Beiträge von Titus Duccius Vala

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    Original von Narrator Germaniae


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    Original von Marcus Iulius Licinus


    Interessiert lauschte Vala den Ausführungen des Anklägers und überlegte, ob der Scribonius nun ein besserer Ankläger denn Verteidiger war. Zumindest zählte Vala diese Eröffnungsrede zu den besseren des Advocatus, den er nun schon das eine oder andere Mal in Aktion erleben hatte dürfen... nicht immer zum Erfolg des Scribonius, aber oft genug um ihm einen entsprechenden Ruf in der Provinz zu sichern. Dass er nicht billig war, war ebenso bekannt... und Vala fragte sich, was die Peregrina wohl getan hatte, um sich solch schlagkräftiger Hilfe zu versichern. Dann rief der Scribonius seinen Festungspraefekten als Zeugen auf und Vala starrte einen Moment ins Leere, um sein Gedächtnis auf Touren zu bringen. Hatten seine Speculatores bei ihren Routineberichten nicht erwähnt, dass der Iulius sich öfter als für Unverheiratete gehörig mit einer Frau aus der Civitas traf? Konnte das sein? Allerdings: machte das überhaupt einen Unterschied? Nein, machte es nicht, gestand Vala sich einen Moment später, verzog eine Miene der Unbill und deutete einem der Wächter des Angeklagten in knapper Geste, diesen endlich zum Schweigen zu bringen. Es dauerte seinen Moment, aber schließlich hatte der Angeklagte ein dreckiges Tuch im Maul. Vala ging nicht davon aus, dass die Wachen sich die Mühe gemacht hatten etwas sauberes zum Knebeln zu finden.
    Der Grund für den neuerlichen Aufruhr des Delinquenten wurde ihm einen Moment später ins Ohr geflüstert.. und Vala zog kritisch eine Augenbraue hoch, als man ihm sagte die Klägerin hätte den Raum verlassen, um zu helfen. "Hinterher." , ließ Vala einen Soldaten wissen, der sich standepede auf den Weg machte, um bei Susina Alpina zu bleiben. Der ganze Prozess würde platzen, würde man sie herauslocken und ihr dort etwas antun. Mal ganz davon abgesehen was für ein Maleur es wäre, wenn das in seiner Regia geschähe.


    "Iulius, die halbe Provinz kennt dich." , versuchte Vala sich mit lässigem Flax von seinen Sorgen um die Prozessführung abzulenken, als einer der wichtigsten Militäroffiziere der Provinz sich vorstellte, als wäre er ein Niemand aus der Masse, "Und die andere Hälfte hat zumindest von dir gehört. Bitte berichte, was du zu berichten hast."

    "Wer sind denn 'wir'??" , fragte Vala, der selbst als Legat die Fähigkeit nicht verloren hatte, aus dem Nichts aufzutauchen. Vor allem, wenn sich alle Augen auf ein paar arme Hunde richteten, die an Kreuze geschlagen wurden. So war er hinter der Masse mit einer handvoll Singulares in betont unauffälligem Ornat hergeritten, hatte zuerst den Praefekten der Reiterei, dann Witjon und schließlich seine Nichte erspäht und sich mehr oder minder sanft Zugang zu diesen verschaffen lassen.
    "'Uns' gibt es nicht, Runa." , beantwortete Vala seine eigene Frage vor Runa und zeigte im Tonfall deutlich, dass es ihn schon ziemlich nervte so ein Gerede gerade in seiner Familie zu erleben. Vor allem, da diese sinnbildlich dafür stand, dass es niemals ein 'wir' und ein 'sie' gegeben hatte, "Einen halben Tagesmarsch im Westen beten sie zu anderen Göttern als einen halben Tagesmarsch in den anderen Richtungen. Wenn du zwei Tage in den Osten reitest, sprechen sie nicht einmal mehr dieselbe Sprache wie auf der mogontinischen Seite des Rhenus. Aber so weit muss man nicht einmal mehr gehen.. wie lange hält die Pax Romana hier bereits an? Wie lange ist Divus Iulius bereits tot? Fast zweihundertfünfzig Jahre. Kein einziger der Menschen in der Provinz kann sich daran erinnern wie es zuvor gewesen ist... aber sie bekommen einen leisen Geschmack dessen, indem solche Sachen geschehen wie durch jene Narren, die hier ans Kreuz geschlagen werden: Mord und Totschlag. Zwischen Stamm X und Y, manchmal auch Z. Aber vielleicht ist das schon zu groß gedacht... vielleicht reichte schon eine Fehde zwischen Sippe XY und YX dazu. Diese Narren hier sind jedoch so einfältig vorgegangen, dass sie von ihrem eigenen Stamm dazu verurteilt wurden." , höhnte der Statthalter in Richtung der Gekreuzigten und machte dadurch deutlich, wie befremdlich er das Vorgehen jenes Stammes hielt und wie suspekt es ihm war, "Alles, was die Milites Romani hier also machen dürfen ist das zu vollenden, wozu der eigene Stamm dieser Narren sie verdammt hat." , rümpfte der Statthalter die Nase, als er den Widerspruch in der Aufregung gewisser Menschen deutlich machte.
    "Und um es noch einmal ganz deutlich zu machen: die Haine, die Gottesbäume... dafür interessiert sich Rom nicht. Nicht im geringsten. Meinst du, sonst gäbe es nach zweihundertfünzig Jahren römischer Herrschaft noch einen einzigen Gottesbaum, noch einen einzigen Godenhain hier in der Provinz? Nein, sicherlich nicht.
    Alles, wofür Rom sich interessiert ist Recht, Ordnung, Sicherheit und Steuern. Diese Sippe hier, die hier ans Kreuz geschlagen wird hat genau dagegen verstoßen.. Recht und Ordnung der römischen Provinz. Sie haben die Sicherheit der Bewohner der Provinz gefährdet. Und sogar die Stämme erkennen dies an, sonst würden diese Narren hier jetzt nicht hängen. Das hat mit 'wir' gegen 'die' nichts zu tun. Dies hier ist nichts anderes als ein Beispiel von Recht und Ordnung... in einer harten, aber unmissverständlichen Form. Wir werden dies nicht Kindsköpfen opfern, die glauben eine Mutprobe beweisen zu müssen."
    , schließlich waren die meisten Überfälle auf das römische Reich nichts anderes: Mutproben von jungen Männern, die damit beweisen wollten, dass sie die größten waren.


    "Wenn es Runhild gewesen wäre..." , sprach Vala schlussendlich doch noch das Thema mit der Seherin an, das ihm immernoch äußerste Bauchschmerzen bereitete und dafür gesorgt hatte, dass er dem Forum ferngeblieben war, "...dann stünden wir nicht hier, sondern hätten alle Hände damit zu tun den brennenden Limes zu halten." Runhild, die Vala in Jugendtagen tatsächlich noch genauso wie Witjon erlebt hatte, war eine ganz andere Sache gewesen. Eine der wenigen Instanzen, auf die so ziemlich alle Stämme wenn nicht gehört, sich so zumindest nicht widersetzt hatten. Alleine der Gedanke an die Frau ließ den mächtigsten Mann der Provinz schaudern.

    Es war betont ungezwungenes Geplapper, durch welches sich Vala die Zeit vertrieb während er und der wie erwartet deutlich schnellere Praefectus Alae auf den wie ebenfalls erwartet deutlich langsameren Praefectus Castrorum warteten. Das Geplapper war natürlich nicht so ungezwungen, um in einem niedergebrannten Dorf nicht zwangsläufig den Eindruck zu erwecken, dass etwas im Busch wäre. Dafür war der Iunius sicherlich intelligent genug, um zu verstehen, dass hier eigentlich so rein garnichts stimmte.
    "Iulius, danke für dein Kommen." , flötete Vala mit ungezwungener Miene und winkte nur lässig ab, als der wichtigste Offizier seiner Hauseinheit Haltung annahm, "Folgt mir." , sprach Vala und führte sein Pferd und damit die beiden Offiziere zu den glimmenden Resten des Langhauses, in welchem wohl das Sippenoberhaupt mit seiner Familie gelebt hatte. Zwischen den verkohlten Stümpfen des Eingangstors ließ er sein Pferd halten und wandte sich zu seinen beiden Offizieren um: "Meine Herren... dies war wohl das Langhaus des Sippenoberhaupts. Hier schliefen er und seine Familie, trafen sich allerdings auch die wichtigsten Männer der Sippe und des Dorfs. Hier wurde wohl beschlossen, den Limes zu überfallen und sogar so etwas wie organisierten Widerstand zu leisten." , sprach Vala, als würde er den Wetterbericht vorlesen, nur um schließlich deutlich ernster die Frage in den nicht mehr vorhandenen Raum zu stellen: "Meine Herren, wollen wir einen Krieg?"

    Eigentlich war die zweite Funktionsreise des Statthalters durch seine Provinz für den westlichen Teil der Provinz vorgesehen gewesen, über Bingium gen Süden am Rhenus entlang nach Argentorate. Allerdings hatten gewisse Militäraktionen eine Umplanung nötig gemacht, weshalb der dritte Regierungstrip am nördlichen Teil des Limes entlang kurzerhand zum zweiten und anders herum gemacht wurde. Gemüter beruhigen, nervöse Siedler und Würdenträger besänftigen und sowieso alles bloß so dastehen lassen, als hätte man alles unter Kontrolle.
    Die Jahre als Politiker hatten Valas Mimik natürlich eine durchtrainierte Routine mitbekommen, die ihn hier im Kreise der Obrigkeit Nidas sitzen ließ, als wäre alles nur eine klitzekleine Krise der interlimitischen Diplomatie und eigentlich nicht weiter nennenswert. So blieb es ihm erspart zu erklären, warum ihm das auch die eine oder andere Sorge machte... vor allem, weil seine Soldaten mal eben eine Seherin hatten mitgehen lassen. Alleine beim Gedanken daran stellten sich Valas Nackenhaare auf. So skeptisch er dem Kollektivurteil der umgebenden Sippen des vernichteten Dorfs gegenüberstand, desto klarer war ihm, was ihm hier ins Haus stehen konnte: ein handfester Kriegsgrund.
    Gerade als er einen Moment ungezwungenerer Themen genoss, ließ ihn ein Diener wissen, dass der neue Tribunus Laticlavius angekommen war. Vala blickte der Ankunft des Flavius mit gemischten Gefühlen entgegen... sein Vater war eine der größten Baustellen seiner politischen Laufbahn für ihn gewesen. Jetzt, Jahre später, musste Vala sich eingestehen, dass diese Baustelle unvollendet geblieben war und er sich am prinzipientreuen Flavius (der damit der diametrale Gegenentwurf zum opportunistischen Pragmatiker Vala war) die Zähne ausgebissen hatte.
    "Meine Herren, darf ich euch vorstellen..." , sprach Vala zur vor ihm niederklinierten handvoll und kulturell bunt gemischter nidaescher Ehrenmänner, die dem Neuankömmling neugierig entgegenblickten, "...dies ist Manius Gracchus Minor von den Flavii, Sohn des bekannten Consulars und vielverdienten Pontifex Pro Magistro Manius Gracchus. Er hat sich bereits in Alexandria als wissbegieriger Schüler erwiesen und wurde vom Museion hierfür ausgezeichnet. Er ist hier, um als laticlavischer Tribun seine ersten militärischen Sporen zu verdienen." , erst jetzt wandte sich der Statthalter der Provinz dem Neuankömmling hinzu und bekam es sogar hin, ein halbwegs gewinnendes Lächeln zu fabrizieren, "Flavius, willkommen in Germania."

    "Natürlich." , erwiderte Vala schmallippig auf die Antwort des Angeklagten, der seine Wortwahl zu retten versuchte.. nun, zumindest hatten sie hier keinen vollkommenen Vollidioten als Angeklagten, den wohl selbst ein Schweinehirte hätte überführen können.
    "Zurück zur Anklage." , wies Vala die weitere Richtung des Verfahrens und rief damit Ordnung in den Saal, "Scribonius, wir lauschen deinen Ausführungen."

    "Humm..." , zeigte sich der Soldat unvernehmbar, drehte sich kurz um und erntete von seinen untergebenen Wachsoldaten nur ein ahnungsloses Schulterzucken, "Moment.", entschuldigte sich der Offizier und verschwand für einen kurzen Moment in der Wachstube, um dem Patrizier nach seiner Rückkehr kund zu tun: "Etwa zwei, drei Wochen. Nida ist die erste Station, es geht weiter bis Saliobriga... dann auf dem Rhenus wieder zurück. Allerdings ist das nur der Plan. Der wird fast nie eingehalten. Eigentlich ganz sicher nie.", kratzte sich der Soldat verlegen am Kopf. Der Statthalter nahm seine Pflichten zur Omnipräsenz recht wörtlich und regierte die Provinz nahezu ständig auf Achse. Das machte es für Menschen mit Anliegen recht... nun... kompliziert.

    Die Verwaltung einer kompletten Provinz ließ nicht allzu viel Zeit für das Verweilen in den heimischen vier Wänden. Zudem forderte seine Frau von ihm, als oberster Repräsentant der Res Publica den Großteil seiner Zeit in Mogontiacum im Palast zu verbringen. So hatte sein aktueller Aufenthalt in der Villa durchaus Seltenheitswert, auch wenn er selbst dies mit großem Wehmut bedachte. Endlich mal raus aus der Toga, eine schlichte Soldatentunika aus grober Wolle tat es auch und die Schuhe wurden bei den aktuellen Temperaturen auch einfach weggelassen, was einem die Füße dankten. Sowieso: alles viel unkomplizierter und freier und sowieso.
    Dass die Arbeit trotzdem nicht einfach haltmachte, indem man den Großteil der üblichen Wolke aus Singulares wegließ und sich nur auf die ihm bekannten Kelten als Leibwächter verließ (wie damals, als alles noch deutlich weniger förmlich schien), wurde dem Statthalter klar als Albin ihn mit einem unverschämt süffisanten Grinsen eine Tabula in die Hand drückte, deren Inhalt für Vala nicht den geringsten Sinn ergab. Gut, laut Siegel gehörte es zu einem Vertreter irgendeines Kults in Augusta Raurica, aber die Worte wollten sich in seinem Kopf einfach nicht zu den notwendigerweise erkenntnisbringenden Formeln verbinden. Nein, dies war zu hoch für seinen tendentiell eher agnostischen Geist, hier musste ein Profi ran.
    Gut zu wissen, dass er eben jenen Profi noch vor wenigen Moment durch die Villa hatte streifen sehen. Laut Albin war der Typ im Atrium, weil er Besuch hatte, was nicht weiter schlimm war... immerhin war es Phelan der selbst so gut wie keine Gelegenheit ausließ um eine Party zu crashen. Da Vala auf dem Weg ins Atrium unweigerlich bei der Küche vorbeikam, bot sich natürlich gleich auch DIE Gelegenheit unauffällig den nicht gerade kleinen Hunger zu stillen... was er dann auch erfolgreich tat, allerdings beim nicht ganz so unauffälligen Verlassen der Küche laut vernehmbar von seinem Hinterkopf abprallenden Holzlöffel und einem noch viel vernehmbareren Fluch verabschiedet wurde.
    Sich mit einer mit Schmalz bestrichenen Stulle kauend den Hinterkopf reibend stolperte Vala grinsend ins Atrium, biss noch einmal in die Stulle hinein und winkte dann mit der Tabula in Richtung seines Vetters: "Phöllon. Iff hab da waff, daff dö mi übör...söffen...mufft.", hielt der gerade sehr unstatthalterliche Statthalter, als er sich gewahr wurde, dass der Besuch seines Vetters erstens weiblicher und zweitens doch recht offizieller Natur zu sein schien. Mit einem leicht dümmlichen Blick blinzelte Vala ein paar mal, bevor er sich für ein verlegenes Lächeln, ein Schulterzucken und den Rückwärtsgang entschied: "Daff kann auf waften. Biff fpäter." , sprach's und verschwand auffällig unauffällig zwischen den Säulen des Atriums.

    Die Soldaten gehörten zwar nicht unbedingt zu den kampftauglichsten Männern, die die Provinz herzugeben hatte, aber sicherlich zu den vertrauenswürdigsten Kämpfern derer Vala habhaft werden konnte, um in seiner Abwesenheit über seine Familie zu wachen. Gemäß des vor-treibhauseffektiven Klimas in Germania waren die Männer in noble Wolle sowohl in Tunika als auch an den Beinen gekleidet - und ihr Gesicht zierte ein deutlicher, aber diszipliniert getrimmter Bart.


    "Salve, Manius Gracchus Minor von den Flavii.", grüßte der wachhabende Offizier den Patrizier routiert, "Der Legatus Augusti weilt derzeit nicht in Mogontiacum, sondern befindet sich derzeit in Nida, um Recht zu sprechen. Die Stadt befindet sich wenige Stunden zu Pferd im Osten am Limes. Eine Eskorte könnte dich hinführen, so du dies wünschst."

    "Du wirst warten, bis man dir das Wort erteilt und dir die Gelegenheit gibt, dich zu verteidigen... oder man wird sicher stellen, dass du den Prozess nicht weiter stören kannst." , üssierte Vala kühl, als der Angeklagte meinte, sich hier auf irgendwelche Rechte berufen zu können, die den Prozess zu einem schlichten Beleidigungsfechten verkommen lassen würde. Vala war zwar nicht bei jedem einzelnen Gerichtsprozess in der Provinz anwesend, dazu hatte er immerhin die Befugnis Iudices einzusetzen, aber er konnte sich beileibe nicht vorstellen (oder er hoffte nicht), dass die Prozesse dort in einer Form abliefen die einfach darauf hinauslief, dass die Beteiligten sich gegenseitig beschimpften. Im Zweifelsfall würde man den Gefangenen einfach knebeln bis sein Part gekommen war.


    "Also noch einmal... du sprachst davon, 'erwischt' worden zu sein." , wiederholte Vala, geduldig wie er manchmal sein konnte, seine Frage.

    Es war nicht so, als hätte man die gut zweidrittel der mogontinischen Truppen lange suchen müssen. Die mehr als dreitausend Mann in gepanzerter Kluft waren nie schwer zu entdecken, vor allem weil diese Strafexpedition ganz offensichtlich nicht den geringsten Wert darauf legte unentdeckt zu bleiben.
    Das gute Dutzend an Reitern, die jetzt allerdings in gemächlichem Schritt auf das Dorf zuritten, hatten ihr möglichstes getan unentdeckt zu bleiben und darauf vertraut, dass die Anwesenheit einer derart großen Militärpräsenz sämtliche Elemente aus der Peripherie bläst. Sie waren offensichtlich als Römer zu erkennen gewesen, auch wenn sie sich jegliche offensichtlichen Einheitszeichen gespart hatten.
    Nun, sie hatten es unbescholten bis hierher geschafft, was wohl zum Großteil der nun abrückenden Truppen zu verdanken war, andererseits der Geschwindigkeit mit der man hierher gerast war.


    "Palim, palim..." , sprach der Statthalter der obergermanischen Provinz nachdenklich, als er mit zwei unauffällig hinter ihm herschleichenden Singulares durch die immernoch schwelenden Reste einer vormals für germanische Verhältnisse stattlichen Siedlung strich, während der Rest seiner Entourage sich in Hör- und Sichtweite streute, die Nachhut der Truppen jedoch tunlichst mied.
    Als der Legat bei seinem Studium der Ruinen von einem seiner Begleiter auf die wachhabenden Soldaten der Nachhut der Ala aufmerksam gemacht wurde, die ihn und seine Reiter wahrscheinlich schon seit längerem im Blick hatten, lenkte er sein Pferd langsam um und ritt gemächlich auf die Männer zu.


    "Männer der Ala Due..." , grüßte Vala die Soldaten leicht schmunzelnd, als er die Kapuze seines Mantels zurückwarf und sich als der zu erkennen gab, der er war, "..ich würde es begrüßen, wenn ihr eurem Kommandanten sagt, dass ihn jemand hier hinten zu sprechen gedenkt. Und wenn ihr schon dabei seid: er soll meinen Praefectus Castrorum mitbringen."

    "Den Tod? Wie bei Loki soll sie sich so den Tod holen?" , protestierte Vala halbherzig, weil er es eigentlich schon lange aufgegeben hatte die Sorgen seiner Frau nachzuvollziehen. Besonders, seit sich diese nach ihrer Ankunft in Germania exponentiell vervielfacht hatte. "In meiner Familie wird der Nachwuchs seit Generationen im Säuglingsalter gegen alle schlechten Einflüsse abgehärtet, indem man sie in einen zugefrorenen See... nunja... tunkt." , fuhr Vala nörgelnd fort, um sich fortan in exemplarischen Trotz zu retten: "Und Alrun ist just im richtigen Alter... es wird also Zeit. Und nein, ich habe noch nicht gefrühstückt... und wieso hast du diese komischen Ringe schon in den Ohren? Schläfst du mit den Dingern? Tut das nicht weh?"

    "Hmhmhm..." , brummte der Legat während er die ihm vorliegenden Berichte durchging und derweil an einem Becher verdünnten Weins nippte. Das meiste war, wie zu erwarten an einem Posttag, langweiliger Amtskram über die Tätigkeiten der unterschiedlichen Magistrate in den Civitates der Provinz. Wie immer galt es auch sich möglichst schnell zu den militärischen Berichten durchzuarbeiten, immerhin war die Lage am Limes derzeit etwas spannenderer Natur. Zwar konnten sich gewisse Stämme und Stammesteile nicht entschließen, ob sie jetzt eine großangelegte Auflehnung gegen die auch weit ins freie Germanien abstrahlende römische Vorherrschaft orchestrieren wollten... oder ob es einfach zu etwas mehr Raubzügen wie üblich kommen sollte.


    Der Bericht über die Aktivität der mogontinischen Einheiten erweckte wie immer sein besonderes Interesse, auch wenn er über den Vorfall von seinem Praefectus Castrorum aufgeklärt worden war. Allerdings hatte er damals wohl nicht gut genug hingehört, als er anschließend einfach abgewinkt und dem Praefectus abwinkend eine Blankoerlaubnis für 'any means necessary' zur Beruhigung der Situation gegeben hatte.


    Die schiere Anzahl der Männer, die der Iulius mitgenommen hatte ließ Vala mitten im Schluck des guten Weins stocken... was eine nicht unerhebliche Menge des Getränks in die falsche Röhre beförderte... und damit per Reflex einen noch größeren Teil des Weins prustend über den halben Schreibtisch in Richtung des Princeps.


    "SECHS KOHORTEN??????" , stieß der Statthalter aus als er sich seines Hustanfalls ungeachtet weiter durch das Schriftstück arbeitete, "...und acht Turmae. Bei.. ... .. .... .... .... .... was bei Loki will der Praefectus da schleifen? Ein Dorf? Wohl eher einen verdammten BERG!


    ...
    ....
    .....


    Sage den Equites bescheid, sie sollen sich bereit machen. Dieses 'Dorf' muss ich mir selbst ansehen."

    "Zwei Zeugen nur... und eine davon die Geschädigte?" , murmelte Vala für den Großteil der Anwesenden unhörbar zu seinem Vetter, "Man hätte annehmen können, dass die Anklage sich nicht schon von vorneherein derart knauserig zeigt." Er hatte eigentlich damit gerechnet, dass die Sache klarer ausgestaltet würde... so aber schien die Anklage es zumindest spannend gestalten zu wollen. Das würde dem Advocatus zur Ehre gereichen, immerhin blieben ihre Namen bei einem spannenden Prozess eher im Gedächtnis als bei einer klaren Abarbeitung von unleugbaren Fakten... aber dies ging IMMER zulasten der Geschädigten.
    Dass sein Praefectus Castrorum, der sich derzeit eigentlich mit einer Sicherheitskrise bisher kleineren Umfangs am Limes rumschlug, sich die Zeit dafür nahm als Zeuge aufzutreten und gar überhaupt in die Sache verstrickt war, hatte den Legaten ebenso überrascht... und Vala hatte sich nicht die Mühe gemacht dies in seiner Mimik zu verhehlen, als er den Blick des Iulius in den ersten Reihen des Publikums gesucht hatte.


    Der Angeklagte konterte die Ausführungen der Anklage mit einer Reihe von Beschimpfungen und zeigte sich doch enttäuschend uninspiriert. Andererseits: was hatte Vala in dem Fall erwartet? Überraschender war die Tatsache, dass der Kerl tatsächlich noch Freunde im Publikum zu haben schien... allerdings wohl kaum genug, um hier so etwas wie einen Stimmungsumschwung laut werden zu lassen.


    "Erwischt?" , hakte Vala dann doch mit unschuldiger Miene in Richtung des Angeklagten ein, bevor er mit dem Prozess fortfuhr, "Wieso denn 'erwischt'? Und vor allem: wobei?"


    Dann sprang eine Frau auf, die Vala irgendwo schonmal gesehen hatte, sich allerdings nicht an ihren Namen erinnern konnte. "Phryne, Freigelassene, ambitioniert, wohlhabend, zugereist." , kam prompt Sirius' Einflüsterung und Vala wedelte kurz mit der Hand, um einem Gerichtsdiener zu signalisieren, dass diese Frau NICHT auf ihren Platz zurückzuknüppeln war. Die Litanei, die sich darauf erhob, ließ Vala schon skeptisch eine Augenbraue hochziehen und abwechselnd vom Angeklagten zu seinem Centurio Statorum, der den Blick genau richtig interpretierte und ziemlich zerknirscht dreinschaute.


    "Werte Phryne.." , wandte Vala sich an die sichtbar erboste Frau, "..ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für dich. Zuerst die schlechte: du wirst ein eigenes Verfahren anstrengen müssen, um deinen Vorwürfen vor Gericht Geltung zu verleihen. Dies ist kein Stuhlkreis indem jeder dem Angeklagten mal eben an den Kopf werfen darf was er an ihm nicht mag. Die gute Nachricht ist jedoch: als Libertina ist man vor Gericht nicht derart eingeschränkt wie du glauben magst."


    "Wenn nur die Hälfte von dem wahr ist, was dem Kerl an den Kopf geworfen wird..." , murrte Vala zu seinem Vetter weiter, "...hätte man ihn besser gleich in einem Tümpel ersäufen sollen, statt hier öffentlich zu machen, dass der sich gleich reihenweise in der Provinz austoben konnte." Gut, Staatsgewalt und Polizeiwesen waren heuer nicht annähernd so umfassend und allgegenwärtig wie es in der Zukunft sein sollte... nichtsdestotrotz brauchte man das jetzt nicht so laut in die Welt posaunen.

    "Da der Angeklagte nun da ist..." , fuhr Vala fort, als der Peregrinus in den Saal geschleppt worden war und die Amtsdienerschaft des Legaten für Ruhe gesorgt hatten, "...können wir nun also beginnen.


    Ich eröffne hiermit das Verfahren gegen den Peregrinus Gurox ob des Vorwurfs der Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall sowie Körperverletzung, entsprechend den Paragraphen neunundneunzig sowie sechsundsiebzig des Codex Iuridicalis. Als Geschädigte wurde die Peregrina Susina Alpina benannt, vertreten durch die Advocati Lucius Scribonius Gallio und Iullus Helvetius Curio. Der Angeklagte vertritt sich selbst. Numerius Duccius Marsus wird zur Consultatio berufen." , diktierte Vala seinen Schreibern sowie den Anwesenden und übte sich dabei in exemplarischer Gelassenheit, ohne die angebrachte Würde in der Stimme nicht zu vergessen. Dies war kein Fall um offene Langeweile zur Schau zu tragen.


    "Die Anklage hat das Wort." , gab der Legat den Vertretern der Susina Alpina das Wort, die nunmehr die Chance bekamen ihre Vorwürfe mit Beweisen zu unterfüttern.

    Mit gespannter Miene lauschte der Statthalter des Kaisers den Ausführungen des Helvetius und seines Mitadvocatus, den Vala dank überschaubarer Menge an rechtskundig gebildeten Köpfen in seiner Provinz schon das eine oder andere Mal vor Gericht zu Gesicht bekommen hatte. Der Fall hatte schon vor der Klageerhebung versprochen interessant zu werden, immerhin war die Geschädigte kein Niemand sondern über den einen oder anderen Umweg durchaus mit seiner Sippe verbunden. Dementsprechend eingeimpft war ihm der Fall schon im Vorlauf geworden und Vala war bestens im Bilde was dem Mann vorgeworfen wurde.
    Wenn es nach ihm gegangen wär, hätte man diesen Gurox einfach mit einer ansehlichen Zahl von gebrochenen Gliedern im Rhenus entsorgt, aber offensichtlich bestand man in dieser Sache darauf, Recht vor Gebühr walten zu lassen... was natürlich nicht risikofrei war.
    Da sich aber Helvetius Curio als zweiter Vertreter der Anklage zeigen wollte, hatte Vala dem Treiben seinen Lauf gelassen und die Klageerhebung zugelassen... immerhin wusste er selbst aus eigener Erfahrung, wieviel Prestige einem ein gewonnener Fall einbringen konnte. Wenn es denn so lief, wie er erwartete... oder hoffte.


    "Der Klage der Peregrina Susina Alpina wird stattgegeben." , gab Vala nach Abschluss derselben bekannt, um gleich mit für unvorbereitete Ohren überraschende Maßnahmen aufzuwarten, "Die Eröffnung des Prozesses kann sogleich geschehen, den Vorsitz des Verfahrens werde ich persönlich führen. Zu meiner Consultatio wird der Procurator Rationis Privatae, Numerius Marsus von den Duccii berufen. Kann ich davon ausgehen, dass der Angeklagte sich selbst verteidigt?" , fragte Vala pro forma nach, immerhin war bis zuletzt nicht davon auszugehen, dass sich ein Advocatus dieses hoffnungslosen Falls annehmen wollte. Einen augenscheinlich derart klaren Fall selbst zu übernehmen war eher unüblich, immerhin war die Rechtsprechung des Legaten in der gesamten Provinz gefordert. Allerdings wollte Vala unangenehme Überraschungen vermeiden... was vor allem eine Berufung bedeuten würde.