mich nicht entscheiden, wem ich den Sieg am Meisten wünsche." Manchmal musste man die Dinge praktisch sehen.


    Aufmerksam schaute ich mich um und etdeckte Ánthimos und Wazeb, die einzigen Beiden, die ich kannte, denn die anderen Athleten sagten mir nichts. Ich kannte ihre Gesichter nicht.


    "Ihr seid Preisrichterinnen?" fragte ich. "Das wusste ich noch gar nicht. Schön. Aber sicher auch anstrengend. Manche werden so gut sein, dass man mehreren den Sieg gönnen wird. Das hoffe ich zumindest." Ich überlegte kurz und fügte dann hinzu: "Angenommen, Penelope wäre die Beste von allen. Befürchtest du nicht, man könne dir vorwerfen, zu Gunsten deiner Familie zu richten?"

    Ich schaute zu Emilía, die sich auf die vorderen Plätze begab und zu Penelope, die sich wohl auf den Wettbewerb vorbereitete. Ich selbst nahm in einer der hinteren Reihen Platz, aber doch soweit vorn wie mir möglich war, denn ich wollte ganz nah am Geschehen sein, wenn ich Penelope zum ersten Mal würde spielen hören. Timos hatte mir gleich bei unserem Wiedersehen davon berichtet, dass seine Schwägerin eine Musikerin sei und seitdem wollte ich sie einmal spielen hören.


    Schweigend träumte ich vor mich hin und wartete darauf, dass die Plätze sich füllten und die Darbietungen begannen.

    Zitat

    Original von Emilía Bantotakis


    Wie immer begann Emilía auch diesmal gleich ein Gespräch, aber das gefiel mir, so hatten wir gleich etwas, worüber wir reden konnten und mussten uns nicht anschweigen. Aber anschweigen, dachte ich, ob das bei Emiliía überhaupt klappen würde? Bisher hatte ich sie als eher redselig erlebt.
    "Für mich ist es zwar nicht die Verwandtschaft." antwortete ich. "Aber ich bin auch gespannt darauf, wie alle abschneiden. Ich glaube, ich freue mich eher auf den musischen Wettstreit. Athletische Wettkämpfe sind zwar auch manchmal ansprechend, aber die Künste stehen höher in meiner Gunst."

    Ich wusste schon, warum ich Opfer nicht mochte. Das war mir alles zu blutig und irgendwie taten mir die Tiere leid. Ich schaute dennoch hin und verfolgte das Spektakel, beobachtete Tier und Mensch, in der Hoffnung, es irgendwann gelassener zu sehen.
    Wenigstens ging alles gut, wie es schien. Nicht auszudenken, wäre etwas Unvorhergesehenes geschehen. Ich dachte an all die Athleten und Künstler, die heute antreten wollten und daran, dass sie wohl lockerer sein und Besseres leisten könnten, wenn sie wussten, dass die Spiele unter einem guten Zeichen standen.
    Ich dachte aber auch an die Vertreter der anderen Religionen und fragte mich, wie wohl unsere Opfer in ihren Augen wirkten. Vielleicht barbarisch, vielleicht aber war es auch eine Faszination. Wie auch immer, das Wichtigste war sowieso, dass alle in Frieden miteinander auskamen. Besonders in diesen Tagen, die für Alexandria so wichtig waren.


    Nach einer Weile schaute ich zu Timos. Er war ruhig und sprach nicht viel, aber das traf auch auf mich zu und so ließ ich mich von dieser Tatsache nicht weiter stören.
    Vielmehr freute ich mich, als ich hörte, dass die Wettkämpfe nunmehr beginnen sollten. Natürlich stand ich auf Ánthimos Seite und hoffte, dass er zeigen konnte, was er beherrschte. Es wäre sicher eine schöne Freude für das gesamte Haus, wenn er einen Sieg erringen konnte - und nicht nur er, sondern auch seine Frau, Penelope, von der ich wusste, dass sie später bei den künstlerischen Wettstreiten antreten würde.


    Wo war eigentlich der Rest von uns? Suchend blickte ich mich um - und entdeckte Emilía, die nun ganz alleine stand. "Ich werde deiner Cousine etwas Gesellschaft leisten." sagte ich, an Timos gewandt, sobald Cleonymus in seiner Rede geendet hatte. "Dann kannst du dich ein wenig mit den Athleten und den anderen Männern unterhalten." .. und wir uns über sie, dachte ich, doch diese letzen Worte sagte ich nicht laut.
    Ich verabschiedete mich mit einem Lächeln und wandte mich Emilía zu.

    Ich schaute ein wenig lustig drein und wusste nicht so recht, ob ich grinsen oder schockiert sein sollte. Dementsprechend verzog sich mein Mund auch nur zu einem Halblachen und es drang kein Ton daraus hervor.
    Wie golden der Käfig wirklich ist, hatte sie gesagt und dabei gegrinst. Irgendwie klang das seltsam und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Eine Hochzeit wäre ein großer Schritt und sollte nicht so leichtfertig genommen werden - und trotzdem fand ich das alles schon ein wenig komisch. Emilía ist eben Emilía, dachte ich und überlegte, ob ich sie in der kurzen Zeit unserer Bekanntschaft überhaupt schon einmal anders, als locker erlebt hatte.
    Dennoch, zu locker sollte sie die Sache auch nicht nehmen, nicht dass eines Tages das böse Erwachen kam.


    Und wieso sagst du ihr das nicht? sagte eine Stimme, die urplötzlich durch meinen Kopf schoss. ..
    Ja, warum sage ich ihr das nicht, dachte ich und meldete ich mich noch einmal zu Wort. "Emilía." sagte ich. "Ich will ja nicht den Moralapostel spielen, aber ich würde das alles ein wenig ernster nehmen." Sie schaute noch immer so fröhlich, dass ich nicht umhin kam, ebenfalls zu lächeln. "Versteh mich nicht falsch." sagte ich freundlich. "Aber nicht, dass dir das Lachen eines Tages vergeht."


    Herrje, klang das depressiv, doch ich baute darauf, dass sie verstand, was ich meinte.

    "Ich kann dir keinen sicheren, guten Rat geben, Emilía. Ich kann dir nur sagen, was ich denke." Eigentlich wollte ich gar nichts dazu sagen, aber Emis intensiver Blick zwang mich förmlich dazu und so entgegenkommend, ihr meine Gedanken mitzuteilen, wollte ich dann auch sein. Zumal die junge Griechin mir ohnehin sympathisch war. "Ich denke, dass du die Freiheit liebst und dass du etwas wilder - Ich sagte es in vorsichtigem und durchaus wohlwollendem Ton - bist, als die meisten Frauen, deshalb, um ehrlich zu sein, hat es mich sehr verwundert, dass du der Hochzeit so schnell zugestimmt hast. Ich kenne dich zwar noch nicht so gut, aber ich hätte vermutet, dass du du dich sträubst und erst einmal alle Hebel in Bewegung setzt, um das zu verhindern." Ich wartete kurz, bevor ich fortfuhr. "Andererseits scheint Nikolaos eine sehr gute Partie zu sein, er hat Macht, Geld und einen hohen Status und in unserer Welt sollte man sich schon fast fragen, ob es nicht das ist, was eine Frau bei einer Hochzeit am Meisten begehren sollte. Sicherheit." .... "Auch wenn deine Sicherheit wohl nicht ganz ungefährlich ist." Wie paradox, dachte ich, aber letztendlich war es genau so. Nikolaos wäre im Stande, seiner Frau ein gutes Heim zu geben, doch hörte man auf die Worte Penelopes, so kam es nicht ohne dunklen Schatten - und wie weit der sein Unheil auch über Emilía zu schütten drohte, das konnte wohl keiner vorher wissen.


    In diesem Moment schaute ich aber erst einmal zu Berenike. "Ich kann auch den Standpunkt deiner Schwester verstehen." sagte ich, an Emilía gewandt. "Eine Hochzeit aus Liebe ist für eine Frau selbst natürlich das Schönste und wenn du denkst wie deine Schwester, dann solltest du weitersuchen, auf dass du den Mann findest, der dein Herz wirklich berühren kann." Für ein, zwei Sekunden hob ich meine Schultern in die Höhe und ließ sie dann wieder sinken.
    "Die Frage ist natürlich, ob das gelingt und ob du dich nicht irgendwann ärgerst, dass du solch eine angesehene Partie wie den gymnasiarchen verspielt hast."


    Ich trank einen Schluck und während ich das tat, dachte ich über die Dinge nach, die Penelope uns allen soeben erzählt hatte. Die angeblichen Laster und Gerüchte, die über den Griechen in Umlauf waren. "Ich denke, wir müssen auch die Dinge einbeziehen, die Penelope uns eben berichtet hat." Ich war keine Freundin von vorschnellen Urteilen, deshalb versuchte ich, meine Besorgnis so neutral wie möglich herüberzubringen. "Es wäre wohl keine schlechte Sache, tatsächlich herauszufinden, was von den Dingen, die über ihn gesagt werden, wahr ist und was nur üble Nachrede." Ich trank noch einen Schluck. "Vielleicht stellt sich alles als unwahr heraus. Letztendlich ist es immer das gleiche. Wenn einer zuviel Macht hat, versuchen die anderen, sie ihm streitig zu machen und setzen Gerüchte in die Welt. Das war zu Hause in Memphis so und in Alexandria ist es auch nicht anders. Deshalb halte ich die Idee, Timos davon zu überzeugen, uns alle bei Nikolaos einzuladen, für eine gute. Wenn wir Kiya wirklich bei ihm "einschleußen" - ich sagte es so wenig konspirativ wie möglich - können, dann können wir Dinge herausfinden, die uns in unserer Entscheidung wohlmöglich mehr weiterhelfen, als eine endlose Diskussion, bei der uns die Leute davonstürmen."


    "Letztendlich aber liegt die Entscheidung bei dir." Zumindest sollte sie das und ich war auch sicher, dass Emi ihren Kopf würde durchsetzen können, sobald sei eine feste Meinung gefasst hatte. Einer Frau, die eine Taverne eröffnen wollte, der war so einiges zuzutrauen und so glaubte ich auch nicht, dass sie irgendwann jemals damit Probleme haben würde, zu sagen, was sie denkt. Zumindest hoffte ich das, denn es wäre schade und würde meiner jetzigen Meinung nach so gar nicht passen, sollte es sich als anders herausstellen.

    Oh oh, dachte ich und sollte Recht behalten. Noch ehe er es selbst bemerkte, warf Timos seinen Becher auf den Boden und sprang auf, so, wie sein Bruder es eben selbst getan hatte. Hätte ich das nicht schon von früher gekannt, ich wäre schockiert gewesen, aber so dachte ich mir nur meinen Teil, ohne groß überrascht zu sein. Also doch noch ein Heißsporn, dachte ich, als der junge Grieche wütend davonstampfte und sich nicht gerade bemühte, seine Gedanken für sich zu behalten.


    Wäre die Situation nicht bitterernst gewesen, ich hätte lachen müssen, denn noch lange nachdem Timos den Raum verlassen hatte, hörte man ihn schimpfen wie einen kleinen, wütenden Jungen. Aber was er da über die Frauen sagte .... das wollte ich lieber nicht wiederholen, nicht einmal in Gedanken.


    Nun saßen wir da und die Gesellschaft wurde merklich kleiner - und weiblicher. Blieb nur zu hoffen, dass nicht noch jemand die Beherrschung verlor.

    "Ich bin angereist, um fortan in dieser schönen Stadt zu leben." antwortete ich höflich auf die Frage des Nikolaos. "Doch natürlich erfreut es mich sehr, dass so bald nach meiner Ankunft die Spiele stattfinden." Ich sagte es ehrlich, denn es erfreute mich in der Tat, dass hier Dinge geschahen, die mich die Stadt und die Menschen, die in ihr lebten, besser kennenlernen ließen.


    Wie auch Thimótheos hatte ich mich herausgeputzt und heute Morgen besondere Sorgfalt auf mein Erscheinungsbild gelegt. Nicht zu viel, nicht zu wenig, mein liebes Kind, hatte meine Mutter immer gesagt und auch jetzt noch versuchte ich, ihren Ratschlag zu beherzigen, denn nichts wäre ihr peinlicher gewesen, als mich einen falschen Eindruck erwecken zu sehen.


    Auch Ánthimos und Emilía waren schon da, Cleonymus, den ich, zumindest vom Sehen, aus dem gymnasion kannte und ein Fremder, der von weit her zu kommen schien und sich als Wazeb von Aksum herausstellte. Das mochte ich jetzt schon an Alexandria. Hier sah man die unterschiedlichsten Menschen.


    Geduldig wartete ich bis alle vorgestellt wurden und sah dann wie der gymnasiarchos sich verabschiedete, um das Opfer vorzubereiten. Unauffällig blickte ich zu Emilía, denn das Gespräch vom Vortag war mir noch so gut im Gedächtnis, dass ich sehen wollte, ob sie ihm hinterherschaute, als er verschwand.