Schmerz. Schwarz. Schmerz. Schwarz. Schmerz. Schwarz. Schwerz. Schmarz. So einfach wie sich so ein Wort drehen ließ, drehte Valas Geist sich unter den Misshandlungen seiner Peiniger. Er hatte im Laufe seines Lebens schon einiges an Prügel kassiert, das brachte es einfach mit sich, wenn man ein Vala war, aber das hier, das war die Abreibung seines Lebens. Und die letzte.
Vala starb. Das wurde ihm klar, als er zum vierten Mal wach geklopft wurde, als würde er zurück über die Linie geschoben, über die man ihn kurz zuvor geprügelt hatte. Die Schmerzen, die ihm daraufhin von dem Rohrstock zugefügt wurden taten ihr effektivstes um ihn wieder in die Ohnmacht zu pusten. Hin und her... irgendwann hatte er nicht einmal mehr die Kraft zu schreien, weil die Schmerzen einfach ineinander übergingen und Vala schlaf in den Seilen hing, den Körper blutig geschunden und das Atmen kaum mehr als ein Ausgleich von Luftdruck. Jeder Schlag prügelte ihm sein Leben ein Stück weiter aus dem Leib, jeder Schlag sorgte dafür, dass er sich weiter der Stelle näherte an der die Nornen seinen Faden trennen würden, und jeder Schlag brach seinen Geist ein Stück weiter enzwei. Das Lachen seiner Peiniger, die wütenden Schreie, als er wieder in Ohnmacht fiel, die ganze Barbarei bekam er nur halb mit, der Nebel aus Schmerz und Schlaf war so dicht, dass kaum etwas zu ihm durchdrang. Als sie aufhörten ihn zu schlagen war Vala schon wieder in eine Ohmacht gesunken, vollkommen mit seinen Kräften am Ende, eigentlich nur noch halbwegs durchblutetes Gewebe. Der Stich in die Seite und der Sturz ins Wasser gingen an ihm vorüber wie eine giftige Spinne über das Kissen eines Schlafenden: wenn man sie bemerkte, war es vorbei.
Als ging wirklich unter wie ein Stein, wurde von der Strömung mitgerissen und trudelte eine ganze Zeit lang unter Wasser umher. Da er sowieso kaum mehr atmete, machte sich das Wasser um ihn herum auch nicht sofort bemerkbar, und wenn, hätte er es eh nicht mitbekommen wie er ersoffen wäre. Ihn umgab nur Schwärze. Tiefe, undurchdringliche Schwärze. Und wie es unter den Sterbenden nunmal Tradition war, lief auch an Valas innerem Auge sein Leben an ihm vorbei. Sein Vater, aufgestiegen vom ehemaligen Peregrinen zum Quaestor und Tribun, nur um zu desertieren damit er bei seiner Mutter sein konnte. Verreckt in Alruns Armen. Seine Mutter, ebenfalls DIE schillernde Figur in seinem Leben; aufopferungsbereit, liebevoll, warmherzig. Seine alten Freunde, seine erste Liebe, sein erster Feind... allesamt ohne Ausnahme verschlungen vom Krieg, der jenseits des Limes herrschte und der so viele Leben verbrannte. Lando. Der Mann, den er übertrumfen wollte, genauso wie seinen Vater. Gestorben, gefallen wie ein Mann. Er hasste ihn dafür. Als auch dieses Figur im Nebel verschwand, machte der tote Vala sich darauf gefasst Hel zu begegnen. Wie oft hatte er sie schon gesehen? Zu oft... und jedes Mal hatte sie ihn wieder zurück geschickt. Wie eine Frau, deren Verehrer ihr noch zu jung war, und die ihn fortschickte damit er sich an jüngeren Mädchen die Hörner abstieß bevor er sich an ihr versuchte.
Der Nebel ballte sich, und wenn das möglich war, wurde das Schwarz genau vor ihm noch schwärzer, bis es eine Gestalt ausspuckte, deren Gesicht Vala geschockt zurückweichen ließ, obwohl er selbst keine Gestalt hatte. Mit aufgerissenen Augen und in vor blanker Angst verschlucktem Schrei starrte Vala die Figur an, die also die letzte sein würde, die er in seinem Leben sah... und die ihn in Hels Reich geleiten würde. Es hatte eine gewisse Ironie, dass Hel ihm gerade diesen Geist in dieser Gestalt schickte. Das warme Lächeln und die stets verträumt dreinblickenden Augen zu einer Fratze des Todes gemacht.. zu SEINER Fratze des Todes. Sie streckte die Hand aus, lächelte ihn gar an und gab ihm wortlos zu verstehen, dass alles in bester Ordnung war. Auch wenn die elektrische Spannung in Valas Hirn weit von dem entfernt war, was man als Leistung bezeichnen konnte, sie reichte aus, um ihm einen letzten Funken Sarkasmus zu verleihen: ich wurde entführt, zusammengeschlagen, das Leben aus meinem Körper getreten, erdolcht und ertränkt, und du willst mir klarmachen, dass alles in bester Ordnung ist? Hel, oder wer auch immer das jetzt war, die diese für ihn so ergreifende wie in dieser Welt erschreckende Gestalt angenommen hatte, sie hatte einen komischen Sinn für Humor.
Sie duldete keinen Widerspruch. Die ausgestreckte Hand deutete immernoch auf ihn, und er starrte sie eine halbe Ewigkeit lang an. Sie wiederholte ihre Aufforderung nicht, und ihm war klar, dass SIE wirklich alle Zeit der Welt hatte um ihn beim Zaudern zu beobachten. Aber hatte er eigentlich eine Wahl? Natürlich nicht! Er war schließlich tot.
Als er ihre Hand ergriff, kam ein Stein aus dem nichts geschossen und schlug ihm gegen den Kopf. Augenblicklich war der Nebel verschwunden, trübes Sonnenlicht brach sich in dem dreckigen Wasser des Tiber, und eine Sekunde später realisierte Vala, dass er kopfüber im Wasser hing, von der Strömung gegen einen Stein im schlammigen Untergrund geschleudert. Mit festgebundenen Händen und Beinen brachte er es unter dem Schmerz seines Lebens fertig sich in der Strömung zu drehen und sich vom Boden abzustoßen... sich so nach oben bewegend, dem Licht entgegen, wurde er von der Strömung mitgerissen und wenige Momente später lag er im dreckigen Schlamm eines nicht näher bekannten Ufers. Als hätte er es die ganze Zeit ignorieren können, fiel ihm auf einmal auf, dass seine Lungen voll des Wassers waren; eine Tatsache die sich in mehreren Schüben geräuschvollen Würgens entlud. Jetzt, am Ufer, mit den brennenden Lungen voll wunderbarer Luft machte sich die Tortur wieder bemerkbar, die er zuvor erlitten hatte, und mit dem Blick auf den Tempel des Faunus, den Vala vor sich erkannte, griff die Dunkelheit wieder nach ihm, was den totenbleichen, aus unzähligen Wunden blutenden Vala wieder ohnmächtig in den Sand sinken ließ... mit dem Namen auf den Lippen, der ihm dort gegenübergestanden hatte, wo er ihn niemals zu hören erwartet hätte.
"Axilla..."