Beiträge von Claudia Romana

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    Während ihre Herrin sich eine Auszeit von der ganzen Misere mit dem Opfertierzulieferern nahm, nutzte Parthenope, eine junge molossische Griechin, die sowohl hoch – allerdings nicht so riesig wie Romana – wie auch spindeldürr war, die Zeit, um ihren eigenen Gedanken nachzugehen – wie immer, wenn sie auch nur eine freie Minute hatte. Ihre Gedanken schweiften in ihre Heimat, nach Epirus, zum Pindos-Berg, und zu den Höhenzügen, die diese Anhöhe umrankten, eine Gegend, an die sie sich nur noch unzulänglich erinnern konnte. Sie war schon seit fast 10 Jahren nicht mehr dort gewesen. Mühsam versuchte sie, in ihrem Gedächtnis die fehlenden Stücke ihrer Geschichte zusammenzusetzen. „...au mal, sind das ni...“ Ein Bauernhof kam ihr in den Sinn. Von dort war sie. Natürlich war Epirus um vieles ländlicher als andere Teile Griechenlands, und wurde deshalb als rückständig betrachtet. Aber das war nicht wahr! „...annst du di...“ Der große Pyrrhus kam aus ihrer Heimat! „...ar das nicht was mit x? Anaxandra? Anaximandra? Oder doch eh...“ Er hatte es sogar Sparta gezeigt! „...enope! Hörst du mir zu?“ Epirus entschwand aus ihren Gedanken, als sich ihre Herrin vor ihr auftürmte und ein wenig vorwurfsvoll runterschaute. „Träumst du schon wieder?“ Parthenope zuckte zusammen, ertappt. „Nein, nein, sicher nicht? Äh, was war das mit Alexander?“


    Romana seufzte. „Nichts. Schau mal da drüben.“ Parthenope blickte hinüber und sah eine Frau mit einem Sklaven. Sie kramte in ihrem Gedächtnis – wenn sie erst einmal eine Information absorbiert hatte, vergaß sie diese niemals. „Ähm... Axilla. Iunia Axilla!“ Romana machte: „Puh, danke!“...


    ...da hatte Axilla die beiden schon entdeckt, und grüßte hinüber. Jetzt wäre es der Claudierin gerantiert ziemlich peinlich gewesen, wenn sie den Namen nicht gewusst hätte. Aber dank ihrer Sklavin geriet sie nicht in dieses Malheur – sie beschloss sich, Parthenope für ihre Tagträume zu verzeihen. So wie sie es bis jetzt immer wieder und jedes Mal getan hatte ob der unschätzbaren Dienste ihrer Leibsklavin.


    „Salve, Iunia Axilla!“, machte Romana freundlich, und ging ein paar Schritte zu der Iunierin hinüber, gefolgt von ihrer Sklavin. Wohlweislich ignorierte Romana den Sklaven, den Axilla rumschleppte. Axilla, ja, die war ja auch in den Thermen gewesen, und war die einzige gewesen, die diesen Schicksen Paroli geboten hatte, als das römische Heer hinuntergezogen wurde. Was den Ausschlag gegeben hatte für Romana, in die selbe Kerbe zu hauen, und die zögerliche Zustimmung von Septima und Serrana zu gewinnen.


    „Du hier? Es ist schon unglaublich, wie man sich immer wieder über den Weg rennt!“, begann sie leutselig. Axilla war ja auch auf Septimas Hochzeit gewesen. Mit diesen seltsamen Kerlen, die sich gegenseitig durch die Mangel genommen hatten. Ein merkwürdiger Männergeschmack, musste man sagen. Der eine war ja auch schon verlobt gewesen!


    „Auch auf der Suche nach Opfertieren?“ Denn dass Axilla nach Nutztieren suchte, war ausgeschlossen – höchstens Pferde, doch die waren an einem anderen Ende vom Viehmarkt.


    [SIZE=7]EDIT: Fett und kursiv...[/SIZE]

    „Du bist aber eine Schöne“, freute sich Romana, die in der Hocke saß und mit einem Lächeln auf die Adressatin blickte. Die so Belobigte quittierte die Laudation mit einem „Me-e-eh!“, wandte sich um und stolzierte davon. Romana blickte der Geiß nach und wandte sich an den Viehhändler, der neben ihr stand.


    „Sehr schöne Tiere hast du da“, meinte sie, mit einer hoheitsvollen Geste auf die Tiere, die im Pferch zusammengetrieben waren, hindeutend. Der Händler machte die Andeutung einer Verbeugung. „Ehrwürdige Schwester, nur die Besten! Sicherlich sind es die schönsten Opfertiere, die du finden kannst zwischen der Adria und dem tyrrhenäischen Meer!“ Die Claudierin lächelte und warf noch einmal einen faszinierten Blick auf die Ziegen hin. Sicher hatte der Händler da nicht untertrieben. Es waren prachtvolle Tiere. Zu schade, um sie zu metzgern und bei der Cena herunterzupampfen. Aber genau richtig, um sie ihrer geliebten Göttin zu opfern.


    „Ich werde mir auf jeden Fall deinen Stand merken, Fufilius Lentulus. Aer ich habe leider die Anweisung bekommen von der Obervestalin, alle Viehhändler anzuschauen. Wir müssen uns ganz sicher sein, dass wir die besten Tiere auswählen, denn sonst würden wir ja nicht mit der rechten Gesinnung vorgehen.“ Lentulus nickte verständnisvoll. „Selbstverständlich, ehrenwerte Schwester. Ich hoffe doch, wir sehen uns wieder.“ Romana lachte fröhlich. „Die Chancen stehen hoch, Fufilius! Vale!“ „Valete!“, lächelte Lentulus, offenbar sehr eingenommen von der jungen Vestalin.


    Der Grund, wieso Lentulus den Plural gebraucht hatte, stand etwas seitlich von Romana und hieß Parthenope. Ihre Leibsklavin, auf die Romana viel hielt, obwohl jene Griechin war, wisperte ein Vale zum Fufilier hin und verließ gemeinsam mit ihrer Herrin die gepflegten Stallungen.


    Als die Tür hinter Romana zuging, wandte sich diese an Parthenope, sich mit der Hand über die Stirn fahrend. „Weißt du... es ist natürlich eine riesige Ehre, ausgewählt zu werden, dass ich einen neuen Zulieferer für Opfertiere aussuchen kann. Aber dass das so anstrengend wird...“ Sie lehnte sich an den Zaun und linste hinüber, sie schaffte das, obwohl der Zaun recht hoch war. „Wieso brichst du dann nicht ab und nimmst einfach Fufilius Lentulus? Er hatte die besten Tiere bis jetzt.“


    Romana ließ von der Umzäunung ab und vollführte eine verzweifelte Geste. „Ich habe einen heiligen Auftrag gegenüber meiner Göttin! Ich kann jetzt nicht einfach klein beigeben. Man kann sich hier nicht mal hinsetzen.“ Sie schüttelte ihr lockenbewehrtes Haupt und stützte sich abermals am Zaun ab. „Nur eine kleine Pause“, schnaufte die Claudierin, unwillkürlich sich wieder nach hinten wendend, um somit eine Minute lang ungeniert auf die wundervollen Tiere zu starren. Es war so... beruhigend. „Was für schöne Tiere...“, seufzte sie.


    Sim-Off:

    EDIT: Bevor ich's vergesse, reserviert.

    Dass Romana nicht pünktlich gekommen war, war leicht erklärbar – sie hatte es nicht dürfen, bis sie nicht ihren Wachtdienst am Feuer der Vesta fertig getätigt hatte. Natürlich hatte sie ihren Dienst wie üblich mit Hingabe, ja sogar einem Schuss Fanatismus, geleistet, doch das hinderte sich nicht daran, fluggs aus dem Haus der Vestalinnen zu entschwinden, als sie ferig war. Sie war noch niemals in der Villa Aurelia gewesen. Bei den Claudiern redete man selten über diesen Ort in hohen Tönen. Angeblich war da was vorgefallen – Romana hatte man nie davon erzählt. Sie war bereit, für heute darüber hinweg zu sehen.
    Schließlich hatte sich ja eine ihrer besten Freundinnen verheiratet, mit einem Aurelius Ursus, von dem sie noch nie gehört hatte, aber der immerhin Senator war.
    Mit der typischen Gewandung des Ordens der Schwestern der Vesta schritt sie ganz würdevoll – als Vestalin musste man das einfach tun – durch die Gäste auf das frisch getraute Ehepaar hinzu. Sie musste mit ihrer Art zu gehen, ihrer Größe und ihren strahlenden Gewändern eine wahrhaft majestätische Figur abgeben – doch die Freude in ihren Augen, als sie Tiberia Septima zusammen mit ihrem Aurelius Ursus sah, war absolut bodenständig, wie überhaupt Romana es als Person war.
    Sie beschloss sich, Septima zuerst zu begrüßen, hoffentlich sah der Aurelier das nicht als Faux-Pas an. „Salve, Septima! Verheiratet bist du also nun, meinen Glückwunsch!“ Sie freute sich für die Tiberierin – sie wusste ja nichts von ihren Affären mit dem Octavier und dem Flavier, welche Septimas Freude wohl durchaus getrübt hatten. „Ich freue mich so für dich!“ Sie beugte sich runter und drückte der Guten ein Küsschen auf beide Wangen, bevor sie sich an Ursus wandte.
    „Verzeihung, Senator. Wir kennen uns wohl ncoh nicht. Claudia Romana ist mein Name, ich bin eine Freundin deiner Gattin. Ach, herzlichen Glückwunsch. Möge meine Göttin Vesta euren Haushalt stets gewogen sein, das Herdfeuer euch nie ausgehen lassen und euch ein gedeihliches Leben schenken“, wünschte sie, vielleicht ein bisschen hochgestochen, dem Ehepaar.
    Allerdings konnte sie es sich nicht verkneifen, kurz aus den Augenwinkeln zu sehen, wer sonst noch alles da war. Ah, da waren ja Calvena, Serrana und Sedulus. Sicher würde sich noch die Gelegenheit ergeben, mit ihnen zu reden. Aber zuerst einmal musste sie den beiden gratulieren – wie unhöflich wäre es, wenn nicht!

    „Nun, ich glaube nicht, dass du viel versäumt hast“, wandte Romana ein, aufmunternd nickend. Zwar war Romana umfangreich gebildet – ihr Vater hatte großen Wert darauf gelegt, ebenso wie ihre Großmutter, und vor allem natürlich ihre Lehrerinnen im Atrium Vestae. Aber trotzdem blickte sie auf niemanden herab, der weniger wusste als sie – so was erachtete sie als schäbig. Und, ganz ehrlich, wer sollte über die Serer schon was wissen wollen?
    „Da wirst du Recht haben“, pflichtete die Claudierin bei, während sie amüsiert lächeln musste. Ungepflegtes Kameltreibervolk... diese Germanicer hatten wohl alle diesen herzerfrischenden Stil. Romana gefiel der ungeheuer. Sie lachte kurz, als die Rede auf die Griechen kam. „Ach, die. Als Sklaven taugen sie durchaus. Meine Leibsklavin ist Molosserin, kein Hund natürlich, sondern aus Epirus. Ich meine, zivilisiert sind sie... aber effeminiert bis zum Geht-nicht-mehr!“ Sie schüttelte den Kopf ablehnend. „Ich habe noch nie einen griechischen Mann gesehen – Memmen mit Pen... Bärten sind für mich keine Männer“, tat sie ihre Meinung kund, bedacht darauf, kein sexuelles Inuendo aufkommen zu lassen. Ach, die Griechen. Sie erinnerte sich noch, wie einer von denen sie bei den Ludi Romani ungeniert angemacht hatte. Das Ganze hatte einen recht fahlen Nachgeschmack hinterlassen. „Und da wundern sie sich, dass unsere Mannen sie mit Links bei Kynoskephalai schlagen konnten!“ Sie mochte Geschichte, und auch die Militärgeschichte hatte es ihr sehr angetan. Sie wusste, eine sehr damenhafte Bildungsart war das nicht, aber sie war einfach interessiert daran. Vor allem, da es sie in ihrer Meinung bestätigte, die Römer seien unbesiegbar. „Aber die Griechen sind wenigstens noch lächerlich, klein und harmlos. Das echte Grausen bekomme ich, wenn ich an die keltischen und germanischen Barbaren denke. Die Druiden und Goden mit den Menschenopfern! Brrr!“ Sie schüttelte sich präventiv, ihre Haarpracht flog ihr um die Ohren, und mit einem Grummeln rückte sie dieselbe wieder zurecht.
    Als die Rede auf die Kuchen kam, blickte sie zu denjenigen hin. „Kuchen... also, ich habe den Apfelstreuselkuchen sehr gut gefunden! Leider ist er natürlich auch recht fuhrig. Ich denke, der Marillenkuchen ist leichtere Kost.“ Sie deutete auf den korrespondierenden Kuchen, auf dem die Aprikosen einladend leuchteten.

    Romana hörte weiterhin zu und stellte ihren Kopf schief. Salinator hatte was? „Du denkst, er hat sich in unsittsame Aktivitäten verstiegen? War diese Frau verheiratet? War sie am Ende diese... Caecilia, die in der Acta erwähnt wurde?“ Sie verzog ihre Lippen leicht und wandte ihr Gesicht ab. „Der Praefectus Urbi, ein Sittenbrecher? Du solltest dir ganz sicher sein, wenn du solche Vermutungen aufstellst, Septima“, meinte sie. Vielleicht klangen ihre Worte leicht spielverderberisch, aber sie sah die Angelegenheit – wie üblich – sehr nüchtern. Ihr Blick wendete sich zu Calvena hin. „Aufgeblasene Qualle... gut möglich, wenn du es sagst.“ Immerhin sagte man sich, er mochte Patrizier nicht... aber er war die rechte Hand des Kaisers, da musste er sicher den einen oder anderen Vorzug haben!
    Als die Sprache auf Catilina kam, zuckte sie die Schultern. „Da musst du die Flavier fragen. Ich weiß überhaupt nichts. Du hättest mich sehen sollen, wie ich geschaut habe, als ich diese Nachricht vernommen habe. Ich habe keine Ahnung, ob es eine Liebeshochzeit war... ich frage mich aber, wieso ein so hochstehender Senator so etwas tun sollte. So einer heiratet doch sicher nur, weil er die Claudier an sich binden will. Andererseits – wenn er das erreichen wollte, ist er gescheitert. Ich selber fühle mich den Flaviern kein Stück mehr verbunden als vorher. Dass er nicht einmal ein einziges Mal gekommen ist, um sich uns vorzustellen, ist eigentlich eine Provokation.“ Sie blickte sauer einher und verschränkte die Arme. „Ich habe keine Ahnung, was da vor sich gegangen ist. „Meine Base ist... hmm, schwierig. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen... vorher war sie mit einem Valerier verheiratet, und hat mit ihm zwei Söhne gehabt“, wusste sie noch zu sagen. Leider kannte sie Catilina nicht so gut wie deren jüngeren Bruder Lepidus. „Wieso willst du das eigentlich wissen?“, musste sie nachhaken. Immerhin war das ganze doch eine Geschichte, die nur die Claudier und die Flavier was anging.
    Sie lächelte leicht, als Septima loslachte. Eigentlich war es nicht immer Vestalin, wenn man sich dafür entschloss – nur 30 Jahre. Doch Romana hatte natürlich vor, länger Vestalin zu bleiben, das war sie der großen Vesta schuldig. Leicht gerührt aber blickte sie zur Germanicerin hin, als diese ihr sagte, sie wäre die beste Dienerin Vestas, bevor sie losgrinste. „Das ist so lieb von dir, weißt du... aber du kennst ja die anderen Vestalinnen gar nicht. Vergleiche mich mit der großen Obervestalin Pomponia Pia, und dein Bild wird stark qualifiziert werden.“ Von den Vestalinnen hatte Calvena ja nur Minucia Milicha, die alte Grantige kennen gelernt – wobei diese selber eine große vestalin war. Ihr Wissen ob der Haruspizin wurde von manch einem Haruspex beneidet.
    Die Decima schaltete sich wieder ein, und Romana wandte sich ihr zu. „Das stimmt. Die Captio war vor 2 Jahren in Misenum... damals war der Kaiser schon einige Zeit dort. Und ja, ich weiß...“ Sie seufzte. „Ich bin sehr spät aufgenommen worden. 15 war ich damals. Nur durch eine Ausnahmeregelung kam ich rein.“ Sie nestelte an ihren Fingern kurz herum, bevor sie fortfuhr. „Alle Welt sagt, dem Kaiser geht es schlecht. Doch in Wirklichkeit gab er ein sehr gutes, würdevolles Bild ab zu meiner Captio... als er mich an sich herangezogen hat, hat er mich fast zerquetscht.“ Sie grinste leicht. „Vermutlich aber hat er sich nur sehr viel Mühe gegeben bei meiner Captio. Wenn er gesund wäre, würde unser Kaiser uns nie in Rom alleine lassen, nie!“, war sie sich sicher.

    Sie hörte Septimas Fragen zu und nickte. „Ja, das wird er...“ Sie unterbrach sich, als ihr dämmerte, dass da ein Missverständnis aufkommen könnte. „Natürlich fahren wir da nicht als Putzfrauenkolonne auf! Nein, der Tempel wird nur mit Wasser besprenkelt, und dazu werden Gebetssprüche aufgesagt. Den Tempel von oben bis unten abschrubben, Bona Dea...“ Sie lachte. „Nein, keine Sorge, es ist nur eine symbolische Reinigung, die dauert nicht lange.“ Die Frage nach der egerischen Quelle konnte sie leicht beantworten. „Etwas außerhalb des Pomeriums, in der Nähe vom Aventin... ich kann sie dir ja einmal zeigen!“, bot sie an. „Und die Gegenstände... nun, die meisten sind eingemauert. Das Palladium steht aber frei im Tempel der Vesta...“ Wieder unterbrach sie sich, dieses Mal für ein schallendes Lachen. „Septima, du bist mir eine!“, kicherte die Claudierin. „Wir und kämpfen! Kannst du mich als, keine Ahnung, als Legionärin vorstellen?“ Hatten sie dieses Gespräch nicht schon mal gehabt? Wie dem auch sei, Romana spannte scherzhaft ihren rechten Arm, was allerdings durchaus offenbarte, dass sie nicht unbedingt eine schwache Frau war. Die Größe der Vestalin tat das Ihre dazu.
    „Wenn es hart auf hart kommt“, sie ließ ihren Arm wieder senken, „haben wir dafür unsere Liktoren. Ich selber habe noch keinen, ich bekomme nur einen, wenn ich voll ausgebildet bin.“ Sie verzog leicht den Mund, sie hätte sehr gerne einen eigenen Liktor. Bei dem Glück, das sie immer hatte, würde der Kerl, den sie bekommen würde, vermutlich ein hässlicher Langweiler sein... nun ja, solange sie ihn nicht heiraten müsste, war es ja in Ordnung.
    Romana selber nahm einen größeren Schluck vom Honigwein als Septima, sie war eine wahre Genießerin. Das Mulsum schien immer besser zu werden. Ein wenig Essen wäre jetzt noch schön, dachte sie sich.

    Die Alte wehrte die Vorstellung, dass es ein weiteres Volk geben sollte, dass dereinst stärker sein könnte als das römische, überzeugt ab, und Romana pflichtete bei. „Natürlich, das steht außer Frage. Wobei... ich habe Gerüchte gehört von einem Volk im Osten, die Serer, deren Reich noch größer und mächtiger und älter ist als das unsere...“ Sie dachte kurz nach und schüttelte dann energisch den Kopf. „Das ist Humbug. Seemannsgarn. Das Imperium Romanum ist das Maß aller Dinge, und wird es auch bleiben!“ Die arme Romana! Wenig wusste sie davon, dass das chinesische Kaiserreich, von dem sie gesprochen hatte, nicht nur damals schon größer war als das römische, sondern es auch um fast 1500 Jahre überleben würde.


    „Da gebe ich dir recht. Niemand wird uns jemals besiegen können... solange wir nicht auf unsere Werte vergessen.“ Nur, da sah sie einigermaßen schwarz – Dekadenz und Prunksucht griffen um sich. Aber ihre Gedanken behielt sie für sich. "Gut aber, dass es noch immer Leute gibt, die diese Werte hoch halten!" Allen voran selbstredend die Vestalinnen, aber man musste ja nicht immer angeben.


    Sie musste leicht lächeln, wie aus Schadenfreude, als die Rede auf die Vinierin kam. „Sehr schön, also kann ich jetzt beruhigt schlafen.“ Amüsiert schnaubte sie aus. „Ich bin froh, dass ich mit den meisten von den... Freundinnen... meiner Stiefmutter wenig zu tun habe.“ Die Vinia war, ihrer Meinung nach, symptomatisch für die langweiligen Weibsbilder, mit der sich Ofella umgab.

    Der Arme wurde rot wie eine Himbeere – sicherlich hätte Romana den Vergleich mit einer Tomate gezogen, hätte es damals schon so etwas gegeben. Sie winkte ab und lachte, als er sich so, verlegen, entschuldigte. Guter Laune hörte sie ihm weiter zu. „Mauretanier bist du also.“ Komisch, überall, wo sie hinging, lief sie nur Barbaren über den Weg. Doch bevor sie ihre Neugierde an ihm gestillt hatte, verabschiedete sich Vitale auch schon, noch immer mit einem knallroten Schädel. „Ich bin mir da ganz sicher... vale!“, schaffte sie noch zu sagen, bevor Vitale auch schon weg war. Ein wenig irritiert blickte sie herum, aber er war schon wie vom Erdboden aufgesaugt. Sie schluckte. Hatte sie solch einen fürchterlichen Effekt auf Männer, dass diese sofort davonliefen von ihr? Nun ja, ihr konnte es egal sein, also war es müssig, darüber nachzudenken. Sachte machte sie die Türe zu und ließ sich mit einer grazilen Bewegung auf den Schemel nieder. Um weiter zu warten, und sich die Zeit mit einem griechischen Roman zu vertreiben – sie bemerkte beim Lesen, dass dies schon ganz flüssig ging. Ihre Konversationen mit Parthenope haben das Ihre getan.

    Etwas überrumpelt nickte Romana nur und nahm den Brief an. „Äh... danke...“, meinte sie und warf einen Blick drauf. Von Calvena! Wie schön!


    Sie ließ die Schritrolle aber senken, ohne weiterzulesen, als der Mann sich vorstellte. „Volubilis Vitale also. Freut mich ungemein.“ Es war kein Sklave, das konnte man sehen – ein Peregrinus wohl, im Dienste der Germanicer. „Sicher kommst du von weit her. Aus einem fremden Land. Ohne Zweifel aus einem Land, wo es nicht Sitte ist, zu grüßen.“ Ein wenig vorwurfsvoll, vor allem aber amüsiert, blickte sie auf den Mauretanier. „Da ich das stark annehme, trage ich es dir deine grußlose Erscheinung auch nicht nach.“ Genug der spitzen Worte, dachte sie sich und überflog die Schriftrolle.


    „Sehr schön, sehr schön“, war sie erfreut über den Brief an sich, weniger vielleicht über den Inhalt. Verlobt also. Jetzt hatte sie sich komplett davontragen lassen. Aber sie konnte Calvena das nicht verbieten, wer wäre sie denn? „Sag ihr bitte, ich halte sehr viel von dem Vorschlag, mich mit ihr und ihrem Verlobten...“ Sie stockte kurz und redete dann weiter. „...zu treffen. Sage ihr, jeder Termin sollte recht sein – bis auf die Matronalia natürlich, da bin ich eingebunden.“ Was klar sein sollte, schließlich opferten an diesem Tag die verheirateten Frauen der Vesta, und sie als Vestalin würde jenen zur Seite stehen müssen.

    Romana hörte den Worten der Frau zu, nicht unerfreut ob des Umstandes, dass sie eine scheinends Gleichgesinnte gefunden hatte, zumindest, was die Anschauung anging. „Unbedingt! Ich höre die Leute immer sagen, man muss reformieren, das Alte ist überholt, und so weiter... darauf kann ich nur antworten: warum sollte man die Bräuche der Alten verwerfen? Die Einhaltung der mos maiorum erhält unseren Staat, und sowie sie vergessen ist, wird unser Reich untergehen“, war ihre düstere Prophezeiung. „Doch solange wir unseren Prinzipien treu sind, bleibt unser Anspruch, die Völker zu lenken, erhalten!“ Das Thema Disziplin schnitt sie besser nicht an... es war nicht unbedingt ihre Stärke, auch wenn sie Vestalin war. Was die Ägypter anging, nickte sie nur. Eigentlich hatten diese ziemlich viel Wüste, was jetzt nicht eine hervorragende Voraussetzung war. Doch Romana hatte keine Vorstellung von Aegyptus, und Laevina hatte offensichtlich Ahnung davon.


    „Ja, das stimmt“, bestätigte die Claudierin mit ganz neutralem Gesichtsausdruck und hörte weiter zu. In der Therme also. Was nicht so alles in der Therme passierte... ein Buch könnte man darüber schreiben. „Vinia Fauna? Ich kenne sie leider nicht.“ Dass Romana eine offensichtlich enge Freundin Ofellas nicht kannte, wies zweifelsohne darauf hin, dass sich die beiden nicht gerade nahe standen. Wie auch? Von ihrer Schwiegermutter hörte und sah man die längste Zeit nichts, und dann kam sie daher und lud sich selber auf Feste ein. Nur gut, dass die Claudier jüngst den Göttern ein Opfer dargebracht hatten... das er hoffentlich den Segen der Götter auf ihr Haus. Jetzt war nur zu hoffen, dass Ofella ihre gens vor Laevina nicht komplett blamiert hatte.

    Es dauerte nicht lange, da ging die Türe auf. Wie es der Zufall wollte, war es die Addessatin des Briefes, die öffnete, Romana. Sie war zum Türdienst eingeteilt worden. Ihre Begeisterung darüber hielt sich in Grenzen, doch es war wichtig, dass die Vestalinnen selber den Türdienst machten, nicht irgendwelche Sklavinnen, die dann Hinz und Kunz in die heiligen Gefilde einlassen würden. Die große Claudierin blickte auf den braunen Mann hinunter, der vor der Türe stand und eine Schriftrolle in der Hand hielt.
    „Salve. Kann ich helfen?“, fragte sie.

    Zitat

    Original von Germanica Laevina


    Wohlerzogen! Jetzt hätte Romana eigentlich schallend loslachen müssen, aber, ganz ladylike, schmunzelte sie nur. Sie hielt sich eigentlich für ganz normal erzogen – was wohl bezeugte, wie idealistisch Romana ihre Umwelt sah. Aber die alte Dame war so nett, zumindest empfand sie dies, und sie wollte ihr Empfinden keineswegs in Frage stellen. Was die Alten zu sagen hatten, das musste man respektieren – denn nur so würde dieses Prinzip sich weitertragen von Generation zu Generation. Einmal würde Romana eine alte Schachtel werden, und dann würde sie auch ihre Weisheiten von sich geben. Doch diese würde sie selber nur bekommen, indem sie jene von den Alten erhielt. So war das in einer organischen, lebenden Gemeinschaft.


    Jetzt, wo Romana nachgefragt hatte wegen ihrer Verwandtschaft mit Calvena, konnte sie sich wieder erinnern, dass ja Calvena etwas davon gesagt hatte. Irgendeine Tante wäre Laevina, was diese auch bestätigte. „Relikt der Vergangenheit?“ Sie lächelte amüsiert, doch ohne Argwohn. „Ohne Relikte der Vergangenheit, wie du es nennst, wäre unsere Gesellschaft am Abgrund. Die Traditionen sind sowieso ohne Zweifel das Wichtigste, es ist das, was unser Reich aufrecht erhält“, meinte sie ganz überzeugt. Traditionsbewusst war Romana, manche würden sicherlich sagen, sie war reaktionär. Laevina aber wusste, wo die Prioritäten zu liegen hatten, dachte sich die Claudierin.


    Sie schaute noch um einiges besorgter drein, als Laevina sich so bekümmert gab über ihr Unglück. Die arme, liebe Frau, was hatte sie doch erleiden müssen. Romana seuftze mitleidig. „Es tut gut, zu hören, dass du dich wieder wohl fühlst!“ Sie dachte an ihre Großmutter. Diese war freilich schon ein wenig älter als Laevina, und sie hatte auch einige Leiden.


    Dass eine Frage nach ihr kommen würde, war nicht unerwartet, und trotzdem war die Frage selber überraschend. „Du kennst Ofella?“ Sie blinzelte verblüfft. „Ja... und nein...“ Die Antwort mochte ein wenig unzulänglich erscheinen, und so fügte sie rasch hinzu: „Sie ist meine Schwiegermutter.“ Sie versuchte, zu lächeln, doch sah es ein wenig unecht aus. Claudia Ofella. Diese Frau war genauso Claudierin wie sie eine Blutwurst. Lucretierin war sie, und nutzte ihren Vater aus. Hatte sich in die Familie hineingeschwindelt, in die Familie der Claudier, deren Ursprünge bis vor die Gründung Roms zurückzuführen waren, die zu den edelsten und hervorragensten Gentes gehörte, in denen das Blut von Helden und Halbgöttern floss. Es war ein Elend.

    Romana war mehr als nur erfreut, als sich Durus so löblich über ihren Vetter ausgab, und lächelte, als er ihm eine große Zukunft bescheinigte. „Das hoffe ich sehr. Gut, dass du mich in meinem Glauben an ihn bestärkst, Pontifex.“ Einer musste ja die Familienpolitik weiterführen. Ihr Bruder war für nichts zu gebrauchen. Sie selber würde es sicherlich tun... wenn, ja wenn sie ein Mann wäre. Es blieb nur Quintus Lepidus.


    Als Septima nun ebenfalls begann, ihrer Bewunderung für ihren Vetter Ausdruck zu verleihen, wurde ihr Lächeln nur noch ein wenig ausgeprägter – wie bei einer Mutter, dessen Sohn man belobigt. Wo Quintus war, fragte Septima, und innerlich musste Romana ihr recht geben. Er hätte eigentlich schon hier sein können. Durus hatte ihm doch sicherlich gesagt, welcher Besuch heute erwartet werden würde... na ja, sie sahen sich eh, wann immer sie in die Villa Claudia kam. Also beschloss sie, es locker zu sehen und stattdessen, wie auch Laevina, dem Mulsum zuzusprechen. Es war wirklich gut.


    Nachdem sie einen Schluck genommen hatte, blickte sie kurz zu Celsus hin und schmunzelte, als er sah, wie er aufblühte wie ein Krokus im Frühling, als das Thema auf die Wagenrennen kam – nur, damit dies sofort niedergemördert wurde von Septima, die wusste, dass es Romana unangenehm war, über so etwas zu reden. Stattdessen kam das Gespräch auf Romanas Lieblingsthema. Ein amüsierter Seitenblick auf Celsus ließ sie die amüsierte Zeugin davon werden, wie sein Gesichtsausdruck auseinanderfiel. Tja, Freundchen, jetzt wohl nicht, dachte sie sich in ihrem Inneren. Er schnitt mit Mühe eine ehrbietige Grimasse, aber Romana wusste, was im Busch war. Nichtsdestotrotz erwähnte sie nichts – der Arme würde früh genug auf die Nase fallen, wenn er in eine Sodalität oder gar in ein Collegium hineingepresst werden würde.


    Stattdessen antwortete sie auf die Frage. „Nun, allgemein denkt man, das einzige, was wir tun, ist, vor dem Feuer der Vesta...“ Welches eigentlich nichts weiter als ein glühender Herd war – aber kleine dramatische Beschreibung waren sicher drinnen. „...zu sitzen und zu schauen, dass es nicht ausgeht. Tatsächlich tun wir das, wir wechseln uns gegenseitig ab.“ Mit ein bisschen Herzenspein dachte sie an die eine oder andere Nachtschicht, die sie schon geschoben hatte. „Geht das Feuer aus, ist das ein schreckliches Ereignis für den Staat. Es gibt aber noch andere Aufgaben. Wir müssen jeden Morgen den Tempel symbolisch reinigen, mit Wasser von der egerischen Quelle. Wir sind für eine große Anzahl von öffentlichen Festen zuständig – zum Beispiel die Vestalia, die Matronalia die Fordicidia, wie auch für regelmäßige Opfer an Vesta und die kaiserlichen Penaten. Zudem stellen wir die mola salsa her. Und wir beaufsichtigen das Palladium und noch einige andere heilige Gegenstände...“ Sie hielt sich ein wenig vage hier, denn sie war sich ziemlich sicher, dass man es gerne sehen würde, wenn sie ausplaudern würde, was genau es im Atrium Vestae gab.

    Sie neigte ihren Kopf, ein wenig geschmeichelt vielleicht, als Calpetana sie so lobte. Dass sie so viel gelernt hatte, war nicht ungewöhlich – schließlich war dies ein Gebiet welches, sie brennend interessierte.


    „Nun, die Häuser meinst du? Ja, ich weiß von jeder, was sie bedeuten. Ich meine, was hier oben steht, ist ziemlich selbsterklärend. Man startet bei Tinia Cilens. In diesem Haus leben Iuppiter und Fortuna zusammen. Da dies auf der schlechten Seite der Leber ist, bedeutet es Unglück und Schutzlosigkeit. Tinia Thufltha ist noch schlimmer, in diesem Haus leben die Furien...“ Es war gewissermaßen skurill. Romana erklärte ihrer Lehrerin die Häuser, statt andersrum. Sie schloss schließlich nach einem ellenlangen Vortrag. „...und schließlich gehört das letzte Haus Tluscva, Tellus, der Göttin der Erde.“ Sie schnaufte tief ein und aus, als ob sie einen Marathonlauf hinter sich hätte.


    Langsam setzte sie sich wieder. „Bekomme ich auch so eine Leber?“, fragte sie begierig nach.

    Romana nickte, unglücklicherweise würde sie wieder vergessen, was Calvena über ihre Großtante gesagt hatte. Nur so war es wohl erklärlich, dass sie Laevina bei der iulisch-furischen Verlobung noch einmal ihren Namen und ihr Verwandschaftsverhältnis zu Calvena abfragen würde.


    „Ha! Ist schon unglaublich, wie sie das immer wieder tun und dann auf die Nase fallen. Diese armen Narren.“ Sie lachte und zwinkerte übermütig zurück.


    Romana schüttelte tadelnd ihren Kopf, als Calvena ihre Vorbildstellung anzweifelte. „Wenn du kein Vorbild bist, ist es niemand mehr.“ Sie wirkte recht amüsiert, und drückte das mit einem Lächeln aus, welches eigentlich schon ein Grinsen war. „Nun gut...“, gab Romana zu bedenken. Sie wollte noch hinzufügen, dass Sabina bald einmal im Alter wäre, aufgenommen zu werden... aber sie war noch 5. Zeit genug, um ihr zu erlauben, es sich zu überlegen, schließlich konnte man Vestalin werden bis 10. Und es gab auch noch Ausnahmeregelungen, wie für sie. Obwohl sie selber dachte, sie war nur aufgenommen worden, weil sich die Göttin direkt an sich gewandt hatte und außerdem, weil sie einem der ältesten Adelsgeschlechter Roms angehörte.


    „Vielen Dank!“, erwiderte sie auf die Einladung. „Ich werde dem gerne nachkommen, wenn die Möglichkeit sich ergibt. Und ja, ich sage dir alles über Vesta, was du wissen willst, wenn ich zu euch komme, Sabina.“ Sie lachte, etwas überwältigt von der Fülle der Worte, die aus Calvena herauszusprudeln schien. „Über dich ebenfalls, Calvena, und über dich, Sabina. Valete!“


    Sie wartete, bis die beiden das Peristylium verlassen hatten, bevor sie sich hinsetzte auf der selben Bank, die vorhin noch Sabina benutzt hatte. Ihre Gedanken schweiften hinweg... über das Peristyl hinaus, über die Mauern des Atrium Vestae, die Stadtmauern Roms, zu einen Punkt, der imaginär oder auch wirklich sein konnte. Sie überschlug die Beine und lächelte, als sie sich zurücklehnte.

    Calvena versicherte Romana, dass sie sich nicht zu viele Sorgen machte, und diese nickte daraufhin vage. Es wird schon so sein, bei Kindern konnte man nie vorsichtig genug sein, dachte sie sich, unwillkürlich nach ihrem Bauch tastend, ohne es selber zu bemerken. Sie fühlte sich an diese Träume erinnert, die sie in letzter Zeit hatte. Dass sie schwanger war, dass sie verheiratet war, dass sie... es war müßig, darüber nachzudenken. „Ich bin mir ganz sicher, dass sie nicht an Unfug denkt“, versicherte sie Calvena und lugte wieder zu Sabina hin unter. Sie war so ein süßes Mädchen, es war zum Hinwegschmelzen.


    „Wirklich, waren sie das? Gesehen habe ich sie nicht... Mattiacus, ist das nicht dieser Rechtsverdreher, der die arme alte Frau... na, wie heiß sie denn... aus dem Impluvium gerettet hat?“ Sie lächelte. „Ja, sicherlich, die Senatoren... man unterschätzt uns Frauen einfach, was Politik angeht, und das ist unser großer Vorteil.“ Sie lachte. Sie könnte dem Kaiser einfach einen Brief schreiben, um das Schicksal eines Mannes zu besiegeln, einmal war sie dessen ganz sicher.


    „Genau, du ziehst ja aus... ja... Sabina wird sicher die religiösen Traditionen hoch halten, wenn sie nach dir gerät.“ Sie lächelte leicht. „Vielleicht will sie ja auch einmal Vestalin werden, wie ich.“ Oh ja, Romana hielt an diesem Wunschdenken fest wie ein Hund an seinem Knochen.


    Sie nickte ein wenig betrübt, als Calvena ihr Recht gab. „Tja. Also, es war sehr, sehr schön mit euch beiden. Wir sehen uns sicher bald wieder.“ Sabina kam daher gewirbelt, und mit einem amüsierten Lachen wandte sich Romana ihr zu. „Ach Sabina, ja, das würde mich freuen!“ Sie beugte sich sehr weit hinunter und umarmte die Kleine herzlich. „Ich käme gerne wieder zu euch.“ Sie ließ von Sabina ab und ließ auch Calvena eine Umarmung angedeihen, um einiges kräftiger als die von vorhin – die Götter geben, dass es der Germanicerin nicht den Atem abschnüre!


    Endlich ließ sie Calvena wieder los und deutete zum Vestibulum hin. „Da geht es raus, durchs Vestibulum durch die Porta, ihr wisst sicher, wie.“

    Romana blickte eine Sekunde lang verblüfft drein, dann lachte sie. „Du hast wohl Recht, ich mache mir zuviele Sorgen.“ Sie schüttelte ihren Kopf, sodass ihre Lockenpracht ihr ums Gesicht flog. Das widerspenstige Haar strich sie sorgsam aus ihrem Gesicht, bevor sie Calvena weiter zuhörte.


    Bei jedem anderen Menschen hätte Romana damit gerade noch leben können, dass er mit den Göttern nichts am Hut hatte, bei einem Senator aber sah sie eine potentielle Gefährdung der Pax Deorum. Gleichzeitig hoffte sie aber, Sedulus würde schon wissen, was er tat. Schließlich hatte er ja mit seiner Nichte eine Priesterin zur Seite. Dieser Gedanke beruhigte die Claudierin wieder. „Mit den Decimi?“, fragte sie aber interessiert. „Ich kann mich noch erinnern, ein Decimer war Praetor, als meine Captio war. Decimus Livianus. Aber bevor du mich fragst – ich kenne ihn nicht.“ Sie zuckte die Achseln.


    „Gut, sehr gut“, machte Romana, als sie versprach, Sabina einzuführen in die Religion. Jemandem das Wissen darüber zu verwehren, und somit auszuschließen, dass dieser jemand jemals von den Göttern Unterstützung einfordern könnte, empfände sie als schreiende Ungerechtigkeit.


    Kurz blickte sie in den Himmel hinauf und blinzelte, sicherlich etwas erstaunt. „Du, Calvena... es ist schon später, als ich gedacht habe...“, begann sie ihrer Freundin zu beichten. „Und ich glaube, länger lassen mich die Vestalinnen sicherlich nicht jemanden das Atrium zeigen.“ Sie ließ die Schultern hängen. „Ich glaube, ihr solltet jetzt schön langsam gehen... aber wenn du dann heiratest, sehe ich dich gewiss zur Vestalia hier im Haus der Vestalinnen wieder!“, warf sie ein. Die Matronen Roms kamen dann, um einfache Lebensmittel zu opfern, und sicherlich wäre auch Romana darin eingebunden.

    Die Frau schien sich aber mächtig zu konzentrieren auf den Kuchen. Dass Laevina in Wirklichkeit Axilla anstarrte, fiel Romana gar nicht auf. Ihr war eigentlich, trotz ihrer konservativen Anschauung, das Kleidchen von Axilla nicht weiter negativ aufgefallen. Kleidungsvorschriften würde sie niemandem machen, außer sich selbst. War Nacktheit denn nicht der Urzustand des Menschen, der auch von Cato und Cincinnatus zelebriert worden war? Um so erstaunter war die Claudierin, dass die Alte ein wenig verwundert schien darüber, dass sie das Thema auf den Kuchen brachte. War ja eigentlich egal! Immerhin erkannte Laevina sofort, dass sie es mit einer Vestalin zu tun hatte – Romana trug ja jetzt nur noch mehr die Vestalinnentracht. Würde sie es nicht tun, würde sie Gefahr laufen, dass man versuchen würde, sie anzumachen, wie es ja schon nach den Ludi Romani passiert ist. Ihre Tracht bot aber den perfekten Schutz gegen jegliche Versuchungen fleischlicher Art.


    „Du wirst es sicher nicht bereuen“, versprach Romana lächelnd. „Aber pass bloß auf, er krümelt stark.“ Andere hatten diese Erfahrung ja schon gemacht. „Germanica Laevina, es freut mich sehr. Ich bin Claudia Romana.“ Respekt vor dem Alter war eine der höchsten Maximen, die ihr von Kindheit an ans Herz gelegt worden waren, und es erstaunte sie nicht, dass Laevina hier war – dies bewies nur, dass die Germanicer sich an diese Maxime hielten! Sie fuhr sich mit ihrer Hand an ihr Inful, welches um ihren Kopf gebunden war, und verschob es leicht, um es wieder in Position zu bringen. „Wenn ich das fragen darf, inwieweit bist du denn mit Germanica Calvena verwandt?“, wollte die große Vestalin wissen. "Und... sag, warst du nicht die Frau, die zu den Fontinalien das Malheur am Impluvium hatte? Ich hoffe, es geht dir wieder gut?" Besorgt sah sie auf Laevina hinab.

    Zitat

    Original von Quintus Germanicus Sedulus


    „Nun“, begann sie zu erklären. „sowie die Anzahl der Feste ansteigt, so muss zwangsläufig proportional dazu die Anzahl der Einladungen, die man bekommt, ansteigen. Natürlich vorausgesetzt, der Prozentsatz bleibt gleich. Klar, oder?“ Soweit zur Logik á la Claudia Romana, untermauert wurde diese durch ein strahlendes Lächeln, welches sie auf den Senator abfeuerte.


    Antoninus hatte es nun komplett die Sprache verschlagen, und so blickte sich Romana nach hinten. Da drüben sah sie die Alte, die kannte sie doch von den Fontinalien! Anscheinend betrachtete jene die Kuchen Romana trat einen Schritt nach hinten und wandte sich an die Frau. „Ehrwürdige Mutter, die Kuchen sind vorzüglich“, versuchte sie es mit der höflichmöglichsten Variante (die aber auch ziemlich schnell einer recht ruppigen Art weichen konnte - jeder, der Romana kannte, konnte das bestätigen). Wenn sie keinen Respekt vorm Alter hatte, wer sollte das sonst tun? „Ich würde ihn sehr empfehlen.“ Sie nickte, um ihre Worte zu unterstreichen.


    Sie blickte nach hinten, dort sah sie Septima und Celsus das Fest betreten. Sie schienen jedoch erst einmal mit Calvena beschäftigt zu sein, und der Abend war lang. Zuerst einmal wollte sie aber herausfinden, was es mit der Greisin auf sich hatte.

    Langsam fühlte Romana die pulsierende Wut, welche in ihrem Blut schwelte, abkühlen. Schwer atmen musste sie infolge ihres abrupten, vulkanartigen Ausbruches, der natürlich weder zu irgendetwas beigetragen hatte, noch jemandem geholfen hatte, aber zumindest der Claudierin und ihrer sicher überholten, veralteten Weltanschauung Gehör mittels der allzeit bewährten Brachialmethode verschafft hatten. Ihr drang die Stimme der Decima an ihr Ohr. Mit Müh und Not verbiss sie sich eine erboste Antwort und blickte die Decima nur warnend an. Ihre Frage konnte sie hingegen mit gewissem Stolz beantworten. „Das bin ich, Vestalin.“ Sie dachte kurz nach. „Wenn du darauf anspielst, wen ich mit Vater meinen – meinen leiblichen Vater.“ Es war schwer, jemanden als Vater zu bezeichnen, der nie hier war, und der sich nicht um seine Töchter kümmerte.


    Calvenas Worte entgegnete sie nur mit einem Seufzen. Die Gute dachte sich wirklich, man könne mit diesen Barbaren verhandeln. Doch es war der Römer Schicksal, über die Völker zu regieren, ihr Schicksal zu lenken, und zwar mit harter Hand. Diplomatisches Feingefühl, als ob kannibalische Germanen, besoffene Kelten oder grausame Parther darauf ansprechen würden. Höchstens effeminierte Griechen konnte man damit beikommen. Sie hatte nie selber blutige Kämpfe gesehen, aber genug davon von ihrem Vater erzählt bekommen. Die Narben, die dabei entstanden, waren nicht nur äußerlich, sondern vor allem innerlich. Sie beugte sich nochmals zu Calvena hin. „Ich glaube, du hast recht. Tut mir Leid, dass ich dich so angefahren habe.“ Ein untrügerisches Zeichen war dies, dass sie sich wieder beruhigte.


    Sie nickte, ein wenig versöhnt , zu Septima hin, als diese mit ihrer schier unverwüstlichen Fröhlichkeit das Gesprächsthema auflockerte und, sehr diplomatisch, wie Romana fand, das Thema in eine andere Richtung lenkte. „Das stimmt. Der Senat, und der Kaiser.“ Damit war doch wohl hoffentlich alles klar! Das heiligste Gremium von allen und der Kaiser in seiner Heiligkeit – wer ihnen unterstellte, nicht richtig zu handeln, war sicher ein Verräter. Innerlich erklärte sie sich also kurzerhand zur Siegerin des Disputes, blickte kurz verstohlen, aber triumphal um sich, und lehnte sich, deutlich entspannt, zurück. Paulina ignorierte die Vestalin noch immer. Sie empfand nichts mehr als Verachtung für diese Trutsche.


    „Ich glaube, ich habe den Praefectus Urbi kurz auf den Fontinalien gesehen. Meine Stiefmutter hat sich mit ihm unterhalten.“ Kein sehr schöner Mann war es auf jeden Fall. „Er mag keine Patrizier? Seltsam. Ohne einen Patrizier – den Kaiser – wäre er doch gar nicht auf seinem Posten.“ Sie schüttelte den Kopf. Sicher war das Meiste, was man über den Mann sagte, aus den Fingern gesogen. „Wie schon gesagt...“, meinte sie schon mit weitaus konzilianterem Tonfall als vorher, „wenn der Kaiser ihn eingesetzt hat, wird er sich schon etwas dabei gedacht haben.“


    Sie hörte ihren Nomen Gentile. „Ah, Claudia Catilina, meinst du, meine Base! Ja, sie hat Flavius Furianus geheiratet. Ganz klammheimlich. Keine Zeremonie, nichts. Die Flavier haben nicht einmal uns, die Claudier, eingeladen.“ Eigentlich ein Affront. „Aber ich glaube auch gar nicht, dass die Flavier irgendetwas gemacht haben.“ Sie schüttelte den Kopf. Ihr kam das sehr ominös vor.


    Sie nickte abermals zu Serrana hin, als diese ihr und Axilla recht gab. Sie lachte – endlich wieder – als Serrana die Vorstellung kund gab, dass der Jurist eine junge, hübsche Frau gerettet hätte. „Bona Dea! Ihr interpretiert auch überall eine Hochzeit hinein, oder? Ich weiss jetzt auch nicht, ich bin... glaube ich, nicht so der Hochzeitstyp.“ Sie lächelte ob ihres eigenen Scherzes, und ihr Blick wanderte zu Calvena hin. Ihre Hochzeit rückte näher und näher... was war eigentlich mit Serrana? Dass zwischen ihr und Sedulus etwas lief, wusste sie noch überhaupt nicht.