Beiträge von Claudia Romana

    “Ah. Die Claudia also. Warte einen Moment.“ Grußlos warf die Alte die Türe plötzlich und ohne Vorwarnung zu mit einer Kraft, die man einer solch alten Frau gar nicht zugetraut hatte, und ließ Serrana einfach draußen stehen.


    Kurz später kam auch schon Romana zur Türe geeilt. Minucia hatte einer Sklavin entsprechende Anweisungen gegeben, und diese war sofort zu Romanas Cubiculum geeilt, um ihr Bescheid zu sagen. Romanas Gesicht, als sie hörte, dass Iunia Serrana, von allen Frauen Roms ausgerechnet Iunia Serrana, sie sprechen wollte, war schwer zu beschreiben gewesen. Eine Sekunde lang hatte sie ihre rechte Hand verkrampft, in einem reflexartigen Drang, diese zur Faust zu ballen. Doch sie war diesem Drang widerstanden, hatte nur kurz genickt und hatte sich auf den Weg gemacht.


    Iunia Serrana, die eingetragene Ehefrau des Sedulus, deren Ehe die Götter mit Wohlgefallen besahen. Ihr innerer Druck, innezuhalten und sich einfach nur in einer herumstehenden Vase zu übergeben, war immens. Doch die Claudia schluckte tapfer ihre Galle hinunter und versuchte, freundlich zu wirken, als sie endlich bei der Türe ankam und sie wieder aufriss mit mehr Kraft, als es nötig war – offenbar etwas, was Milicha und Romana gemein hatten.


    Romana hatte wohl mehr das Zeug dazu als Milicha, Serranas Vorstellung von einer jungen, schönen Vestalin mit gütigem Gesicht zu erfüllen – auch wenn Romanas netter Gesichtsausdruck ein bisschen gezwungen wirkte. Sie war noch nie eine gute Schauspielerin gewesen. “Salve... Serrana?“, machte Romana in einem fragenden Tonfall.

    Es knarrte.


    Dies freilich lag nicht an der Türe des Atrium Vestae, welches die Sklaven stets gewissenhaft zu ölen wussten. Die Scharniere gehörten, wie jede Vestalin das immer mit Stolz behaupten konnte, zu den bestgeöltesten überhaupt in Rom, sodass die Türe aufschwang wie von selber, lautlos, die von altehrwürdiger Ruhe umschmeichelten Gewölbe nicht störend.


    Nein, die Türe knarrte nicht. Es war vielmehr die Stimme der alten Minucia Milicha, die schon uralt gewesen war, als Romana sie zum ersten Mal kennen gelernt hatte. Milicha, die im Übrigen in der Kunst der Haruspizin besser war als so mancher Haruspex, und welche mit Romana eine innige Liebe zu Etrurien verband, was dazu führte, dass Milicha sich mit der Claudia von allen Vestalinnen wohl noch am Besten verstand – auch wenn sie die übergroße Patrizierin dann und wann ruppig genug behandelte – hatte die Türe pflichtschuldigst aufgemacht, war sie doch zum Türdienst eingeteilt worden, und sprach nun mit ebendieser knarrenden, alten, rauhen Stimme die junge Frau... nein, das Mädchen, korrigierte sich die Alte, auch wenn die Stola, die den Matronen und den Vestalinnen vorbehalten war, darauf hindeutete, dass sie eine verheiratete Matrone war, an.


    “Salve. Was ist?“ Höflichkeit war nie die Stärke der Minucierin gewesen, was sie nun mit ihrem abweisenden Blick deutlich zur Schau stellte. Es war noch nicht einmal die Vestalia, was hatte die da hier also verloren?


    [SIZE=7]EDIT: Stola statt Palla...[/SIZE]

    Auch Romanas Blick schweifte kurz hinüber zu Papiria Occia, welche mittlerweile wieder Platz genommen hatte, und das Nicken der beiden Pontifices erwiderte. Romana hingegen schenkte ihr nur ein lächeln – sie war keine große Nickerin, wie sie es selber zugeben musste.


    Der Flavius schien sehr angetan von den Bildern der Metamorphose, während der Aurelius etwas ungeduldiger wirkte. So verlor Romana keine Zeit, und schritt hinaus in den Innenhof.


    Das Peristylium, der große Hof in der Mitte, war umsäumt von einem Gang, der mit Säulen vom Garten abgetrennt war. Der Garten, das, was vom einst großen Hortus Vestae übrig geblieben war, erstrahlte den Pontifices im satten Grün. Statuen von verblichenen Obervestalinnen waren im Garten zu sehen, umsäumt von in geschmackvollen Farben gehaltenen Blumen.


    Romana drehte sich wieder zu den beiden Männern um in einer selbstsicheren Bewegung, welche doch ein wenig anders aussah als das zögerliche Stocken, welches sie noch als Schülerin öfters an den Tag gelegt hatte.


    “Das hier ist das Peristyl. Ich kann mit Stolz sagen, dass dies sozusagen mein Reich ist. Schon als Schülerin habe ich den Auftrag bekommen, mich um die Pflanzen im Peristyl zu kümmern. Ich habe all diese Blumen gesetzt – natürlich mit der Hilfe von Sklavinnen – und kümmere mich um die Imstandehaltung des Gartens.“ Romana war eine passionierte Gärtnerin und liebte die Aufgabe, welche sie hier hatte im Atrium Vestae.


    “Ich schaue auch dazu, dass das Sklavenvolk die Statuen sauber hält. Hier...“ Sie deutete auf eine davon, und ihr Lächeln schwand, als sie sah, dass es die Statue von Flavia Agrippina war. Sie war die Schwester von Gracchus gewesen, das wusste sie. Es war schon einige Zeit her, dass sie ermordet wurde, vor Romanas Aufnahme. Die Vestalinnen sprachen ungern darüber. Es musste ein großer Schock gewesen sein für alle.


    “Ja... das Peristyl“, schloss sie ungeschickt und lächelte die beiden Pontifices wiederum an. “Viel mehr gibt es hierzu nicht zu sagen. Sollen wir ins Lararium gehen?“ Dies war die nächste Station, die Romana eingeplant hatte.


    Sim-Off:

    EDIT: Link geändert.

    Romana hatte also, nachdem sie den Brief erhalten hatte, nun die Gelegenheit, Mancinus sinnvoll einzusetzen. Die von Natur aus nicht großtuerische Vestalin hatte sich keine Kutsche genommen, um durch die Straßen zu marschieren, obwohl es ihr Vorrecht war, sondern entschloss sich, zu gehen. Mit Mancinus vor ihr konnte da wenig falsch laufen. Der Liktor machte seine Sache nicht einmal schlecht – er machte den Platz frei für sie, und das war das Wichtigste.


    Nach einer nicht allzu weiten Wegstrecke, oder zumindest kam es Romana so vor, kamen die beiden, Vestalin und Liktor, vor der Casa Quintilia an. Die brünette Claudia nickte dem schwarzhaarigen Manilier wortlos zu, und jener klopfte an die Porta an.


    Als die Türe aufging, blaffte Mancinus dem, der auch immer aufgemacht hatte, ins Gesicht: “Die ehrwürdige Sacerdos Vestalis Claudia Romana wünscht zu erfahren, ob Germanica Calvena noch hier weilt.“


    Sim-Off:

    Das hier spielt am Besten, nachdem die Abreise schon stattgefunden hat. Sermo, PN für dich. ;)

    Es war ein Brief gekommen, ein Brief für Claudia Romana. Die wachhabende Vestalin hatte ihn entgegen genommen, einer Sklavin mitgegeben, und die hatte den Brief zu Romana gebracht. Die Claudia hatte den Brief entgegen genommen mit einer gewissen Verwunderung. Warum sollte Calvena schreiben? War etwas geschehen?


    Sie entrollte den Brief geschwind und las die Zeilen. Sie las gründlich, langsam, um alles sorgfältig aufzunehmen. Calvena... WAS? GERMANIEN?


    Romanas Kinnlade fiel herunter. Nun ja, dies sollte qualifiziert werden – einer Dame fiel per definitione nicht die Kinnlade runter. Aber dennoch, sie starrte den Brief an, mit offenem Mund, und las hastig weiter. Es war Quintilius. Er wurde nach Germanien versetzt. Er wurde dort stationiert. Degradiert.


    Romana wurde fast schwarz vor den Augen. Noch nie war sie der Ohnmacht so anhe gewesen wie jezt. Mühevoll aber bewahrte sie die Kontenanz und las weiter. Es ging also vom PU aus... PU? Ach, Praefectus Urbi. Romana wurde weiß. Der Praefectus Urbi. Die Sau, die sie in den Bäder verteidigt hatte. Dieser Dreckskerl. Romanas Linke ballte sich zur Faust. Sie biss ihre Lippen zusammen voller Ärger und las weiter. Nicht möglich, sich zu verabschieden. So schnell war das gegangen. Er hatte ihnen nicht einmal die nötige Zeit gelassen, nicht einmal die Zeit dafür, sich von ihr zu verabschieden.


    Man hätte es sich nie gedacht, aber Romana realisierte eines – dies hier war nicht die Schuld von Calvena. Es war auch nicht die Schuld vom Quintilius. Nein, es war einzig und alleine die Schuld von Vescularius Salinator. Diesem Schuft.


    Den Rest des Briefes überflog sie nur noch, bevor sie ihn sinken ließ und voll ohnmächtiger Wut mit ihrer linken Hand, zur Faust geballt, auf ihren Nachtkasten haute. Es gab jemanden, der jetzt etwas erleben konnte.


    Romana schluckte. Sie schluckte ihren Ärger hinunter. Nur ruhig Blut, suggerierte sie sich selber. Du musst jetzt tapfer sein. Kontrolliert. Gelassen. Sie atmete ein paar Male tief ein und aus. Dann spreizte sie die Finger der rechten Hand. Mit einem Klappern fiel die Schriftrolle zu Boden.


    “Parthenope!“ Ihr Ruf nach ihrer Sklavin klang ungewohnt harsch und befehlshaberisch durch das Zimmer, hinaus auf den Flur. Die Epriotin kam hineingestürzt. “Herrin?“ “Die Stola und die Palla, aber schnell. Und auch das Inful und das Suffibulum, ich will nichts auslassen. Ich werde einen Ausflug machen, mit Mancinus. Es ist wichtig.“ “Zu Befehl, Herrin!“, keuchte Partenope und kleidete Romana an, während jene stand und grübelte. Das musste doch zu bereinigen sein. Musste einfach. Und wenn sie dafür bis zum Kaiser nach Misenum gehen müsste.


    Aber vorher musste sie noch zu den Quintiliern. Sie musste nachschauen gehen, ob noch jemand dort war. Ob es nicht schon zu spät für einen Abschied war.

    Romana war ja schon gespannt auf ihren Liktor. Wie Pomponia Pia es ihr versprochen hatte, würde sie nun einen eigenen, persönlichen Liktor bekommen. Einer, der stets mit einem Stab nun vor ihr einherschreiten würde, den sie vielleicht als Galan, männliche Begleitung und Schützer heranziehen konnte. Auf jeden Fall jemand, mit dem sie nun einige Zeit verbringen würde.


    Innerlich malte Romana es sich ja schon aus, wie er aussehen könnte, als sie vor der Türe des Atrium Vestae stand, an eine Säule gelehnt, und Ausschau hielt. War es vielleicht der muskulöse, gut aussehende Mann, der gerade am Atrium Vestae vorbeiging? Nein, er ging vorbei, blieb nicht einmal stehen. War es vielleicht dieser niedliche Kerl mit der Stupsnase? Nein, der war es auch nicht. Es war... der hier, der auf sie zu kam.


    [Blockierte Grafik: http://img218.imageshack.us/img218/9318/lik1.png]


    “Salve. Bist du die Vestalin Claudia Romana?“ Nein, dachte sich Romana, als sie auf den Jüngling, der vor ihr nun stand und sie ungläubig anstarrte, sah. “Äh, salve. Ja, die bin ich. Und du... du bist... Marcus Manilius Mancinus.“ “Jepp, zu Diensten.“ Romana musterte den Kerl schnell. Fettiges, öliges Haar. Kantige Gesichtszüge. Unschöne Haut. Viel zu große Füße. Dünne Arme. Bei den Göttern, da könnte ich ja Bedroher noch besser abwehren als der da, dachte sie sich. Sie blickte sich eilends um. Hatte jemand ihr einen üblen Scherz gespielt? Aber nein, diese Gestalt vor ihr war nun wohl ihr Liktor. Ein unangenehmes Schweigen entstand zwischen den beiden, als sie sich gegenseitig anschauten. “Hmm. Ich habe mich dir... größer vorgestellt.“ Mancinus begann zu grinsen. “Und ich mich dir, mit Verlaub, kleiner.“ Romana blickte eine Sekunde lang befremdet, dann hob ein Lächeln ihre Mundwinkeln. “Das glaube ich dir, Manilius Mancinus!“ Mancinus grinste eingeschüchtert. Der hat ja mehr Angst vor mir als Übeltäter vor ihm Angst haben sollten, schoss ihr durch den Kopf. Aber sie konnte sich nicht aussuchen, wer ihr Liktor war.


    “Dann komm mal rein. Trinken wir erst mal einen Becher Wein zusammen, ja?“ Romana musste den jungen Mann auf jeden Fall noch ein wenig ausfragen. Sie musste sich in Zukunft auf ihn verlassen können, und wollte da nichts dem Zufall überlassen. Mancinus nickte wieder, und zusammen betraten sie das Atrium Vestae.

    Wenn die Pontifices dachten, Romana wäre glücklich, dann stimmte dies. Ja, sie war wie verwandelt. Die Bedeutung dieses Tages war für sie nicht zu unterschätzen. Noch vor einer halben Stunde war sie eine Schülerin gewesen, jetzt war sie eine voll qualifizierte Priesterin. In der einen Minute war sie noch ein Mädchen, jetzt eine Frau. Es war so wie bei einer Hochzeit, wie bei jener, die Serrana und Calvena vor Kurzem gefeiert hatten. Jetzt waren die beiden Matronen, nun waren sie jemand. Bei Romana war das gleich – nun war sie eine Sacerdos Vestalis. Sie würde sich alsbald daran machen, sich einen Liktor und einen Wagen, der ihr ja zustand, auszusuchen. Doch zuerst noch würde sie einen eigenen Schlüssel für die Bibliothek bekommen. Dass Pomponia Pia Schülerinnen den Zugang zur Bibliothek verbot, hatte sie noch nie verstanden – nun, endlich, würde sie stundenlang zwischen den Büchern hocken können! Sie würde, dachte sie sich, wenn sie erst Obervestalin war, alles umkrempeln. Viel müsste, bei aller Sittenstrenge, ein wenig liberaler aufgezogen werden. Zumindest sollten auch Schülerinnen den Zugang zur Bibliothek bekommen – aber vielleicht hörte ihr Pomponia nun auch zu? Schließlich war sie nun ja jemand... und vielleicht könnte sie auch diese komische, archaische Sitte ändern, sich unter Vestalinnen nur mit Gentilnomina anzureden. Mittlerweile hatte jede Frau in Rom einen Cognomen, außer vielleicht die Ältesten unter den Alten, die aber sicher auch schon, zumindest informell, solche Namen trugen. Man musste mit der Zeit gehen, dachte sich Romana, ausgerechnet die altmodische Claudierin, die, zumindest was Vestalinnen anging, eine progressive Ader in sich entdeckte. Na ja, Zukunftsmusik!


    Zuerst stand die Führung an. Sie lächelte, fast schon professionell, und deutete um sich. “Gut. Dies hier ist das Vestibulum. Hier hält stets eine Virgo Vestalis Wache – dabei wechseln sich Schülerinnen, Priesterinnen und Lehrerinnen ab. Sklavinnen wollen wir es nicht anvertrauen, die Tür des Atrium Vestae zu bewachen. Die meisten Besucher kommen nicht weiter als hierhin, außer auf ausdrückliche Einladung einer Vestalin. Dafür ist es auch schön geräumig.“ Sie deutete auf die durchaus imposante Säulenreihe, die zur Linken und zur Rechten die Decke stützte. Durch die 6 Fenster drang das Licht ein, wer zu Boden schaute, würde die darin eingemeißelten Mosaike sehen, und wer nach oben schaute, die farbenfrohen Fresken an der Decke, welche die in den Metamorphosen des Ovid beschreibenen Zeitalter der Menschen darstellte. Zwischen den Säulen standen vereinzelte kleine Klinen, auf der eventuelle Gäste Platz nehmen konnten.


    “Alles wird hier, wie überall, regelmäßig von unseren Sklaven gesäubert. Symbolische Reinigungen allein halten unsere Wohnstätten nicht sauber.“ Sie grinste, gut gelaunt, ein Fremdenführerinnenlächeln. “Ich denke, ich kann euch nun das Peristylium zeigen?“


    Sim-Off:

    So, ich habe mir gedacht, am Besten bleiben wir in diesem Thread. Wenn ich mir Romana eure Pontifices herumführe, werde ich einfach einen Link zum entsprechenen Thema angeben, aber es wäre einfach ein wenig zu kompliziert, wenn wir von Thread zu Thread springen. Ich hoffe, das passt... ;)

    Sim-Off:

    Tschuldigung für die Wartezeit! :(


    Mit einem Lächeln, einem Grinsen gar, wie es erfreuter und breiter nicht hätte sein können, schritt Romana neben den Pontifices einher, mit dem Bewusstsein, nun eine vollwertige, nicht mehr durch das Konzept der Ausbildung qualifizierte Vestalin zu sein. Nicht mehr nur noch eine vestalische Jungfrau, sondern eine Sacerdos Vestalis – wie das klang! Endlich war sie am Ziel ihrer vorübergehenden Träume. Doch wie sie sich selbst kannte, würde sie sich nicht damit zufrieden geben. Nein. Sie hatte vor, bis ganz nach oben zu gelangen. Und doch war sie jetzt schon eine der mächtigsten Frauen Roms, zumindest auf dem Papier.


    Da die Nachricht schon vorgesendet worden war, stand auch schon die Türe offen, ald die drei Patrizier zum Eingangstür des Hauses der Vestalinnen gelangten. In jener Tür stand keine Geringere als Papiria Occia, ihre Mentorin, beziehungsweise nun ihre gewesene Mentorin, die Romana gleich vorbeugend in einer kräftigen Umarmung umschloss. Nun war es so weit, der Einzug der neuen Sacerdos Vestalis geschah.


    Während Occia den Pontifices die Türe aufhielt, stellte sich Romana, die sich nun mit Fug und Recht als eine der Hausherrinnen nun bezeichnen konnte, etwas breitbeinig vor den beiden Patriziern hin. Aus ihrem Gesicht strahlte noch immer die unbändige Freude.


    “Nun denn, Flavius et Aurelius. Wo wollen wir anfangen?“, war ihre Frage, als sie ihren Blick von Gracchus zu Corvinus und wieder zurück schweifen ließ. Ja, sie wa hier jetzt eine derjenigen, die den Ton angaben, nicht mehr nur noch eine Vestalinnenschülerin. Und es war ein gutes, geradezu extasisches Gefühl.

    Sim-Off:

    Verzeihung... die Zeitknappheit schlägt zu.


    Zitat

    Original von Avarus, Centho et Cara


    Zuerst antwortete ihr Centho, woraufhin sie zu jenem blickte. “Ohne den geringsten Zweifel wird dieses Fest im Gedächtnis aller bleiben“, antwortete sie freundlich. “Genauso wie bei allen vorhergegangenen Festen.“ Die Fontinalia in der Casa Germanica war ja schon legendär. Sie selbst mochte gar nicht gerne daran sich zurückerinnern. Ihr Blick wanderte zu Cara, welche Centho gerade Avarus vorstellte. Was für unglaubliche rote Haare. Irgendwie erinnerte sie das an Ofella. Früher, in ihren Mädchenjahren, hatte sie, Romana, rotbrauen Haare gehabt, und nie das Gefühl gehabt, es würde dabei bleiben. Immer hatte sie herumgerätsel, ob ihre Haare brauner werden würden, oder röter. Die Geschichte hatte gezeigt, dass ersteres nun der Fall war.


    Die junge Frau begrüßte nun auch sie, nicht ohne einen gewissen Grad an Wohlerzogenheit, wie Romana erfreut feststellte. Doch dann, nachdem sie Avarus begrüßt hatte, geschah etwas Seltsames. Cara fragte sie etwas – ob sie denn jemals an ihrem Entschluss gezweifelt hatte? Eine Sekunde lang blickte Romana Cara mit einem blanken, gehaltlosem Starren an, welches möglicherweise implizierte, dass sie sich ertappt fühlte. Ihr Magen schien sich innerlich herumzudrehen. Sie dachte wieder an Sedulus. Es war schlimm. Diese Iuliergöre hatte es geschafft, die Wunde, die sie eher schlecht als recht mit einem Haufen an anderweitigen Emotionen versucht hatte zu überpappen, wieder mit ihrer durchaus höflich gestellten, aber trotzdem ungenierten Frage als gähnendes Loch wieder aufzureißen. Was sollte sie nun tun? Romana beschloss, die Vestalin heraushängen zu lassen, und blickte Cara mit einer Mischung aus gefasster Würde und leichtem Ärger an. “Ich frage mich, wie du darauf kommst, dass dies der Fall ist. Zweifelst du an meiner Keuschheit, Iulia? So klingt das nämlich für mich.“ Die Iulierin mochte nun ein wenig harsch abgekanzelt worden sein, aber es war nun einfach so, dass jede Vestalin wohl für jene Frage etwas empfindlich war. Jede der Dienerinnen des Herdfeuers hatte sich wohl schon einmal ein anderes Leben ausgemalt. Indigniert wandte sie sich ab, zum Senator hin.


    Jener bescheinigte ihr erst einmal Glück, was die Obervestalin anging. Sie lächelte. “Sicherlich, jede Obervestalin wird einen anderen Führungsstil haben. Aber jahrelang einsperren halte ich für ein Gerücht. Ich habe aber solche Sachen schon gehört von der infamosen Christensekte. Angeblich sperren sich da Leute in irgendwelchen Hütten ein und finden somit den Weg zu Serapis – das ist nämlich der Gott, den sie verehren, und sie verteufeln alle anderen!“, machte sie ihrem Unmut über die Christen Luft, und offenbarte dabei, dass sie die Religion komplett missverstanden hatte, obwohl sie sich schon ein weing damit auseinandergesetzt hatte. Gut, dass eine Vestalin nicht so ein erbärmlcihes und abgeschlossenes Leben führte wie so eine christliche Einsiedlerin. Nein, auch die Ordensschwestern waren ein Bestandteil des öffentlichen Lebens, auch wenn sich Romana ein wenig schäbig manchmal vorkam, dass sie zu so vielen Festen ging, statt sich ihrer Göttin intensiver zu widmen. Obwohl, so viele waren es auch nicht gewesen – in den letzten Jahren 4 oder 5.


    Sie wurde stutzig, als Avarus etwas von Schwester des Sedulus sagte. “Nichte, meinst du doch sicher, oder?“, fragte sie. Selbst dem besten konnte hie und da ein Versprecher passieren. Sie musste aber, vielleicht ein wenig gezwungen, lachen, als der Germanicus einen kleinen Witz riss. “Das hast du jetzt schön formuliert. Den Spruch muss ich mir merken.“


    Gleichzeitig blickte sie aber zu Sedulus hin, ganz verstohlen – und merkte, dass die Zeremonie schon angefangen hatte. Sie drehte sich in die Richtung der beiden Brautpaare und schaute sich an, wie Septima, durchaus tadellos, das Ritual vollführte. Nun waren die 4 Mann und Frau. Romana unterdrückte ein Seufzen und verschränkte ihre Arme, als sie schon dem harrte, was nun kommen würde.

    Der Flavier schien sich wahrlich für sie zu freuen, auf jeden Fall, wenn man sein Lächeln so interpretieren konnte. Und er bestätigte dann, dass sie Recht gehabt hatte, so optimistisch zu denken.


    Romana war noch nie in ihrem Leben dermaßen kurz davor gewesen, zwei wildfremden Menschen einfach um den Hals zu fallen und ihnen zwei herzhafte Schmatzer auf die Wangen zu drücken. Nur der Gedanke an ihren Stand, an ihren NEUEN Stand ließ sie davor zurückschrecken. Und so lächelte Romana nur wie ein Kind zu den Saturnalien, ein bisschen entrückt, aber absolut und wunschlos zufrieden.


    “Danke. Ich danke euch beiden.“ Sie blickte von Gracchus zu Corvinus, beide erhielten einen Blick voller Dankbarkeit. “Dann... dann gehen wir zurück ins Atrium Vestae“, sagte die neue Sacerdos Vestalis, die es gar nicht erwarten konnte, ihre nun erweiterte Palette an Aufgaben aufnehmen zu können.

    Ein paar kleine Ausrutscher? Wusste Avarus, wer die Sauerei an der Latrine verursachte hatte? Alleine der Gedanke daran ließ sie erschaudern, ihre Augen weiteten sich ganz dezent vor Schreck. Doch selbst wenn er es rausgefunden hatte, trug er es mit dem nötigen Maß an Gentlemantum. Nun ja, er konnte schlecht den Finger auf eine Patrizierin, Senatorentochter und Vestalin strecken und sie deswegen jetzt, so öffentlich, beschimpfen. Und, er mochte ja gar nicht ihren Ausrutscher gemeint haben – eine vage Hoffnung.


    “Ich bin schon seit einigen Jahren im Dienst der Vesta. Und ja, ich bin eine Freundin beider Bräute“, stellte sie klar. Viel mehr von Calvena als von Serrana, doch sie mochte auch die kleine Iunia wirklich gerne. “Nun, wir leben recht abgeschottet, das stimmt. Allerdings haben wir auch unsere Freiheiten. Manche Vestalinnen kommen gar nicht aus dem Atrium Vestae heraus, ich hingegen, wann immer ich kann. Manchmal gibt es nichts zu tun im Haus der Vestalinnen, und die Obervestalin hat ein Herz für junge Frauen.“ Sie lächelte, als sie sich die nette und doch würdevolle Frau ins Gedächtnis lief – ein Musterbeispiel von einer Vestalin, und insgeheim ein großes Vorbild von Romana.


    “Und du, Senator, bist ein... Onkel von Calvena?“, erkundigte sie sich, da sie die verwandtschaftlichen Verästelungen der Gens Germanica noch nicht recht intus hatte.

    “Ein Herz aus Stein? EIN HERZ AUS STEIN?“ In Romana wurde ein Schalter umgelegt. Jetzt war sie richtig sauer. “Du bezeichnest mich als kaltherzigen Menschen, der die Leibe nicht kennt? Oh, Lucius, ich kenne die Liebe! Und ich, ich habe sie heruntergeschluckt! Für meine Ehre, die Ehre der Gens, die Ehre meiner Schwesternschaft habe ich sie unterdrückt, abgetötet in meinem Herzen! Meinst du, das hat Spaß gemacht? Meinst du, ich habe das genossen? Es war ein schlimmes Gefühl, aber noch schlimmer war das Gefühl der Liebe selbst!“ Sie zitterte vor Wut. Am Liebsten hätte sie ihrem Bruder jetzt eine geschmiert, doch nur die selben gesellschaftlichen Konventionen, die jener eingedenk war, beachtete auch sie, wenn auch nur mit größter Beherrschung. Dieser dumme, ignorante, oberflächliche Mensch! Seine letzten Worte waren dann doch noch die Höhe. Sie ignorierte die Blutsbande? Sie schenkte der Gens keine Beachtung? Sie schnappte nach Luft, erbost ob dieser Unterstellungen. Jetzt hatte sie wirklich keine Worte mehr. Romana war mit ihrem Latein am Ende.


    Das war wohl auch besser so, denn sonst hätte sie sich zu weiteren Taten hinreißen lassen, die einer Vetsalin noch unwürdiger gewesen wären, als ihren eigenen Bruder anzuschreien. Auf einmal fühlte sie sich fürchterlich elend. Als ob Lucius in ihre eine kaum verheilte Wunde aufgerissen hätte. Mit all ihrer Stärke, die bewies, dass sie sich durchaus zu wehren gewusst hätte, hätte sich Lucius auf sie gestürzt, knallte sie die Porta zu, eine Geste, die deutlicher war als alle Worte, die Romana an ihren Bruder verschwenden konnte.


    Sie stand noch eine Weile vor der Porta, mit hängenden Mundwinkeln, und starrte sie an. Die blutjunge Vestalinnenschülerin, die die Türwächterin gewesen war, starrte nur vor sich hin, wagte es aber nicht, irgendetwas zu sagen. Romana schenkte ihr einen kalten Blick, der vielleicht doch die Worte ihres Bruders bestätigen konnte, sodass die Kleine sich auf ihrem Schemel zusammenkauerte, und ging dann, mit einem ein wenig hängendem Haupt, ab. Hatte sie denn ein Herz aus Stein? Hatte sie das denn? Sie bekam die Idee aus ihrem Kopf nicht mehr los.

    Lustig war das schon! Kaum geruhte man sich innerlich abzuseilen, schien man auch schon die Leute anzulocken wie ein Topf voller Honig einen Bären. Während sie sich innerlich noch überzeugte, dass Calvenas Heirat nicht ihgr Bier war, wie man im Volksmunde so schön sagte, und das Opfer standhaft zu ignorieren versuchte, was ihr nicht recht gelingen wollte, bemerkte sie, wie der erste auf sie zukam. Eine Maxime der Vestalinnen fiel ihr ein. Wenn du nicht fröhlich sein kannst, so sei würdevoll, hatte ihr einst die Vestalis Aeterna Minucia Milicha gesagt. Und Romana würde dies auch sein. Denn froh zu sein bedurfte es schon mehr, als auf so einer Hochzeit Gast zu sein.


    Der Mann, der nun auf sie zukam – wie hieß der jetzt nochmal, fragte sich Romana. Papabilis Lethale? Horribilis Fatale? So etwas in der Art, und erst als sie sich das von einem leichten Bart geschmückte Gesicht näher anschaute und auch sich die Stimme ins Gedächtnis rief, fiel ihr ein, welches der Name des Berbers war. Volubilis Vitale, genau.


    “Salve, das stimmt, ja. Und du bist Volubilis Vitale? Es freut mich, dich wieder zu sehen“, meinte sie, nicht unfreundlich, und mit der ganzen Würde und Gravitas, die einer Frau ihres Standes zustand. Wenn sie sich daran erinnerte, wie pinkfarben der Arme angelaufen war, als er sie damals zum ersten Mal gesehen hatte – so schüchtern und richtiggehend süß. Allerdings wollte sie diese Gedanken nicht laut aussprechen.


    Und da kam ja auch schon der Zweite. Iulius Centho, sonder Zweifel, die markanten Gesichtszüge waren sehr einprägsam. “Salve Centho, immer wieder auf Achse, wie ich sehe.“ Sie schmunzelte jetzt doch ein wenig. Der gute Centho, der Mann war schon in Ordnung. Er war ein brauchbarer Mensch, der die Mos Maiorum achtete und auch eine Frau heiratete, die eine brauchbare Matrona abgeben würde. Zwar mochte das Pärchen ein wenig schräg sein – aber sie, Romana, war das wohl auch. Die Claudia wandte sich zu der jungen Frau hin, die ihr vorgestellt wurde. “Salve, Iulia Cara. Ich bin Claudia Romana. Es freut mich sehr.“ Feuerrote Haare hatte sie. Aber Romana hatte auch in ihrer Kindheit einen rötlichen Stich in ihren Haaren gehabt, der jetzt, wo sie erwachsen war, einem satten Braunton gewichen war. Da musste man nicht gleich eine barbarische Herkunft unterstellen. Diese pflegte sich eher in unrömischen Sitten zu manifestieren, und so etwas konnte man den Iuliern nicht unterstellen.


    Zu guter Letzt stieß ein Mann zu ihr. Sie kannte ihn vom Sehen. Nicht, dass sie allzuviel Kontakt mit ihm gehabt hatte. So verwunderte es sie ein wenig, dass dieser Senator nun zu ihr kam. Allfällig aber passten sie gut zusammen – ein Beobachter, und eine Beobachterin. Sie wusste nur wenig über den Mann, außer, dass er bei den Patriziern sehr kontrovers war. Und sie als Patrizierin musste eigentlich in die selbe Kerbe hauen. Allerdings wollte sie dem Onkel ihrer besten Freundin Vorschusslorbeeren geben. Denn sein Betragen war ebenfalls tadellos. “Salve, Senator. Es ist mir eine Ehre, deine Bekanntschaft zu machen.“, machte sie mit all der Züchtigkeit, die vor einem Senator gegenüber angemessen war. Zumindest einem des höheren Ranges, denn Germanicus Avarus schien ihr kein gewöhnlicher Pedarius zu sein, wie – mit Verlaub – Sedulus. :P

    “Auch ich habe mich noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Claudia Romana. Und ich möchte dir noch einmal danken dafür, dass ich zur Fontinalia kommen konnte – sie ist sehr schön gewesen!“ Abgesehen davon, dass sie sich ihren Kopf brutal angehauen hatte. Abgesehen davon, dass Calvena und Valerian schamlos vor ihr rumgemacht hatten. Abgesehen davon, dass sie die Kolik bekommen hatte. Abgesehen davon, dass sie sich selber vollgekotzt hatte. Und abgesehen davon, dass sie zu guter Letzt das Haus vollgestunken hatte. Und, fast vergessen, abgesehen davon, dass während der Fontinalien wohl die unzüchtigsten Praktiken vorgegangen waren, wie man so hörte, wo angeblich der Praefectus Urbi seine Finger im Spiel gehabt hatte. Na ja. Vielleicht war die Feier doch nicht SO schön gewesen. Aber das musste man dem germanicischen Hausherren nicht unbedingt unter die Nase reiben.

    Romana war von Calvena und Valerian geschieden, als die beiden sich zu der Eingeweideschau fortgemacht hatten. Danach hatte sie sich darauf verlegt, das Relief an der gegenüberliegenden Wand anzustarren. Beleidigt, traurig, betroffen. Calvena würde einen Schmierenheini heiraten, gegen den ihr Bruder noch hochmoralisch erschien. Und Serrana würde den heiraten, an den sie ihr Herz verl... Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, wobei sie froh sein konnte, dass sie ihre Nägel geschnitten hatte, sonst hätten sich ebendiese in ihre Haut eingebohrt und blutende kleine Wunden hinterlassen. Die Leberschau fing an, Romana nahm sie nicht recht wahr. Sie bewirkte nur, dass sie sich leicht hindrehte und mit diesigem Blick hinsah. Niemals hätte sich Romana gedacht, dass sie zur Hochzeit von Calvena und Serrana so kreuzunglücklich sein würde. Doch dies war nun der Fall. Am Liebsten wäre sie auf ihren Lieblingsplatz, die Latrine, gerannt. Doch das gehörte sich nicht, jetzt, wo das Opfer schon angefangen hatte. Angeblich waren die Haruspizien gut gewesen – was der Haruspex nicht sagte. Zwei Stimmen rangen in ihr. Nein, 4. Die Erste rief, sie solle Calvena nach ihrer Fasson in Ruhe leben lassen. Die Zweite, sie solle einschreiten, um das Schlimmste zu verhindern. Die Dritte, sie sollte sich Sedulus schnappen und mit ihm auf ein hoffnungslos unrealistisches romantisches Ausbüxabenteuer gehen. Die Vierte, sie sollte ihn in Ruhe lassen, jetzt brav noch bei der Opferung da sein, und sich dann ins Atrium Vestae zurückziehen. Romana wischte sich mit ihrer Hand über die Stirn. “Ich brauche jetzt und bedingt einen Drink...“, murmelte sie in ihrer dunklen Stimmlage zu sich selber und nahm einem Sklaven, der opportunerweise mit einem Tablett Weinbecher einherschritt, einen solchen weg. Mit einem riesigen Schluck bewies Romana ihre Unkonventionalität und ihr zuvor kund gegebenes Bedürftnis nach einem Getränk.


    Den Becher stellte sie irgendwo ab, bevor sie sich an eine Mauer lehnte, etwas abseits von allen, und die Arme verschränkte. In der Ferne sah sie noch, wie ein fetter Heini das Opfer störte... aber das war jetzt nicht mehr ihre Sorge. Besser gesagt, sie ließ dies jetzt nicht mehr zu ihrer Sorge machen.

    Romana fand es schwer, eine Metapher für das Aussehen ihres Bruders zu finden. Als ob sich in seinem Kopf, wie bei einem Hochdruckkessel, das verdampfte Wasser staute – genau so sah er aus. Wenn diese Beschreibung irgendjemandem weiterhilft. Seine Worte drangen zäh aus ihm hervor, wie alter, schon halb kristallisierter Honig aus einer Flasche mit einem engen Hals. Sie wusste, sie war kurz davor, ihren Bruder in einem Ausbruch eruptieren zu lassen. Und irgendwie genoss sie das Gefühl, den armen Lucius dermaßen zu gängeln. Schlagen konnte er sie nicht, war sie doch Vestalin, und somit unantastbar für alle, denen sie nicht ihre explizite Erlaubnis gegeben hatte. Und Worte würden sie wohl nicht verletzen. Sie unterdrückte ein gepflegtes Grinsen, als sie sich dies ins Gedächtnis rief.


    “Stimmt, du weißt ihren Namen nicht. Komisch, ich hätte dir schon den Mumm zugetraut, nach jenem zu fragen. Offenbar habe ich mich da geirrt.“ Sie lächelte ihn mit einem zauberhaften Lächeln an, als ob die geschwisterliche Eintracht niemals je getrübt gewesen wäre. “Ach, du willst das gar nicht offiziell machen?“ Ihre Mundwinkeln sackten herab. Der sittenstrengen Claudierin gefiel es ganz und gar nicht, dass ihr Bruder eine anständige Patrizierin, oder etwas, was zumindest danach sich anhörte, zu einer Geliebten machen wollte, ohne weitere Verpflichtungen einzugehen. “Du würdest deiner Gens Schande machen, wenn du sie nur als Lustobjekt nehmen würdest, und zu feige wärst, zu den Konsequenzen zu stehen! Du bist ein Claudius, ein etwaiger Vater oder Vormund wird deine Bitte nicht abschlagen. Klopfe bei den Aureliern an und mache dich bereit, etwas einzugehen, was dich läger bindet als eine flotte Nacht zu zweit. Es gibt aber auch eine Alternative.“ Mit jedem Wort war ihr Gesichtsauszug gestrenger geworden. Böser, konnte man fast schon sagen. Oder aber vestalischer. “Du tust es nicht. Du gehst nicht zu ihr. Du lässt sie sein. Es ist deine freie Wahl. Etwas anderes wird genau das bewirken, was du zu vermeiden trachtest – einen Verlust von Ehre für uns Claudier. Entscheide dich. Wähle nicht einen Wischiwaschiweg der Mitte, durch den du dich ohne Konsequenz, ohne Mut und ohne Werte irgendwie durchwurstelst. Das ist nicht der claudische Stil.“ Sie blickte ihn erwartungsvoll an. Eigentlich dachte sie sich nicht, dass ihr Bruder, eingedenk der alten Traditionen, nun einlenken würde. Aber man konnte immer noch hoffen...

    Als Romana bei den beiden Pontifices ankam, merkte sie, dass sie schwitzte. Ihre Hände waren nass. Gut, dass sie eine ärmellose Tunika trug, sonst hätte man hässliche Schweißflecken in ihren Achselhöhlen gesehen. Ihr, der resoluten, gefassten Claudia, rann der körperliche Saft über den Rücken, wie einem Feigling, oder aber als wäre sie mehrere Meilen gerannt. Sie versuchte krampfhaft nicht daran zu denken, wie die beiden Männer sie jetzt in Grund und Asche verdammen würden. Doch das geschah so nicht.


    Mit einer gewissen Fassungslosigkeit hörte sich Romana an, was Corvinus zu sagen hatte. Hieß das, sie war durchgekommen? Ihre Mundwinkeln hoben sich schon in einem antizipierenden Lächeln. “Heißt das... ich bin... durchgekommen? Heißt das, ich bin jetzt... Vollvestalin? Sacerdos Vestalis?“ Ein kleines Mädchen kreischte gell in ihr auf; endlich, schrie es. Ihr Blick wanderte vom Aurelius zum Flavius, eine bestätigende Antwort erwartend.

    Romana blickte, vielleicht ein wenig zu angestrengt, auf Gracchus, und vernahm dort ein kaum merkliches Nicken, welches ihr selber nicht aufgefallen wäre, wären nicht alle ihre Sinne auf Hochtouren gelaufen.


    Sie drehte sich um und bemerkte zu ihrer Freude, wie der Victimarius bereits das Schaf zerlegte. Romana behielt das Tablett mit den Vitalia noch kurz in ihren Händen. Denn die Popae waren wirklich zu bewundern; innerhalb kürzester Zeit hatten sie, gab plötzlich, Kochkessel herbeigeschafft. Die beeilten wohl auch nur so, da sie es mit einer Dienerin der Vesta zu tun hatten, dachte sich Romana leicht amüsiert, als sie die Erleichterung in ihrem Herz schlagen hören konnte, und schritt dann zu einem der Kessel, wo sie die Vitalia hineinschüttete – hier würden die Teile des Opfertieres, welche den Göttern zustanden, gekocht werden! In den anderen Kesseln kamen verzehrbare Fleischstücke hinein.


    Nach kurzer Zeit fischten aus dem ersten Kessel die Opferhelfer die gekochten Vitalia wieder heraus, und bestrichen sie unter den Augen von Romana mit mola salsa. Romana ergriff das Tablett, auf welche wieder die Vitalia gelegt worden waren, und übergab sie dem Feuer am Altar oben. Es zischte, als die Vitalia verbrannten, und die Götter gespeist wurden. Auch die anderen Fleischstücke waren schnell gekocht. Wie ausgemacht, wurden sie in Sportulae platziert. Hach, wie lieblich es aus den Körben herausböckelte! Romana verzog ihre Nase leicht, als sie den Geruch von Schafsfleisch vernahm, der ihr selber nicht so behagte, doch die Popae waren scheinends sehr begeistert dahingehend. Wie versprochen, bekamen die Popae Sportulae ausgehändigt, jeder mit einer durchaus guten Portion, sodass Romana am Ende nur noch drei der Körbchen blieben – für sie, und auch eines für je einen der Prüfer. Sie dankte sie noch einmal recht herzlich einigen der Popae und dem Victimarius, bevor sie mit ihrem Sportulae mit einem merkwürdig steifen Klang, den man des Öfteren nach einer anstrengenden Prüfung hatte, zu den Pontifices hinabstieg.

    Nicht, weil sie sah, dass ihrer Schwester alles verging, wenn sie nur an das Wort Taberna dachte, sondern eher, weil ihr plötzlich kam, dass es durchaus so sein konnte, dass dies der Fall war, musste sie noch etwas hinzufügen. “Ach ja, wegen der Taberna, mach dir keine Sorgen! Die heißt nur so. Sie hat wohl irgendwann einmal als Taberna angefangen. Aber mittlerweile ist sie das vielleicht feinste Gasthaus in der ganzen Stadt. Die Sklaven werden den Weg sicher kennen, die Taberna ist bei den Trajansmärkten, von hier aus ist es bis dorthin nicht weit!“ Sie musste unwollend grinsen, als ihre Schwester ihre Nase hin und her schnuffte wie ein Kaninchen. Das sah einfach immer wieder unvergleichlich niedlich aus – und wenn Romana als Frau dies schon so empfand, würde das nur um so mehr stimmen für die Männer Roms. Ja, Livilla würde wohl aufpassen müssen, dass sie nicht sofort abgeschleppt wurde von irgendjemandem, kaum dass sie in Rom war. Romana selber wäre dies schon fast passiert – nur ihre konsequent getragende Tracht hielt die Kerls von weiteren Belästigungen ab.


    Sie lachte fröhlich, als Livilla düstere Prophezeihungen über ihren Zustand morgen machte. Oh ja, irgendwie hatte sie durchaus Lust, sich mit ihrer Schwester über ein paar Gläschen Wein heiter werden zu lassen. Die Claudia ließ sich nieder auf den weichen Kissen, welche innerhalb der Sänfte die Sitze polsterten, hernieder und seufzte glücklich – endlich wieder sitzen! Jetzt blieb nur noch zu hoffen, dass Parthenope ihren Pflichten nachkam, und nicht traumverloren ihren Luftschlössern statt der Sänfte nachlief. “Morgen habe ich nichts vor, also... können wir heute Abend richtig auf die Pauke hauen!“ Solche Worte von eienr Vestalin zu hören war schon etwas befremdlich, und deshalb redete Romana so auch nur mit ihren besten Freundinnen, zu der ihre Schwester wohl gehörte. Apropos Freundinnen, sie musste ebendiese ihrer Schwester noch vorstellen – mit gewissem Stolz dachte sie daran, dass diese ja gewissermaßen die High Society von Romm darstellten, wie man es zumindest 1900 Jahre später ausdrücken mochte.


    Sie lächelte, als sie hörte, dass es ihrem Opa gut ging. Und ihrer Großmutter auch halbwegs. Mit gewisser Wehmut dachte sie an ihren großzügigen Großvater und ihre weise Großmutter zurück. Und nie hatte sie sie mehr in Clusium besucht. Nun, sie hatte ja auch nie die Zeit gehabt. Ausgang aus dem Atrium Vestae war nicht so leicht zu erhalten, obwohl, jetzt mehr als früher. Was nicht ging, war, so Ausgang zu bekommen, dass sie Rom verlassen konnte. Wobei es ohnehin nicht üblich war für eine Vestalin, die ewige Stadt zu verlassen.


    Sie hörte weiterhin interessiert zu, als Livilla ihr weiter erzählte. “So, Kräuter? Man sieht eben, dass wir Schwestern sind.“ Romana, eine passionierte Gärtnerin, wie Livilla sicher wusste, musste lächeln. Nur, Kräuter mischen war noch nie ihr Metier gewesen. Vielleicht könnten sie sich zusammentun, Romana würde die Kräuter züchten und Livilla sie vermischen... der Gedanke war zu absurd, um ihn weiter zu verfolgen. Sie spitzte allerdings ihre Ohren, als ihr Livilla erzählte von Secundus. Ja, den kannte sie durchaus. “So? Was ist denn mit ihm?“, fragte sie neugierig.

    Hach nein, was musste es viel zu reden geben! Schließlich hatten sich die beiden Schwestern seit jahren nicht mehr gesehen – so lange schon, das musste man sich vorstellen! Romana musste kurz an sich selber zurückdenken, wie sie damals aus Etrurien eingetroffen war. Ein schlaksiges Mädchen mit wuscheligen Haaren, einer etwas zu großen Nase und dazu noch ein rechtes Landei war sie gewesen, als ob sie von einem abgelegenen Bauerhof nach Rom geschleift worden wäre. Nun aber, ja, jetzt war sie eine Dame von Stand, von hoher Geburt und von Welt, eine Städterin, und eine heilige Frau. Und ihre Nase hatte sich auch ausgewachsen. Was wollte man mehr, dachte sie sich.


    Und sie dachte daran zurück, wie Livilla sich immer wieder gedrückt hatte vor Arbeit, die anfiel bei den Großeltern. Aber, um ehrlich zu sein, die Lange hatte es der Kurzen nie übel genommen. Schließlich hatte sie es gerne gemacht. Und noch heute nährte sie ihr nicht unbeträchtliches moralisches Gewissen daraus.


    Solange ihr nicht ihre Sklavin auf die Nerven ging. Romana war echt nicht erbaut, dass sich die Griechin sogar bei der Vorstellung ihrer Schwester so unmöglich aufführte; heute musste sie wieder einen ordentlichen Aushänger haben. Vielleicht, ja, sollte sie toleranter sein mit ihrer Sklavin. Aber Toleranz war noch nie Romanas Stärke gewesen.


    ”Ja, sicherlich! Dann suche ich es mir aus. Ich bin ja auch schon ein bisschen länger hier als du. Am Besten, sage ich dir, ist doch immer wieder die Taberna Apicia. Nirgendwo bekommt man dort so gute Sachen zu trinken, und so viel zu essen.” Dass Romana für eine Frau einen gesunden Appetit und einen ordentlichen Zug hatte, musste Livilla wohl wissen. Dass sie nicht dick war, lag wohl einzig daran, dass sie während ihrer Kindheit viele Kalorien für ihren Wachstum benötigt hatte, und nun viel für ihren nicht ungewaltigen Metabolismus draufging. So konnte Romana, dann und wann halt, auch ungeniert schlemmen. Sie kicherte ein bisschen, als Livilla ihre Nase berührte, und entgegnete die liebevolle Geste.


    ”Wieviel Zeit ich habe? Hmm, den ganzen Tag, bis zum Anbruch der Dämmerung! Ich habe heute frei! Sicher haben da die Parzen ihre Finger im Spiel, Schwesterchen!”, freute sich Romana,hakte ihrerseits ein, und folgte Livilla zu ihrer Sänfte. Parthenope stoffelte hinter den beiden Schwestern her. Bald schon würde Romana ja einen eigenen Wagen haben, mit dem sie durch Rom kutschieren konnte – das würde ein Spaß werden!