Beiträge von Claudia Romana

    “Wundervoll. Mal sehen, wann es geht.“ Sie war zufrieden – sie hatte Laevina einen Besuch bei den Germanicern abgeschwatzt. Natürlich gehörte es sich nicht für eine Vestalin, immer nur fort zu sein. Aber dies war ja eine Ausnahme von der Regel, in den allermeisten Fällen blieb sie im Atrium Vestae und arbeitete bis spät in die Nacht hinein. “Ich danke dir.“ Nicht, als ob sie glaubte, sie würde schnell dazu kommen, man musste sich einfach vorher ankündigen.


    Lartia Restituta nickte befriedigt und wandte sich, ein Gähnen unterdrückend, wieder ihrer nächsten „Kundin“ zu, während Romana noch immer mit derselben beschäftigt war. Die Claudia hörte weiter zu, und nickte verständnisvoll. “Nur gut, dass sie das nicht tun wird.“ Sie war sich da ganz sicher – wenn jemand unter den Vestalinnen noch fanatischer war als sie, dann Lartia Restituta. Die Rede kam auf Serrana. Sie reckte ihren Hals zu fast giraffenartiger Länge, was durchaus hübsch aussah, und spähte nach hinten, wo sie gerade schon einmal hingeschaut hatte. Ach ja, dort hinten. Da war ja auch noch eine Dritte, einen Dunkelhaarige, die sie nicht kannte. Vielleicht wartete sie ab, bis Romana mit Laevina abgeschlossen hatte. Denn es kriselte ja leider ein bisschen zwischen Enkelin und Großmutter, leider.


    “Dickfellig und undankbar? Muss ich mich da jetzt angesprochen fühlen?“, fragte Romana, die die Inferenzen und Implikationen der Alten überhaupt nicht geknissen hatte, mit etwas Verwunderung. Es mochte erstaunen, aber manchmal war selbst Claudia Romana ein bisschen begriffsstutzig...

    Romana bemerkte gar nicht, dass sie Serrana richtiggehend weh tat – bei Calvena waren die Umarmungen der zumeist sanften Riesin sachter gewesen, aber Serrana war ja größer als Calvena. Also konnte die sicher auch mehr aushalten.


    Die Claudia blickte, durch die weit geöffnete Türe vom Atrium hinaus in den Garten, zum Lamm hin, welches – selbstverständlich angebunden, es musste angebunden sein, welcher Narr würde ein Lamm frei im Garten grasen lassen? – auf dem Rasen weidete und nickte dann. “Warum nicht? Sicherlich ist es in Ordnung. Aber...“ Sie blickte genauer darauf. Warum weidete das Lamm? Natürlich, weil es nicht betäubt worden war. Das wäre Romana natürlich um vieles lieber gewesen. “Nicht betäubt, oder?“ Sie seuftze leise.


    “Nun gut. Dann bin ich ja beruhigt, wenn du dich nicht sorgst. Äh...“ Sie ging durch die Tür und hielt dann inne. Dann machte die Claudia ein paar Schritte auf das Lamm zu. Es hopste natürlich verängstigt weg, wurde aber durch das Seil aufgehalten. Romana schritt ruhig auf das Tier zu, nahm es in ihre Hände und ließ es dort wie wahnsinnig strampeln. Ein Blick des Vorwurfes traf Serrana.


    “Das nächste Mal bei so etwas betäuben, Serrana.“ Sie seufzte resigniert – die Iunia hatte ja keine Ahnung von der Haruspizin, und hatte wohl in ihrer beträchtlichen Naivität geglaubt, das Lamm würde ganz ruhig sich an Romanas mütterlichen Busen schmiegen – und wandte sich an Parthenope. “Eisenkugel!“, erklang herb der Befehl. Die Epriotin nickte, holte eine schwer aussehende Eisenkugel aus dem Korb heraus und schleppte sie zu ihrer Herrin. Diese nahm die Kugel, drückte das noch immer strampelnde Tier in Parthenopes Hände, holte aus und ließ die Kugel auf den Kopf des Tieres sausen. Klock. Das Tier war sofort außer Gefecht gesetzt, jedoch nicht tot. Parthenope durchschnitt das Seil und nahm die Kugel wieder entgegen, und Romana trat mit dem nunmehr bewusstlosen Lamm wieder ins Atrium. So einfach und unbürokratisch wurde so was bei den Vestalinnen gemacht.


    “Also. Soll ich das einfach hier, am Boden, machen? Es wird eine Sauerei geben, das sage ich dir jetzt nur einmal“, erklärte sie, wieder relativ unbekümmert, und blickte ihre Freundin fragend an.

    Romana hörte zu und legte ihren Kopf leicht schief. “Aje...“ Sie hatte gedacht, in der Küche wären Sklaven gerne, weil es dort was zu Essen gab? Nun gut, Romana, von Natur aus Gourmet, konnte nicht so leicht von sich auf andere schließen, das wusste sie allzu gut.


    Plötzlich jedoch, beim Abschied, fühlte sie ihre Hände genommen und gedrückt. Etwas baff blickte sie auf, als Serrana ihr beteuerte, dass sie nun bei ihr etwas gut hatte. Sie nickte nur, murmelte etwas von selbstverständlich, da war auch schon Serrana verschwunden. Sie blickte der – von ihrer Warte aus gesehen – kleinen Iunia nach, seufzte dann leicht und stand auf. Es gab allerlei Sachen zu tun, Vorkehrungen zu treffen, Gespräche zu führen. Romana würde sicher nicht unvorbereitet zu den Iuniern kommen.

    Romana trat, nachdem sie an die Porta angeklopft hatte und vom sie bereits erwartet habenden Sklaven in die richtige Richtung gewiesen worden war, ins Atrium ein. Sie wurde begleitet von der hübschen, aber leicht lebensunfähigen Sklavin Parthenope, die einen Korb trug, worin diverse Instrumente lagen, die man für die Leberschau brauchte. Vor allen Dingen lag eine Modellleber und ein Schlachtmesser drinnen, aber auch eine Schriftrolle mit Verzeichnis, nur so für alle Fälle.


    Romana trat auf Serrana zu, grinste breit und breitete ihre Arme aus, um ihre Freundin in einer ziemlich festen, wenn auch kurzen Umarmung zu würgen. “Salve, Serrana! Schön habt ihr es hier. Ist das das Lamm?“ Sie deutete auf das putzige kleine Tierchen, dem Romana einmal nicht zu nahe treten wollte, wusste sie doch, das es, sobald jemand ihm zu nahe kommen würde, nach seiner Mama blökend hinforthüpfen würde. Ja, Romana mochte die kleinen Lämmchen. Sie waren putzig. Aber schlussendlich war es doch ihr Schicksal, geopfert oder verspeist zu werden. Oder als Leberschauobjekt herzuhalten.


    Parthenope im Hintergrund verhielt sich nur ruhig und stellte den Korb ab. Das Schlachtmesser schien ziemlich bedrohlich, dachte sich die Epriotin. Ihre Herrin mit so einer Klinge würde enorm martialisch aussehen... so martialisch wie einst der große Pyrrhus, der fast Rom bezwungen hätte... oder wie die Spartaner, die gegen Xerxes fielen... oder wie ein Elefant. Wenn sie gerade an Elefanten dachte, sie hatte einmal ein Bild gesehen von einem. Apropos Bild, vielleicht sollte man... “Parthenope!“ Die Sklavin wurde in die Realität zurückgerissen. “Kannst du mal die Modellleber rausholen?“ Die Griechin nickte und tat wie geheißen. “Hier, Herrin.“ Romana nahm das Bronzemodell dankbar an und wendete es ihn ihren Händen herum.


    “Das hier wird vergewissern, dass ich die Zukunft richtig lese. Keine Sorge, ich mache das nciht zum ersten Mal.“ Sie lachte fröhlich, bevor sie wieder zum Tier schaute. “Wir beginnen, wann immer du willst.“

    Romana zuckte nonchalant mit ihren Schultern. “Sicherlich. Ich muss ein wenig mich vorbereiten, aber das geht schon in Ordnung. Niemand will schließlich, dass du noch weitere schlaflose Nächte verbringst.“ Sie lächelte die Jüngere fast liebevoll an, doch leider hatte sie nicht das selbe liebe Lächeln wie ihre Vestalinnenfreundin Papiria Occia, um welches sie ihre frühere Mentorin immer beneidet hatte. So einem Lächeln mussten die Herzen wahrlich zufliegen!


    “Gut, dass du eine so kompetente Sklavin hast. Meine Parthenope verläuft sich ja schon auf dem Weg von der Küche zu meinem Cubiculum.“ Sie seufzte. “Wie dem auch sei. Dann solltest du jetzt wirklich gehen, denn du musst das Lamm kaufen, und ich muss mich angemessen für die Haruspizin vorbereiten. Ich werde vorher auch noch Minucia Milicha zu Rate ziehen, du hast sie ja schon kennen gelernt... sie hat Erfahrungen in der Haruspizin, um die sie so manche Haruspices beneiden.“ Sie lächelte. Schon kurz stieg in ihr die Vorfreude darüber auf, dass sie mit dem Erlernten einer Freundin von ihr zu Diensten sein konnte. Auch wenn das Ergebnis unsicher war. Doch am Besten dachte sie vorerst gar nicht daran.


    “Sehr gut. Ich werde dann auch dort sein.“ Sie nickte bestätigend. Sicherlich würde sie das nicht vergessen. Dienste an Privatpersonen gehörten eher nicht zum Betätigungsfeld der Vestalinnen – außer bei großen Festlichkeiten wie die Vestalia –, wie es zum Beispiel der Fall war bei Haruspices oder Auguren. Nun, sie würde ihre Dienste nicht als Vestalin verrichten, sondern als Freundin. Und hoffte, dass Serrana das genügend würdigen würde.


    “Dann sehen wir uns morgen.“

    Romana hob abwehrend leicht die Hände. “Wenn dir morgen lieber ist, können wir es gleich morgen machen! Nur musst du bis dahin halt ein Lamm besorgen.“ Sicher, bis morgen konnte man das auch machen, nur würde Serrana dazu einfach weniger Zeit haben. Sie selber war ja auch schon ziemlich gespannt auf das Ergebnis, also machte es ihr nichts aus, das ganze schon morgen anzupacken. “Was ist dumm von dir?“, fragte sie etwas verständnislos, als Serrana das sagte. Romana, die sich noch nie durch besonders ausgeprägte Subtilität ausgezeichnet hatte, hatte keine Ahnung, wieso Serrana so etwas sagte. Sie hatte sich durch nichts besonders angegriffen gefühlt – in den meisten belangen hatte Romana eine dicke Haut, doch in anderen, wie zum Beispiel bei Angriffen – oder auch nur gefühlten Angriffen – auf ihre Ehre, die Ehre ihrer Familie oder ihres Standes als Patrizierin oder als Vestalin, konnte sie schnell ihre Fassung verlieren.


    “Ich brauche sonst gar nichts von dir. Was ich sonst noch brauche, werde ich mitnehmen. Mache dir keine Sorgen, ich habe die nötige Ausrüstung für die Haruspizin“, versprach sie ihr. “Also, morgen dann, kein Problem. Am Besten nach der Mittagszeit, zur siebten Stunde vielleicht“, schlug sie vor.


    Natürlich wusste sie, dass die Leber vom Lamm enorm üble Omen heraufbeschwören konnte, und den kurz bevorstehenden Tod ihrer Freundin prophezeien könnte. Aber wenn Serrana bereit war, das Risiko einzugehen, gut. Und was, wenn die Vorhersage schlecht war? Dann... sie dachte einfach gar nicht daran.


    Ad
    Imperator Caesar Augustus
    Gaius Ulpius Aelianus Valerianus


    Claudia Romana Imperatori Caesari Augusto patri suo salutem plurimum dicit.


    Mein geliebter Vater, ich schreibe dir mit brennender Sorge und wachsender Unruhe über die Umtriebe deines Statthalters in Rom, den Praefectus Urbi, Vescularius Salinator. Der Praefectus Urbi ist ein Mann, über den sehr viele Leute in Rom unzufrieden sind, was kein Wunder ist angesichts insbesondere kürzlicher Entscheidungen, die einen Hauch von Willkür oder auch mehr als einen Hauch davon hatten. Ein besonders besorgnis erregendes Beispiel davon ist der Prätorianercenturio Quintilius Valerian. Vescularius hat sich erdreistet, den Pax Deorum zu bedrohen, als er bei dessen Heirat ins Opfer hineinplatzte und es dergestalt störte. Daraufhin wurde er von Quintilius, dessen Frau offensichtlich des Stadtpräfekten sexuelles Interesse geweckt hatte, gemahnt. Kurz daraufhin wurde er durch einen vom Stadtpräfekten unterzeichneten Befehl ohne ersichtlichen Grund nach Germanien geschickt; es bleibt mir nicht anderes übrig, als anzunehmen, dass dies auf jenes Ereignis zurückzuführen ist.


    Glaube mir, Vater, ich habe es im Guten versucht. Ich bin zu ihm hingegangen und habe gehofft, er würde mir, deiner Tochter, Gehör schenken. Doch nicht nur sprach er mich anzüglich an und machte dumme Witze über meinen Status als Vestalin, er lachte mich offen heraus aus. Dieser Mangel an Respekt vor einer Tochter des Kaisers, einer Vestalin, finde ich erschütternd, und wollte deshalb dir davon berichten.


    Ich bitte dich, liebster Vater, mache das Unrecht, welches Quintilius Valerian geschehen ist, rückgängig – veranlasse, dass er zurück nach Rom stationiert wird! Nur so kann der Gerechtigkeit genüge getan werden. Zudem habe ich noch eine Bitte – kehre nach Rom zurück. Dein Statthalter mag dir sicher ein treuer und guter Freund sein, doch er verwaltet Rom nicht gut. Ob deiner Abwesenheit sind die Leute traurig, ein Zustand, der nicht dadurch verbessert wird, dass der Stadtpräfekt notwendigerweise nicht an die Führungskräfte, die du, der du aufgrund deines Amtes von den Göttern begünstigt wirst, hinzureicht. Ich bitte dich, komme nach Rom und gebe den Menschen mit dir einen Führer, der der ewigen Stadt und des Reiches jenseits aller Zweifel würdig ist.


    Mögen die Götter stets deine Hand über dich halten, sowie meine innigste töchterliche Liebe dich stets überall hin begleiten wird.


    [Blockierte Grafik: http://img237.imageshack.us/img237/125/unterschriftcr.png]

    Romana hatte vor ihrem Arbeitstisch gesessen und auf Wachstafeln gekritzelt wie eine Wilde. Mehrere Male hatte sie Textstellen durchgestrichen. Einige Male hatte sie etwas eingefügt. Zwei, drei Mal hatte sie schon aufgeben wollen: aber eine Claudier, die aufgab, weil ihr die Knie schlotterten und sie sich in die Tunica gemacht hatte, die musste erst noch geboren werden! Es wäre ja gelacht! Das Endergebnis war aber nun Folgendes.


    Claudia Romana Imperatori Caesari Augusto patri suo salutem plurimum dicit.


    Mein geliebter Vater, ich schreibe dir mit brennender Sorge und wachsender Unruhe über die Umtriebe deines Statthalters in Rom, den Praefectus Urbi, Vescularius Salinator. Der Praefectus Urbi ist ein Mann, über den sehr viele Leute in Rom unzufrieden sind, was kein Wunder ist angesichts insbesondere kürzlicher Entscheidungen, die einen Hauch von Willkür oder auch mehr als einen Hauch davon hatten. Ein besonders besorgnis erregendes Beispiel davon ist der Prätorianercenturio Quintilius Valerian. Vescularius hat sich erdreistet, den Pax Deorum zu bedrohen, als er bei dessen Heirat ins Opfer hineinplatzte und es dergestalt störte. Daraufhin wurde er von Quintilius, dessen Frau offensichtlich des Stadtpräfekten sexuelles Interesse geweckt hatte, gemahnt. Kurz daraufhin wurde er durch einen vom Stadtpräfekten unterzeichneten Befehl ohne ersichtlichen Grund nach Germanien geschickt; es bleibt mir nicht anderes übrig, als anzunehmen, dass dies auf jenes Ereignis zurückzuführen ist.


    Glaube mir, Vater, ich habe es im Guten versucht. Ich bin zu ihm hingegangen und habe gehofft, er würde mir, deiner Tochter, Gehör schenken. Doch nicht nur sprach er mich anzüglich an und machte dumme Witze über meinen Status als Vestalin, er lachte mich offen heraus aus. Dieser Mangel an Respekt vor einer Tochter des Kaisers, einer Vestalin, finde ich erschütternd, und wollte deshalb dir davon berichten.


    Ich bitte dich, liebster Vater, mache das Unrecht, welches Quintilius Valerian geschehen ist, rückgängig – veranlasse, dass er zurück nach Rom stationiert wird! Nur so kann der Gerechtigkeit genüge getan werden. Zudem habe ich noch eine Bitte – kehre nach Rom zurück. Dein Statthalter mag dir sicher ein treuer und guter Freund sein, doch er verwaltet Rom nicht gut. Ob deiner Abwesenheit sind die Leute traurig, ein Zustand, der nicht dadurch verbessert wird, dass der Stadtpräfekt notwendigerweise nicht an die Führungskräfte, die du, der du aufgrund deines Amtes von den Göttern begünstigt wirst, hinzureicht. Ich bitte dich, komme nach Rom und gebe den Menschen mit dir einen Führer, der der ewigen Stadt und des Reiches jenseits aller Zweifel würdig ist.


    Mögen die Götter stets deine Hand über dich halten, sowie meine innigste Liebe dich stets überall hin begleiten wird.


    So – das würde jetzt nach Rom geschickt werden. Sie war schon gespannt, was da heraus kommen würde.

    Sorgsam betrachtete Romana Serrana. Würde diese, nun vor schonungslose Tatsachen gestellt, zu heulen anfangen? Sie wusste, Serrana konnte manchmal recht empfindlich sein, doch sie hatte keine Ahnung, wie das mit diesem Thema war – sie hatten noch nie über den Tod geredet, es war nicht der Fokus eines angebrachten Gespräches zwischen zwei noch nicht einmal Zwanzigjährigen gewesen.


    Zu ihrer Erleichterung hörte sie aber ein Ausschnaufen und Worte, die bezeugten, dass die Iunia ihr Recht gab. Romana nickte dabei. Jawohl, eine Art und Weise zur Bekämpfung der Angst zu finden tat Not. Und die Claudia beglückwünschte sich selber zu der Idee, die sie gehabt hatte. Wozu hatte sie jahrelang als Vestalinnenschülerin gebüffelt, wenn sie das dort angeeignete Wissen nicht auch praktisch unter Beweis stellen konnte? Denn wenn es einmal nötig gewesen war, zu solchen Mitteln zu greifen, dann jetzt.


    Romana folgte irritiert dem Blick der Iunia, und dachte an den Tag ihrer Prüfung zurück – wie sich der Pontifex Flavius Gracchus amüsiert hatte, als sie die Vorstellung, ein Opfertier könnte im Atrium Vestae untergebracht werden, aufs Tapet gebracht hatte.


    “So schnell? Natürlich nicht jetzt sofort. Ein Lamm bekommst du vom Forum Boarium. Wir können uns ja übermorgen deswegen treffen – am besten nicht hier im Atrium Vestae, sondern... was haltest du von der Casa Iunia? Dort wären wir ungestört.“ Axilla hatte ja jetzt auch ihren Archias geheiratet – de beiden wollte sie auch einmal besuchen, aber zuerst einmal wollte sie ihre Freundin kalmieren.


    “Also. Als Vestalin habe ich auch die Haruspizin gelernt, die Zukunftsvorhersage durch die Leberschau. Von der Leber eines Lammes weg kann ich die Zukunft ablesen. Und damit könnte ich dir auch sagen, was mit dir geschehen wird.“ Sie blickte Serrana zuversichtlich an. Das könnte sie ohne Probleme machen, sie selber war ja auch schon gespannt auf das Ergebnis.

    “Puh...“ Sie legte ihre Händen in den Schoß und schaute betreten auf Sermo. “Ich danke dir für die guten Wünsche. Ich werde sie dringend brauchen.“ Sie lächelte leicht, als er sie darum fragte, ihn nicht zu erwähnen. “Natürlich werde ich dich da nicht hineinziehen. Keine Sorge.“ Natürlich hatte Sermo jedes Recht, sich nicht gegen den Praefectus Urbi stellen zu wollen. Sein Zwinkern fand die Vestalin irgendwie anziehend... doch scheute sie sich davor, diesbezügliche Gedanken weiterzuspinnen. Stattdessen trank sie etwas von nachgeschenkten Wein.


    Als er seine trockene, nur aus einem Wort bestehende Antwort gab, musste sie trotz allem auflachen. “Mein lieber Sermo, keine Sorge. Ich werde mich schon nicht aus Verzweiflung ins Schwert stürzen wie weiland Ajax. Aber meinst du das wirklich? Soll ich damit leben und die Hände in den Schoß legen?“ Kurz wanderte ihr Blick nach unten, wo sie feststellte, dass sie genau das tat, ihre Hände in den Schoß liegen haben. Demonstrativ nahm sie sie dort weg und verschränkte sie vor ihrer Brust.


    Seine weiteren Worte – was sollte sie dazu sagen? Er hatte ja auch recht. Zumindest betrachtete er die Angelegenheit todernst und realistisch. Er ein popeliger Magistratus, ja, das war er. Aber sie eine herkömmliche Priesterin? “Vestalin zu sein ist jetzt nicht so herkömmlich...“ Sie strafte ihn mit einem kurzen strengen Blick, bevor sie resigniert seufzte. “Aber du hast ja Recht. Ich bin auch nur eines von vielen Rädern im Cultus Deorum, und viele stehen weit über mir. Und doch bin ich an einer der höchsten Stellen überhaupt angelangt, die eine Frau erreichen kann, wenn sie nicht gerade Augusta ist.“ Noch einmal seufzte sie.


    “Ich habe überhaupt die Befürchtung, nicht ernst genommen zu werden – einzig und alleine, weil ich eine Frau bin. Dieser Vescularius ist garantiert niemand, der auf die Worte einer Frau auch nur einen müden Dreck gibt.“ Sie stützte ihren Kopf seitlich mit einer Hand, und ihren Arm bei ihrem Ellenbogen am Tisch auf. “Ich frage mich hie und da, wie es wäre, wäre ich als Junge auf die Welt gekommen. Sicherlich wäre manches leichter für mich. Vielleicht wäre ich als Mann auch nicht so empfindlich, wenn es darum ginge, dass meine beste Freundin Rom verlässt.“ Sie lächelte wieder matt und blickte Sermo in die Augen. “Titus hätte man mich genannt... Titus Claudius Romanus... aber daraus ist nichts geworden“, murmelte Romana und zuckte die Schultern.


    [SIZE=7]EDIT: Doofes Fett, grr...[/SIZE]

    Als sie noch am Sprechen war, sah sie, wie der Blick des Flaviers sich auf die Statue der ermordeten Obervestalin legte. Sie fragte sich, was in seinem Kopf vorging. War es eine Art innere Zwiesprache mit seiner Schwester? Oder waren es Emotionen, die in ihm hochstiegen? Etwas betroffen blickte sie auf den Pontifex, sie konnte regelrecht spüren, dass etwas in ihn umging, Gefühle, die so stark waren, dass fast schon die Luft vibrierte – zumindest kam es Romana so vor. Etwas hilflos blickte sie auf den Pontifex Aurelius, doch dieser war auch auf den Flavier konzentriert. Ihre Worte, mit denen sie versuchte, die unangenehme Stimmung zu unterbinden, fruchteten nicht. Romana wusste nicht genau, was damals vorgegangen war. Niemand hatte es ihr ausführlich erzählt – es war etwas, das klein gehalten worden war. Kein Flecken sollte die Seelen neuerer Vestalinnen belasten, und so wurde das Vorkommnis unter den Tisch gekehrt. Und Romana hatte auch wenig Lust, selber nachzufragen.


    Gerade wollte sie erneuert den Flavius fragen, da sprach er selbst. Seine Worte kamen wie ein Rumpeln aus einer unterirdischen Kammer, und erschütterten die von Grund auf kaisertreue Romana tief. Ja, sie erbleichte sogar kurz im Gesicht, als sie diese Worte hörte. Diese verleumderischen, ketzerischen Worte, gerichtet gegen ihren Vater den Kaiser, hätte Romana nie einem Pontifex zugetraut. Es war erst, nachdem der Aurelius ihm zugesicher hatte, dass seine Worte das Atrium Vestae nicht verlassen würde, dass sie endlich ihren Mund aufmachte. Ihre Worte waren noch immer von Entsetzen gefärbt. “Jawohl. Unangemessen ist der richtige Ausdruck. Ich werde es vergessen, wenn es nicht mehr vorkommt.“ Etwas eisig kamen ihre Worte herüber, aber damit musste jemand rechnen, der solche Worte aussprach gegenüber einer Vestalin.


    Sie versuchte, durchzuatmen, um auf andere Gedanken zu kommen. Ihre Augen richteten sich auf Gracchus. “Eine Ausnahme. Um die Räume kümmert sich die Sklavenschaft des Atrium Vestae. Die Obhut über den Garten habe ich selber gewünscht.“ Solcher Tatendrang speiste sich aus ihrer Liebe zu Gärten – und ihrer Religiösität, die beizeiten an Superstitio grenzen mochte.


    Sie blinzelte, schwieg kurz und erklärte dann: “Gehen wir ins Lararium.“ Sie wollte den Garten verlassen – für die Dauer der Führung hatte sie den Geschmack an ihm verloren. Und vor allem fragte sie sich nun, ob die Statue der Agrippina mehr war als eine Statue, wenn sie bei Gracchus einen solchen Gefühlsausbruch hervorgerufen hatte. Sie machte einen Wink mit der Hand, um den Pontifices die rechte Richtung zu zeigen.

    Leider sah sie die drei Frauen draußen von ihrem Standpunkt aus gesehen überhaupt nicht, und selbst wenn, hätte sie wohl darauf gewartet, bis sie fertig war mit Laevina, vor der sie einfach schon aufgrund des Altersunterschiedes größten Respekt hatte. Dennoch amüsierte sie der Blick leicht, mit dem die Germanica zu ihr hinaufschaute, und sie lächelte leicht hinunter. Die Zeiten, wo sie sich ihres großen Körpers schämte, waren schon lange vorbei. Mittlerweile verspürte sie einen unerklärlichen Stolz auf ihre Größe – denn ihrer Meinung nach war es gut, etwas aus der Masse hervorzustechen!


    Ihr Lächeln wurde etwas breiter, als Laevina so gut auf ihren Vorschlag ansprach. “Ich werde gerne zu dir kommen. Vielleicht irgendwann einmal, wenn die Vestalia vorbei ist? Dann hätte ich auch Zeit genug dafür!“, bot sie an.


    Nochmal lächelte sie, als Laevina ihr versicherte, dass sie keine Hilfe gebrauchte, und während die Alte ihr Opfer darbrachte, unterwies die Claudia zwei sehr junge Matronen darin, wie genau man ein Gebet denn abzuschließen hatte. Als die beiden sich bedankend abwandten, sah Romana auch wieder Laevina daherkommen. Jene wandte ich kurz zum Eingang, und erst jetzt konnte die Claudierin etwas von Serrana und Calliphana erhaschen. Genau, da drüben standen sie! Das war nun wohl die erste Vestalia von beiden, sicher würden sie noch an ihr vorbei kommen. Offenbar unterhielten sich ihre Freundinnen mit einer anderen, die Romana aber nicht ausmachen konnte.


    Ihr Blick wandte sich wieder zu Laevina hin, die einen Kommentar bezüglich Restituta machte. Romana grinste kurz verlegen. Was sollte sie jetzt antworten? Denn die Lartierin hatte mitgehorcht und schenkte Laevina einen verdrossenen, müden Blick. “Ich bin mir da sicher, werte Dame. Danke für die Sorge.“ Der Tonfall der jungen Priesterin aber klang eher nach „ziehe die Qualifikation einer Vestalin nicht in Frage“, was wohl sowohl das Selbstverständnis der Vestalinnen wie auch des römischen Uradels, zu dem die Lartier ja gehörten, ausdrückte. “Also. Kein Grund zur Sorge“, setzte Romana, der die ganze Sache etwas unangenehm war, hinzu.

    Die Claudia runzelte ihre Stirn leicht. “Ungewohntes Essen?“ Kurios – war ein so großer Unterschied zwischen dem Essen bei den Iuniern und den Germanicern? Sie kannte das Essen eigentlich nur von der Villa Claudia (purer Luxus) und dem Atrium Vestae (auch purer Luxus, aber auf Staatskosten). Aber es war gut möglich, dass bei den Germanicern was Dubioses im Essen war – schließlich hatte sie nach dem Festmahl bei der Fontinalia auch den Dünnpfiff gekriegt! Etwas, was sie natürlich nicht öffentlich herumposaunte, ausschließlich Arvinia wusste davon, und diese würde es sicher nicht herumplappern. Ach, Arvinia, sie hatte Romana auch schon einige Zeit nicht mehr gesehen! Aber nur hatte sie immer wieder das unangenehme Gefühl, Avarus wusste, wer die Sauerei an der Latrine veranstaltet hatte, durch eine eigenartige Fähigkeit, Gedanken zu lesen... ach, welch Unsinn. So nickte sie nur verständnisvoll.


    “Nicht viel zu tun? Jaaaa... so könnte man es nennen...“ Sie versuchte sich an einem kurzen Lächeln. Kinder kriegen, wie das bloß war... wie es sich anfühlen musste, schwanger zu sein. Sicher war es ein schönes Gefühl, das Leben im eigenen Bauch heranwachsen zu spüren. Und das Kinder Machen an sich war sicherlich auch nicht zu verachten!


    Sie sagte nichts mehr zum Tod ihrer Mutter, sondern dachte nur, eng an Serrana geschmiegt, kurz an sie. Obwohl es schon lange her war, konnte sie sich noch gut an ihre Mutter, Manlia Grata, erinnern. Sie war dankbar dafür, dass sie den verstümmelten Fleischbrocken, der ihre Mutter gewesen war, nach dem Unfall nicht zu Gesicht bekommen hatte – man hatte ihr nur vage Andeutungen gemacht, die aber genug gewesen waren für sie, um sich ein Bild zu machen. Es kam ihr auch vor, als wäre Vater nach ihrem Tod ein anderer Mensch geworden – zurückgezogen, wortkarg, kränklich anmutend. Vielleicht war es aber auch nur die Heirat mit Ofella, die ihn so angeschlagen hatte... vielleicht war diese Umarmung nicht nur für Serrana, sondern auch für sie. Der Gedanke an ihre Mutter hatte doch das Bedürftnis in ihr ausgelöst nach etwas körperlicher Nähe.


    Irgendwann lösten sie sich wieder voneinander, und Romana hörte Serrana zu. Sie seufzte. “Kennst du die Geschichte vom Mann, der starb? Nein? Eines Tages bekam er vom Orakel in Cumae eine unmissverständliche Prophezeihung – sein Tod würde an den Nonen des Martis kommen. Tief verstört kehrte er nach Rom zurück. An den Nonen des Martis beschloss er, daheim zu bleiben, er beschloss, nichts würde ihm passieren können, wenn er einfach im Bett bliebe. Er blieb also in seine Decke eingemummelt, in der Hoffnung, es würde schon nichts passieren, wenn er das Haus nicht verließe. Und... die Decke stürzte über ihm zusammen und erschlug ihn.“ Sie zuckte die Schultern und lächelte vage. “Du kannst dir nicht aussuchen, wann dir die Parzen zugedacht haben, zu sterben. Dein Lebensfaden hat eine gewisse Länge. Wenn er bei der Geburt, die du vor dir hast, zu Ende ist, dann ist es mit dir zu Ende. Dein Leben würde dann auch vorbei sein, wenn du nie schwanger geworden wärst. Es ist einfach das Schicksal. Wir können nichts daran ändern, nichts. Also sehe es ruhig, gelassen, ohne Furcht. Was kommt, das kommt.“ Sie blickte Serrana mit ruhigen Augen an, schlug jene dann hernieder, presste kurz die Lippen zusammen, als würde sie überlegen, bevor sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht zeigte.


    “Ich habe eine Idee, wie deine quälende Ungewissheit erleichtert werden könnte. Wir können herausfinden, wie es aussehen wird mit dir – ich bräuchte dazu ein Lamm.“

    Wie tiefrot Serrana anlaufen konnte, wunderte sich Romana fast nebenher. Es tat ihr fast Leid, dass sie deswegen nachbohrte, doch es musste sein, zumindest dachte sich die resche Patrizierin das selber. “Seit einem Monat also...“ Serrana hätte sich wahrlich eine bessere Beraterin in diesen Dingen aussuchen können als Romana, welche ja einen Schwur zur Keuschheit abgelegt hatte. Die Regel hatte sie selbst, aber noch nie war etwas unregelmäßig dabei gewesen, und selbst mochte sie auch nicht darüber reden. Ein Monat war sogar ein relativ normaler Zyklus, das bedeutete wohl also, dass sie, wenn sie recht hatte, schon seit geraumer Zeit schwanger sein musste. “Hast du denn sonst etwas verspürt? Überlkeit? Lust auf ganz komische Sachen zum Essen?“, bediente sie sich in Ermangelung besserer Ideen oder irgendeiner Erfahrung mehr oder minder wahre Klischees, die sie irgendwann einmal aufgeschnappt hatte. “Ich habe keine Ahnung, ich bin keine Medizinerin.“ Wie sollte sie das auch sein? Sie war ja keine Superfrau, dass sie alles wissen konnte.


    Romanas Gesichtsausdruck wandelte sich ein wenig, als Serrana sie nach dem Unfall fragte, an dem ihre Mutter starb. Er wechselte zu einem leicht traurigen Blick, den man sich von der Vestalin, deren Heiterkeit so unerschütterlich manchmal wirken mochte, eher weniger oft sah. “Es ist schon Jahre her. Ich war damals noch klein. Ein Kutscher hatte die Kontrolle über seinen Wagen verloren... und hat sie überfahren...“ Sie schüttelte kurz ihren Kopf, als wollte sie das ganze abschütteln. “Es ist etwas, was einem überall passieren kann, jederzeit. Wie auch der Tod, an dem deine Mutter starb.“ Mir nicht, vermerkte sie in ihrem Hirn, mit einer Selbstzufriedenheit, die sie selber überraschte, die sie aber nicht nach draußen durchdringen ließ.


    Eng umschlungen war sie nun mit Serrana, und Romana streichelte über den Rücken der (zumindest aus ihrer Position aus gesehenen) kleinen Iunia, doch tröstende Worte kamen noch immer nicht. Sosehr sie sich auch einen Gedankenblitz wünschte, der ihr die passenden Worten in den Mund legte... das hier war eine sehr komplizierte Sache.


    Vielleicht ging sie es nur falsch an, dachte sich Romana, die in ihrer wie üblich sehr pragmatischen, fast hemdsärmeligen Art versucht hatte, eine greifbare Lösung für Serrana zu finden. Allerdings gab es keine solche. Es blieb nur, ihrer Freundin weiterhin etwas Geborgenheit und Freundschaft zu schenken, dachte sie, Serrana nicht loslassend.

    Sie nickte so huldvoll, wie sie es in ihrem Zustand konnte, als Sermo die angebotene vertrauliche Anrede annahm, und hörte ihm dann zu. Sie nickte ihren Kopf zustimmend. “So geht es nicht weiter. Der Vescularier lässt sich von seinen eigenen Vorlieben und Gutdünken unzulässig beeinflussen. Es ist Zeit, dass jemand ihm einmal einen Riegel vorschiebt. Ich werde zu ihm gehen, und zwar morgen. Ich weiß, es wird aussichtslos sein. Aber ich werde es aus Prinzip machen. Es kann nicht sein, dass ein Mensch so handeln kann. Wir sind ja nicht bei den Barbaren.“ Den allerletzten Tropfen aus ihrem Becher nahm Romana, welche sich auch schon instinktiv umschaute, ob nicht schon ein Sklave nachfüllen würde. “Ich habe immerhin keine politische Karriere, die der Vescularier ruinieren könnte. Und ich habe doch in meiner Funktion eine gewisse Authorität.“ Zumindest war sie sich selbst darin sicher.


    Sie schüttelte den Kopf. “Den Segen der Götter... ja, doch viel lieber wäre mir eben, sie wären hier. Ich kann es nicht glauben... Calvena weg, was soll ich jetzt bloß tun?“ Romana sah ihr soziales Leben auseinanderbrechen. Sie strich sich mit einer fahrigen Bewegung durch ihre brünetten Haare. “Das Schlimmste ist die Ungerechtigkeit, die ich sehe. Es muss doch etwas dagegen getan werden können, mit der Hilfe der Götter und unseres Verstandes! Wenn Salinator so etwas ungestraft machen kann, wird er schrittweise immer frecher werden! Immer unverschämter! Ich habe keine Ahnung, wieso unser Kaiser seinen Possen Glauben schenkt.“

    Lächelnd begutachtete Romana die Speisen, die Laevina da mitgebracht hatte. Die Blicke, die sie über das Essen warf, waren allesamt erfreute, und sie nickte, als Laevina erklärte, was dies für Speisen kamen, und woher sie kamen. Romana war beeindruckt. Dies waren alles einfache Speisen, allerdings von ausgesuchter Qualität. Vesta würde es sicherlich mögen.


    “Ich würde mich enorm freuen! Vielleicht komme ich ja einmal bei euch Germanicern vorbei, wenn ich darf.“ Neugierig schaute sie zu Laevina hinunter. Es gehörte sich sicherlich nicht, sich selber einzuladen, aber Romana hatte das Gefühl, dass jener etwas an ihr lag. Wobei sie auch keine große Freundin von Otternasen oder Schweinsohren war, nein, sie hielt es ähnlich wie Vesta. Römische Hausmannskost war einfach das Beste!


    Laevinas Frage war durchaus interessant. Romana zuckte die Achseln. “Mehrere Tausend. Zehntausende gar. Gut, dass nicht alle auf einmal kommen!“ Und es war auch so, dass nicht alle Matronen Roms kamen – eine Erleichterung für die Vestalinnen, aber Romana fand es trotzdem schade.


    “Du weißt sicher schon, wie... Lartia, jetzt reiß dich dochmal am Riemen“, meinte sie etwas leiser zu ihre Nachbarsvestalin, die die erwartungsvoll schon vor ihr stehende Matrone in ihrem Dämmerzustand gar nicht gesehen hatte.


    “Verzeih. Du weißt sicher, was du zu tun hast? Leg den Teller am Besten vor das Herdfeuer hin, sprich eine Bitte um den Haussegen, und das war es dann auch schon. Wir sorgen dann dafür, dass das Essen zu Vesta gelangt.“ Oft wurde es einfach verbrannt oder versenkt – aber oft fand es den Weg zu Vesta auch durch den Magen ihrer Dienerinnen, dachte sich Romana mit einer gewissen inneren Befriedigung.

    Irgendwie schien Serrana sie nicht anzblicken. Scham? Nein, sie wusste doch nicht einmal etwas von... na eben von der Sache, die Romana schon längst vergessen hätte sollen! Vielleicht würde sie einmal der Vesta im Privaten opfern, mit einer Bitte um eine geistige Katharsis.


    Es verwunderte Romana, dass gerade sie es war, über die Serrana als allererstes über ihre vermutete Schwangerschaft war. Schließlich war sie ziemlich genau so ziemlich am wenigsten dafür qualifiziert von allen im Umkreis von Serrana, fundiertes Wissen darob zu zeigen. Doch es rührte sie irgendwie, dass Serrana deswegen gekommen war. Es zeigte ihr, dass sie nicht egal war. Dass es auch ein Leben nach Calvena gab. Dass sie nach wie vor geschätzt wurde. Das war etwas, was man nicht verbauen sollte, indem man sich nicht benahm wie eine echte Freundin.


    “Aber du bist dir trotzdem sicher...“, meinte Romana also einfühlsam, fast schön mütterlich. “Hmm.“ Es war natürlich eine ganz eigene Situation für ein so junges Mädchen wie Serrana. In diesem Alter schon die enorme Verantwortung zu tragen, schwanger zu sein, das musste ein schweres Gewicht sein, das auf ihrer Schulter lastete. Tatsächlich, wenn Romana erst einmal ihren Anteil an Frust, dass sie selber nie Kinder zur Welt bringen würde, überwunden hatte, war sie imstande, das Problem ohne falsche Prüderie oder Schamhaftigkeit anzugehen.


    Was Serrana bekümmerte, das wurde Romana aber erst jetzt klar, als die Iunia es aussprach. “Hmm“, wiederholte sie, und suchte sich innerlich nach passenden Worten für Serrana ab. Das Problem war, dies war nun das erste Mal, dass sie mit einer solchen Situation konfrontiert war. “Äh.“ Sie umfasste mit der linken Hand gedankenlos eine ihrer herunterbaumelnden Locken, umzwirbelte sie und ließ sie wieder wie eine Feder zurück in ihre ursprüngliche Form springen. Zeitgewinnung.


    “Das tut mir sehr Leid. Wegen deiner Mutter. Das muss schrecklich gewesen sein... meine Mutter ist gestorben an einem Unfall. Immerhin habe ich das nicht ansehen müssen.“ Die Erinnerung an ihre Mutter war verblasst, vage, schwach. Sie war ohnehin immer ein Vatertöchterchen gewesen, solange sie sich zurückerinnern konnte. Die Erwähnung der Albträume zeichneten das Bild von Serrana, wie sie sich bot, noch viel schlimmer.


    “Ach, Serrana...“ In Ermangelung von Worten breitete sie ihre Arme aus und umarmte still die Iunia, während sie ihr Hirn noch immer nach passenden Worten durchforstete.

    Zitat

    Original von Potitus Vescularius Salinator
    Potitus seufzte. Er hatte überhaupt nicht bestritten, dass dieser verdammte Valerian versetzt worden war! Doch ehe er etwas dazu sagen konnte, schien die Vestalin ihn sogar noch erpressen zu wollen! Ihn, den Stellvertreter des Kaisers! Da war es dann doch unmöglich ernst zu bleiben! "HAHAHAHAHAHA!! Du bist gut! Eine Vestalin, die Valerianus wahrscheinlich erst ein- oder zweimal im Leben gesehen hat, versucht seinen besten Freund anzuschwärzen! Du bist wirklich gut! Deine 'wichtige' religiöse Position in allen Ehren." Salinator pfiff auf die Vestalinnen! "Aber ich glaube, du überschätzt dich ein wenig. Ich bin mit Valerianus durch mehr Menschenblut gestapft als du jemals Lämmerblut vergossen hast!" Er lehnte sich zurück. "Aber du wirst sicher stichhaltige Beweise haben. Daher wünsche ich dir viel Glück." Wenn sie glaubte, ihn unter Druck setzen zu können, dann würde sie sehen, wie ihr Spiel ausgehen würde. Er war sich ziemlich sicher, dass er keine Anweisung unterschrieben hatte, auf der stand: 'Hiermit versetze ich Quintilius Valerian willkürlich und aus Ärger darüber, dass er so eine scharfe Braut hat, nach Germania.' Allein der Gedanke amüsierte ihn aber so, dass er fast noch einmal losgelacht hätte. Vielleicht würde er doch einen Brief an Valerianus schreiben, dass dieses Gör sich zu entschuldigen hatte, allein um sie zu demütigen!


    "Und jetzt würde ich dich bei allem Respekt demütigst bitten, wieder ein wenig zu arbeiten, damit ich nicht auch noch damit den Zorn des Kaisers auf mich ziehe." meinte er daher und fragte sich einen Augenblick, ob es irgendein absurdes Gesetz gab, dass man Vestalinnen nicht mit Gewalt aus seinem Haus werfen durfte.


    Romana rümpfte die Nase indigniert, als der Mistkerl es wagte, sie auszulachen. Diese Dreistigkeit wäre schon fast bewundernswert, wäre sie nicht gegen sie in Person gerichtet. Zum Selbstverständnis einer Vestalin gehörte das Bewusstsein, im Grunde eine unverletzliche Person zu sein, und niemand, den man auslachte. Alleine dafür war es wohl so, dachte sich Romana, dass der Dicke wieder den Pax Deorum gebrochen hatte.


    Dabei hatte Salinator nicht einmal Unrecht. Was hatte sie für Beweise? Aber für Romana war es klar. “Du fragst, was ich in der Hand habe. Ich sage es dir. Die Tatsache, dass in meinen Adern das Blut von Helden, Königen und Kaisern fließt! In meiner Gens gab es 30 Consule, 5 Diktatoren, 7 Zensoren, 6 Triumphe und 2 Ovationen! Ich bin die Enkelin jenes Claudius Restitutor, welchem die Wiederherstellung des Kaiserreiches zu verdanken ist! Ohne meine Gens, ohne meine Familie, wären wir jetzt eine radikale Republik!“ Dieser verdammte Homo Novus, spielte sich auf, als ob er der Kaiser selber wäre! Dabei stand ihm die dümmliche Ignoranz vor einer der ältesten und nobelsten Gentes in Rom, und die Verachtung ihrer Schwesterschaft, ins Gesicht geschrieben.


    War es mittlerweile unvernünftig geworden, zu bleiben? Vermutlich. Es würde sie entwürdigen, noch länger in der Gesellschaft dieses Barbaren zu bleiben. Es hatte schon seinen Reiz, so lange zu warten, bis Salinator sie rauswerfen würde. Wenn man sie sähe, wie sie strampelnd und schreiend aus der Castra Praetoria gezerrt werden würde, das hätte Potential zum Stadtgespräch. Aber da war noch die Tatsache, dass sie die Würde ihrer Göttin widerspiegeln musste. Und das wäre nicht darin inkludiert, leider. Sie stand auf und blickte ihn an. Wie schön wäre es jetzt gewesen, einen dramatischen Einzeiler loszulassen, dass diesem Salinator Hören und Sehen vergehen würde.


    Aber alles, was sie sagte, war: “Wir hören noch voneinander. Vale.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ wutentbrannt das Officium dieses Ketzers.