Beiträge von Claudia Romana

    Es wandte sich das Augenmerk der Vestalin auf den Pontifex Aurelius, welcher sie eine Frage stellte, die so dumm gar nicht war. “Nun, Aurelius, ich habe keine Antwort“, gab sie freiheraus zu. “Dies hier ist der Cultus Deorum. Der Götterkult fußt, wie du als Pontifex sicher weißt, nicht immer auf logischen und auf den ersten Blick ersichtlichen Prämissen“, erklärte sie in der leicht schwurbeligen Art und Weise, in der man Religion des Öfteren erklärte, dem Aurelier. “Es ist einfach eine Sache, die der Kult vorschreibt.“ Romana hatte aufgegeben, den auf menschlichen Verstand basierenden Sinn hinter Ritualen zu sehen, und sich damit abzufinden, was die Götter von den Menschen verlangten, und, wie vorzufahren war im Kult der Götter. Man hatte es ihr so erklärt, und es war nicht an ihr, die göttliche Ordnung zu hinterfragen, als ob sie eine an nur 2 oder 3 Götter glaubende Christianerin wäre.


    Sie hoffte, dass diese Antwort dem Pontifex, der ja schließlich nicht in die Rituale der Vestalinnen eingeweiht war – nur wenige wussten überhaupt etwas von ihren mysteriösen Pflichten – genügen würde, auch wenn sie vielleicht nicht befriedigend wäre für alle Menschen. Und so schob sie rasch noch ein freundliches, ein bisschen entschuldigend wirkendes Lächeln für den Aurelier hinterher.


    Romana, deren Gens wie die von Gracchus selber eine Anzahl an Kaiser gestellt hatte, was somit Corvinus den einzigen im Raum von nicht-kaiserlichem Blut machte, blickte wieder kurz zu den Lares hin, die sie immer ein wenig an die in der Villa Claudia erinnerten - auch, weil auch die Laren in der Villa Claudia sehr fein gefertigt waren – und entdeckte einen Laren mit durchaus femininen Gesichtszügen, dem sie aber nicht viel Aufmerksamkeit schenkte. Vielmerh wollte sie weiter machen mit der Führung.


    “Ich würde euch jetzt gerne das Tablinium zeigen. Kommt ihr mit?“ Sie blickte beide Pontifices erwartungsvoll an.

    Von den Steinen, die an einer komplett anderen Stelle des Festes geworfen wurden – was sich eh gleich wieder beruhigte – bekam Romana nichts mit. Ohnehin kümmerte sie sich lieber um die von Manilius Mancinus so rüde durch die Mangel genommene junge Frau. Sie war etwas jünger als sie, schätzte Romana, mit Haaren, die an Lockigkeit mit ihren zu wettstreiten suchten.


    Romana nun hätte mit allem gerechnet – von einem Schwall an unflätigen Beschimpfungen ihrer Person und/oder ihres Liktors, bis zu mildtätigen Worten des Vergebung. Aber das? Ein blöder Scherz? Das Gesicht der Claudia wandelte sich von besorgt-reuevoll zu verwundert. Blöder Scherz... hatte sie damit Manilius Mancinus gemeint? Oder dass gerade ein Liktor, der die Würde einer Vestalin beschützen sollte, diese durch solche Aktionen gefährdete? Oder aber... nein, sie konnte sich keinen Reim daraus machen, und das sah man ihr wohl auch an.


    Erst dann kam wieder etwas über die Lippen des Mädchens... verzeih? Die Hitze? Vermutlich wollte die Kleine – denn als eine solche erschienen der regelrecht hünenhaften jungen Vestalin fast all ihre Geschlechtsgenossinnen – einer Vestalin nicht auf den Schlips treten. Romana aber ließ das aus reinem Schuldgefühl nicht gelten. “Verzeihung, wie? Das ist doch nicht deine Schuld, sondern meine.“ Schließlich hatte sie den Manilier auf die Leute losgelassen. Dem mittlerweile auch schon ein brav reuemütiges Gesicht Machenden warf sie einen verärgerten Gesichtsausdruck zu, bevor sie sich wieder dem Mädchen zuwandte, und sie mit einer gewissen Verzagtheit anschaute. Vielleicht wollte die Frau irgendein Schmerzensgeld? Das würde Romana gerade noch fehlen!

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    Mancinus war kein großer Freund von Straßenfesten. Sie behinderten ihn, als Liktor, im Weiterkommen. Doch es wäre zu schön gewesen, hätte der Manilier nur vor einem Wagen oder einer Sänfte im würdevollen Tempo einherzuschreiten und manchmal mit salbungsvoller Stimme „Kusch, kusch“ zu rufen, wenn jemand drohte, den Weg zu versperren, was fast eh nie der Fall war. Nur dumm, dass es weitaus abenteuerlicher war, der ehrwürdigen Claudia Romana ein Liktor zu sein, als anderen Sacerdotes Vestales. Er seufzte und blickte kurz nach hinten. Romana war noch immer da, sogar ihr nutzloser Anhang, die Sklavin Parthenope, die ansonsten Weltmeisterin im sich-verlaufen war.


    “Ich möchte schneller nach vorne kommen! Also, mein lieber Manilius, mach mal deine Arbeit!“, hörte er die dunkle Stimme der Claudia, die natürlich wie eh und je zu Fuß gekommen war, von hinten. Mancinus blickte zu der großen Patrizierin hinauf, kratzte sich in seinem fettigen, schwitzigen Haar, dann nickte er. “In Ordnung, Chefin. Äh...“ Er nahm den Liktorenstock, den er als Liktor einer Vestalin anstelle eines Rutenbündels hatte, und nahm ihn in beide Hände. Damit schob er die Leute ein wenig vorwärts, wie ein Optio die Soldaten in einer Schlacht. Romana blinzelte etwas verblüfft, als sie diese militärisch anmutenden Methoden sah – und als Tochter eines Veteranen wusste sie, was Mancinus nachzuahmen versuchte.


    Sie seufzte, denn sie sah genau, wie Mancinus scheiterte. Zwar ruckten die Leute etwas zur Seite, als nach und nach das Wissen, dass eine Vestalin durchzukommen versuchte, einsickerte, aber Mancinus war alleine, und konnte so dem Bulk nicht Herr werden. Frustriert fasste er den Stab mit beiden Händen und versuchte durch Herumschwingen die Leute dazu zu animieren, wegzugehen. Das einzige, was der Liktor jedoch erreichte, war, dass er es irgendwie schaffte, während er herumfuchtelte, entweder mit dem Stab oder irgendeinem Teil seines Körpers, Romana konnte es nicht genau erkennen, sehr derb eine Frau zu treffen. Die Vestalin machte einen ein bisschen verzweifelt wirkenden, unterdrückten Laut und ging auf Mancinus zu. “Du bist der wirklich der absolut dümmste...“ “Aber Claudia, ich habe doch nur nach deinen Anweisungen...“ “Was nicht heißt, dass du die alles niedermetzeln musst, du rücksichtsloser...“ Sie verbiss sich ein Schimpfwort, dass ihrem Stand nicht angemessen gewesen wäre, ließ den bedröppelten Manilier links liegen und wandte sich hingegen an die Getroffene – aber erst, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass Parthenope noch herumstand und nicht längst schon den Anschluss verloren hatte.


    “Alles in Ordnung bei dir?“, fragte die in der charakteristisch weißen Kleidung gewandete Priesterin der Vesta die andere – scheinends eine Patrizierin wie sie selber. Der Claudia konnte man ansehen, dass ihr das rüpelhafte Auftreten ihres Liktors etwas peinlich war.

    Eine kleine, schüchterne Sklavin aus dem Atrium Vestae kam mit diesen beiden Briefen vorbei und legte stumm 20 Sesterzen auf den Tisch.


    An
    Germanica Calvena
    Casa Quintilia
    Mogontiacum
    Germania Superior


    Liebe Calvena,


    ich kann kaum meine Freude beschreiben über den Brief, den ich aus deiner Hand erhalten habe. Es tut mir Leid, dass ich dir nicht eher schreiben konnte, aber meine Priesterprüfung und die Vestalia hielt mich ab. Du hast richtig gelesen, Priesterprüfung. Ich habe sie mit Bravour bestanden, und somit schreibt dir nun eine Sacerdos Vestalis, eine voll ausgebildete Vestalin.


    Es erfreut mich, dass deine Reise dir keinen Anlass zur Klage bot, obwohl ihr wohl den rumpeligen Landweg genommen habt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ich eine solche Reise genießen würde – aber du warst stets immer die Abenteuerlustige von uns beiden.


    Als ich von deiner Abfahrt erfuhr, eilte ich sofort zur Casa Quintilia, aber ich fand sie verlassen vor, bis aus Sermo, der mich ein wenig in meiner Seelenpein beistehen konnte. Er ist ein wirklich guter und netter Mann, dank ihm und seiner Worte habe ich mich auch gleich etwas besser gefühlt.


    Vielen Dank, dass du auch Serrana zu mir geschickt hast. Dass du so dermaßen an mich gedacht hast, war sehr lieb von mir, und der Besuch war auch sehr nett. Wir hatten ein langes und erhellendes Gespräch. Tatsächlich erzählte sie mir davon, dass sie den Verdacht hatte, dass sie schwanger war. Infolgedessen versammelten wir uns im Atrium der Casa Iunia, wo ich für sie eine Haruspizin an einem Lamm vollführte. Dadurch stellte sich heraus, dass Serrana tatsächlich schwanger war und nun das Kind des Germanicus Sedulus in sich trägt. Ich hoffe, dadurch konnte ich Serrana beruhigen, dass sie ein gesundes Kind auf die Welt bringen und dies auch überleben würde.


    Es versteht sich wohl ohne explizite Erwähnung, dass ich sofort Schritte unternommen habe, um die Ungerechtigkeit, die deinem Ehemann widerfahren ist, zu berichtigen. Ich fand mich am Tag nach deiner Abreise im Officium des Vescularius Salinator ein, und ich kann dich in deinen Worten gegenüber diesem Mann nur bestätigen – er ist inkompetent und eine Fehlbesetzung. Meine Erläuterungen und Fragen beachtete er kam. Nein, er behandelte mich, eine Vestalin, eine Tochter des Kaisers, mit einem Mangel an Respekt, der seinesgleichen sucht. Er entblödete sich nicht, mich auszulachen, dumme Witze über meine Keuschheit zu machen und mich am Ende rauszuwerfen.


    Und so habe ich nun meinem Vater, dem Imperator Caesar Augustus in Person, einen Brief geschrieben, in dem ich ihm meinen Unmut über den Vescularius erklärt habe, ihm darum gebeten habe, die vom Praefectus Urbi gefällte Entscheidung rückgängig zu machen und auch nach Rom zurückzukehren, oder zumindest Vescularius zu ersetzen.


    Bislang habe ich noch keine Antwort bekommen, doch ich verbleibe zuversichtlich, dass mein Vater der Kaiser mir bald zurückschreibt und in seiner unendlichen Weisheit die Dinge wieder zurecht rückt. Es besteht also eine große Chance, dass du bald wieder in Rom bist, auch, weil man hört, dass der Prätorianerpräfekt Prudentius Balbus Schritte unternimmt zur Zurückführung deines Gatten.


    Mit lieben Grüßen,
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    An
    Germanica Calvena
    Casa Quintilia
    Mogontiacum
    Germania Superior


    Liebe Calvena,


    ich möchte dich bitten, dass du den Inhalt dieses eines Briefes niemanden verrätst! Es ist sehr wichtig, dass du ihn nicht herumreichst (beim ersten Brief kannst du das tun, denn ich glaube, dass Valerian begierig darauf ist, ihn zu lesen), diese Information ist nur für dich, einer anderen oder einem anderen vertraue ich sie nicht an.


    Ich erzählte dir in meinem ersten Brief, dass ich eine Haruspizin für Serrana ausgeführt habe. Tatsächlich habe ich gesehen, dass sie schwanger ist. Doch nun kommt die Stelle, wo ich dich angelogen habe.


    Erfreuliches gesehen habe ich mitnichten. Die Leber war übersät mit hässlichen Punkten und Knoten an den Stellen, wo die glücklichen Götter ihre Häuser haben, und mit gülden schimmernden, wo die Häuser der Infernalischen waren. Nun, du kennst die Haruspizin nicht, so sage ich dir, was das bedeutet. Ich habe gesehen, dass Serrana bei der Geburt ihres Kindes sterben wird.


    Sie wird sterben, Calvena! Und ich kann nichts tun, um die Parzen zu überreden, Serranas Lebensfaden zu verlängern! Was also hättest du getan? Ich konnte nicht anders, ich log sie an. Ich erzählte ihr von Frieden und Freuden und Licht, während ich jedoch auf der Leber den Tod erblickte. Du weißt, ich bin kein Feigling. Ich tat es nicht, um die Wahrheit hinauszuschieben. Ich tat es nur, um die letzten Monate auf Erden für Serrana angenehm zu machen. Bitte, sei nicht wütend deswegen. Den Zeitpunkt seines Todes zu kennen ist ein Fluch, mit dem ich Serrana nicht belasten wollte. Ich fühle mich absolut grässlich dafür, aber noch schlimmer würde ich mich fühlen, lebte ich mit der Gewissheit, dass dem Ende des Lebens unserer gemeinsamen Freundin grausame Wochen des Jammers vorangegangen wären.


    Ich bitte dich also dringenst: erzähle niemanden von diesem einen Brief hier. Vernichte ihn am Besten.


    Danke.


    Auf ewig deine Freundin
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    Romana konnte sich nun ein Lächeln nicht verkneifen. Wenn Laevina wüsste! Sie erzählte die Geschichte mit der Erscheinung Vestas vor ihrem Entschluss, den Vestalinnen beizutreten, so wenigen Leuten wie möglich, sodass es nur die Vestalinnen, die Gens Claudia, Calvena, Tiberius Durus und der Kaiser wussten, also alles Personen, denen sie bedingungslos vertraute, dass diese es nicht weiterplauderten und deshalb auch nicht für komplett verrückt hielten. Die Frage nach ihrem Alter kam dann aber ein bisschen überganglos. “Ich...“ Sie hustete und fing sich dann wieder. “Ich bin 19, bald 20“, erklärte sie. Sie freute sich kaum auf ihren zwanzigsten Geburtstag, für sie bedeutete das so etwas wie das Ende ihrer Jugend. Was sie bei ihrem dreißigsten Geburtstag empfinden würde, das wusste sie überhaupt nicht, wollte es auch gar nicht wissen.


    Plötzlich jedoch tauchten die drei jungen Frauen, die eben noch am Eingang gestanden waren, durch das Gewusel der römischen Matronen hindurch auf. Jede von ihnen trug einen Teller mit Lebensmitteln drauf, und Romana war eigentlich recht froh, diese Tortur nicht ertragen zu müssen. Sie selber hatte ihre Füße in Sandalen gesteckt, an denen beidseitig Goldhalbmonde herunterbaumelten, sie hatte ja nicht die Pflicht, barfuß zu gehen!


    “Salvete!“ Sie lächelte Calliphana freundlich zu, die beiden anderen etwas reservierter – die eine, weil sie sie nicht kannte, die andere, weil sie eine Todgeweihte war. Sie schluckte. Serrana begann, die beiden ihrer Großmutter vorzustellen. Und... ahhh! Das hier war also die weit bekannte, gefürchtete, berüchtigte Flavia Celerina, von der sie schon viel gehört, aber noch nie etwas gesehen hatte. Nun also war der Moment gekommen.


    “Nein, wir kennen uns nicht. Salve, Flavia Celerina. Ich habe schon viel von dir gehört. Es freut mich, dich kennen zu lernen. Ich bin die Sacerdos Vestalis Claudia Romana. Willkommen im Haus meiner Göttin.“ Sie machte eine Handbewegung, die fast so aussah, als ob sie aussagen würde: alles meins! Und so falsch war das auch nicht – nur zur Vestalia hatte hier überhaupt jemand außerhalb der Schwesternschaft Zutritt.


    Laevina fragte Celerina eine Frage über irgendeinen Flavier, dessen Name ihr vage bekannt vorkam. Piso, da war doch irgendwann einmal was gewesen. Hatte der nicht einmal einen peinlichen Musikauftritt am Markt gehabt? Naja, manche Patrizierfamilien degenerierten halt. Wie gut, dass das nicht bei der stolzen, altehrwürdigen Gens Claudia der Fall war!

    Sim-Off:

    No problem ;)


    Und Romana würde auch nichts sagen. Was würde es auch bringen, ihn zu verpfeifen? Und sie war keine Lügnerin – zumindest hatte sie das gedacht, bis sie ihre Freundin Iunia Serrana, was eine Leberschau anging, nach Strich und Faden anmogeln würde.


    Sermo lächelte mit einer Mischung von Wohlwollen und Amüsiertheit, als Romana ihre Ausführungen zum Besten gab. Endlich aber ließ sie ihm wieder Zeit, etwas zu entgegnen, und diese Gelegenheit ergriff der Quintilier auch prompt.


    Sie lächelte, als er ihr ein wirklich nettes Kompliment machte, das sie wieder ein kleines bisschen aufbaute. Viel zu wenig Männer, so dachte sie, zeigten solche Nettigkeit auch gegenüber Frauen, die sie nicht haben konnten, wie ihr. Sermo war eben ein wahrer Kavalier – andere Absichten konnte sie ihm einfach nicht unterstellen. Errötete sie vielleicht sogar ein wenig? Verflucht! Nur bei Sermo und Sedulus war ihr dies bisher vorgekommen, und das jetzt schon bei Sermo das zweite Mal! Sedulus war natürlich eine ganz andere Geschichte wieder... nur an ihn zu denken wischte wieder auf ein Mal ihre gesunde Farbe vom Gesicht. Sie hatte diese Geschichte noch immer nicht komplett verdrängt.


    Die Vestalin schaute nun wieder ernster, als Sermo beschrieb, was seine Befürchtungen bezüglich Vescularius Salinator waren, und nickte dabei, bevor sie ihre Stirn runzelte. “Pomponia Pia? Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist. Sie ist keine Freundin von politischer Einflussnahme.“ Im Gegensatz zu manch anderen früheren Obervestalinnen. “Ich werde mich, wenn das alles nichts bringt, wohl direkt an die oberste Stelle richten müssen – an meinen Vater, den Kaiser.“ Sie lächelte wieder ein wenig. Selbstverständlich war sie nicht die leibliche Tochter des Kaisers, aber als Vestalin wurde sie als solche betrachtet.

    “Äh... aha... ah so.“ Vermutlich hatte Vera, bevor sie nach Roma gekommen waren, in einer kleinen insula gelebt, wie so viele Römer, und ihre Eltern hatten keinerlei Rücksicht auf ihre Tochter genommen. Die adelige Romana natürlich, aus der urpatrizischen Oberschicht, kannte so etwas nicht, aber es musste doch recht übel zugehen in solchen Mietskasernen. Aber wenn sie aus keinem guten Haus kam, hatte sie dann überhaupt Bildung? Naja, nichts, das man ihr nicht als Vestalinnenschülerin ausbügeln konnte.


    “Dann mach das.“ Sie blickte zu Centho und nickte ihm auffordernd zu. “Ich nehme an, du weißt, wo der Pontifex lebt. Geh mit deiner Verwandten zu ihm, dann werdet ihr sicher weitersehen. Du kannst bei der Gelegenheit ja auch etwas Wahlwerbung machen.“ Sie grinste ihm fröhlich-burschikos zu.

    “Nein, nein, nein, keine Sorge“, versuchte Romana mit ein bisschen zu vielen Neins zu kalmieren. Ihre Worte waren zwar viel versprechend gewesen, aber ihre nervöse Körperhaltung strafte diesen Worten Lügen. Das Lamm, das Unheilvolle, beachtete sie gar nicht mehr. “Bitte, bitte. Und... äh... ah ja, meine Hände. Hmm. Ja. Weißt du was, ich mache es einfach so.“ Sie beugte sich nieder, zum Impluvium hin, tauchte ihre Hände ein und rubbelte sich das Blut ab. Sie versuchte dabei möglich, ihre dem Tod geweihte Freundin, die sie so schandhaft belogen hatte, nicht anzuschauen. Das Blut war schnell weggewischt, auch wenn dort und dann kleine Rückstände zurückblieben, denen Romana aber keine sonderliche Beachtung mehr schenkte.


    “Nichts zu danken... so, ich gehe jetzt“, kündigte die Vestalin an. “Wir sehen uns. Vale.“ Sie wandte sich schnell ab, um zu gehen, und Parthenope, die die Szene nicht mitbekommen hatte, da sie dabei gewesen war, das Werkzeug einzusammeln, beeilte sich, ihrer Herrin hinterherzukommen.

    Romana lächeln angestrengt Serrana an. Würde sie schlucken, was Romana ihr vorgesetzt hatte? Hmm, sie sagte zuerst, das wäre wundervoll. Dennoch, leichte Ungläubigkeit schwang mit. Ob sie denn etwas übersehen hätte? Romana musste sich beherrschen, dass ihre Kinnlade oben blieb, an ihrem angestammten Platz. Nein. Und das sagte sie auch.


    “Nein, ich habe nichts übersehen. Gar nichts, sei dir sicher.“ Irgendwie sagte sie dies mit einem bitteren Tonfall, der gar nicht intendiert war, aber trotzdem zu hören. “Und jetzt, du entschuldigst mich, ich muss gehen.“ Sie wollte einfach nur noch raus aus diesem Haus, mit ihren blutigen Händen, einfach weg, um sich irgendwo draußen in den Wieten von Rom einen Platz zu suchen, wo sie sich die Augen ausheulen konnte über das tragische Schicksal, das, so wie sie es vorhergesehen hatte, ihrer Freundin bevorstand. Doch bis sie die Türe überschritten hatte, musste sie stark sein! Sie durfte Serrana nicht den Eindruck vermitteln, dass sie etwas Schlimmes in der Leber gesehen hatte. Ihr eingefrorenes Grinsen war jetzt nur noch mehr gequält. “Und zwar sofort, ich habe noch Aufgaben heute. Meine Feuerwacht fängt gleich an“, mogelte sie.

    Die Leber war interessant anzuschauen. Garantiert verschlossen sich die Götter nicht Romanas Bitte, sie lesen zu können. Als sie, die Serranas Wimmern gar nicht mehr bemerkte, mit ihren langen schlanken Uhrmacherfingern die Leber entlangfuhr, entstand ein Bild in ihrem Kopf.


    Iuppiter gibt keine negativen Vorzeichen. Doch was ist das? Ein goldener Schimmer. Iuno lächelt. Sie hat Serranas Gebete erhört. Auch Maias Vorzeichen sind glücklich. Die Göttinnen würden Serranas Wunsch gewähren. Ein Kind würde kommen. Catha, die Göttin der Sonne, aber wandte sich ab. Fufluns, der Gott der Gesundheit, hatte Serrana den Rücken zugekehrt. Kein Wachstum sollte geschehen, kein Glück! Und dann – Letham. Mortus. Der Gott des Todes. Sein wildes, wüstes Antlitz hatte er Serrana zugewandt. Seine Fänge streckte er nach ihr aus. Tluscva, die Erde, würde Serrana empfangen. Und Culsu, die schöne, aber böse Dämonin des Todes, wetzte bereits ihre Klingen, um Serrana und ihr Kind herabzureißen. Vetis, Veiovis, wie die Römer ihn nannten, stand bereit, um den Tod zu bringen.


    Hektischer wurde der Finger der Claudia, als er die Leber umrundet hatte und sich nun durch die innerern Sektionen wühlte.


    Letham, der Tod, ließ keine Freude mehr zu. Er war allgegenwärtig. Er bereitete sich vor, er war imminent. Die Fruchtbarkeit war groß, doch niemand kann das Schicksal aufhalten, auch nicht Hercules oder die Liebe. Es blieb nur die Tatsache, dass die Würde und die Ehre bleiben würde im Tod.


    Romana ließ die Leber sinken. Sie atmete schwer und blickte Serrana durchdringend an. Sie hatte deutlich die Leber gelesen. Es war deutlich darauf gestanden. Der Lebensfaden, den die Parzen Serrana zugestanden hatten, war fast zu Ende. Sie würde sterben. So oder so. Serranas Leben würde enden, und das Elysium oder der Tartarus sie empfangen. Sie schluckte.


    “Serrana, du bist schwanger, und du wirst gebären. Ein Kind von Sedulus wirst du gebären.“ Aber, wollte sie hinzusetzen, du wirst es nicht überleben. Das Kind vielleicht schon, aber du wirst sterben bei der Geburt. Romanas Atem wurde ungleichmäßig. Sie konnte es nicht. Sie konnte das ihrer Freundin nicht sagen. Es war ihr unmöglich. Sie würde Apolls Zorn auf sich ziehen, doch sie konnte einfach nicht. Serrana sollte ihre letzten Monate nicht mit der Gewissheit des Todes verbringen. Nein, sie würde es ihr verheimlichen müssen, etwas anderes konnte sich nicht im Rahmen der Ethik befinden.


    Sie zwang sich ein krampfhaftes Lächeln ab. “Die Geburt wird leicht und glücklich werden. Gesundheit, Wachstum und Frieden werden dein Leben begleiten. Du wirst überleben, und deinem Kind eine Mutter sein können. Das sagt die Leber“, log sie, während sie sich innerlich fühlte, als ob sie sich gleich erbrechen müsste.


    Dunkelheit. Bitterste, schwärzeste Dunkelheit.

    Romana lächelte Centho zu. “Ich kann es mir vorstellen. Ich bin Soldatenkind. Aber natürlich, nicht jeder ist dazu berufen.“


    Interessanter noch als Centhos Berichte war das, was Vera sagte. Sie war sich auch trotz der Warnungen Romanas sicher, einzutreten... doch dann wurde es etwas kompliziert. Romana blinzelte unwillkürlich, als sie überlegte. Vera hatte schon mit 3 Jahren gewusst, dass sie Vestalin werden wollte? Oder dass sie nicht heiraten wollte? Zweiteres ergäbe mehr Sinn, denn sonst wäre Vera sicher schon mit 6 Jahren als Vestalinnenschülerin gekommen. Romana selber hatte mit 3 Jahren noch ihre Puppen vollgesabbert, gerade mal gelernt, sinnvoll zu reden, und sich nicht große Gedanken über ihe Karriere gemacht. Naja. Jedem das seine. Auch gefiel Vera der Sex nicht – das löste sofort ein bisschen Misstrauen in Romana aus!


    “Wie weißt du, dass du den Geschlechtsverkehr nicht magst? Du bist doch noch Jungfrau, oder?“ Denn ohne die Jungfräulichkeit würde Vera sicher nicht aufgenommen werden.


    Vera beantwortete ihre Frage, was ihre Motivation anging, mit Referenz auf diverse Bücher. Romana lächelte. “Ah. Ich selber hatte eine Erscheiung der Vesta, welche mir den Weg wies.“ Sie erzählte dies nicht groß herum, damit die Leute sie nicht sofort für verrückt erklärten, aber den beiden Iuliern vertraute sie einmal.


    “Mach dich um die richtige Ausbildung keine Sorgen, wir haben eine Tradition von mehr als 800 Jahren der Ausbildung. Und jede Vestalinnenschülerin bekommt eine Vestalinnenpriesterin als Mentorin.“ Romana selber war noch keine Mentorin gewesen, deshalb stand die Chance gut, dass sie selber Veras Mentorin werden würde!


    “Nun gut. Was ich dir jetzt also sagen kann, ist Folgendes.“ Romana wollte Vera weiterhelfen. Vor allem wegen Centho – schließlich würde dieser sicher bald Senator sein, und einen Senator, der einem einen Gefallen schuldig war, konnte man immer gut gebrauchen.


    “Ich selber wurde damals zum Pontifex pro magistro Tiberius Durus geschickt. Am Besten gehst du auch direkt zu ihm. Richte ihm übrigens bitte schöne Grüße von mir aus. Er wird dir vielleicht raten, einen Bericht über dich an den Kaiser zu schicken, bei mir tat er das auf jeden Fall. Der Kaiser ist schließlich in Misenum, also nicht so leicht zu erreichen. Das einzige, was dann noch für dich zu tun ist, ist warten, bis du einen Bescheid des Kaisers bekommst. Ziemlich sicher musst du zu ihm nach Misenum reisen für die Captio. Ich selber musste das auch.“

    Romana hörte, wieder mit gesammelter Würde, der Iulia zu, und kurz blickte sie betroffen drein, als Vera von ihrer toten Mutter erzählte. “Das ist traurig... aber sei dir gewiss, eine tote Mutter ist kein wahres Hindernis. Ich weiß es aus eigener Erfahrung.“ Sie blickte einen Moment kurz glasig, dann lächelte sie wieder. “16. Ungewöhnlich alt für eine Vestalinnenschülerin. Aber auch ich wurde aufgenommen, als ich bereits über der normalen Aufnahmezeit war. Von daher dürfte dies keine allzu hinderliche Hürde darstellen. Aber, sag mir... o-was? Was bedeutet das?“ Sie blickte wieder etwas verwirrt. "Okay" war ja zugegebenerweise kein Wort der lateinischen Sprache. :D


    “Nun aber möchte ich dir aber noch etwas sagen. Ganz ungeschminkt – passend, Schminke darf keine Vestalin tragen.“ Sie grinste kurz. “Iulia Vera, Vestalin sein! Manche Leute denken, dies bestünde darin, stundenlang vor einem Feuer zu sitzen und verträumt zu plauschen. Das stimmt nicht. Es ist eine Knochenarbeit. Die Lehrjahre sind anstrengend und fordernd, und die Jahre als Priesterin sind ungleich schwieriger. Manchmal hat man Tage des Nichtstuns, und dann wieder Tage des frenetischen Arbeitens, weil man sich auf ein Fest innert kurzer Zeit vorbereiten muss. Was dazu kommt – keine Heirat, auch keine Schäferstündchen mit Herren.“ Manche Frauen würden sich zieren, so etwas offen auszusprechen, aber Romana war sehr direkt in ihrer Art. „Es ist eine Arbeit, die sich wenige aussuchen, und viele werden durchs Los bestimmt, weil niemand zu den Vestalinnen will. Doch die Früchte der Arbeit als Vestalin sind unvergleichlich hoch. Also. Du bist dir ganz sicher, dass du zu uns willst?“ Sie legte ihren Kopf schief und sah Vera an, bevor ihr noch etwas einfiel. “Warum denn willst du zu den Vestalinnen? Was veranlasste dich zu diesem Entschluss?“ Es wäre effektvoller gewesen, dies vorher zu fragen, aber egal.


    Sim-Off:

    Vera: Ich würde dich gerne bitten, den Antwort-Button zu benutzen – ist viel übersichtlicher so. ;) Merci...

    Romana machte große Augen. “Geschenke?“ Io Saturnalia! Oder halt, das war an einem anderen Tag. Sie schnaufte aus und knuffte ihren mittlerweile schon recht alten Freund (nicht im Sinne von Greis) vertraut sanft in den rechten Oberarm. “Ja, klar.“ Was musste Centho, der sie damals während seines Vigintivirats mit Schriftrollen regelrecht überhäuft hatte, auch immer so dämliche Scherze hervorkramen? Sie grinste ihn scherzhaft an. “Sag mal, wie gefällt dir eigentlich das Tribunat?“


    Ihr Blick jedoch glitt zu der Iulierin, die Centho nun vorstellte, und ebenso wie Centho verblasste wieder die leicht alberne Ader, die Romana gerade bewiesen hatte. “Iulia Vera also. Salve.“ Vesta zum Gruße? Welch eigenartiger Gruß. Doch er bewies eine Art von Devotion, die andere vielleicht als Superstitio ablehnen würden, der frommen Romana aber durchaus gefiel. “Ich bin Claudia Romana, Vestalinnenpriesterin und eine Freundin deines Vetters.“ Was eigentlich schon klar hätte sein sollen. Was aber wollte Vera hier?


    Centho klärte es auf. Sie wollte... Vestalin werden? Romana blickte verblüfft Centho an. War dies wieder einer seiner Scherze? Aber nein, der Iulier schien ganz ruhig. “Also. Was die freie Stelle angeht... ja...“ Betrübt wirkte plötzlich ihr Gesicht. “Eine der Vestalinnenschülerinnen ist verstorben. Ihr Name war Calpurnia Seia, sehr zurückgezogen und still... eines Tages fand man sie tot auf ihrem Bett. Meine Freundin Lartia Restituta war ihre Mentorin... ein echtes Trauerspiel. Calpurnia hatte offenbar ein altes Leiden, und... ach, was belästige ich euch damit.“ Unwirsch winkte sie ab. “Auf jeden Fall. Ja, eine Stelle unter den Schülerinnen ist frei.“ Sie blickte auf Vera, betrachtete sie genau. “Aber, sage mir, Iulia Vera: wie alt bist du eigentlich? Und leben deine Eltern noch?“

    Der Zufall, dass es tatsächlich Sacerdos Vestalis Claudia Romana war, die ihren Dienst an der Tür ableistete, würde zunächst unglaublich erscheinen, doch war er dadurch qualifiziert, dass es ja nicht so viele Vestalinnen gab, und es immer eine gesunde Chance darauf gab, dass eine spezifische gesuchte Priesterin der Vesta schon an der Porta war. Mit einem Murren legte die Brünette ihr gerade angefangenes griechisches Buch beiseite – Xenophon, sie versuchte, ihr griechisch weiterhin zu perfektionieren, auch wenn sie es immer noch mit einem grauenhaften Akzent sprach – erhob sich zu ihrer vollen, durchaus beeindruckenden Größe, ertastete den Türknauf und machte die Tür auf.


    “Salvete. Was kann... oh, Centho? Wie schön, dich zu sehen! Was machst du denn hier?“ Ihr Blick wanderte, ein wenig konfus, zu der Begleitung, die Iulius Centho, der tatsächlich der war, der an die Tür angeklopft hatte, mitgebracht hatte. Wer war sie? Doch kurz musterte sie noch das Kleidungsarrangement des Iuliers – für sie war er der bestangezogene Mann in ganz Rom! Sie war immer wieder beeindruckt über seinen Geschmack, sicher hatte ihm die gute Calli geholfen beim Anziehen. Wie es der quirligen Rothaarigen bloß ging? Sicher war sie ihm eine hervorragende Ehefrau und eine vortreffliche Matrone – etwas, was Romana nie werden würde.

    Romana winkte ab. “Schon gut“, machte sie großzügig und strich sich ihre langen lockigen Haare nach hinten, um nicht in ihrem Blickfeld behindert zu sein. “Gut, dann wird es direkt am Boden sein.“ Sie ließ das Lamm ebendort hinunter, wo es am Boden, noch immer betäubt von Romanas kräftigem Stoß, rumlag wie eine fallen gelassene Puppe. Die Claudia schluckte ein aufkeimendes Gefühl des endlosen Mitleids für das Tierchen herunter, und winkte Parthenope zu sich. Die Sklavin stellte den Korb mit all den benötigten Sachen neben Romana ab. Diese warf ihre Hände hinauf und begann ein kurzes Gebet zu beten, ein kurzes etruskisches, wie ihre Großmutter es ihr beigebracht hatte.


    “Aplu, Gott der Leberschau, blicke gnädig auf mich. Ich rufe dich, der du die Hände der Haruspices leitest, ich, die dich stets ehrte. Leite auch meine Hände, und meine Augen, damit ich die Vorzeichen richtig erkennen kann, dass ich sehen kann, was die Zukunft für Iunia Serrana bereit hält. Weiterhin werde ich dir Opfer bringen, wenn du mir hilfst, zu sehen.“


    Sie senkte ihre Arme, ging dann in die Hocke und nahm den mächtigen Culter, das Opfermesser, aus dem Korb. Sie ergriff den Kopf des benommenen Lammes, und zog dann mit einem professionell wirkenden Handgriff das Messer über die Kehle des Lammes. Das Blut spritzt heraus und bekleckerte den Boden. Die Claudia hielt, mit scheinbar ganz unbeteiligtem Gesichtsausdruck, den Hals des Lammes so hin, dass weder Romana noch Serrana etwas vom Blut abbekamen. Erst, als das Bluten aufgehört hatte, nahm sie das Opfermesser und schnitt den Bauch des Lammes auf. Es war nicht lange, bis sie die Leber gefunden hatte, und sie vorsichtig mit einem etwas kleineren Messer, welches praktischerweise auch im Korb lag, heraustrennte. Ihre Hände waren nun blutig, gut, dass sie ärmellos unterwegs war – was sonst sollte man auch machen bei dieser Hitze?


    Romana fingerte im Korb nach der Modellleber, holte sie hinaus und verglich mit einem flüchtigen Blick Modell und Original. Ja, das passte. Sie legte das Modell wieder hin, jederzeit griffbereit, und platzierte dann die Leber in ihrer linken Hand. Mit der rechten Hand begann sie dann ganz vorsichtig, bei der Fläche, die Tins Thufltha, Iuppiter in seiner Position als Herr der Furien, zugeordnet war, und ließ ihren Zeigefinger dann den Rand der Leber entlang wandern. Ihrem konzentrierten Gesicht war nicht anzusehen, was sie in der Leber erkannte. Das würde wohl nun ein wenig dauern...

    Romana blickte auf Gracchus, während dieser Gedanken so laut wälzte, dass man es beinahe hören konnte, und dann schließlich bestätigte. Er würde so etwas nie mehr sagen. Romana nickte langsam. “Gut.“ Sie hatte kein Interesse daran, den Mann, der ihr die Prüfung zu solcher allgemeinen Zufriedenheit abgenommen hatte, öffentlich in grund und Boden zu verdammen. Und sie wusste nur allzu gut, dass manchmal, in unbeherrschten Momenten, wahre Fauxpas entstehen konnten. So würde sie nicht auch noch weiterhin ungnädig sein, sondern geleitete die beiden Herren zum Lararium, ohne Worte, sie schritt einfach nur voran, sie verließen den Innenhof, strebten durch diverse Flure und endlich hinein in den vielleicht prächtigsten Raum des Atrium Vestae.


    “Das Lararium.“ Sie lächelte endlich wieder und machte eine Geste, mit der sie den beiden die Grandiosität dieses Platzes zu vermitteln versuchte. “Das hier ist das Hausaltar.“ Sie deutete auf einen durchaus großen Altar, der in der Mitte des Raumes stand. “Seht hier. Das ist der Genius des...“ Sie versuchte, keinen vorwurfsvollen Blick an den Flavier anzuschießen. “des Kaisers.“ Es war ein Figürchen, welches auf dem Hausaltar oben stand, welches sich nicht nur durch die liebevolle Ausarbeitung auszeichnete, sondern auch durch die Absenz vom umringenden Opfergaben. “Wir opfern ihm nur, wenn der Kaiser hier verweilt. Den Laren hingegen opfern wir täglich.“ Sie deutete willkürlich auf ein paar andere Statuetten, die im Raum standen. “Besondere Beobachtung verdienen die Reliefs. Die Pontifices Maximi vom Anbeginn Roms bis heute hin.“ Sie deutete auf diverse Kaiser. “Augustus ist angeblich besonders lebensecht. Aber auch Caesar sieht sehr lebendig aus hier... und hier, hier sind Vespasianus, Titus und der dritte flavische Kaiser.“ Sie bemühte sich um ein versöhnliches Lächeln zu Gracchus hin. Sie wollte nicht ewig nachtragen, und es war keinesfalls opportun, es sich mit jemandem aus dem Collegium Pontificorum zu verscherzen.


    “Natürlich wird das Lararium ganz besonders gepflegt von den Sklaven. Schließlich wird es jeden Tag benutzt, und dies ist wahrlich nicht der geeignete Ort, um Schmutz anzusammeln. Das Marmor ist schlielich aus Etrurien.“ Sie klopfte mit dem Fingerknöchel ihres rechten Zeigefingers burschikos an die Wand, um den Klang von Marmor zu veranschaulichen.


    “Habt ihr genaug gesehen, oder soll ich noch etwas hier erklären?“, fragte sie nach einer kleinen Pause.