Da der Legatus Augusti das Geplänkel erfolgreich abgewürgt hatte, und sich offensichtlich keiner der beiden Streithähne bemüßigt fühlte den Gastherrn dieser Runde mit einer Fortführung zu brüskieren, kam schließlich dem Legaten der zweiten Legion die Aufgabe zu seine Version eines Plans vorzutragen... und führte die Armee, die sie schließlich zusammenstellen würden, nach Raetia, und nicht nach Italia. Je weiter der Mann fortfuhr, desto krauser zog sich schließlich Valas Stirn, denn die Gedanken und Ideen die der Claudier äußerte führten in seinem Kopf vor allem dazu, dass sie sowohl Italia als auch den Krieg verlieren würden, weil sie zwischen den nach Italia ziehenden Legionen und den in Noricum und den anderen illyrischen Regionen verbleibenden Einheiten aufgerieben wurden.
Der Iulier bestätigte seine Sorge, auf soviel Glück wollte er nicht hoffen, dass Salinator so unfähig wäre sich nicht einmal die Classes in Italia zu sichern, wenn er es schon offensichtlich nicht vollbracht hat sich auf die eine oder andere Art und Weise der Prima zu bemächtigen.
"Der Praefectus Aegypti ist so schlau." , fügte Vala tonlos hinzu, den es ziemlich ärgerte, dass man die einfachste Rechnung die einem Praefectus Aegypti quasi ins Amt gemeißelt wurde nutzte um die Intelligenz des Amtsinhabers in Frage zu stellen.
Als dann der Aurelier das Wort ergriff um den Plan des Claudiers mit seinen eigenen zu ergänzen schüttelte Vala knapp mit dem Kopf, als der Aurelier annahm die Fluss-Classes würden die Truppen des Marius nach Italia bringen können, und so fügte er nach diesem Passus zu: "...die Classes auf den Flüssen sind mit vollkommen anderen Schiffen ausgestattet als die Classes am Meer. Mit ihnen könnte Marius Turbo einerseits nur an der Küste entlangrudern, und zudem nur einen Bruchteil der ihm zur Verfügung stehenden Männer auf den ungleich kleineren Booten mitnehmen. So oder so wäre es für ihn viel opportuner gleich die Viae mit dem gesamten Heer zu nehmen. Was allerdings noch opportuner ist... er braucht die Classis nicht um seine Armee nach Italia übersetzen zu lassen. Er muss seine Truppen nur in jede der größeren Orte an der Küste marschieren lassen und die dort ansässigen Händler und sonstigen Bootsinhaber überzeugen ihm für eine Weile zu Diensten zu sein. So oder so dürfte er keine Probleme haben über zu setzen. Cäsar hat es vor mehr als hundertfünfzig Jahren genauso gemacht, nur von der anderen Seite. Wir können kaum davon ausgehen, dass der Kommandeur der Classis Ravenna sich öffentlich gegen den Vescularier stellt, im besten Falle hält er sich einfach raus so weit es ihm möglich ist. Was in jedem Fall bedeutet, dass der Marier die Adria ungehindert überqueren kann und mit seinen Truppen in Italia steht. WENN er es überhaupt darauf anlegt, und nicht gleich auf dem Landweg in den Norden Italias zieht um sich dort auf ein Treffen vorzubereiten."
Als er dies gesagt hatte, und der Aurelier mit seinen Ausführungen fortfuhr, hatte Vala das Gefühl ihm würde der Boden unter den Füßen weggezogen: was redete Lupus da? Er sah, dass sich der Mund des Aureliers öffnete und schloss, aber Vala hörte sich selbst da reden. Mit zunehmender Fassungslosigkeit hörte er zu, wie der Aurelier sich munter bei seinen zuvor unter vier Augen Gedanken bediente um sie hier als seine eigenen auszugeben, und unwillkürlich fragte Vala sich, ob der Aurelier es so nötig hatte auf die Stichelei des Claudius zu reagieren, dass er Freunden in den Rücken fiel und seine fehlende militärische Expertise mit ihrer verdeckte. Fing das Geschacher um die später erfolgenden Meriten schon jetzt an, bevor sie auch nur einen Fuß in Richtung Süden gesetzt hatten? Vala schwante, dass da eine verdammt üble Zeit auf sie zukommen würde, und da sich schon jetzt sein eigentlich Verbündeter als Abstauber erwies, wurde Vala klar, dass er hier wohl nicht einen einzigen hatte, auf den er sich verlassen konnte. Das würde eine ziemlich einsame Zeit werden.
"Aurelius Lupus hatte die Güte, meine ihm zuvor schon erläuterten Gedanken über die Gefahr der Versorgung und Besoldung unserer Männer darzulegen, aber er übersieht dabei...." , watschte Vala den Aurelier ab und schickte ihm sogleich einen warnenden Blick zu, der klar machte, dass er nicht vor hatte sich hier für dumm verkaufen oder abservieren zu lassen, "...unsere Legionen werden nicht verhungern, da sie sich jeweils aus der Region versorgen in der sie stationiert sind.. zumindest wenn sie nicht konzentriert sind.. wir werden allerdings zwei Probleme bekommen: einerseits wird uns auf längere Sicht das Geld aus der Schatztruhe fehlen, auf welcher sich Vescularius Salinator nun noch breiter machen wird nachdem ihm der Cornelier und der Praefectus Aegypti ihm einen großen Teil des Geldes des Ostens verweigern. Nahrung hält unsere Männer stark und aufrecht, doch ihr Schwert erheben sie für denjenigen, der ihnen die blanke Münze zusteckt.
Aurelius Lupus hat recht, wenn er sagt, dass der Vescularier sich regen muss um seine Position zu sichern, doch zweifle ich stark an, dass er unter größerem Zugzwang steht als wir es tun. So er von Pannonia bis nach Asia alles kontrolliert was unter Waffen steht, kann er bequem darauf warten, dass der Cornelier sich dort zeigt, so dieser keine Classis aquiriert. Ihm fehlt Aegyptus, ja, das wird ihm auf lange Sicht große Probleme bereiten. Aber kurzfristig ist es vor allem an uns, da gebe ich dir Recht Claudius, dass wir handeln müssen. Sobald klar wird, dass wir unsere Männer nicht mehr bezahlen können dürfen wir mit einer starken Zunahme an Desertionen rechnen... bis Marius irgendwann mit einem Bruchteil seiner Truppen in den Norden kommt um das einzukassieren, was von unserem Heer übrig ist."
Nun legte Vala den Finger auf die Karte, und zeichnete eine nahezu gerade Strecke von Mogontiacum, schließlich eine sehr viel kürzere von Pannonia und Norricum zum adriatischen Meer: "Egal wie wir es anstellen... sollten die Götter uns nicht mit einer absoluten Unfähigkeit unserer Widersacher anstellen, gehört Italia Vescularius Salinator und seinem Schergen Marius Turbo. Und wenn Vescularius Salinator nicht vollkommen untätig darauf wartet bis wir unsere Hände an seine Kehle legen, dürfte er mobil gemacht haben sobald er vom Abfall Germanias gehört hat, was vor knapp einem Monat der Fall war. Wir selbst werden bei optimaler Marschgeschwindigkeit etwa anderthalb Monate brauchen um in den Süden vorzustoßen, da die Alpes uns im Weg stehen eher zwei Monate. Er hat ohnehin schon einen Vorsprung von einem Monat, das reicht, um seine Truppen zu sortieren und an die Küste zu bringen. Ob er sich dann dafür entscheidet über das adriatische Meer zu setzen oder über Land weiterzieht ist für uns eigentlich unerheblich: er ist schneller da als wir.
Ich bin daher auch der Meinung, dass Rom unser Ziel sein sollte, da wir nicht darauf hoffen sollten, dass wir Marius wirklich abfangen können. Wahrscheinlicher ist, dass er uns abfängt, und wenn er das tut, sollten wir uns in einer Situation befinden die uns nicht vollkommen zum Nachteil gereicht. Dies wäre übrigens der Fall, wenn wir nach Raetia ziehen ohne es direkt nach Italia durchqueren zu wollen. Geraten wir zu sehr in den Osten bekommen wir Probleme. Ich glaube nicht, dass der Marier dumm ist. Sobald sich herausstellt, dass seine Truppen mit uns in Kontakt kommen wird er sich neu sortieren und angreifen... sie Stück für Stück aufzureiben wäre ideal, aber nicht realistisch. Realistischer ist, dass er im Norden Italias, oder an der Grenze zu dieser bereits auf uns wartet.. stecken wir zu dem Zeitpunkt in Raetia fest, kriegen wir es nicht nur mit Marius Turbo in Nord-Italia zu tun, sondern auch mit dessen Truppen, die er in Norricum und der Umgebung zur Sicherung der Grenze zurücklässt. Sollten wir es auf eine Konfrontation mit Marius anlegen, sollte dies entweder direkt in den Alpes geschehen... oder im Westen Raetias, so weit weg von seinen Rückzugsräumen wie möglich.
Da kommen wir auch gleich zum nächsten Problem: wir werden getrennt und auf verschiedenen Routen marschieren müssen, um die Gegend durch die wir ziehen nicht aufzuzehren. Jede Legion verbraucht große Menge an Nachschub, welche auch im Felde aus der direkten Umgebung gezogen werden. Eine Region kann ohne Probleme eine Legion aushalten... zwei werden schwierig... und bei dem Kontingent mit dem wir hier rechnen, zehren wir auf dem Weg gen Süden alles auf, was wir durchqueren. Sollten wir uns zurückziehen müssen, kommen wir in Gegenden in denen für unsere Männer nichts mehr zu holen ist. Das sollten wir verhindern, und bis Raetia Umwege in Kauf nehmen die uns zwar Zeit kosten, aber unsere Versorgungslage nicht überstrapazieren... wieder vereinen können wir uns dann hier..." , Vala legte den Finger auf die Civitas Augusta Raurica, wo sich die direkte Straße aus Mogontiacum kommen mit der aus dem Westen vereinigte, "... um von dort aus über Clunia im Westen Raetias über die Alpen zu marschieren, wobei wir auf dem Weg dahin wahrscheinlich auch mit der Prima vereinen werden, der wohl nichts anderes übrig bleiben wird als sich zurück zu ziehen und Mantua aufzugeben. Ziehen wir ins Zentrum von Raetia, bekommen wir es höchstwahrscheinlich mit dem Marier auf zwei Seiten zu tun. In Italia würden ihm die Truppen an der Grenze fehlen, was zumindest annähernd für ein Gleichgewicht sorgen könnte. Und dann....." , zog Vala eine direkte Linie von Mediolanum nach Rom, "...steht uns nichts mehr im Wege um nach Rom zu ziehen und die Stadt zu befreien. Wobei, meine Herren, und da spreche ich wohl nur aus, was wir alle längst wissen... sobald wir Germania verlassen haben, werden unsere Aufklärer uns sowieso sagen, dass alle hier geschmiedeten Pläne hinfällig sind, weil es doch ganz anders aussieht als hier auf dem Papier oder in unseren Köpfen. Die Priorität sollte jetzt sein, direkt in den Süden vorzustoßen, Marius Turbo zu suchen und zu schlagen wo er sich uns stellt... solange dies nicht der Osten Raetias ist."