Je mehr Romana redete, desto verzweifelter wurde sie innerlich. Sie selber sah sich in einer absolut aussichtslosen Lage. Calvena zog sie zu sich hin, doch Romana bemerkte auch dies nur am Rande. Kraftlos baumelten ihre schlanken, langen Arme an ihrer Seite herunter, als Calvena sie an sich zog und ihr wohl mit dieser herzlichen Umarmung Kraft zu schenken gedachte. Doch Romana fühlte sich nicht besser deswegen. Bei den Göttern, diese Frau war die Nichte von ihm! Was sollte sie da empfinden? Schon gut? Gar nichts war gut!
Und genau diese Einsicht brachte sie auch dazu, zu fluchen wie ein Fuhrknecht. Eigentlich hätte sie sich deswegen in Grund und Boden schämen müssen, wenn sie so darüber nachdachte, aber Scham war nicht, was sie empfand, zumindest primär nicht. Zuallererst empfand sie... ja... Erleichterung. Erleichterung darüber, dass sie endlich ein Ventil gefunden hatte, mit der sie ihrem Frust Ausdruck verleihen konnte; die Gossensprache. Sie hoffte, sie hatte jetzt dadurch Vesta keine zu große Schande bereitet... Calvena würde es sicherlich nicht vertratschen. Aber man wusste nie, sie würde dann noch ein kleines Sühneopfer an Vesta richten.
Ein leises “Umpf!“ entfuhr ihr dann aber doch, als sie sich am Arm gepackt fühlte. Huch? So resolut kannte sie Calvena gar nicht. Da sie dann doch vermeiden wollte, dass die Germanicerin ihr den Arm ausreißen könnte, erhob sie sich brav, wenn auch nur widerwillig, und ging Calvena nach, in jenem raschen Tempo, welches die Germanica vorschrieb.
Nach ein paar Schritten gelangten die beiden, nicht sehr elegant gerade, in die Exedra. Ägyptisch war sie eingerichtet, dachte sich Romana, ein wenig abfällig. Diese Ägypter, was man wohl an ihnen fand? Wie es schon Laevina gesagt hatte, ein Volk von hirnlosen Kameltreibern... die Claudierin ließ sich ungelenk nieder, verunsichert umher schauend.
“Ich...“, begann sie. Doch was sollte sie sagen? Am Liebsten hätte sie lauthals protestiert dagegen, dass man ihr solch eine Behandlung zufügte. Doch Romana wusste selber, dass sie sich da zurückhalten sollte. Wer austeilte, sollte auch einstecken können... oder so ähnlich.
Was sollte sie nun sagen? Auch wenn Calvena ihr versichert hatte, sie müsste nichts sagen, war sich Romana der Tatsache bewusst, das irgendetwas gesagt werden musste. Sie konnte jetzt nicht einfach nur dasitzen und Calvena anstieren.
“Ich habe mich in Sedulus verknallt.“ Es war draußen. Es hatte nur zwei oder drei Sekunden gedauert, diesen Satz zu sagen, und trotzdem war es Romana wie eine Ewigkeit vorgekommen. Ihre Mundwinkeln zogen sich nach unten, und mit einem Mal schlug sie ihre Hände vors Gesicht, als ob sie sich bestrafen wollte. Ein ersticktes Schluchzen drang zwischen den Fingerritzen hervor, bevor Romana ihre Hände wieder runter nahm. “Und es ist ein schreckliches Gefühl. Ganz und gar schrecklich.“ Was Calvena nur mit ihrer Liebe hatte! Romana kam da nicht mehr mit. Sie selber wurde durch ihre (post)pubertäre Anwandlung hart mitgenommen.
“Was soll ich jetzt nur tun?“ Sie zwang sich dazu, tief durchzuatmen und Calvena anzuschauen. Mit einem Blick, der klar machte, dass sie sich Trost erhoffte, und auch einen machbaren Vorschlag.