Beiträge von Titus Duccius Vala

    Mühsam unterdrückte Vala ein Gähnen, während er den versammelten Pontifices der Provinz dabei zusah wie sie ein unglaubliches Theater um eine ohnehin vorbestimmte Entscheidung aufführten. Nun, natürlich war es nur für Vala vorhersehbar, hatte er doch gewisse Mühen nicht gescheut, um am Ende des Tages durch eine gewisse Entscheidung eben nicht überrascht zu werden. Alle anderen wussten das offensichtlich nicht... oder taten so, als würden sie tatsächlich zögern und überlegen welche Entscheidung nun die richtige war.


    Mit zunehmender Zeit fiel es dem Statthalter, der an angebracht prominenter Stelle die Versammlung überwachte, immer schwerer die adäquat interessierte und gespannte Miene zur Schau zu stellen. Jedes Mal wenn einer der Pontifices sich zu Wort meldete, erinnerte Vala sich daran wie sie zuletzt zusammen gesessen hatten, das eine oder andere belanglose Wort gewechselt hatten um schließlich im Schein einer brennenden Öllampe und der einen oder anderen glitzernden Münze schließlich zur Sache kamen. Manchmal war auch einfach nur die Kenntnis über eine ganz bestimmte Information ausschlaggebend genug, was den Vorgang sowohl beschleunigte als auch verbilligte. An der einen oder anderen Stelle rannte Vala auch offene Türen ein, was ebenfalls dazu beitrug, dass die Angelegenheit nicht so teuer wurde wie befürchtet.


    Auslöser des ganzen Tohuwabohus war der (natürlich nicht ganz freiwillige) Wunsch einer ranghohen Person der Provinz, nun endlich in den wohlverdienten und sicherlich herbeigesehnten Ruhestand zu gehen. Die Personalie musste neu besetzt werden... und selbstverständlich gab es viele Aspiranten auf ein nicht unerheblich einflussreiches Amt in der Provinz.
    Nachdem es Monate gedauert hatte, alle Pontifices zu einzuladen (und zu überzeugen), hatte man sich nun vor dem Tempel des Augusts versammelt, ein entsprechendes Opfer dargebracht und schließlich zur Tat getreten.


    Als endlich ein Raunen durch die Reihen der Pontifices ging und der bisherige Flamen als Leiter der Versammlung dem Legatus missmutig zunickte, wurde also endlich die Abstimmung durchgeführt... deren Ergebnis einem mit steinernem Gesicht dasitzenden Statthalter bald verkündet wurde: "Die Pontifices der Provincia Germania Superior empfehlen dem Legatus Augusti Pro Praetore, den Pontifex der Civitas Mogontiacum... Decimus Duccius Verus... zum neuen Flamen Divi Augusti zu ernennen.", tönte der amtierende Flamen nicht ohne Zähneknirschen, während ein Großteil der Pontifices versuchte ein zufrieden-ahnungsloses Gesicht zu machen.


    Vala nickte nur bedächtig und dankte den Pontifices schließlich für ihre Zeit, um sie in einem Nebensatz zu einem Festessen in der Regia einzuladen. Immerhin musste die Moral aufrecht gehalten werden...

    https://c1.staticflickr.com/1/47/108617640_7a1ea15006_m.jpg Eine der Annehmlichkeiten an der Spitze der Provinz war es, selbst im tiefsten Winter noch recht genießbares Obst zur Verfügung zu haben, während der Rest der Bevölkerung seine Vitamine vor allem aus bis zur Unkenntlichkeit Eingemachtem bekam.
    Das machte bei Besuchern, die wenn überhaupt eben jenes Eingemachte genießen konnten, entsprechend Eindruck... weshalb das Obst bei Staatsbesuchen aus dem Osten und auch bei jenen die ländlich in der Provinz wohnten aufgetischt wurde und so zum schmackhaften Propagandamittel reichsrömischer Dominanz mutierte.


    Heute war es, mal wieder, ein Gesandter der Mattiaci. Es war dem Statthalter der Provinz bereits aufgefallen, dass diese Gesandtschaften vor allem im Winter geschickt wurden... wohl um die heimischen Vorräte zu schonen und die offensichtlich Unerschöpflichen der römischen Provinzverwaltung zu plündern.


    Als dem Legaten, gerade in ein eigentlich substanzloses Gespräch mit einem mattiakischen Fürstensohn verstrickt, eingeflüstert wurde, dass ein neuer Tribunus Laticlavius vorstellig wurde, runzelte er zuerst ein wenig die Stirn. Eigentlich hatte er erwartet, dass man ihm derartiges ankündigen würde und er nicht so vor vollendete Tatsachen gestellt würde. Der Abgleich mit der Postverwaltung, die ihm möglicherweise ein Schreiben nicht zugestellt hatte, würde später erfolgen müssen.


    Der Mattiaker wurde, innerlich dankend für die dringend nötige Abwechslung, herauskomplimentiert und der neue Tribun hineinkomplimentiert. Vala selbst hatte den Termin mit dem Germanen im Stehen verbracht, vermied er die Kline nach wie vor wenn es sich gab. So stand er nun mit dem Rücken zur Tür am Fenster, blickte über die Dächer zum Eisschollen treibenden Rhenus und genoss den Rest seines immernoch warmen Gewürzweins.


    "Iulius Avianus." , stellte Vala sich den Neuankömmling gleich selbst vor, nachdem er sich von Sirius die nötigsten Informationen hatte geben lassen, "Man könnte es glatt als Anerkennung des Kaisers für die Provinz betrachten, uns einen derart gebildeten Jungen Mann solcher Herkunft zu schicken. Sei gegrüßt."

    http://www.kulueke.net/pics/ir…/f-roemer-soldaten/23.jpg Es war tatsächlich ein recht milder Tag als der Iulius sich der Regia näherte, wenn man bedachte dass man sich hier in Germania befand... im tiefsten Winter.
    Die Soldaten der Pedites Singulares, die heuer Dienst schoben, hatten sich dementsprechend gefühlte meterdick in Wolle gepackt. Nur wenn sich Besucher näherten (an einem gerichtsfreien Tag waren das den Göttern sei dank nicht allzu viele) warf man den Mantel um und ließ die repräsentative Rüstung der Leibgarde des Legaten funkeln.


    "Salve..", knurrte einer der Soldaten als einer der Sklaven des Herrn vortrat um seinen Dominus anzumelden, "...wen haben wir denn da?"

    "Weil sie das schon lange tun." , zuckte Vala mit den Schultern, nachdem er dem Drang nachgegeben hatte erleichtert zu seufzen ob der nunschlussendlich gekommen Einsicht seines Vetters, "Jeder Funktionär im Cultus, je höher er steht, sollte wissen was mit seinen Aufgaben mit sich kommt... und ich meine damit nicht nur die Pflege des offiziellen Ritus und des damit einhergehenden Rattenschwanzes.


    Stell dir folgende Lage vor: Civitas XY möchte eine Brücke über Fluss Z bauen. Es hängt verdammt... VERDAMMT viel Geld davon ab, immerhin wäre sie dann in der Lage die Handelsrute, die bisher ihre Civitas umgeht, direkt durch ihren Ort zu leiten. Ein unheimlicher Gewinn für die Civitas, deren Bürger und deren Elite. Allen ist klar: zur Beruhigung des gläubigen Pöbels und des eigenen Gewissens braucht es ein Opfer und eine Befragung des Flussgotts, ob ihm denn das Projekt von XY recht ist.
    Es wird ein Tier ausgesucht, die Vorbereitungen getroffen et cetera et cetera. Aber das Tier ist krank... nicht äußerlich, doch von innerem Siechtum deutlich betroffen. Egal was passiert: die Innereien sind verdorben. Das Opfer kann nicht gelingen und die Götter werden das Projekt also ablehnen. Theoretisch. Ob man es jetzt göttlichen Willen nennt oder Zufall, dass gerade dieses Tier ausgesucht wurde ist vollkommen egal. Ich muss zugeben solch theologische Fragen nicht ausreichend beantworten zu können. Fakt ist: das die Beschau wird, muss sogar scheitern.
    Die Frage die sich dem Pontifex nun stellt ist: zieht er das Ding durch, wie es öffentlich verlautbart oder gelehrt wird... oder zieht er die großen Interessen der Civitas, der ganzen Region in Betracht?


    Ein durch und durch religiöser Pontifex wird nicht anders können als das 'Zeichen' als solches anzunehmen und dadurch seine Civitas und seine Familie auf Dauer zum Fortbestand als unbedeutendes Provinznest zu verdammen. Ein... um gewisse Diskrepanzen wissender Pontifex wird das möglicherweise nicht und damit den Weg frei machen für Fortschritt und Wohlstand.


    Um es noch deutlicher zu sagen: ich habe beides mitbekommen. Religiöse Eiferer, die gleich am kleinsten Pickel ein Zeichen der Götter feststellen wollten und verkappte Nihilisten, die den göttlichen Willen so bogen wie man ihn brauchte. Ich ziehe definitiv letztere vor... wobei bei jenen die, die aus politischer Weitsicht agieren mir deutlich lieber sind als jene, die nach dem schnöden Mammon entscheiden. Ich kann dir sagen: staatstragende Opfer haben die Angewohnheit echt teuer zu werden.


    Lange Rede kurzer Sinn: religiöse Eiferer kommen meist nicht weit und werden von den Männern in Verantwortung in Positionen abgeschoben in denen sie keinen Schaden anrichten können. In Anbetracht dessen bin ich schon ziemlich verwundert, dass das hier in Mogontiacum so lange mit Vollpfosten wie dir funktioniert hat." , schmunzelte Vala während er den Posca im Glas kreisen ließ. Wäre der Mann nicht so wichtig, wäre Vala schon etwas mehr als amüsiert über seine Blauäugigkeit.

    "Ein bischen... zurückhaltend.... meinst du nicht?" , versuchte Vala sich in blumenhafter Ausdrucksweise, verwarf das aber als er beim Blick von den Schriftstücken hoch gewahr wurde, dass da Licinus da vor ihm saß und keine der empfindlichen Decuriones aus einer der wichtigeren Civitates, "Man könnte es uns als Schwäche auslegen, bei handfesten Auseinandersetzungen nicht gleich unseren Machtanspruch im Niemandsland jenseits des Limes durchzusetzen."

    Man konnte durchaus behaupten, dass Vala zufrieden mit der Arbeit seiner Praefecti war. Sehr sogar, war es doch nicht übertrieben zu behaupten, dass die mogontinischen Stammeinheiten liefen wie geschmiert. Zwar konnte man durchaus frotzeln, dass seine eigene Aufgabe mehr denn je aus Abnicken und Abwinken bestand - das höchste der Interventionsgefühle war schon eine leichte Kurskorrektur die er durch die Blume von sich gab - aber was größeres konnte es für einen Repräsentanten eines Staates geben, dessen Kernstärke im Aufteilen und Delegieren von Kompetenzen bestand.


    Heute also, als einer der doch etwas rar gewordenen öffentlichen Auftritte Valas, war eine Abschlussprüfung der Tirones gleich beider Einheiten (großartige Idee) als öffentliche Schauübung (genial!). Um die Übung, die ja Sinnbild militärischer Disziplin und Ordnung darstellen sollte, nicht durch eine für ihn so typische Verspätung zu konterkarieren hatte der Statthalter der Provinz sich kurzum entschlossen seinen Hofstand auf den Campus zu verlegen und bereits vor dem Einlass der Öffentlichkeit Hof zu halten und die üblichen Gespräche zu führen. Umgeben von der üblichen Wolke an Sekretären und Leibwächtern (deutlich reduziert heute, da theoretisch umgeben von mehr als fünftausend dieser Sorte) tat Vala so als hätte er tatsächlich mehr als ein offenes Ohr für die Belange einer Delegation aus dem Südostprovinzialen Niemandsland. Nicken, Nicken, Kopfschütteln, aufmunternd brummen, missfällig brummen, wieder nicken.


    Und dafür hatte er studiert.

    "Ja, die Berichte sind bekannt..." , murmelte Vala, der den Blick auf ein paar Schriftstücke gesenkt hatte während sein Praefectus ihm berichtete. Allein der Vorschlag gewisser Reaktionen auf die Berichte war neu, wenngleich nicht besonders originell, weshalb Vala sich noch einmal über das Stück Papier hinwegschielend versicherte: "Nur eine Verstärkung der Limeskastelle? Was wäre euer zweiter Schritt?"

    "Na, muss ich das wirklich erklären müssen?" , runzelte Vala ungläubig die Stirn, "Ein Pontifex, der felsenfest an die Götter glaubt, lässt dem Zufall damit freie Wahl. Glaubst du wirklich, ich hätte ein Heer von zwanzigtausend Soldaten der körperlichen Verfassung eines Tiers anvertraut? Den Kampfesmut, der über Gedeih und Verderb in Roma und damit im Reich entschied? Die geschlagenen Soldaten des Vescularius erzählten nach der Schlacht, ihr großes Opfer sei ebenfalls durch Mars angenommen worden und er hätte ihnen den Sieg versprochen. Klingelt da nun etwas?" , legte der Statthalter dar und verschaffte sich mit einem Schluck kühlen Nasses Zeit, um seinen Worten die richtige Tragweite zu geben. Er musste zugeben, leicht beeindruckt zu sein von der Blauäugigkeit mit der sein Vetter es offensichtlich bis zum Pontifex gebracht hatte. Aber wenn er einen Nutzen für Vala haben sollte, muss sich daran etwas ändern... und das schnell. Die Zeit drängte - nicht nur im übertragenen Sinne.


    "Ein Pontifex der sich nicht abgehoben in den Deutungen irgendwelcher Naturzeichen ergibt und in Sphären denkt, die die Dringlichkeit der aktuellen Situation und der Politik vollkommen außer acht lassen... solch ein Pontifex kann eher schaden als dass er hilft. Wenn du nun also sagst, du hättest den Glauben an die Götter verloren, ist das für mich eher eine gute als eine schlechte Nachricht... von der Ursache mal abgesehen."

    "...", verzog Vala eine deutliche Miene, als sein Vetter sich... erneut... im Ton vergriff. Allein der Tatsache war es geschuldet, dass sein Vetter derart so neben sich stand, dass Vala so unwidersprochen mit sich reden ließ. Allerdings fiel es ihm ohnehin schwer Groll zu empfinden, immerhin gallopierte Phelan mit Schwung in eine Erklärung, die den Legaten vollkommen ratlos zurückließ. Ratlos vor allem, weil die Erklärung über den vetteresquen Zustand keinerlei Sinn ergab.


    "Wenn selbst ein Pontifex Probleme hat, die Willfährigkeit der Götter zu erklären, wie soll ich es dann können?", zuckte Vala etwas ratlos mit den Schultern, versuchte sich dann aber auf anderem Wege an der Sache.
    "Gehen wir also davon aus, dass das Do ut Des derart drastisch effizient funktioniert, dass wir für jede Gabe der Götter etwas zurückbekommen. Demzufolge wäre wohl jeder Mann ein König, würde keinen Hunger leiden und jede Frau würde in größtem Wohlstand schwelgen und sich zudem nicht mit den Strapazen der Kinderkriegerei herumplagen müssen. Jeder Pontifex, übrigens auch ein recht junger Phelan Gunnarson, würde mir jetzt den Wankelmut der Götter, ihre unergründlichen Motive und die generelle Unverbindlichkeit des Götterskults entgegenwerfen. Allerdings habe auch ich dahingehend genug gesehen um zumindest tiefgreifend skeptisch zu sein. Bei den meisten Staatsakten in Rom, an denen ich beteiligt war und die mit dem Götterkult verbunden waren, war das Ergebnis vorher schon abgesprochen und klargemacht... ich unterstelle, es bei allen anderen einfach nicht mitbekommen zu haben.


    Was also ist das Resultat für dich? Streite die Existenz der Götter ab so sehr du willst... rede dir ein, deine Worte in den Wind gesprochen zu haben und letztlich Opfer nur für die Ängste der Leichtgläubigen und die Mägen der Hungernden dargebracht zu haben: der Effekt bleibt derselbe.
    Deine Frau ist tot und Asche. Dein Sohn ist es nicht. Gibt es nur die Welt der Menschen, bleibt das Resultat dasselbe: wir sind mit einem klaren Auftrag geboren... und gerade wir sind zur Größe verpflichtet. Was also kann man mit einem Pontifex erreichen, der nicht mehr an die Götter glaubt? Ich sage: mehr als mit einem, der es tut."

    Spät, aber nicht zu spät erreichte das statthalterliche Paar die Casa Helvetia. Wie so oft war der Terminplan des Vertreters des Kaiser in der Provinz vollgestopft mit Terminen... und der vorangegangene war derart hartnäckig, dass Vala den Mann schon fast unmissverständlich schroff daran zu erinnern hatte, dass er nicht der einzige Mann auf Erden war, der der Aufmerksamkeit des Statthalters bedurfte. So kam es, dass ausnahmsweise Vala später präsentabel hergerichtet war als seine Gattin und diese eben ein paar Minuten auf ihren Gatten hatte warten müssen.
    Als sie die Casa erreichten wurden sie gleich zum Ort des Geschehens geleitet, wo sich offensichtlich gerade der zeremonielle Teil abzuspielen gedachte. Um nicht auch noch hier für Verzögerungen zu sorgen hielten sich die beiden betont im Hintergrund und beobachteten das Geschehen aus einer ihrem Status eigentlich ganz und garnicht entsprechenden Reihe. Nichtsdestotrotz: sie waren hier. Auch dem Statthalter ging eben nichts über die Familie. Selbst wenn er insgeheim gehofft hatte, dass es zu diesem Moment eben nicht käme und die für ihn nach wie vor himmelschreiend unvorteilhafte Ehe quasi von selbst erledigte, um Runa eben doch noch standesgemäß zu verheiraten. Aber dieser 'Erfolg' war ihm nicht vergönnt und die Ehe folgerichtig vollzogen und mit Nachwuchs besegnet... was die Sachlage für Vala vollkommen änderte. Um diesem Sprössling der Familie ein standesgemäßes Fortkommen zu ermöglichen, musste der Makel der Standlosigkeit des Vaters beseitigt werden. Was die Karriereplanung des Helvetius quasi zwangsläufig zu etwas machte, dem auch Vala seine Aufmerksamkeit schenken musste.


    All das ging Vala durch den Kopf während der Lebenssegen und die Namensgebung vonstatten gingen.. und so tief war er in seinen Gedanken verfasst, dass er beinahe nicht mitbekommen hatte, wie der Bub denn nun heißen sollte. Erst glaubte er sich verhört zu haben, doch dann wurde ihm klar, dass er das eben nicht hatte. Der Junge sollte Leif heißen?
    Innerlich ging Vala die überschaubare Ahnenreihe ihrer Familie durch, konnte sich beim besten Willen aber nicht an einen Mann namens 'Leif' in der direkten Linie der Duccii Audaodensi erinnern. Oder daran, ob man ihm zumindest eine schriftliche Bitte hatte zukommen lassen. Aber nichts dergleichen: mit wachsender Irritation im Blick suchte Vala vor allem den Blick des Mannes, den er für diese... gelinde gesagt... spezielle Namenswahl verantwortlich machte: Phelan.
    Hatte er ausgeheckt, dass sein Enkel den germanischen Namen des Flavius Duccius Germanicus, SEINES Vaters bekommen sollte? War das ein schlechter Witz? Eine kalkulierte Frechheit?
    Selbst wenn Vala nicht vorhatte seinen Sohn, den zu zeugen gedachte, dem Namen seines Vaters zu geben, das hier war in Sachen Familientradition ein halber Affront... nein, ein ganzer.

    Es dauerte den gewissen einen Moment, bevor man die Tiberia und Vala in Empfang nahm und sie grüßte. Mit einem belustigten Schmunzeln hatte Vala zur Kenntnis genommen, dass es sich dabei um den Helvetius handelte. Der Kerl hatte definitiv Chuzpe.
    Ein paar nette Worte gewechselt, tauchten schließlich auch die Duumvirn auf und der offizielle Teil begann quasi augenblicklich. Den Kopf leicht gesenkt verfolgte Vala mit fortgeführtem Schmunzeln die Rede vor der Elite der Civitas, verdrehte bei der Erwähnung seines Status als Kriegsheld gespielt die Augen und nickte schließlich, als es darum ging nun selbst ein paar Worte zu verlauten.


    "Werte Duumviri, geschätzte Decuriones... Bürger Mogontiacums.", begann Vala seine Rede, die er nicht großartig vorbereitet hatte, immerhin hatte er derartige Reden schon oft genug gehalten und heuer ging es ja nun auch nicht um eine Wahl... nur um den ersten Eindruck, und den formte man am besten aus der Hüfte und nicht tagelang einstudiert, "Es mag als klischeehafte Hülle erscheinen, wenn ein Politiker aus Rom die Bürger dieser Stadt aus vollem Munde lobt, aber ich komme doch nicht drumrum zu sagen: ihr könnt euch nicht vorstellen wie lange ich auf diesen Moment hingearbeitet habe. Jahrelang habe ich in Rom gewirkt, ich habe das Reich an vielen Orten gesehen... und selbst das großartige Alexandria mit seinen Wundern konnte mich nicht derart beeindrucken, dass ich meine Heimat vergaß. Nun stehe ich hier vor euch und sehe mich am Ziel dessen, auf das ich jahrelang hingearbeitet habe. Ich kann nicht in Worte fassen, wie stolz es mich macht nach all der Zeit in Rom endlich auf meine Zeit hier in meiner Heimat zu blicken. Eine Zeit, die natürlich ebenso viel Arbeit bedeuten wird... aber nirgends geht einem die Arbeit leichter von der Hand als daheim.


    Kurzum: die Ehre liegt also ganz auf meiner Seite und ich freue mich darauf mit euch zusammenarbeiten, um die Frieden und Prosperität unserer Provinz zu erhalten und auch zu mehren."

    Von kurzen Gesprächen mit Witjon hatte Vala bereits eine gewisse Ahnung, was ihn da als Antwort erwartete. Die tiefgreifende Desillusionierung jetzt aber in Wort und Miene dargeboten zu bekommen war ein ganz anderes Kaliber.
    Mit ernstem Blick strich Vala sich nachdenklich durch seinen Bart und verbat sich selbst jede Regung, auch wenn ihn das gehörte zutiefst beunruhigte. Vor allem, weil alle guten Ratschläge sich von vorneherein als Klischees entpuppen würden.Und weil Vala insgeheim das Verständnis für diesen Hader fehlte. Frauen starben bei Geburten. So war das nunmal... Männer brachten sich im Kriege um oder durch persönliche Dummheit und die für die Weiber stellte nunmal jede Geburt einen Tanz auf der Klinge dar. Aber offensichtlich hatte zwischen Phelan und der Calventia das geherrscht, das man Liebe nannte und welches Familienpolitik enorm verkomplizieren konnte.
    Hier saß nun also einer der provinzweit renommiertesten und prestigeträchtigsten Goden vor ihm und schwadronierte darüber, dass es die Götter nicht gab. Wie ein Teenager, der aufgrund einer verlorenen Liebschaft oder einer persönlichen Niederlage gleich die ganze Welt in Frage stellte. Früher hätte Vala dem Mann einfach den Kopf gewaschen und ihm geboten sich zusammenzureißen, allerdings... nun, die Lage war nicht diesselbe wie früher. Er brauchte den Mann. Möglichst so, dass dieser ihn nicht hasste. Also wurde hier das verlangt, das nicht gerade zu seinen Spezialitäten gehörte: Fingerspitzengefühl.


    "...", zögerte er einen Moment, schließlich galt es die richtigen Worte zu finden und offenbarte in der Folge, was er unter Fingerspitzengefühl verstand, "...und selbst wenn. Was würde das ändern? Ob deine Frau jetzt durch göttlichen Willen ins Elysium gerufen wurde oder aus einer seltsamen Laune der Natur... das Ergebnis bleibt für DICH dasselbe. Alle anderen mögen sich ihre Erklärungen und Trauermethoden herbeiholen, um damit fertig zu werden. Wenn du tatsächlich so denkst bleibt für dich aber nur eine Sache, und das ist die Tatsache wie es nunmal ist. Bist du wütend auf die Götter, oder streitest du ihre Existenz ab? Tut mir leid, wenn ich so deutlich werde... aber das widerspricht sich. Was bleibt... Wut, oder Leere"

    "Das bedeutet, dass du meiner Frau sehr gerne diesen Vorschlag unterbreiten darfst." , parlierte Vala mit wachsender Belustigung über die Vorstellung, seine Frau im Hause einem Haufen Kinder hinterherrauschen zu sehen. Dass er an Lucias statt natürlich nicht zusagen konnte verstand sich von selbst, dann wäre der nächste Beziehungsstress vorprogrammiert. Da es im Moment aber größere Baustellen gab, sparte er sich die Provokation größeren Theaters und überließ das seinem Vetter. Da dieser allerdings freiwillig vor ihm saß, konnte Vala auch gleich etwas ansprechen, das ihm schon länger im Hinterkopf rumspukte.


    "Also genug von Kindern und Frauen. Lass mich nach dir fragen... wie geht es dir?", wählte Vala einen Umweg, den er für die nettere Variante hielt als direkt mit der Tür ins Haus zu fallen. Immerhin war auch ihm nicht verborgen geblieben, dass sein Vetter durch den Tod seiner Frau seit einiger Zeit etwas derangiert war.

    Es kam nicht oft vor, dass Vala an den allabendlichen Abendmahlen seiner Familie teilnahm, aber es kam vor. Meistens dann, wenn er sich seiner eigenen Legion widmete bekam er abends eine oder zwei Stunden, um dann auch mal seiner Familie Aufmerksamkeit zu schenken.
    So auch an diesem Abend, an dem Vala in der von jedem Feldherrentand befreiten Soldatentunika aus grober Wolle mittem im Rest saß, das Gebet pflichtschuldig mitsprechend und sich danach einen der kleinen Tiegel mit Essig griff, um etwas auf seinen Teller mit dem gebrochenen Brot und dem Schafskäse aus offensichtlich hiesiger Produktion zu träufeln.
    Es war ein anstrengender Tag und so wanderte der erste Bissen in den statthalterlichen Mund bevor Witjons Weib auch nur den ihren aufmachen konnte. Als es dann soweit war und die frohe Botschaft in seinem Geist auf Verständnis traf, zog er pflichtschuldig seine Mundwinkel nach oben und klopfte anerkennend mit der Faust auf den Tisch. Allzu große Glückwünsche waren seiner Meinung nach nicht angebracht... immerhin war eine Schwangerschaft nicht unüblich und ob fehlender Verhütungsmittel quasi Standard. Ebenso erfreulich, dafür aber auch beglückwünschenswert war eine für sowohl Kind als auch Mutter verlaufene Geburt.

    "Wohlauf.", erwiderte Vala den Schlachtruf seines Vetters und beließ gleichzeitig die Spitze seines anderen unbeantwortet. Es gab durchaus unterschiedliche Ansichten, wer sich beim ersten Aufeinandertreffen wie holprig verhalten hatte... aber da dies der Moment sein sollte, um eben diese Wogen... egal von wem verursacht, auszugleichen, sah er von einem Aufnehmen eines neuerlichen Streits ab. Es würde ihn nicht weiterbringen, wenn er seinem Vetter das ihm zustehende Recht in den Schlund stopfte.


    Er griff sich ebenso einen der Speere, dessen Holz kalt in der Hand lag, gab seinem Pferd die nicht vorhandenen Sporen und lenkte es, dem Hinweis einer der Diener folgend, einen flachen Hügel hinauf in den Wald hinein.


    "Ein Jammer, dass man derartiges in Italia nicht veranstaltet. Die hohen Herren wissen eine zünftige Jagd offensichtlich nicht zu schätzen...", rief Vala seinen Vettern zu, als diese ihm folgten, "Was allerdings wohl auch nicht das einzige ist.

    Zitat

    Original von Aulus Iunius Seneca


    "Wie du sicherlich weißt hatte sich Seiana schon einige Zeit vor unserer Hochzeit in die Albaner Berge zurückgezogen. Raus aus Rom." begann der Iunier sein Plädoyer und fuhr fort, "Da sie mir hierher gefolgt ist, auch mit Silana, hielte ich es nur für richtig ihr auch hier die Ruhe und das Umfeld bieten zu können welches sie in Albanus Mons zu schätzen gelernt hat."



    "Hah. Du tust deinem Dienstort große Ehre, wenn du die Albaner Berge mit dem Umland Mogontiacums vergleichst. Offensichtlich liegt noch nicht genug Schnee um dich eines besseren zu belehren... oder noch nicht lange genug.", grinste Vala schief, hatte der schlechte Ruf der Provinz bei luxusverwöhnten Römern der Oberschicht, zu denen die Decimi Decimiani sicherlich gehörten, doch seinen Grund. Für die Germanen und die hiesige Bevölkerung war das, was die Römer in der Provinz aufgezogen hatten durchaus ein blanker Beweis römischer Macht. Für die Römer waren es mehrere Tropfen auf einen sehr kalten Stein, die Provinz weniger unangenehm zu machen.


    "Aber ich will dich nicht zu lange binden, immerhin hast du noch andere Gäste, die deiner Aufmerksamkeit bedürfen.", nickte er schließlich in Richtung der im Anwesen verteilten Gästeschar... und meinte eigentlich doch nur sich selbst, der er schon mehrere wartende Blicke der begrüßungswilligen Gäste ausgemacht hatte.

    Das Spiel war unverdrossen weiter gegangen, die kleine Duccia spielte im Arm ihres Vaters mit wachsender Begeisterung im Schnee und zog ersteren durchaus in Mitleidenschaft. Als die Mutter der Kleinen schließlich auftauchte sah Vala dank der Kreativität seiner Tochter aus wie ein Mensch aus der Eishölle: Schnee in Bart und Haaren.
    An der Nase war die Kleine gescheitert, weil die Schneekugeln, die sie sich in ihren kleinen Händen formte, zu groß für die Nasenlöcher waren. Allerdings hatte sie kurz darauf durchaus gecheckt, dass es durchaus in ihrem Vermögen lag, den Ursprung der dampfenden Atemwolke mit Schnee zu blockieren. Vala hatte Schnee im Mund bevor er auch nur ein Wort der Warnung von sich geben konnte.


    "Waffn?", war dementsprechend die wenig eloquente Reaktion, als hinter ihm ein nur allzu bekannter Fluch erklang und er sich samt Nachwuchs zu seiner Frau umdrehte.