Beiträge von Titus Duccius Vala

    "Wurde sie nicht.", schloss Vala nahtlos an die Frage des Legaten an, "Wie gesagt, mein Vater verscholl im Felde bevor ich mich erinnern konnte. Meine Mutter entschloss sich, mich in einer Welt aufzuziehen in der sie sich besser auskannte. Es kam zu einer erneuten Hochzeit mit Leif, meinem Ziehvater, Freund des römischen Reiches und passionierter Gegner Modoroks. Er und seine Mutter machten es sich zur Aufgabe, Modorok mit Hilfe anderer romfreundlicher Elemente jenseits des Rhenus zu bekämpfen, nachdem er von den Legionen unter Traianus Sedulus zurückgeschlagen worden war. Modorok war geschlagen, aber nicht besiegt. Ein paar Idealisten, darunter meine Eltern, wollten die Gunst der Stunde nutzen um ihm ein für allemal das Handwerk zu legen, damit die Stämme jenseits des Rhenus mit Rom in Frieden koexistieren konnten. Meine Leben stand immer unter diesem Zeichen. Die Koalition, die Leif zusammentrommelte bestand aus Sippen und ganzen Stämmen, in deren Gesellschaft wir lebten. Mattiaker, friedliche Teile der Hermunduren, Cherusker.. alles Stammesteile, die Modorok nie folgten, und sich nun auftaten ihn zu schlagen. Mit Niemandsland meine ich also nicht, dass wir alleine lebten. Wir lebten nur im Land zwischen den Stämmen, weil sich dort die Kämpfe gegen Modorok und seine verbliebenen Schergen abspielten."


    Er machte eine kurze Pause, um die Erzählung seines seltsamen Lebenswandels wirken zu lassen.


    "Ich war von Kindesbeinen an immer diesem Ziel unterstellt: Der Fall Modoroks, Frieden zwischen den Stämmen, und Frieden mit Rom. Seit ich denken kann wurde ich in diesem Sinne erzogen. Aber ich gebe mich nicht dem Idealismus Leifs hin, ich glaube nicht, dass es Frieden zwischen den Stämmen gibt, und auch nicht Frieden mit Rom. Die Stämme sind verbohrt, eigensinnig und zu stolz um einzusehen, dass es nur einen Weg gibt. Wie gesagt, wir waren nicht verstoßen. Wir waren mittendrin. Ein kämpferisches Stück Rom mitten in den Wäldern Germaniens, das letztendlich an dem Wahn der Stammesfürsten scheiterte. Ich will das Schicksal meiner Eltern.. und meines Ziehvaters.. nicht teilen. Ich will mich nicht für ein Ideal hergeben, das sich letztendlich doch nicht erfüllt. Ich will andere Wege finden..."

    Sim-Off:

    Neue Zeitebene.. :)


    "Familie.", begann Vala eines Abends, als sie schon einige Zeit zusammengesessen und gegessen hatten, "Es gibt drei Dinge, die ich euch mitteilen will."


    Er überbrückte die Zeit, die die anderen brauchten um ihre kleinen und kleineren Gespräche zu beenden, und ihm ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden, indem er einen kleinen Schluck des Bieres nahm. Er ließ den Blick schweifen um sicher zu gehen, dass die der anderen alle ihm galten, bis er sich räusperte und begann: "Das wichtigste zuerst: wie ihr wisst ist mein Vater Leif, Sohn des Landogar. Und ihr wisst sicherlich auch um den Status, den er im römischen Reich inne gehabt hat. Dagmar hat mich, bevor sie abgereist ist, darauf aufmerksam gemacht dass es UNABDINGBAR ist, dass man weiterhin denkt er wäre im Zuge der Kämpfe gegen die Heerscharen Marbods verschollen. Dass er nach Magna gegangen ist, um Alrun, meine Mutter, zu retten weiß man nicht, und dass er dort geblieben ist machte ihn letztendlich der Fahnenflucht schuldig. Mein Vater ist tot, außer seinen guten Ruf kann er nichtmehr verlieren. Allerdings sind wir alle durch diesen Wissen des Hochverrats schuldig, und es ist in eurem und auch in meinem Sinne, wenn man aus Flavius Duccius Germanicus und Leif zwei Personen macht."


    Er ließ die Worte wirken, die wirklich starker Tobak waren, fuhr dann aber mit unbeirrt ernstem Blick fort: "Es ist folglich notwendig, um die Reputation meines Vaters und die der Sippe zu erhalten, dass man aus Leif, Sohn des Landogar zwei Personen macht. Der eine Flavius Duccius Germanicus, hochdekorierter Tribun der römischen Legion, Gründer dieses Hauses und mein leiblicher Vater, und Leif, eifriger Kämpfer in der Sache Roms gegen Modorok, mein Erzieher und Oheim. Ist das klar? Dieses Wissen ist so schwerwiegend wie absolut fatal, wenn es herauskommt. Die Konsequenzen dürften euch allen klar sein, und demjenigen, der das ausplaudert drohen von Seite der römischen Justiz noch die geringsten Strafen."


    Womit Vala dann auch mal schnell klarstellte, dass er vor nichts zurückschreckte um dieses Geheimnis zu bewahren. Er wartete, bis die anderen diese Nachricht verdaut hatten, und fuhr dann mit seinem nächsten Anliegen fort: "Ich habe mich in den letzten Monaten tief in die römische Welt eingelesen, und ich denke es ist an der Zeit mich in der Wirklichkeit zu prüfen. Mein erstes Vorhaben ist ein Rechtsfall. Ich hab die Lex Mercatus studiert, und auf dem Markt feststellen müssen wie schludrig damit umgegangen wird... ein Händler zum Beispiel bot Ware an, die er nicht selbst produzierte, sondern verkaufte einfach weiter. Ich denke, ich werde ein Schreiben an den Ädil aufsetzen. Es wundert mich, dass ihr nicht dagegen vorgeht", Lando und Witjon waren es, die er direkt ansah, schließlich hatten die mit ihrem Handelshaus noch konkreteres Interesse an einer Einhaltung der Marktgesetze, "Wie dem auch sei, ich habe ein Schreiben aufgesetzt, ich muss es nurnoch abschicken. Achja, und drittens: ich werde euch in nicht allzu ferner Zukunft verlassen. Ich sehe meine Zukunft in Rom, und da hier alles in guten Händen scheint, sehe ich keinen Grund mich hier in schon gemachte Betten zu legen. Es warten Aufgaben auf mich, durch die ich mich alleine arbeiten muss..."

    Sim-Off:

    @Lando: :P


    "Dann wird es nicht herauskommen.", schloss Vala mit ernstem Blick, "Solange es in der Familie bleibt, sollte die Gefahr gering sein, dass es zu undichten Stellen kommt. Der Schaden wäre immens..."


    Damit meinte er weniger die Gens im allgemeinen, als sich persönlich. Wenn herauskäme, dass sein Vater, hochdekorierter Tribun der römischen Armee, um der persönlichen Liebe willen aus der Armee desertiert war, um nachher als freier Germane auf sehr unrömische Art und Weise das Ende der schlimmsten Gestalt jenseits des Rhenus zu betreiben, das wäre das Ende aller seiner Bestrebungen in die höchsten Ebenen des Reiches aufzusteigen.


    "Ich werde es noch einmal beim Essen vortragen... wann willst du uns verlassen? Morgen, oder?"

    Nachdem Vala wieder mehrere Wochen damit zugebracht hatte, sich selbst römisches Recht beizubringen, und die praktische Ausführung dessen in Protokollen und beobachteten Gerichtssitzungen erfuhr, wandte er sich schließlich einem anderen Bereich zu. Einem Bereich, der für seine Sippe von essentieller Bedeutung war, was Lando auch nicht müde wurde zu betonen: die Duccii bezogen den größten Teil ihres Wohlstands aus dem freien Handel. Nicht nur ein Bürgerrecht in seiner Familie war durch die Betriebsamkeit der Söhne Wolfriks bezahlt worden. Und selbst die Töchter ließen sich nicht lumpen: beinahe alle hatten ein kleineres oder größeres Unternehmen, und selbst das Familienküken Sontje hatte die Muse einen Barbier herumzukommandieren während Lando es wohl geschafft hatte aus einem kleinen Gewürzhandel das größte Handelskonglomerat nördlich der Alpen zu kreieren. Auch wenn die Menge der Geschäfte, die seine Sippe kontrollierte wohl für römische Verhältnisse lachhaft war, und kaum mit den Magnatismen von Großgrundbesitzern und Fabrikaten mithalten konnte: in Mogontiacum waren sie nicht nur deswegen eine Macht. Zig Familien wurden durch den Erfolg der Freya Mercurioque ernährt die Lando in weiser Vorraussicht oder großer Dummheit auch römischen Teilhabern geöffnet hatte, und so war auch eine gewisse Stimmungssicherheit in der Stadt zugunsten seiner Familie zu verorten. Auch wenn dieser Einfluss an den Mauern des Castellums abrupt stoppte: Marktmacht war immer auch politische Macht, das verstand Vala.


    Und so wühlte er sich durch die Erklärungen zur Wirtschaft, entsann sich an Kommentare von Platon oder Xenophon, aber auch an die Bauernweisheiten seiner Herkunft. Die Nachfrage bestimmt das Angebot, und derjenige erzielt den größten Gewinn der den Umsatz am genauesten berechnen konnte. Grundlage um Grundlage las er in sich hinein bis er sich in die höheren Sphären der Steuererrechnung und Umsatzdifferenzierung hereinarbeiten konnte. Und dann die Rechtsgebung, wer was anbieten und produzieren durfte, und wer was nicht. Das umfasste ganze Gesetzesrollen und Bücher, es war also eine ganze Menge zu lesen. Und das dauerte so seine Zeit.

    "Ich weiß um die Geschichte der Rettung meiner Mutter. Es wäre auch zu schön wenn es so gewesen wäre.", seufzte Vala, der sich einen kurzen Moment der Resignation gönnte bevor er wieder in den alten Standard der Offensive fiel: "Sie werden es verstehen. Müssen. Leif ist Leif, soweit ich weiß haben die Römer auch tausende Primi herumlaufen. Wenn es herauskommt habe ich ein Problem, daher soll dafür gesorgt sein, dass es eben nicht herauskommt. Soweit ich weiß steht auf Fahnenflucht die Todesstrafe? Nun, das wird Vater nichtmehr kümmern, aber uns, denn wir sind Mitverschwörer, richtig? Interessant... eine ganze Familie, hochrenommiert und von großer Integrität: alles Hochverräter. Schon ein wenig ironisch, oder? Gibt es außerhalb der Sippe noch Menschen, die davon wissen?"
    Vala war zu so ziemlich allem bereit, um das Geheimnis adäquat zu schützen. Er hatte schon für weniger getötet.. und töten lassen.

    "Achja?", hob Vala eine Augenbraue, und war versucht sich ehrlich angegriffen zu fühlen. Was redete die Frau da? Sein Vater ein Deserteur? Undenkbar!
    "Bist du dir im klaren darüber, was du da sagst?", grollte Vala mit unverhohlen aufflammender Wut, schließlich war das, was sie da tat nichts anderes als sein Bild von seinem eigenen Vater ins Wanken zu bringen. Und nicht nur das: all seine Pläne für sein Leben im römischen Reich kamen mit der glanzvollen Integrität seines Vaters in Wanken. Was für eine Wahl hatte er da schon als sich dagegen zu wehren?
    Und doch verfiel er in grüblerische Stille, suchte wie schon so oft zuvor nach einer Lösung, improvisieren war alles. Hatte er denn wirklich geglaubt, dass es so einfach werden würde? Ins Reich zu kommen, seinen Vater als Eintrittsmöglichkeit in die Kreise der Elite zu nutzen, um dann noch höher aufzusteigen als jener selbst?
    Der Wein erkaufte ihm Zeit zum nachdenken, Zeit um eine Lösung zu finden, die irgendwo sein musste. Und sich ihm schließlich offenbahrte.


    "Das muss kein Hindernis sein.", legte er schließlich seinen Plan vor seiner Großtante aus, "Die Zeit meiner Eltern zwischen den Stämmen dürfte eh von geringem Interesse für die Instanzen sein, solange sie nicht erfahren, dass Leif auch Flavius Duccius Germanicus war. Das, was er im Reich geschafft hat dürfte genug sein um seine Integrität zu schützen. Man muss Flavius Duccius Germanicus einfach nur von Leif trennen, die Menschen, die wussten, dass das ein und diesselbe Person war sind uns entweder treu verbunden oder tot, wobei zweiteres definitiv sicher ist. Nur die Familie weiß davon, sagst du? Dann werd ich das eine oder andere Wort zu dieser Sache sagen müssen."


    Auch wenn sein Stolz ein wenig angekratzt war, hatte sein Vater ihm doch nie von diesem ruhmlosen Verschwinden aus dem Reich erzählt, sah er doch die Möglichkeit seine Pläne retten zu können. Er brauchte den Ruf seines Vaters nicht retten, wenn dieser nicht beschädigt war. Und das war er nur, wenn er weiterhin als im Felde verschollen galt... als einer der vielen namenlosen Toten, die aufgrund von Verstümmelung und Entstellung nichtmehr zu identifizieren war.

    "Also kann ich davon ausgehen, dass man dir nicht von meinem Leben jenseits des Rhenus erzählt hat?", schloss Vala aus dieser Ahnungslosigkeit. Er hätte ja irgendwie schon erwartet, dass derjenigen, die es bisher am längsten auf dieser Seite des Rhenus ausgehalten hatte, alles erzählt wurde was hier so vor sich ging. Dem war wohl nicht so, allerdings konnte er es auch niemandem verdenken: erstens war der Trubel um die Hochzeiten groß, zweitens konnte man ihn auch persönlich fragen. Und dennoch: ein letzter Zweifel blieb.


    Nichtsdestotrotz begann Vala zu erzählen. Von Anfang an. Von seiner Geburt nachdem Leif und Alrun herausgefunden hatten, dass sie garkeine Geschwister waren, von Leifs wieder aufflammendem Idealismus im Kampf um eine friedliche Welt Midgards, von der Passion, die seine Eltern für ihr Ziel, den Fall Modoroks und eine neue Ordnung jenseits des Rhenus empfanden, und die Zeit der Not, des Hungers und der Armut durch die sie teilweise gehen mussten um ihr Ziel zu erreichen. Von den Zeiten des Krieges, die so weit von der Grenze entfernt gefochten wurden, dass selbst die gutinformierten Römer nichts über sie wussten, von Verrat und Hinterhalt, von politischen Intrigen und Gegenintrigen, und letztendlich vom Tod seiner Mutter, die in ihrer Not verdorbenes Fleisch gegessen, und vom Sieg über Modorok, den Leif nicht lange überlebte. Und von seiner Zeit bei der Seherin, die ihm prophezeit hatte, die Stellung seines Vaters unter den seinen einzunehmen, um zu führen was zu lange ohne legitime Führung gewesen war, und von seinem Vorhaben, das Erbe seines Vaters anzunehmen, und letztendlich noch zu übertrumpfen...


    "Du wolltest es wissen... du hast es gehört.", schloss Vala die lange Erzählung ab, und sah seine Großtante (:D) abschätzig an, während er den Wein im Becher kreisen ließ..

    "Ich war nicht unvorbereitet.", schloss Vala tonlos und knapp das Kleinsprech seiner Großtante. Es war nicht so, dass er nichts für kleine im Endeffekt sinnlose Gespräche über hatte, schließlich wusste er um die Macht der sozialen Komponente, aber hier roch er einen Braten, der weit darüber hinaus ging.


    "Was kann ich für dich tun, Venusia?", fragte er schließlich gerade heraus, wobei er ihren römischen Namen betonte.

    Etwas verwirrt hatte es Vala schon, als man ihm mitteilte, dass Dagmar, also Venusia, ihn im Kaminzimmer sprechen wollte. Ihre Abreise stand kurz bevor, und er war eigentlich davon ausgegangen, dass sie noch ein paar letzte Worte an ihre Familie richten wollte, doch als er das Kaminzimmer betrat war es leer..


    Also wurde es wohl ein Gespräch unter vier Augen, und Vala fragte sich innerlich, was das wohl bringen sollte. Er ließ sich in einem der Sessel nieder, und ließ den Wein in dem Becher, den er mitgebracht hatte, kreisen während er darauf wartete dass seine Großtante sich zeigte.

    Kulturen, die ungebremst zusammenklatschen. Nichts anderes war das hier, und Vala musste schon fast darüber lachen, würden ihm die bösen und erschrockenen Blicke der Römer nicht auch zu denken geben. Es war schon fast bittere Ironie, der Brautraub stellte für die Römer eine wichtige Zeremonie statt, für die Germanen war es einfach nur ein Verbrechen und eine Barbarei sonder gleichen, dieses Spiel mit dem hölzernen Riesenschwanz rief bei den Germanen Gelächter hervor, und die Römer waren dieses mal diejenigen, die entsetzt reagierten. Was ein Schauspiel...


    Als sich die Brautleute mit den Zeugen zum Vollzug der Ehe zurückzogen, schnappte Vala sich die verbliebenen männlichen Duccii und ging nach draußen, um sich den ersten Humpen Bier zu gönnen.


    "Na dann, die Herren, auf die Brautleute!", hob er den Becher, und sah die anderen erwartungsvoll an..

    Vala stockte, ließ die Unsicherheit aber in einem Schluck Wein verschwinden, während er sich über diese Nachlässigkeit ärgerte. Was soll er jetzt eigentlich sagen? Dagmar hatte ihm gegenüber schon eindringlich darauf aufmerksam gemacht, dass sein Vater im Reich als Verschollen galt, als einer der vielen Soldaten, die auf dem Feld starben und so stark verstümmelt oder einfach nur verschleppt und verscharrt wurden, so dass ihre sterblichen Reste nie gefunden oder identifiziert wurden. Vala hatte ganz vergessen zu fragen, wer der Familie nahe genug stand, um darüber bescheid zu wissen, oder es wert zu sein. Da Balbus allerdings in einer Art und Weise nachhakte, die fehlendes Wissen zeigte, entschloss sich Vala, auch hier die Wahrheit zu unterschlagen, und mit einer ungefährlicheren Version aufzutrumpfen.


    "Ja, ich glaube das war er, wobei er mir nie selbst davon erzählen konnte. Mir wurde allerdings erzählt, dass er nie behauptet hatte, dass die neunte Legion gerettet werden musste.", nahm er den Faden auf, und sponn ihn weiter, "Er schien generell eher bescheiden im Umgang mit den eigenen Leistungen gewesen zu sein, demzufolge was ich über ihn gehört habe."


    Er ließ den Blick über die Hochzeitsgesellschaft schweifen, die aus vielen wohlhabenden und wohlhabenderen Menschen bestand, und die Worte des Brautonkels erschienen ihm irgendwie wie Hohn. Vala ließ sich davon nichts anmerken, rief er sich doch ins Gedächtnis, dass der Zusammenprall der Kulturen oftmals einfach nur auf Missverständnissen basierte.


    "Tatsächlich? Das scheint mir irgendwie unwirklich.. wie soll eine Feier denn noch oppulenter erscheinen können, ohne dekadent zu wirken?"

    Etwas unschlüssig, da sehr spontan hierhergekommen, stand Vala zwischen zwei Tempeln, die er nicht eindeutig zuordnen konnte, und schalt sich selbst für seine Einfalt, einfach mal zu den größeren Tempeln der Stadt zu marschieren, ohne wirklich zu wissen, was genau er jetzt eigentlich vor hatte.


    Beeindruckt war er ja schon irgendwie, immernoch, nachdem er die Tempel schon mehrere Male aufgesucht hatte, um für sich auszumachen welche Entitäten jetzt eigentlich den monumentalen Säulenhallen innewohnten. Was das anging, hatte er wohl vollkommen versagt, und so musste er sich eingestehen, dass er ohne priesterliche Hilfe nicht weiter kam.


    Ein Mann eilte sehr zielstrebig von einem Tempel zum anderen, und Vala entschloss sich, diesen für einen Tempeldiener zu halten. Mit wenigen Schritten hatte er dem Mann den Weg abgeschnitten, und hieß ihn zu warten: "Salve. Ich bin Titus Duccius Vala, und ich möchte Wodan, oder Iupitter ein Opfer darbringen. Allerdings bin ich im Opferzeremoniell der Römer nicht allzu bewandert, was für ein Tier wäre da angemessen?"


    Scharf fixiert und mit sehr forderndem Blick wartete er auf eine Antwort des Mannes.

    "Deudomar? Witssisch, in meener Sipp jaab es och emoi aan Deudomar.", lallte Vala, der kaum mehr einen Gedanken an den anderen ordnen konnte, "Aba midde Elflea hasche Rächt. Datt iss wichlich een hübbsche Wiev, di wir dem Logi verbascht ham. Da kanscht du Schtolz drauf schein!"


    Halbtorkelnd folgte Vala dem Kerl zum nächsten Tisch, und es dauerte eine gute Weile bis er den richtigen Krug gefunden hatte, und so kredenzte er sich und Ragin eine Mischung aus Wein, Bier, Wasser und Met, die er dem Kerl auch sogleich in die Hand drückte.


    "Schum Woll. Aaf de Döchter un Schöne von Woffrigg, unne Stamm vode Rodäwini!!!"

    Und weiter, und weiter, und weiter... Vala stand mit den anderen im Atrium des Hauses seiner Familie, und wartete darauf, dass sich hier endlich was tat. Die Brautleute huschten durch die Casa, um irgendwas zu verstecken, was er nicht wirklich verstand, sich allerdings auch nicht erklären ließ. Man vertrieb sich die Zeit mit belanglosen Gesprächen oder Witzen darüber, ob es jetzt noch fünf, fünzig oder fünfhundert Rituale zu vollführen galt. Dann kamen die Brautleute wieder, und es wurde etwas in die Mitte des Atriums gestellt, das Vala die Augen übergehen ließ. Was war das? Ein Penis. Aus Holz. Ein großer Penis aus Holz. Nein, ein VERDAMMT großer Penis aus Holz.
    "Wer jetzt lacht, fliegt raus.", raunte es durch die Menge, und Vala gab sich größte Mühe, sich das Lachen, das sich unaufhaltsam seinen Weg nach oben bahnte, zu verkneifen.


    Es war eigentlich nicht allzu überraschend, immerhin war der menschliche Dödel den Römern sowas ähnliches wie heilig. Wie sonst sollte man sich erklären, dass man auf dem Markt alle möglichen Arten von kunstvoll dargestellten Genitalien kaufen konnten? Da gab es Pimmel aus Holz, Klöten aus Edelholz, Klöten mit Dödel aus Elfenbein, Doppeldödel aus Marmor, Dreifachdödel ohne Klöten aus Bronze, Vierfachklöten mit zwei Dödeln aus Glas, zwischendurch auch mal eine Vagina, und sowieso alles was sich bei Menschen so zwischen den Beinen herumtrieb. Dennoch war der Anblick der Braut auf einem Riesendödel schon irgendwie abstrakt.


    "Wir sollen nicht lachen? Nach dieser Nummer muss eher die Braut aufpassen, dass sie nicht lacht wenn sie Witjons Teil sieht.", murmelte Vala in die Menge als auch dieses Ritual vollzogen war, und der zotige Witz entlud die aufgestaute Spannung in einem lauten und kaum verhohlenen Massenlachen.

    Das Essen lag schwer im Magen, und Vala hatte das wohl beste Mahl seines Lebens gehabt. Wenige Minuten danach fand man sich in leisen oder weniger leisen Gesprächen zusammen, während Sklaven immernoch den großen Tisch abräumten. Kleinere und größere Gruppen bildeten sich, wobei man größtenteils unter sich blieb, wenige Römer und Germanen taten sich zusammen. Allerdings zeigte die Erfahrung, dass sich dies bei zunehmendem Alkoholgenuss schnell ändern würde, vor allem die Germanen konnten eine schon sehr ausdringliche gute Laune entwickeln. Vala hatte sich abgesetzt, um eine Weile lang die Festgesellschaft zu beobachten, und etwaige Möglichkeiten sich bekannt zu machen zutaxieren. Ein verdienter Beamter der Provinzialregierung aus Gallia war anwesend, dessen Frau sich gerade in Richtung eines Aborts aus dem Staub gemacht hatte, aber Vala schätzte die Gewinnmöglichkeit als zu gering ein, um sie jetzt wahrzunehmen. Eine Gruppe von Kaiservertrauten, die im Schlepptau von Vespa mitgekommen waren sprachen über die Provinz, aber Vala zögerte, das Gespräch konnte zu schnell in eine Richtung abdriften, in der er nicht sicher war, und das war ihm höchst zuwider.
    Dann erblickte er Prudentius Balbus, den Onkel der Braut, der aus welchem Grund auch immer gerade alleine dastand.
    Es dauerte nicht lange, und Vala stand mit zwei Bechern Wein vor dem Familienoberhaupt der Prudentii, und nickte diesem lächelnd zu: "Wenn ich stören darf. Bei all der Arbeit, die du dir hier gemacht hast, darfst auch du nicht zu kurz kommen. Einen Becher Wein vielleicht? Entschuldige, ich habe mich garnicht vorgestellt.", sprach Vala unverbindlich, als wäre er rein zufällig hier vorbeigekommen. Der Prudentius nahm den Wein, und bekam als nächstes Valas Hand entgegengestreckt: "Mein Name ist Titus Duccius Vala, mein Vater war Flavius Duccius Germanicus, soweit ich weiß waren er und du euch bekannt. Eine beeindruckende Hochzeitsfeier, wenn ich das so sagen darf."

    Wochen nachdem Vala ins Reich eingekehrt war, war sein Wissensdurst immernoch nicht gestillt. Morgens, wenn die anderen aufstanden um sich dem Tagewerk zuzuwenden, half Vala ihnen dabei die Hausarbeit auszuführen, die Pferde der Hros auf die große Weide zu führen und in der Hufa nach dem rechten zu schauen, auch wenn die dort lebende Kleinfamilie um den alten Hartwig bisher mehr als verlässlich erschienen war. Als die anderen sich ihren Aufgabenbereichen zuwandten, die außerhalb der Casa lagen, begleitete Vala seine Base Eila in die Schola, verabschiedete sich dort von ihr und vergrub sich wieder in den Büchern.


    In dieser Woche wühlte er sich durch Gesetzestexte. Von den zwölf Tafeln bis zur aktuellen Gesetzesgebung arbeitete er sich durch die Schriftrollen und Tabulae, befasste sich mit der Außenpolitik des Reichs und las sich von den kaiserlichen Dekreten bis zur Exempelhandhabung in den Stadtverwaltungen, ackerte sich durch Rechtsprechung und bekam nach einiger Zeit das dumpfe Gefühl, dass das Recht vor allem den Menschen halt, die sich damit auskannten. Er las von einem Fall, in dem ein kleinerer Beamter einen größeren aus dem Amt drängte, den Anlass dafür gab ein anscheinend zufälliger Unfall, doch je mehr man sich mit dem Fall beschäftigte, desto klarer wurde seine durchgeplante Inszenierung.
    Vala lächelte, das gefiel ihm.


    Die Rechts- und Ratssprechungen, die er in seinem bisherigen Leben mitgemacht hatte, waren ebenfalls nichts anderes gewesen als Interessensvertretungen. Interessen von Mächtigen gegenüber von Wehrlosen, von Wehrlosen gegenüber von Mächtigen. Gesetze gaben der Gesellschaft eine Gestalt, eine Ordnung. Und wenn Vala sich für etwas begeisterte, dann war es Ordnung.
    Er investierte über die Tage mehr Zeit in das Studium von Gesetzestexten und Verhandlungsprotokollen als mit der Literatur, die er nur angeschnitten hatte. Römische Erzählung war nicht das seine, und er hatte sie als weniger wichtig auf später verschoben, er würde sich durch die Zeit damit beschäftigen.


    Die Dynamik, mit der die Römer die ihnen unterworfene Welt mit Gesetzen versah, fesselte Vala so sehr an die Schriftrollen, dass er teilweise vergaß, sich mittags nach draußen zu begeben, um etwas essbares zu sich zu nehmen. Mehreremale wurde er von Eila darauf aufmerksam gemacht, dass man die Bibliothek bald schließen würde, und mehrere Male lief er Gefahr, eingeschlossen zu werden, so sehr fesselte ihn das Wissen, dass langsam aber sicher in seinen Geist sickerte.


    Vala begriff.

    Vala hatte schon bei dem unsäglichen Brautraub bei Callistas und Witjons Hochzeit kein gutes Bild von Landos Autorität über seine Familie gehabt. Er bekam langsam den Eindruck, als wäre Lando schwach. Wobei schwach vielleicht nicht das richtige Wort war, um das auszudrücken. Unwillig war vielleicht angebrachter.. ja, der Familienoberste schien seine Position in etwa so gerne auszufüllen als würde er Latrinen reinigen.
    Was Vala die Arbeit eigentlich nur vereinfachte, immerhin wollte, nein, WÜRDE er in nicht allzu ferner Zukunft diese Sippe führen. Diesem Vorhaben tat es keinen Abbruch, dass die anderen ihm reserviert und eher kühl gegenübertraten. Sie mussten ihn nicht lieben, sie mussten ihm folgen. Und das würden sie..


    Ein neues Beispiel war das einfache Verschwinden Sontjes aus der obligatorischen Abendrunde, die einfach ihren Teller nahm, und sich ohne ein Wort davon machte. Es dauerte eine Weile, bis Lando die Impertinenz wahrnahm, und sich dann auch noch davor drückte, Sontje persönlich zur Rechenschaft zu ziehen, indem er ihren Bruder hinterherschickte. Vala schüttelte langsam den Kopf, und konzentrierte sich scheinbar auf ein Stück Brot mit Trockenfleisch, während er darauf achtete was hier noch so vor sich ging...

    Sontje schnappte sich einfach den Heckenschubser, und Vala schaute erst einmal eine Weile blöd drein, während die beiden sich unter das tanzende Volk begaben. Letztendlich zuckte er mit den Achseln, und sah seinen vormaligen Gegner (Rufus!) fragend an..


    "Wä bisch du eijendlisch? Ik bin Leif, der Sohn von Alrik.. eh... ik meine: Alrik, der Sohn des Leif! Es scheent, als hädde man us um use Rache jebracht. Das iss eine Schmaach, die ich nur in noch mehr Bier ertränken kann, wennu wees watti meine!"

    Vala nahm das Abendmahl recht schweigsam zu sich, und kam nicht umhin, den genervten Blick Landos zu Phelan aufzuschnappen. Was war denn da los? Er würde dem später auf den Grund gehen, und aß weiter schweigend etwas Brot mit altem Käse, als das Thema auf die lokalpolitische Karriere Ragins kam. Hier spitzte Vala die Ohren, schließlich war alles politische von besonderem Interesse für ihn, auch wenn er selbst nichts zu diesem Thema sagen konnte: Informationen konnten nie schaden.


    So kaute er auf einem Stück Brot herum, ließ das Gespräch aber keinen Moment lang aus seinen Ohren...

    Vala hatte den Brautzug argwöhnisch verfolgt. Diese ganze Raubgeschichte wollte ihm nicht aus dem Kopf, und er fragte sich, ob er sich jemals mit dieser komischen Abart des römischen Hochzeitsritus würde abfinden können. Der Zug war letztendlich wieder vollgepropft mit einigen Riten und Einlagen, die Vala allesamt fremd waren, und nach einiger Zeit bereute er schon, keinen Humpen Bier aus der Casa der Prudentii mir rübergenommen zu haben, denn selbst als sie endlich bei der Heimstatt seiner Sippe ankamen galt es wohl noch einige Riten zu beachten.


    "Meine Güte, wieviele Götter und Geister haben die Römer eigentlich, die bei einer Hochzeit bedacht werden müssen?", ächzte er kleinlaut auf, als es eine Weile dauerte, bis sie schließlich eingelassen wurden. Und dann WIEDER aufgehalten wurden, von der Bediensteten des Hauses, dieser Sveija, die den beiden ein Lied auf der Harfe darbrachte. Die Frau hatte definitiv ein gewisses Können an dem Instrument, das musste Vala ihr zugestehen... er hörte es sich mit viel Wohlwollen die Klänge an, und auch sein Durst war für einige Momente verschwunden. Als sie geendet hatte, kehrte Vala, der jedwede Sentimentalität für solche Momente entbehrte, zu seiner gewohnten Denkweise zurück, die sich immer mehr vom eigentlichen Hochzeitsgeschehen zu den im Garten aufgestellten Fässern entfernte.