Ein wenig langweilig ist es schon hier, die ganze Zeit soll man still sitzen und nichts sagen oder tun. Von dem, was die Erwachsenen reden, verstehe ich nur die Hälfte. Ich beobachte Mama, die vor den beiden Männern ganz anders ist, als ich sie kenne. Fast glaube ich, sie fürchtet sich vor denen. Und die beiden Männer beobachte ich auch. Sie könnten nicht unterschiedlicher sein. Der Ältere wirkt ernst und fast schon starr. Der jüngere lacht ab und zu. Aber deshalb finde ich ihn noch lange nicht nett. Ich weiß nicht, ob er nett ist zu Mama. Zumindest wirkt sie plötzlich wesentlich erleichterter, als er ihr anbietet, bei ihm zu arbeiten. Nachdem er lange geschwiegen hat, während Mama mit dem jüngeren Mann gesprochen hat, meldet sich der Ältere wieder zurück. Er spricht von einem Arrangement, für alle Seiten. Unauffällig schaue ich mich daraufhin um, nach allen Seiten, aber nichts passiert. Ich finde es bestimmt noch heraus, was so ein Arrangement ist!
Dass sich Minimus´ Vater inzwischen mir zugewandt hat, bemerke ich erst, als er mich anspricht und Caius nennt. Daraufhin zucke ich leicht zusammen, denn von Mama werde ich immer nur Caius genannt, wernn ich wieder mal was angestellt habe. Dieses Caius aber klingt gar nicht ermahnend und vorwurfsvoll. Es ist bewusst in die Länge gezogen und klingt irgendwie sehnsuchtsvoll. Dabei kenne ich den Mann gar nicht. Seltsam!
"Ja?", frage ich artig. Meine Aufmerksamkeit habe ich nun ganz dem Mann gewidmet. Als er mich nach meiner bisherigen Schulkarriere fragt, erwischt er mich auf dem falschen Fuß. Vor gut zwei Jahren hat mich Mama in eine Schule geschickt. Dort sind fast alle Kinder in meinem Alter aus meiner Straße. Ein bisschen lesen und schreiben kann ich auch schon. Rechnen mag ich besonders. Nur hat mir einer meinen Abakus geklaut und Mama hat kein Geld, mir einen Neuen zu kaufen. Unser magister ludi ist ein Grieche und der versteht überhaupt keinen Spaß. Das ist auch der Grund, weshalb mein Freund Lucius und ich gelegentlich den Unterricht schwänzen und uns lieber in der Stadt herumtreiben, sozusagen Anschauungsunterricht vor Ort nehmen. Mama weiß davon nichts, noch nicht!
"Mein magister ludi heißt Charon. Der ist ein Grieche aber der spricht nie griechisch, jedenfalls nicht mit uns." Schnell schaue ich zu Mama, weil ich Angst davor habe, was falsches zu sagen. "Homer? Ähm, ...ist das auch ein Grieche?" Mama schaut mich auch an, aber hilft mir nicht. "Ja klar, kann ich lesen. Ein bisschen." Wenn ich ganz ehrlich bin, dann ist es mir meinen Lesekünsten nicht weit her. Ich tue mir dabei recht schwer, lese eher holprig als zusammenhängend und meine Schrift ist eine Katastrophe, sagt Mama.
Beiträge von Caius Flavianus Aquilius
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Mamas Worte klingen verschämt. Sie wirkt unsicher. So kenne ich sie gar nicht. Hier ist sie nicht die resolute Frau, die auf alle meine Fragen eine Antwort weiß. Ich spüre, sie hat Angst. Sie hat Angst vor dem Mann, der eben noch zu mir gesprochen hat. Aber ich verstehe nicht, warum. So furchterregend ist der doch gar nicht.
Dem Mann gefällt nicht, was Mama sagt. Das sieht man ihm an. Er bietet uns an, uns zu setzen. Ein blonder Sklave, der mir nicht ganz geheuer ist, bringt uns etwas zu trinken. Meine Nase täuscht mich nicht, es ist Wein! Ich habe noch nie Wein getrunken. Mama sagt, das ist nichts für Kinder.
Ich weiß nicht was jetzt geschieht. Mir geht es wie Mama. Ich bin auch verunsichert, Schaue zu den beiden Männern, die uns jetzt gegenüber sitzen, schaue zu dem Sklaven, der jetzt im Hintergrund steht und keinen Hehl daraus macht, dass er mich nicht mag. Ich weiß nicht, warum er mich nicht mag. Ich habe ihm doch gar nichts getan!
Und dann fahre ich erschrocken zusammen, als der Mann, der soeben noch behauptete hat, ich sehe meinem Vater ähnlich, seine Stimme erhebt. Mein Blick schnellt zurück auf ihn und bleibt dort. Dies ist nicht meine Familie, sagt er. Er nennt mich einen Bankert. Ich weiß nicht was das ist, aber ich glaube, es ist nicht nettes. Als er aber Mama eine Sklavin nennt, werde ich böse. Das darf er nicht sagen! Mama ist keine Sklavin! Das lasse ich mir nicht gefallen. Ich traue mich nicht sofort aber als er zu ende gesprochen, traue ich mich. Ich schreie es ihm entgegen: "Mama ist keine Sklavin!"
Mama begegnet meinem Aufbegehren sofort. Sie wirft mir einen bösen Blick zu. Sie ist aufgebracht. So sehr, dass sie in ihrer Sprache spricht. "Bí ciúin!", zischt sie und meint damit, ich solle still sein. Dabei wollte ich sie doch nur verteidigen! Niemand darf sagen, sie sei eine Sklavin! Denn sie ist doch keine. Oder etwa doch? -
Mama hat mich wieder Caius genannt. Das macht sie immer, wenn ich was dummes getan habe oder sie auf mich böse ist. Im Augenblick trifft beides zu, glaube ich.
Sie sagt etwas über meinen Vater, den ich nicht kenne. Einen Vater habe ich nie gehabt. Auch wenn Catu so tut, als wäre er es. Aber er ist es nicht. Die ganze Zeit hat mir das nichts ausgemacht, keinen Vater zu haben. Ich habe ja Mama. Aber jetzt erzählt sie mir, mein Vater gehört zu der Familie, die hier wohnt. Vor zwei Jahren war ich ihm vielleicht näher gewesen, als ich jemals geahnt hätte.Als der Sklavenjunge zurück kommt, geht alles schnell, viel zu schnell. Noch ehe ich Mama fragen kann, zieht sie mich mit in das riesig große Haus. Die Tür schließt sich hinter uns. Das große Haus hat uns verschluckt. Ich spüre, sie ist angespannt. Warum sie das ist, verstehe ich nicht. Ich verstehe gar nichts mehr. Aber es kommt noch besser. Der Junge führt uns in ein Zimmer, in dem ein Mann auf uns wartet. Ein zweiter kommt und Mama sagt etwas ganz komisches. Flaviana Brigantica - den Namen habe ich noch nie gehört - und sie sei eine Freigelassene. Langsam dämmert es mir, sie hat mir so einiges verschwiegen.
Der Mann, dem ich nun gegenüber stehe, starrt mich an, als ob ich ein Geist wäre. Was habe ich denn nur getan? Mama sagt, ich heiße nach meinem Vater, Caius Flavianus Aquilius. Ich will zu Mama hoch schauen, aber der Mann lässt nicht ab mit seinem Blick. Er starrt mich unvermindert an. Nervös beginne ich an dem Amulett herum zu spielen, das ich um den Hals trage. Mama hat mir einmal gesagt, das Amulett heiße bulla und ich müsse es immer um meinen Hals tragen, damit es mich beschützt.Endlich sagt er etwas. Er spricht zu mir. Ich bin zu perplex, um darauf etwas zu erwidern. Verwirrt und angsterfüllt schaue ich hinauf zu Mama, aber sie sieht mich nicht. Sie steht nur da und ihr Blick ist auf den Mann gerichtet, der mir soeben bescheinigt hat, ich wäre meinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten.
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Ich bin mucksmäuschenstill und bleibe ganz dicht bei Mama stehen. Sie wirkt unstet und verkrampft. Ich habe nicht so genau verstanden, was der Mann an der Tür damit gemeint hat, ob Mama betteln wollte. Eigentlich weiß ich auch gar nicht, warum wir hier sind. Nur eines beginnt mir zu dämmern, der Türsklave scheint mich noch zu kennen. Deshalb schaut er mich so böse an. Als er mal kurz weg schaut, um mit einem Jungen zu reden,der darauf wie von der Tarantel gestochen losflitzt, gucke ich zu Mama hoch.
"Mama, ich muss dir was sagen!" Besser ich sage es ihr jetzt, bevor sie es später sowieso erfährt.
"Nicht jetzt Diarmuid!", antwortet Mama. Sie ist so auf den Türsklaven konzentriert.
"Ich war hier schon mal, Mama. Hier drinnen in dem Haus." Ich bleibe beharrlich. Es ist besser, wenn sie es jetzt erfährt.
Und es wirkt! Mama schaut ganz entsetzt zu mir hinunter. "Wie bitte? Du warst schon einmal hier? Wann? und wieso?"
"Ja," sage ich. "So ungefähr vor zwei Jahren. Es hatte mich interessiert, was hinter der großen Mauer war und da habe ich einfach gesagt, mein´Ball wäre über die Mauer geflogen." Mama hängt an meinen Lippen, damit ihr ja nichts durchgeht.
"Und?", fragt sie ungeduldig.
"Ich habe diesen Jungen getroffen, der so alt war, wie ich. Wir haben uns unterhalten," beichte ich zögerlich. In Mamas Gesicht sieht man vor allem Ratlosigkeit, aber auch etwas Wut. Natürlich ist sie jetzt sauer auf mich.
"Warum sagst du mir das erst jetzt, Diarmuid... Caius?" fragt sie nach einer Weile, schaut mich dabei aber nicht mehr an. Aber dann auf einmal...
"Ich muss dir auch etwas gestehen, Caius!... Dein Vater, er gehört zu der Familie, die hier wohnt. Du... bist auch einer von ihnen, Caius!"
Pafff.... das hat gesessen! So viel Information auf einen Haufen. Das ist zu viel auf einmal! Meine Kinnlade geht nach unten. -
Der Blick der Sklavin hat schon alles gesagt. Auch wenn Minimus zu rebellieren beginnt und ich wieder Hoffnung schöpfe, sie bleibt bei ihrem Nein. Also gehe ich jetzt besser. Das einzige, vor dem ich jetzt noch Bauchschmerzen bekommen könnte, ist der Türsklave am Eingang. Der ist garantiert nicht so blöd und hat meine List schon durchschaut. Macht nichts! Da muss ich jetzt durch.
"Also, bis irgendwann mal, Minimus! Ich gehe jetzt."
Damit drehe ich mich um und laufe zurück, in der Hoffnung, den Ausgang zu finden. ZUm Glück wohne ich nicht in diesem riesigen Haus! Ich würde mich sonst jeden Tag verlaufen.
Aber auch ich finde irgendwann den Ausgang und der komische Mann am Eingang frisst mich auch nicht auf.
Jetzt aber nach Hause! Mama wartet schon. -
Aber ich!
Alles Gute! Wir warten auf dich!
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Der Mut hat mich verlassen, als ich mit Lucius kurz vor Sonnenuntergang wieder in unsere Straße zurück komme. Wir haben Mama nicht gefunden.
"Kopf hoch, deine Mutter wird schon wieder kommen!" sagt er mir noch zum Abschied, bevor wir uns trennen und er nach Hause geht.Ich bleibe noch kurz vor unserem Haus stehen und denke nach. Mir widerstrebt es, da hineinzugehen, nur um feststellen zu müssen, dass sie nicht da ist. Aber dann erkenne ich einen Lichtschein an unserem Fenster. Ein kurzer Hoffnungsschimmer keimt auf. "Mama!", sage ich leise und nähere mich schon dem Eingang. Aber dann schwindet meine Hoffnung wieder genauso schnell, wie sie gekommen ist. Das wird nur Catubodus sein, denke ich mir und gehe zögerlich ins Haus, die Treppen hoch, bis ich irgendwann vor unserer Tür stehe. Ich trete ein, ohne etwas zu sagen. Nein, ich bin nicht wütend auf Catu, weil er nicht mit mir gegangen ist. Ich bin nur traurig, furchtbar traurig.
In der Küche brennt eine Lampe. Mein Magen meldet sich zurück und signalisiert mir, ich habe Hunger!Ich glaube kaum meinen Augen, als ich die Küche betrete. Da sitzt Mama am Tisch! Und sie hat etwas für mich gekocht! Nanu, sie sieht irgendwie so komisch aus. So... abwesend, als wäre sie gar nicht da.
"Mama!", rufe ich. "Du bist wieder da!"
Endlich schaut sie auf. Der Ausdruck in ihrem Gesicht ist so leer. Freut sie sich denn gar nicht?
"Mama, was ist los? Bist du krank?"
Ich würde alles dafür tun, damit Mama wieder gesund wird! -
Im Zimmer von Minimus´ Mutter befindet sich nur eine Sklavin, die misstrauisch um die Ecke schaut um mich noch viel misstrauscher zu beschauen. Wie ich mir schon gedacht habe, fällt ihr Urteil vernichtend aus. Minimus muss da bleiben. Er darf nicht mit mir kommen. Mhhm, was jetzt? Am besten, ich gehe jetzt. Zuhause werden sie sich eh schon Sorgen machen über mein Wegbleiben. Und wenn Mama erfährt, wo ich war und wie weit ich weggegangen bin, dann wird sie bestimmt sehr verärgert sein.
"Echt Schade!", sage ich und meine es auch so. "Dann werde ich mich einfach wieder aus dem Staub machen. War schön, dich kennengelernt zu haben, Minimus." Das war sowieso mehr, als ich erwartet hatte. -
Nachdem Catu nichts mehr dazu zu sagen hat, dampfe ich, immer noch sauer wieder ab. Erst sitze ich oben in unserer Wohnung und warte. Auf Mama. Auf Catu. Auf irgend sonst jemand, der sich um mich kümmert. Aber niemand kommt. Notgedrungen mache ich mir selbst mein Frühstück, ziehe mich an und, weil es ja sowieso keinen interessiert, gehe ich einfach raus. Als Lucius mein Freund mich anquatscht, weil er mit mir spielen will, lasse ich in einfach abblitzen. "Ich kann jetzt nicht. Muss meine Mutter suchen gehen!"
"Echt?", staunt Lucius. "Darf ich mit geh´n. Ich meine, soll ich dir helfen?" Für Lucius hört sich das vielleicht nach einem großen Abenteuer an. Aber ich bin immer noch sauer. Nein, eigentlich habe ich Angst, meine Mutter könnte nie wieder zurück kommen.
"Von mir aus. Dann komm!" -
Ich komme aus dem Stauen kaum heraus, als ich von Minimus durch das Innere der Villa geschleift werde. Eigentlich habe ich kaum Zeit zum schauen, denn der junge Flavier hat es ganz schön eilig. Er kann es kaum erwarten, zu seiner Mutter zu kommen, was ich im Anbetracht meiner Lage gar nicht richtig nachvollziehen kann. Allerdings im Hinblick darauf, dass ich der erste ungebetene Junge bin, dem Minimus begegnet ist, kann ich es durchaus nachvollziehen, weshalb er so begeistert ist.
Unvermittelt kommt Minimus vor einer Tür zum stehen. Beinahe wäre ich über ihn gestürzt, denn ich habe ja nicht den Funken einer Ahnung, dass unser Lauf hier bereits sein Ziel gefunden hat. Das muss das Schlafgemach von Minimus Mutter sein, von dem er gesprochen hat. Ohne anzuklopfen öffnet er einfach. Ich bleibe hinter ihm, versuche einige Blicke von dem, was da drinnen ist zu erhaschen, aber das ist leichter gesagt als getan. Am besten, ich warte erst mal ab.
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Meine Erfolgsaussichten in den nächsten Minuten nicht hinausgeworfen zu werden, habe ich auf null hinunter geschraubt, denn ich kenne meine Mutter und ich kenne auch die meiner Freunde. Und auch wenn ich noch jung bin, so kann ich doch behaupten, alle Mütter sind gleich! Mininus Mutter macht da sicher keine Ausnahme. Aber er scheint davon sehr angetan zu sein und ergreift ganz unvermittelt meine Hand. Von gehen kann gar keine Rede sein. Wir rennen! Erst quer durch den Garten und dann in die Villa hinein. Wie wir es schaffen, tatsächlich von niemandem gesehen zu werden, oder sogar zur Rede gestellt zu werden, ist mir schleierhaft. Nicht einmal der riesige Sklave, der mich hineingelassen hatte ist in Sicht.
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Dass Mama mich heute Morgen vergessen hat, bringt mich ganz durcheinander. Das hat sie doch noch nie gemacht! Ich weiß ja, sie hat immer viel zu tun und dass sie deshalb manchmal müde ist. Aber wie kann sie mich nur vergessen?
Wenn es aber stimmt, was Catu sagt, dann schlägt meine Besorgnis in Wut um! Die Möglichkeit, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte oder dass etwas schlimmes geschehen ist, lasse ich außen vor.
"Unterwegs? Aber... Um diese Zeit? Und was ist mit mir? Wieso vergisst sie mich einfach!!!" Ich kann es einfach nicht glauben! So wütend war ich schon lange nicht mehr. Ich bin so wütend, dass mir die Tränen in die Augen geschossen kommen. Vor lauter Wut stampfe ich auf und will mich umdrehen und gehen. Das einzige, was ich jetzt noch tun kann ist warten. Auf Mama. Und wehe, wenn sie dann kommt! Dann kann sie was erleben! -
Bei dem Gedanken, was mein Freund Lucius jetzt sagen würde, kann ich nicht anders und muss grinsen. Obwohl das gar nicht zum Grinsen ist. Mir scheint, Minimus hat sich noch niemals in seinem Leben etwas getraut, ohne vorher Mama zu fragen. Darüber kann ich nur lachen! Meine Mutter hat gar nicht die Zeit dazu, um sich um so was zu kümmern. Sie hat eigentlich nur ganz wenig Zeit für mich, weil sie immer nur in der Bäckerei arbeitet und danach ist sie immer müde. Früher war das anders. Ja, früher.. ich kann mich kaum noch daran erinnern an früher.
Das Grinsen ist so schnell, wie es gekommen war, auch wieder verschwunden. Wenn ich an Mama denke, werde ich melancholisch. Es ist wie eine Sehnsucht, die zu brennen beginnt. Minimus wohnt nicht nur in einem großen Haus mit riesen Garten, er hat auch eine Mama, die sich ständig mit ihm beschäftigt oder zu der er zumindest immer gehen kann, wenn er eine Frage hat. Nicht das ich auf ihn eifersüchtig wäre. Mit dem, was ich an materiellem habe und dem Ort an dem ich wohne, bin ich ja ganz zufrieden. Aber um seine Mama beneide ich ihn.
"Wenn du meinst… dann frag sie doch… ob du mit mir spielen darfst." Mehr als einen Rausschmiss riskiere ich dabei nicht. -
Das Licht hatte mich wachgemacht. Wie jeden Morgen liege ich noch solange im Bett, bis Mama kommt. Auch wenn sie viel früher aufstehen muss, als ich und um diese Zeit schon am arbeiten ist, nimmt sie sich Zeit, um mit mir zu spielen. Manchmal raufen wir uns im Bett und machen eine Kissenschlacht, bei der ich meistens gewinne. Das ist schön, wenn Mama da ist. Nämlich sonst hat sie nicht viel Zeit für mich.
Heute Morgen liege ich schon eine ganze Weile wach und warte und warte und warte. Aber sie kommt nicht.
"Maaamaaa!", rufe ich laut. Aber nichts passiert. Niemand kommt. Die Tür öffnet sich nicht. Alles ist ruhig, nur die Geräusche von den Leuten über uns und unter uns sind zu hören. Ich rufe noch lauter. Aber niemand kommt. Langsam werde ich ungeduldig. Sie hat mich doch nicht vergessen?
Irgendwann reicht es mir. Ich springe aus meinem Bett, ziehe mir meine Tunika von gestern über und stampfe wütend hinunter in die Bäckerei. Das ist das erste Mal, dass Mama mich vergessen hat!
"Mama, du hast mich vergessen!" rufe ich ganz vorwurfsvoll in den Laden. Die Leute schauen mich schon so komisch an. "Mama? Hörst du? Du hast mich vergessen!" Niemand antwortet, denn Mama ist gar nicht da.
Langsam kriege ich es mit der Angst zu tun und renne zu Catu in die Backstube. "Catu, wo ist Mama?" -
Ich kann mir beim besten Willen nicht helfen! Minimus macht mir gar nicht den Eindruck, als würde er gleich vor Aufregung platzen oder überhaupt den Willen dazu haben, mit mir zu kommen. Stattdessen schiebt er seine Mutter vor.
Ich gucke wohl ziemlich dümmlich aus der Wäsche, als er mir Mama kommt. Wenn ich da an meine Mutter denke, wüsste ich gleich, was sie sagen würde: NEIN! Sie würde mir dann wieder und wieder erklären, dass ich doch ihr Wertvollstes sei, was sie hätte und ich könne doch nicht einfach weglaufen und mich bei fremden Leuten im Garten herumdrücken. Mütter sind in dieser Beziehung wahrscheinlich alle gleich, ob sie nun in einer Villa wohnen oder in einer Mietskaserne.
"Du willst erst deine Mutter fragen?" Meine Enttäuschung ist mir durchaus ansehbar. Denn die Chancen, dass seine Mutter zu den moderneren Müttern gehört, die ihrem Nachwuchs mehr Freiheiten einräumen, sind sichtlich gering.
"Ach, die sagt doch bestimmt nein! Mütter sagen doch immer erst mal nein, wenn sie etwas für zu gefährlich halten. Meine Mutter würde auch erst mal nein sagen. Jede Wette drum!" winke ich ab.
Aber vielleicht ist das eh keine gute Idee, mit Minimus zu Hause aufzukreuzen. Was würden meine Freunde sagen, wenn ich mit einem wie dem ankomme. Und trotzdem liegt mir etwas an ihm. Wenn ich jetzt notgedrungen alleine über die Mauer klettere, würde ich ihn vielleicht gerne noch einmal wiedersehen. Alleine deshalb weil ich noch gar nicht sein tolles Spielzimmer gesehen habe, von dem er erzählt hat. Vielleicht hat er ja damit auch nur geflunkert und es stimmt gar nicht. Mist! Jetzt müsste man lesen und schreiben können! Dann könnte ich ihm meine Adresse geben und er könnte mir einen Brief schreiben. Mama hat mir einmal erzählt, mein Name würde auf diesem Anhänger stehen, den ich immer um den Hals trage. Mit einem Brief in der Hand wäre es ganz einfach an dem böse dreinblickenden Mann an der Tür vorbeizukommen. -
Sim-Off: sry für die lange Wartezeit!
Da muss ich bis über beide Ohren hinaus grinsen, so dass meine schönen neuen Schneidezähne sichtbar werden. Wenn Minimus das meiner Mutter erzählt, wird die sich ganz schön wundern und beim nächsten mal darf ich dann auch dabei sein, in der Arena, wenn die Gladiatoren wieder kämpfen. Auch wenn die Sieger nur einen läppischen Palmzweig und Geld als Siegerpreis bekommen. Na mal ehrlich, was kann man denn schon mit so einem Palmzweig alles anfangen? Nicht viel! Nach einigen Tagen ist er schon verwelkt und dann muss man ihn wegwerfen. Dann bleibt einem nur das Geld. Mama sagt immer, wir müssen sparsam sein, denn das Geld wächst nicht auf Bäumen. Das wär’s doch, wenn Geld plötzlich auf Palmbäumen wachsen würde, dann hätten die Sieger bei den Spielen wenigstens etwas davon.
Ob Minimus auf mein Angebot eingehen wird, mich zu Hause mal zu besuchen, oder am besten gleich mit zu mir nach Hause zu kommen? Auf die Dauer ist es in dem Garten doch ganz schön langweilig. Auch wenn er riesengroß ist und man hier super Versteck spielen könnte. Es gibt aber keine anderen Kinder und immer nur mit den Erwachsenen zu spielen, ist auch doof. Ich sehe es Minimus´ Gesicht an, wie er nachdenkt und überlegt. Ganz langsam scheint er Gefallen an dieser Idee zu finden, denn auf seinem Gesicht zeichnet sich ein Lächeln ab. Schließlich willigt er ein.
"Na großartig! Von mir aus kannst du sofort mit mir kommen! Wir müssen uns nur überlegen, wie ich oder besser gesagt, wie wir beide hier unbemerkt herauskommen. Kannst du klettern?"
Ich habe bereits eine Idee, wie Minimus und ich ungesehen aus dem Garten verschwinden können. An einer Stelle der Gartenmauer steht ein Baum, dessen Äste bis über den Mauerrand hinaus ragen. Das wäre eine optimale Stelle, um zu türmen. -
"Ach wirklich?" Das war ja mal was! Vielleicht sollte ich Lucius mal vorschlagen, auch Mädchen mitspielen zu lassen, wenn wir mal wieder Eroberung spielten. Dann ist Mirjam nicht nur die Prinzessin, die gerettet werden muss, sie ist dann unsere Gegnerin. Ob Miniums nicht auch gerne mal mit uns spielen möchte? Das wäre doch toll!
In der Zwischenzeit erfahre ich auch, dass seine Mutter mit den Gladiatoren und so, gar keine Probleme hat. Sie war sogar bei dem Kampf in der Arena dabei!
"Das musst du mal meiner Mutter sagen! Sie meint immer, das wäre nichts für mich, weil ich noch zu jung sei. Was hat denn der Sieger geschenkt bekommen?" frage ich, reiße dann aber überrascht die Augen auf, als Minimus das Blut erwähnt.
"Wirklich? Echtes Blut?" Natürlich weiß ich, was Blut ist! Manchmal, wenn ich hinfalle, blute ich am Knie. Dann laufe ich immer schnell zu Mama, damit sie mir hilft. Natürlich weiß ich auch, dass die Gladiatoren in der Arena nicht bluten, weil sie hingefallen sind.
"Du, magst du mal mit zu mir kommen? Dann kannst du das auch mal meinen Freunden erzählen." Die staunen dann Bauklötze! "Und wir können dann auch zusammen spielen!" Außerdem wird sich dann meine Mutter nicht fragen, wo ich mich schon wieder herumtreibe. Ich bin schon seit einer ganzen Weile weg. Sie wird mich bestimmt schon suchen. -
Der Wunsch eines jeden Jungen ist es doch, einmal bei den Spielen dabei sein zu können. Zu sehen, wie sich die Gladiatoren bis aufs Blut bekämpfen. Den Murmillo finde ich am besten! Was würde ich dafür geben, einmal einen Kampf mitzuerleben, wenn der Murmillo gegen den Thraex kämpft. Meine Mutter ist aber strikt dagegen. Die würde mich nie im Leben zu einem Gladiatorenkampf gehen lassen.
Meine Augen gehen fast über, als ich höre, was Minimus da von sich gibt! Oh Mann, hat der´s gut! So einen Papa hätte ich auch gerne! Aber es kommt noch besser! Männer die gegen Frauen kämpfen und echte Löwen! "Echt? Dein Papa? Und Löwen? Und Frauen? Die können doch gar nicht kämpfen?" Ich stelle mir gerade Mama vor, wie sie gegen einen Gladiator kämpft und muss grinsen. Nein, ganz ausgeschlossen! Das glaubeich nicht! "Du flunkerst doch nur! Frauen kämpfen doch nicht! Oder doch?" Ein Zweifel bleibt aber doch. Was weiß ich denn schon?
"Logisch, ist das aufregend! Und wie! Ach, ich würde mir das auch gerne mal anschauen, aber ich darf ja nicht! Und dein Papa hat dich einfach so mitgenommen und deine Mama war nicht dagegen?" Offensichtlich war das so, wenn mich Minimus nicht gerade anschmiert. "Mensch, hast du´s gut!" stelle ich niedergeschlagen fest. -
Minimus ist wirklich ein komischer Kauz. Am Ende will er mich nur veralbern und ich falle schön darauf rein. Gleich wird er mich bestimmt auslachen. Das würde mir gar nicht gefallen, denn ich mag es nicht, wenn man über mich lacht. Dann werde ich richtig sauer. Einmal hatte ich sogar Lucius eine runtergehauen, weil er über mich gelacht hatte. Er ist dann sofort zu seiner Mama gelaufen und hat mich verpetzt. Die ist dann zu meiner Mama gelaufen und hat und hat ihr alles erzählt. Meine Mama war dann richtig böse mit mir. Aber sie hat mich nicht geschlagen. Sie meinte nur, das müsste das römische Blut sein, das in mir fließt. Was sie damit gemeint hat, habe ich nicht verstanden. Irgendwann später hat sie mir einmal erzählt, ich wäre auch ein Römer, allerdings sie nicht und das Ding, das ich immer um den Hals trage und unter meiner Tunika verstecke, beweist es, dass ich ein Römer bin.
"Meine Villa? Na, klar! Wir wohnen auch in einer Villa. In einer Mini-Villa für maximal drei Personen. Unsere ist bei weitem nicht so schön wie deine hier aber wir haben alles, was wir brauchen. Warst du schon mal im Amphitheater? Ich habe es bisher nur von außen gesehen."
Deswegen war ich auch etwas geknickt, was man mir durchaus auch ansehen kann, denn schon oft hatte ich meine Mama damit genervt, mit mir einmal ins Amphitheater zu gehen, zumal es ja fast nie etwas kostete. Mama sagte aber immer, das wäre nichts für kleine Kinder. Aber ich bin doch gar nicht mehr klein! -
Mir scheint, Minimus schmeckt meine viele Fragerei nicht. Er zaehlt einige Namen auf, die in meinen Ohren irgendwie exotisch klingen. Es sind die Namen von Sklaven. Aber gut, niemand kann etwas fuer seinen Namen und Sklaven schon gar nicht! "Aha", meine ich nur ganz kurz gehalten. Ich verstehe schon, das ist eine Sache, ueber die er nicht gern reden mag, obschon ich gerne wuesste, ob das Sklavenkinder sind oder Erwachsene. Nico ist ja auch ein Sklavenkind. Ausser ihm kenne ich keine Sklaven. Wir haben auch keine. Mama sagt immer, es sei Unrecht, Sklaven zu haben und wenn sie irgendwann einmal einen bekaeme, wolle sie ihn oder sie sofort freilassen. Ich faende es ja schon schick, einen Sklaven zu haben. Einer, der alles machen muss, was ich will.
Minimus wirft mir einen vernichtenden Blick zu, nachdem ich ihn nach seinem Schwert Frage. Logisch, Schwerter sind nicht aus Holz. Sie sind aus Eisen! Jedenfalls die der Erwachsenen. Aber die Schwerter zum Spielen? Diesmal gebe ich mir nicht die Bloesse und reisse vor lauter staunen den Mund auf. Ich gebe mich weltgewannt, so als kenne ich es nicht anders. "Ja sicher!" Zu dumm, ich habe ihm bereits verraten, dass mein Schwert aus Holz ist. Zunehmend fuehle ich mich unwohl. Ich merke schon, Minimus kommt aus einer anderen Welt, die mit meiner recht wenig gemein hat. Ich ueberlege schon, ob ich nicht weglaufen soll, auch wenn ich dann dem Sklaven ueber den Weg laufe, den ich uebers Ohr gehauen habe.
Aber meine Ueberlegungen schiebe ich vorerst wieder zur Seite, denn meine harmlose Frage hat ihn scheinbar sehr mitgenommen, was ich gar nicht nachvollziehen kann. Was ist denn schon dabei, draussen auf der Strasse zu spielen? Seine Antwort kommt prompt, aber ich verstehe sie nicht! "Gefaehrlich? Hae?" Ich brauche erst etwas Zeit, um mich von dieser Erkenntnis zu erholen. Mir kommt allmaehlich der Gedanke, Minimus verbringt seine Tage nur hinter diesen Mauern, beschuetzt von allem, was Spass macht und ruhig gestellt mit seiner Unzahl von Spielzeugen und den Sklaven, die sich mit ihm abgeben muessen. Im Grunde ist das ein ganz schoen trauriges Leben, denke ich. Wie gut ich es da habe, auch wenn ich nicht im Reichtum schwimme, wie Minimus.
"Ich komme von draussen und wollte nur mal wissen, was sich hinter der grossen Mauer befindet. Wenn ich mit Mama spazieren gehe, bleibt sie immer eine Weile vor eurem Haus stehen. Deswegen war ich neugierig. Eigentlich wohne ich gar nicht weit weg von hier." So, jetzt habe ich mich offenbart. Er ruft jetzt bestimmt einen seiner Sklaven und laesst mich wieder nach draussen befoerdern.