Beiträge von Titus Duccius Vala

    http://www.kulueke.net/pics/ir…/f-roemer-soldaten/09.jpg Als der Leibsklave des Tribunen aufgetaucht waren, zogen die Wachhunde der Decima unwillkürlich den Kopf ein und starrten wie besessen geradeaus ins Nichts. Dass er an ihnen vorbeistapfte, als würde es sie garnicht geben war nicht weniger als ein Segen für die Männer. Als dann das Getöse im Innern des Zimmers losging zuckten sie beinahe zusammen, selbst wenn sie sich kaum darüber wunderten, immerhin waren die Eskapaden des Sirius legionsweit bekannt. Unwillkürlich traten sie einen Schritt von der Tür weg als Sirius herausstob und schreiend von dannen floh. Damit, dass die Decima kurz darauf ihren Kopf aus der Tür steckte hatten sie dann auch nicht gerechnet, so dass sie erschrocken zusammenfuhren, kaum dass sie sich gegenseitig einen vielsagenden Blick zuwerfen wollten.
    "Das...", begann der linke der beiden Wachhunde, "...war Sirius, der Leibsklave des Tribunus Duccius."

    Dass der Senator keine Ahnung hatte, wie er hier von Diensten sein konnte irritierte im Gegenzug dafür Vala. Er hätte erwartet, dass der Mann als einer der ältesten noch aktiven Senatoren gewieft genug war um sich einen Plan B zurecht gelegt zu haben. Allerdings machte der Senator einen halb verhungerten Eindruck (verwehrte er das Essen, das den Gefangenen gebracht wurde? Wieso hatte man ihm nichts davon erzählt?), möglicherweise hatte die Haft den alten Mann aus der Fassung gebracht? Und wieso war der Mann sich nicht darüber im klaren, wer hier eigentlich das Kommando hatte? Wäre Vala etwas eitler und weniger pragmatisch im Umgang mit seinem eigenen Ruf gewesen, hätte er sich wohl beleidigt gesehen... so aber zog er die Füße vom Tisch, lehnte sich nach vorne und fixierte den Senator mit eindringlichem Blick: "Ich, dein derzeitiger Gastgeber, bin Titus Duccius Vala, Sohn des Flavius Duccius Germanicus, Tribun und Kommandeur der achten Legion und erklärter Gefolgsmann des wahren Kaisers Appius Cornelius Palma.", betete er runter, wobei vor allem der letzte auch so klang als wäre es auswendig gelernt und weniger brennende Überzeugung, "Und die Art und Weise wie du von Nutzen sein kannst hängt ganz von dem ab, was dein Gedächtnis hergibt. Als hochrangiges Mitglied des Regime des Usurpators kann ich dir sicherlich keinen Schulderlass versprechen, dazu bist du einfach zu....", er fuchtelte mit einem Finger in der Luft herum, als wolle er ein Wort ausmalen, das sich ihm verbal nicht geben wollte, "...wichtig. Aber bis der Kaiser in Rom eintrifft und sich deiner annimmt ließe sich sicherlich etwas arrangieren... und vielleicht sogar darüber hinaus. Dafür erwartet man natürlich nicht weniger als die Hilfe bei der Verfolgung derjenigen, die ebenfalls tatkräftig geholfen haben um das Regime des Vesculariers am Leben zu erhalten. Ich bin mir sicher, dir fällt da der eine oder andere Name ein..."

    Mit nachdenklichem Blick hörte Vala sich die Aufzählungen von aufstrebenden Familiae an. Allesamt weit davon entfernt für ihre Sache von unmittelbarem Nutzen zu sein, denn nicht einmal einen einzigen Vigintivir konnten diese Valas Erinnerung zufolge stellen. So schien es fast, als wären die Jahre kurz vor und während des Bürgerkriegs grundsätzlich verlorene, in denen man in Wartehaltung rumdümpelte wenn man nicht, wie Vala es getan hatte, sich mit einem Vabanque-Spiel nach dem anderen über Wasser hielt.
    "Summa summarum: wir haben die alten aber einflusslosen Namen, die uns den größten Gefallen dadurch tun würden, indem sie NICHT abstimmen. Eine sehr, sehr kurze Liste von Leuten, deren Einfluss VIELLEICHT weit genug reicht um unsere Sache zu unterstützen... das Geld der Schola. Und mich. Das wird ein sehr interessantes Projekt, so scheint es.", fügte Vala Steinchen an Steinchen um schließlich zu erkennen, dass es für sie selbst jetzt ersteinmal nichts weiteres zu tun gab als abzuwarten, wie sich die Dinge entwickelten wenn der neue Kaiser erst einmal im Sattel saß.
    "Gut, ich denke das war es dann erst einmal. Um dein Projekt gut verkaufen zu können brauche ich eine kurze Zusammenfassung dessen, was du dir vorstellst... ich werde dir jemanden vorbeischicken, der genau das bewerkstelligen wird.", schloss er das Gespräch ab, "Es wird ohnehin noch eine Zeit dauern bis wir in die heiße Phase des Projekts gelangen. Bis dahin bleibt für mich dennoch einiges zu tun. Wenn du mich nun also entschuldigen würdest?" Sprach's, und verschwand vom Turm ohne auf eine Antwort zu warten... die Decima alleine mit ihren Wachhunden zurücklassend.


    ________________________________________________


    http://www.kulueke.net/pics/ir…pezielle/valahelfer05.png "Ich bin definitiv vollkommen überqualifiziert für solche niederen Arbeiten.", beklagte Sirius sich lautstark während er breitbeinig durch die Gänge des Praetoriums watschelte um das Cubiculum derjenigen aufzusuchen, die ihm das Ohr in irgendeiner besonders wichtigen Sache abkauen sollte. Bewaffnet hatte er sich vorsorglich mit einem Haufen Tabulae und gleich drei griffeln. Wer wusste schon wie schnell dieses Weib quatschte? Und sowieso: ein Weib. Also eine Frau. Eine menschliche Frau, nicht dieses anbetungswürdige Wesen aus Carbonatgestein. Und eh: Carbonatgestein. Erst machte es einen heiß, dann ließ es einen knallhart abblitzen. Bei den Göttern, wie tat das weh!
    Seither machte er einen größeren Bogen um sämtliche in Stein gehauenen Schönheiten der Castra, wenngleich es ihm außerordentlich schwer fiel. Einerseits entfachte der Anblick immer wieder die altbekannte Leidenschaft... andererseits erinnerte es ihn nur allzu schmerzhaft an den stumpfgeschlagenen Pint unter seiner Tunika. Nein, Enthaltsamkeit war wahrlich das Gebot der Stunde! Eigentlich sollte er froh sein sich auf diese Art und Weise von den Schmerzen abzulenken, aber wirklich dazu durchringen konnte er sich nicht. Denn es ging immernoch um ein Menschenweib! Die waren fast so ekelig wie drei Tage alter Puls, nur ein wenig besser in Form. Dafür stanken sie meist schlimmer als jeder dieser dreckigen Legionäre nach hundert Tagen Marsch (und Sirius besaß zu seinem eigenen Leidwesen die Vergleichsmöglichkeiten). Aber was tat man nicht alles der Pflicht wegen? Achja, genau. Die Pflicht.


    Brav wie er war klopfte er an der Porta an, wartete artig ein paar Sekunden nachdem er reingerufen wurde und watschelte dann hinein.
    "Domina, mein Dominus schickt mich..." , begann Sirius gebetsmühlenartig, ohne darauf zu achten wer nun in diesem Zimmer eigentlich wohnte, doch als er einen Blick zur Seite tat (soviel konnte man sich schon als wichtigster und bester und tollster Sklave des Imperiums herausnehmen) ruckte augenblicklich sein Kopf hinterher und er starrte die Decima den Blick voll Entsetzen an. Die Tabulae fielen samt Griffel geräuschvoll zu Boden.
    "OH MEIN GOTT!!!" , quiekte Sirius als er sich unmittelbar in die hinterstmögliche Ecke die Wand hinauf zu verkriechen versuchte, "DECIMA SEIANA!!!!!!!!!!"
    In seinen Augen stand nichts weiter als grelle, geifernde Panik. Niemanden hätte er hier so wenig sehen wollen wie eine der drei Teufelinnen, die ihn in den Wahnsinn getrieben hatten. Nein, das war vollkommen unmöglich! Wäre die Wand nur annähernd semipermeabel gewesen, so hätte Sirius wohl mit dieser in Lichtgeschwindigkeit diffundiert. War sie aber nicht, und so blieb Sirius eingekesselt mit dieser Hexe in einem Raum, der Ohnmacht und Raserei gleichsam nahe.
    "BLEIB WEG VON MIR!!!" , keifte er und zog die Lippen zurück um die Decima mit drohend hervorgestreckter Pranke anzufauchen, "Ich schwöre dir bei Pluto, mich kriegst du nicht! MICH KRIEGST DU NICHT!"
    Die ganze Flucherei änderte natürlich nichts an der Tatsache, dass er gefangen war, und mit panischen Blicken nach rechts und nach links blieb ihm nichts anderes übrig, als zur Tür zu springen, diese hastig aufzureißen und zu türmen. Dabei stolperte er in seiner Hast effektreich über so ziemlich jede der auf dem Boden liegenden Tabulae, doch in seiner Panik konnte ihn nichts und niemand an der Flucht vor dem Hexenweib aufhalten.
    "RAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHH[SIZE=7]HHHHHHH!!!!!!!!!!!"[/SIZE], schallte es noch lange Zeit während Sirius sich am vom Cubiculum am weitest entferntesten Punkt der Castra in Sicherheit brachte.

    "Sehr schön.", zwinkerte Vala seiner Tante zu, bevor er sich wieder aufraffte, "Ich weiß nicht, wann ich das nächste Mal Zeit finde vorbei zu schauen.. der ganze Trubel hält mich immernoch ziemlich in Atem. Bevor du abreist werde ich aber definitiv noch einmal vorbeischauen. Wenn du mich nun entschuldigst... die Pflicht ruft immernoch und fortwährend."

    "Täte es das nicht, wäre dein Bruder wohl nichtmehr am Leben.", üssierte Vala über die Befindlichkeit der Aurelia. Großartig etwas über sie erzählen vermochte er eh nicht, da sich die gesellschaftlichen Stelldicheins im Heer sich doch an keinem Finger abzählen ließen. Alles war darauf ausgerichtet gewesen den Feldzug und damit auch den Krieg zu einem Ende zu bringen... Geplänkel bei welchem die Aurelia mit Anwesenheit hätte glänzen können hatte es nicht gegeben.


    "Den Vorteil, eine jugendliche Narretei auch als solche abschließen zu können.", wähnte Vala sich in alten Zeiten. Letztlich war es die Narretei gewesen, die nicht einmal einen klaren Sieger gekannt hatte, und ihn dennoch nach Aegyptus getrieben hatte... wo seine Beteiligung im Bürgerkrieg ihren Anfang genommen hatte. Ob ihn die Episode tatsächlich bis durch den Krieg hindurch verfolgen würde konnte er nicht im geringsten einschätzen. Immerhin standen sie wohl auf derselben Seite, wenn auch nicht aus gleichen Beweggründen.
    "Wir werden sehen, ob sich darauf ein Nachteil für mich entwickelt. Nichtsdestotrotz würde sich seine Unterstützung, und sei es nur aus Dankbarkeit eurer Gastfreundschaft gegenüber, sicherlich positiv auswirken. Der Name dieses Mannes dürfte nach dem Krieg nicht geringes Gewicht haben, auch wenn die Familia des Marcus Romulus sicherlich schon bessere Tage gesehen hat... wie so viele andere auch. An alten Namen haben wir also nicht viel zu gewinnen, wie steht es mit neuem? Ich habe das in meiner Zeit in Aegyptus und während des Feldzugs vollkommen aus den Augen verloren... wer strebt noch in den Senat, deren Ehrgeiz sich ausnutzen ließe?"

    "Ich werde dann alles nötige veranlassen...", meinte Vala dann, immerhin hielt er hier die Fäden in der Hand, so würde seine Tante sich um nichts kümmern müssen, "Nicht, dass du auf einmal weg bist... lass mich vorher wissen wann genau du aufbrechen willst, und ich werde zusehen, dass ich mir ein paar Momente in meinem Terminplan freischmarotzen kann."

    Als der Soldat mit dem octavischen Senator im Schlepptau die Principia betrat, zeigte sich schon früh in welcher Position sich die achte Legion mitsamt ihres Tribunen gerade befand: kaum ein Officium wurde nicht von Menschen belagert. Die meisten waren Frauen, aber auch ältere Männer warteten hier darauf zu den verschiedenen Funktionsträgern der unmittelbaren Nachkriegs-Verwaltung vorgelassen zu werden. Männer mittleren Alters, also jene die sich gerade in der Blüte ihres Wirkens befanden, waren seltener zu sehen... diejenigen, die mit dem vescularischen Regime wenig am Hut hatten hatten wohl schon früh genug die Stadt Rom verlassen (die Hinrichtung des Vinicius Lucianus war für letzte Zaudernde der Grund gewesen sich abzusetzen), und jene, die einflussreich genug waren um in der Herrschaft des fetten Kaisers zu bestehen saßen meist selbst ein. So wie der Octavier, der an den verschiedensten Räumen vorbei ins Herz der Principia gebracht wurde, um vor einer Tür halt zu machen die nur von wenigen Menschen belagert wurde... aber jene schienen, trotz des weiterhin zur Schau gestellten Wohlstands umso verzweifelter zu sein. Die Blicke derjenigen, die den Octavier erkannten zeigten eine Mischung aus Wut und Mitleid, je nachdem wie man sich selbst positioniert hatte.
    Nachdem der Soldat angeklopft und den Gefangenen angemeldet hatte, wurde dieser auch schon voran in das geräumige Officium des Praefectus Praetorio geschoben, in welchem seit einiger Zeit der Tribun der achten Legion residierte und sich mit den Wirren der Nachkriegszeit befasste.


    Als der Senator den Raum betrat, erwartete ihn der Tribun mit der ihm mittlerweile eigenen Art: die Füße auf dem Schreibtisch des Praefectus Praetorio abgelegt, in eine einfache Soldatentunika gekleidet lässig mit dem Stuhl nach hinten kippelnd und mit angestrengter Miene eine Tabula studierend. Als er sich des Octaviers gewahr wurde, warf er die Tabula achtlos zur Seite und deutete auf den Stuhl vor dem Schreibtisch: "Senator Octavius. Setz dich.", grüßte er den Mann mit professioneller Freundlichkeit und deutete einem in der Ecke bereitstehenden Sklaven dem 'Gast' etwas zu trinken anzubieten... was man hier oben bekam unterschied sich von dem Brackwasser, das die Gefangenen bekam wie die Sonne sich von einem Glühwürmchen.
    "Ich spare mir irgendwelche Floskeln über deine Unterbringung hier, du weißt sicherlich warum du wie wo hier untergekommen bist. Uns stellt sich jetzt und hier nur die Frage, was du gewillt bist zu tun, um etwas daran zu ändern.", kam er gleich zum Punkt der Sache, immerhin warteten draußen noch x-andere Kandidaten die ihm irgendwas dafür anbieten wollten, damit ihre Schützlinge/Verwandten/Ehemänner eine gewisse Hafterleichterung bekämen... wenn sie nicht gar während eines Freigangs urplötzlich verschwanden.

    http://www.kulueke.net/pics/ir…pezielle/valahelfer10.png

    http://farm9.staticflickr.com/8232/8501927327_741ba67bb7.jpg

    Schwärze. Tiefe, düstere Schwärze. Nichts anderes würde Alrik heranziehen, um das zu beschreiben was ihm in der Zeit sein Leben war, nachdem er zum ersten Mal wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Und selbst das war weit hergeholt, denn der erste klare Gedanke nach den Geschehnissen im Wald würde Wochen verstreichen gesehen haben... oder eben nicht. Der kindliche Geist, der immernoch seinen Körper bewohnte hatte der Erfahrung nicht genug um das, was ihm widerfahren war und weiterhin widerfuhr von dem trennen zu können was sich in ihm abspielte. Erst war es nur die dumpfe Schwärze gewesen, die ihn umfing und gelegentlich ins Hier-und-Jetzt spuckte, nur um ihn nach einer kurzen Weile wieder herabzuziehen und ihn zu umfangen wie die klebrige Masse stinkenden Pechs, in welcher er ein Tier hatte verenden sehen... welches wusste er nicht mehr. Auch nicht mehr wo. Oder wann. Nur das hilflose Geschrei blieb war ihm in Erinnerung geblieben, und die Panik in den Augen des Wesens das sich mit jedem verzweifelten Versuch der Grube zu entkommen doch nur tiefer in die schwarze Masse trieb. Der einzige Unterschied zwischen ihm und dem Tier war, dass das Tier immer die Welt Midgards vor Augen hatte als es rüberglitt in die Welt Hels... oder wo auch immer Tiere hingingen, wenn sie starben. Für Alrik gab es nur die absolute, bedingungslose Schwärze und das düstere Nichts, in das er ab und an wieder auftauchte... und das er nach einer Weile zu fürchten begann. Es war fast wie ein Traum, nur dass er nicht mehr aufzuwachen schien. Träume mehr, in die er auftauchte wenn er sich der Schwärze zu entziehen versuchte.. und diese ihn eine Zeit lang entließ.
    Einmal, als er der tiefen Düsternis entrann und sich im weißen, eisgekleideten Wald wiederfand, war da nur er... und der Wolf. Doch war er dieses Mal nicht an den Boden geheftet durch den Speer des Fremden, sondern stand dem Tier gegenüber... welches ihn selbst reglos beobachtete. Sie tauschten Blicke, als wäre nicht ganz klar wer jetzt eigentlich in wessen Territorium eingedrungen war, als wäre nicht sicher, wer hier fremd und wer hier heimisch war. Wie er auf die Idee kam mit dem Tier zu sprechen wusste Alrik nicht, aber er tat es. Seine Lippen bewegten sich, Laute entwichen... und doch schien es, als hätte er noch zu lernen wie das eigentlich ging. Sprechen. Der Wolf reagierte, indem er sich eben nicht regte. Die bernsteinfarbenen Augen hielten den Jungen fixiert, selbst wenn dieser sich nicht rührte. Stumm standen sie einander gegenüber, für nur einen Moment und eine Ewigkeit.. Alrik stand stumm da, losgelöst von jeglicher Gefühlsregung, wie ein in Holz geschlagenes Abbild seiner selbst. Wieder versuchte er mit dem Wolf zu sprechen, wieder reagierte das Tier nicht... aber die Welt tat es, indem sie Alrik ein Stück aus seiner Starre ausbrechen ließ und ihm ein Gefühl zurückgab, von dem er nicht wusste, dass er es vorher jemals besessen hatte: Angst.
    Schlich sich die Angst normalerweise aus den Knochen wie die Kälte in sie hineinkroch, erwischte es ihn dieses Mal mit einem Donnerschlag: seine Eingeweide zogen sich zusammen, die Welt bekam eine andere Farbe und alles in ihm was zuvor stumm gewesen schrie auf einmal nach Flucht. Panischer, kopfloser, heilsbringender Flucht. Und doch dauerte es eine halbe Ewigkeit bis sich die Angst so tief in ihn eingegraben hatte, dass seine hölzernen Glieder ihm gehorchten. Ein Schritt zurück war alles um ihn versinken, wieder hinabgleiten zu lassen in die düstere Schwärze die sich zwischen seine Träume reihte und doch so voll war von allem. Gerüche waren da, jeder hatte eine eigene Farbe, einen eigenen Klang, ein eigenes Gefühl. Jede Sinneswahrnehmung schien sich zu verdrehen und mit anderen zusammen zu tun, nur um das auf den Kopf zu stellen was Alrik selbst für die Erinnerung an sein Selbst, an die Welt dieses Selbst gehalten hatte.
    Als die Schwärze ihn erneut ausspuckte war da nur Dunkelheit... aber eine, die sich von der Schwärze so unterschied wie Kälte sich von Wärme. Alles schien richtig... selbst der Schmerz, der in Alrik explodierte sobald er die traumbeseelten Augen öffnete schien richtig zu sein, wie eine Auffrischung seiner Erinnerungen an das vergessene Jetzt. Wo Alrik in den Träumen zuvor nur Wille war, war hier alles Reflex: sein Körper versuchte sich zu krümmen, nur ob des erneut wie eine grelle Flamme auflodernden Schmerzes innezuhalten wie ein geschlagenes Tier: kein Schmerz mehr. Keine Bewegung. Bitte nicht. Bitte lasst das vorübergehen!
    Seine Augen waren verklebt von den Tränen mit denen er keine Erinnerung teilte, seine Lippen hart und spröde, und der Gestank erst. Jede unweigerliche Bewegung war ebenso schmerzhaft wie willkommen... selbst das Beugen seines kleinen Fingers, der über Wolle und Fell kratzte war ein Hochgefühl und erniedrigender Schmerz zugleich. Er war hier. Er war jetzt. Mutter!
    Seine Lippen bewegten sich, er spürte Luft entweichen, doch der Laut der mit ihr floh klang in seinen Ohren wie der Laut eines Kranichs... oder der einer Maus. Und doch änderte sich etwas... Laute drangen an sein Ohr, brüllendes Geraschel, stilles Fallen, und die Düsternis wich für einen Moment einem Schemen, das er mit seinen Augen nicht genau erkennen konnte. Es war die Hoffnung, dass dies Schemen doch das war wonach er sich sehnte, und er wollte Schreien. Ihren Namen. Mutter! Nur bei ihm bleiben... ihn hier halten, nicht zurücksinken lassen in die traumlose Schwärze, wo niemand anderes zu warten schien als Hel persönlich. Mutter, lass mich nicht zurück.
    Irgendjemand sprach, mit einer Stimme die ihm so neu war wie altbekannt, denn immernoch war alles durcheinander. Erkennen, mehr wollte er nicht, einfach nur erkennen, dass sie bei ihm war. Das Schemen wanderte, Klänge schritten durch ihn durch und der kleine Finger suchte nach einem Ausweg aus Wolle und Stoff, aber die Hand wollte nicht folgen. Und schließlich kam sie zu ihm. Die Berührung, wohl auf seiner Stirn, schickte ihn sofort zurück in die Schwärze, die ihn erneut umfing wie die höhnischen Tatzen eines Luchs, der ein Kaninchen nur zur eigenen Freude immer wieder entkommen lässt.
    Als er neben riesigen Menschen auf einem winzigen Pferd ritt, hatte ihn die Schwärze ein weiteres Mal freigegeben. Große Hünen, in Eisen, Gold und Purpur gekleidet mit Gesichtern aus reinem Silber umgaben ihn bei diesem Ritt durch eine Steppe höchsten Grases, wie er sie noch nie gesehen hatte. Die Hufe stießen so stark in den Boden, dass die Welt um Alrik herum zu beben schien. Wohin es ging wusste er nicht, wer sie waren ebenso wenig... und doch kannte er ihre Namen. Sedulus. Subdolus. Lucidus. Agrippa. Meridius. Commodus. Corvus. Maximus. Livianus. Balbus. Crassus. Manus. Anton. Felix. Alles Namen, die immer wieder in Erzählungen seines Vaters aufgetaucht waren, und nun ritt er inmitten dieser Giganten. Es stank nach Pferd, nach Schweiß, Leder... und Metall. Und irgendwie wusste er, dass es in eine Schlacht ging, denn sie ritten immer schneller. Die silbernen Mienen stur nach vorne gerichtet rissen sie Alrik einfach mit sich... riesige Schwerter wurden gezogen, die Welt bebte, und als er schon erwartete, dass sich die Pferde bald überschlagen würden, täten sie noch einen Schritt schneller, krachten sie mit einem Mordsgetöse auf einen unsichtbaren Feind. Pferde schrien, Metall knirschte, die Welt explodierte in einer riesigen Fontäne aus Blut... und die Schwärze hatte ihn zurück.
    Die nächste Episode brachte ihn zurück zum Wolf... allerdings nicht im Wald, sondern in der Hütte seiner Eltern, die so war wie er sie vorgefunden hatte, als er sie verließ um mit seinem Vater in die Schlacht zu ziehen. Der Wolf hing seltsam in der Ecke und starrte ihn aus hohlen Augenhöhlen an. Kein Bernstein, kein durchdringender Blick... nur die düstere Schwärze seiner Augenhöhlen schien ein Loch in Alrik zu starren.
    Und wieder Schwärze und Schmerz. Die Episoden wechselten sich nun schneller ab... mal waren da wieder die gigantischen Römer aus den Erzählungen seines Vaters, abgelöst von geiferndem Schmerz, mal Hel persönlich die mit Tyr um etwas zu würfeln schien... und das Leiden.. dann wieder der Wolf... und immer wieder, in unendlich herbeigesehnten Momenten seine Mutter. Dann wieder Schmerz. Greller, beißender Schmerz der ihn ausfüllte wie kochendes Wasser den Tiegel. Selten sein Vater, drohend über ihm thronend und ihn mit einem Blick der Enttäuschung bedenkend, der wohl selbst Felsen vor Scham hätte im Boden versinken lassen. Auch Lintrad, oder Gundraban. Und dieses Mädchen. Und immer wieder diese vermaledeite Schwärze, das in krassen Kontrast zum Schmerz stand, der ihn immer wieder erwartete wenn ihm etwas widerfuhr, das er bekannt und vertraut glaubte.


    Und dann war sie wieder da. Mutter. Mit sorgenvollem Blick saß sie neben ihm, und hielt seine Hand... von Fell und Wolle befreit. Alrik genoss die Berührung, und klammerte sich an sie... und seine Hand gehorchte sogar. Allein diese eine Berührung ließ ihn vor Wohlgefallen erschauern, das Gefühl festhalten, an das er sich nicht einmal mehr wirklich erinnern konnte. Und doch wieder die Schwärze fürchtend, die ihm diesen Moment nehmen könnte. Und tatsächlich, da war sie wieder, riss ihn hinab zu sich um ihn wieder in der Leere darben zu lassen... doch dieses Mal hatte sie an Macht eingebüßt. Er fiel nicht, sondern er glitt hinab... wie das Tier in der Pechgrube.. und bevor er ganz versank, konnte er seine Mutter noch hören, die ihm versprach, dass er wieder gesund würde. Ganz, ganz sicher... wieder gesund. Irgendwie irritierte Alrik das. Er war doch nicht einmal krank gewesen.


    Bildquelle

    "Wodan lass diesen vermaledeiten Krieg endlich enden...", seufzte Vala während er sich zum Cubiculum und der aktuellen 'Zelle' seines Freundes aufmachte um wenigstens ein paar Momente dem ganzen Stress zu entfleuchen. Ob er sich dabei nicht in weiteren stürzte wusste er nicht... immerhin hatte die Erkenntnis, dass einer seiner besten Freunde mit der Frau verheiratet war, mit der er eigentlich große Pläne gehabt hatte, ihm einen nicht zu groß zu schätzenden Dämpfer verpasst. Deshalb hatte es auch einige Tage gedauert, bis Vala sich schließlich erschöpft dazu durchrang einfach hinzugehen... und so klopfte er zweimal an, bevor er einfach eintrat. Bei gemeinsamen Saunagängen hatte Vala ohnehin mehr gesehen als man jetzt verstecken konnte... und in der Antike war man ja ohnehin nicht so.


    "Moin...", grummelte Vala als er sich zu einer Sitzgelegenheit begab um erst seine Kanne voll Bier daneben abzustellen und sich schließlich in den Sessel fallen zu lassen, "...ein Königreich für Frieden. Und normale Zustände... du glaubst ja nicht wie sehr einen dieser verdammte Krieg schlauchen kann."

    "....es offensichtlich als gute Idee erachtet, die Aurelia als Geisel mit zum Schlachtfeld zu karren.", vollendete Vala den Satz der Decima um das Geheimnis der aurelischen Anwesenheit zu erklären, "Dummerweise ist er dann ohne sie in die Schlacht geritten. Hätte er sie mal mitgenommen, wäre er wohl nicht als einer der ersten vom Pferd gefallen."
    Dass man nicht auf die Germanici zählen sollte war Vala ohnehin klar... mal ganz vom emotionalen Wert, den die Schola für diesen Senator Avarus noch haben mochte waren sie ohnehin weg vom Fenster. Einerseits weil sie nicht gegen den Vescularier opponierten, andererseits nicht die Eier gehabt haben um ihm die Stirn zu bieten. Nein, die Zeit der Einflussgröße der Germanici war definitiv auf absehbares vorbei.
    Was er dann zu hören bekam überraschte ihn dann allerdings: "Manius Gracchus lebt? Verdammte Axt!", schlug er mit der Faust in die flache Hand während seine Gesichtszüge sich verfinsterten, "Ich hatte gehofft, der Vescularier könnte nebst Marcus Lucianus von den Vinicii auch jemand richtiges erwischt haben..."

    http://www.kulueke.net/pics/ir…/f-roemer-soldaten/18.jpg Als der Neuankömmling seinen Namen und seine Herkunft nannte, fiel ein Schatten über die Gesichter des Optios und seiner Männer. Es war mittlerweile weit bekannt, dass der Vescularier den Vater dieses Mannes hatte hinrichten lassen bevor die siegreichen Truppen aus Vicetia hierhermarschieren konnte.


    "Vinicius, es tut mir leid um deinen Verlust.", intonierte der Optio daher, wenngleich es ihm nicht ganz gelingen wollte wirklich betroffen zu wirken. Einerseits war der Ausdruck von Gefühlsregungen ohnehin nicht seine Stärke, andererseits war der Vinicius zu weit weg um ihn tatsächlich zu betreffen.
    "Bevor die Tore geöffnet wurden hielt die Angst vor einer Endschlacht den Pöbel im Zaum...", stürze er sich daher auf die Anfrage des Hausherrn, "..jetzt scheinen sich die Tore der Hölle geöffnet zu haben, und viele wollen mit Günstlingen und Gewinnern des Vescularier-Regime abrechnen... viel mehr allerdings einfach nur randalieren und plündern. Wegen letzterer sind wir hierher abkommandiert worden."

    Eine Kutsche zur Verfügung? Vala winkte mit spöttischem Blick ab: "Irgendeiner der Vescularianer hat mit Sicherheit irgendwo eine Kutsche geparkt die man sich ausleihen kann... eine Sache die sich schnell klären lässt, da musst du dir keine Gedanken machen. Lass mich einfach wissen wann du abreist... ich werde dir dann nachfolgen sobald ich kann... was allerdings noch ein paar Jahre sein kann, je nachdem wie schnell ich es zum Legaten bringe.", schloss Vala schließlich mit einem Augenzwinkern ab. Selbst er konnte es eigentlich kaum erwarten nach Germania zurückzukehren.. allerdings mit weitaus größerer Machtfülle als beim letzten Mal. Bis das erreicht war würde es noch eine Zeit dauern, aber der Zeitpunkt rückte näher, dessen war er sich sicher.

    "Mir schwebt garnix vor...", hob Vala abwehrend die Hände, zuckte mit den Schultern und schürzte die Lippen vor als könnte er kein Wässerlein trüben, "...es hängt davon ab wie schnell du deine Kinder wiedersehen willst. Dein Cubiculum hier kannst du zumindest so lange behalten wie die achte Legion noch in Rom steht.. ich gehe davon aus, dass man dein Cubiculum in der Casa Decima mit dem Rest des Anwesens gründlich auseinandergenommen hat. Dennoch kann es noch ein paar Wochen dauernd bis meine Männer wieder gen Norden marschieren... solltest du dich zur Abreise entschließen werde ich dir vier meiner Berittenen zur Seite stellen die dich bis nach Mogontiacum begleiten, zudem ausreichend Mittel um die Reise einigermaßen komfortabel zu gestalten. Den Zeitpunkt deiner Abreise legst allerdings du selbst fest..."

    "Das werde ich müssen, Decima.", sinnierte Vala, während er sich ein Stück Süßholz aus seinem Gürtel zog und es sich zwischen die Zähne steckte, "Gleichwohl wird es einen Grund haben warum du jahrelang an der Spitze dieser Institution geblieben bist ohne den Laden an die Wand zu fahren. Liefer du mir die Ware, ich werd sie verkaufen."
    Womit die Sache eigentlich abgehakt wäre, würde sich nicht in eben diesem Moment ein Gedanke in Valas Geist schleichen der wohl ebensolcher Klärung bedurfte: an wen eigentlich? Der Krieg hatte einiges durcheinandergewirbelt, und nach seinen neuesten Erkenntnissen würde der Senat vor der Inthronisierung des Corneliers wenig mehr als ein Scherbenhaufen sein. Und welche dieser Scherben in seinem Einflussbereich stand und nachher auch Gewicht genug haben würde um überhaupt in Betracht gezogen zu werden...


    "Es wird schwer werden überhaupt etwas zusammen zu bekommen...", bezog er schließlich doch die Decima in seine Überlegungen mit ein, "...die Herrschaft des Vesculariers und der Krieg haben die Elite in Rom gehörig durcheinandergeschüttelt. Der Senat wie er noch vor zehn Jahren agierte ist heute mehr ein Schatten seiner selbst. Mit wem kann man nach dem Krieg noch rechnen, wenn nicht ein Schwung neuer Köpfe für Bewegung sorgt? Ich könnte auf Sextus Lupus von den Aureliern zählen, wenn ich vergesse zu erwähnen, dass eine Decima mit im Boot sitzt. Ich glaube er hat es nicht allzu gut aufgenommen seine Base im Zelt des Faustus Serapio bei Vicetia vorzufinden. Spurius Purgitius Macer gilt als verständiger Mann, hat sich im Krieg aber wohl vortrefflich aus allem rausgehalten.. keine Ahnung wie schwer sein Wort wiegen wird sobald der Cornelius einmal auf dem Thron sitzt. Die Germanici haben erst vom Vescularier profitiert um dann in Ungnade zu fallen... wer weiß ob die nicht versuchen sich plötzlich als Gegner des Vesculariers darzustellen.. ich kann sie überhaupt nicht einschätzen was das angeht. Eigentlich kann man kurzum sagen: die ganzen großen Namen sind schon seit Jahren nicht mehr das was sie einmal waren, und nicht erst seit dem Regime des Vesculariers. Ob sie sich jetzt dadurch hervortun, indem sie die Abschaffung einer Institution blockieren, die zum Reich gehört in dem sie selbst noch Geltung hatten... gut möglich. Das würde alles unheimlich verkomplizieren und einen direkten Gang über den Kaiser notwendig machen."

    http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/y-diverse/15.jpg "Vom Vescularier weiß ich nichts... aber man erzählt sich, dass es bald mit ihm zuende gehe, da der Palast belagert sei und eine Stürmung wohl nur noch eine Frage der Zeit.", zuckte der Sklave hilflos mit den Schultern und wollte gerade davon erzählen, dass es keine Nachricht aus dem Süden gab, zumindest nichts was zu ihm durchgedrungen war, als schwere Stiefelschritte erklangen und ein dunkles Schemen im Türrahmen den Sklaven anbellte: "JETZT SIEH ZU DASS DU DIE ANDEREN FÜTTERST!"
    Mit eingezogenem Kopf verschwand der Sklave ohne ein weiteres Wort zu der Gefangenen aus der Zelle und in den Gang hinein, bevor die Tür mit einem lauten Rumms wieder zugeworfen wurde und Stille in der Zelle einkehrte.