Beiträge von Claudia Romana

    Zusammen mit Occia, ihrer Lehrerin, wie es scheinte, betrat Romana staunend das Badezimmer. So sah also das Badezimmer der Vestalinnen aus. Sie hatte es sich anders vorgestellt, komplett durchgeistigt, mit Mystik und Brimborum. Aber dies war einfach nur ein balneum. Ein großzügig ausgestattetes Balneum, ja, aber ncihts, was die Villa Claudia nicht hatte. Nichts Furchteinflössendes. Romana fühlte sich sofort wohl. „Das ist in Ordnung.“, meinte sie auf die Kommentare der älteren Vestalin hin. „Es geht hie und da nichts über ein bisschen Ruhe.“ Ihre heitere Stimme verriet, dass sie es ernst meinte.


    Sie blickte andächtig auf die Becken, welche doch so normal wirkten. „Prima. Danke.“, meinte sie. „Ich werde diese Bademöglichkeiten gleich am Abend ausnützen.“ Die Reise war lang gewesen, und da war es allzu natürlich, dass sich Romana baden wollte. Jedoch noch nicht jetzt, es gab viel zu tun. Sie blickte eifrig auf Occia, welche ihr nun hoffentlich mehr vom Atrium Vestae zeigen würde.

    Romana wurde von hinten von Calvena angezupft, und beschworen, sie sollte es sein lassen, doch sie ließ sich nichts dreinreden. Im heiligen Zorn auf Marhabal redete sie weiter auf Valerian ein. „Ein Missverständnis? Willst du damit implizieren, dass ich zu blöd bin, um zu verstehen, was er sagt, hmm?“, fragte sie Valerian inquisitorisch, nicht bereit, locker zu lassen, da mochte er auch die Arme hochwerfen, so hoch er auch konnte! „Ich weiß, was ich gehört habe von diesem Subjekt, und ich will dich nur warnen! Verstehst du nicht? Er wird Schande über dich bringen! Willst du deinen Ruf wegen eines solchen Kerls aufs Spiel setzen?“, beschwor sie ihn. Es konnte nicht sein, dass solch ein Ekelpaket Unterstützung von einem Römer erhielt. Und sie hasste es, für nicht voll genommen zu werden, wie es scheinends der Fall war.


    Leicht angefressen, wandte sie sich an Calvena, als sich der Soldat dem iulisch-furischen Paar zuwandte. „Wenn du wüsstest, um was für einen Schurken es sich bei seinem Klient handelt.“ Sie knurrte es fast. Man konnte ihr ansehen, dass sie einen großen Groll auf Marhabal hegte. Hätte sie gewusst, dass der Quintilier den Kerl adoptiert hätte, hätte sie sich ihn an den Hals geworfen, nicht um ihn zu umarmen, sondern um ihn zu würgen. „Also wirklich... mit solchen Typen gibt sich dein Quintilier ab.“ Sie schüttelte den Kopf.


    Doch, es gab ja anderes zu tun hier, was sie ablenken konnte von ihrem Groll. Sie entdeckte unter den Freunden und Innen Calvenas eine weitere Patrizierin, die sie noch nie gesehen hatte. Wieder mit einem Lächeln auf ihren Lippen, wie vorhin, wandte sie sich an jene, von der sie noch nicht wusste, dass sie Aurelia Prisca hieß. „Salvete! Ich glaube, wir kennen uns noch gar nicht. Ich bin Claudia Romana, Vestalin, und Freundin von Germanica Calvena. Wie heißt du? Und deine überaus... charmante“ und plebejische, wie man an den Schuhen erkennen konnte „Begleitung?“, freundlich lächelte sie zu den beiden hin.

    Den Burschen mit dem Messer hatte sie schon gar nicht mehr gesehen, so eifrig bemüht war sie, doch noch beim Händler den Preis zu drücken. Und so tollpatschig hatte sie sich auch wieder nciht angestellt, dachte sie stolz und grinste genauso frech wie jene zu Calvena zurück. Ein herzliches Lachen war von ihr zu hören, als Calvena erwähnte, dass man die Kleiderschränke auffüllen könnte. „Herrje, die armen Kleiderschränke! Ich beneide sie nicht, bald werden sie schon platzen!“, lachte sie, bevor sie sich auch daran machte, das Kleidungssortiment des Händlers zu durchwühlen. Es war gut, dachte sie und siuchte sich auf die Schnelle einmal 10 heraus, so viele wie sie auch Calvena hatte. Ihre Farben waren nicht ganz so bunt, man konnte sagen, knartschig, wie jene von Calvena, mit der Ausnahme von einer orangeroten Tunika, sondern hielten sich eher bedeckt – celesteblau, hellgrün, einige weiße von verschiedenen Längen und Schnitten, eine graue und zudem gelbe. Schließlich fand sie noch eine blassrosane, die sie echt entzückend fand. Dies war ihre Ausbeute.


    Sie wandte sich nun wieder an den Händler, mit einem kecken, selbstbewussten Lächeln auf ihren Lippen. „So.“, meinte sie. „10 für uns beide. Oder wolltest du noch sehen, ob du etwas findest, Calvena? Dann schaue ich nämlich auch noch mal. Liegt an dir.“ Der Händler wagte es, aufzumucken. „Äh, sind 360...“, begann er, schwieg jedoch sofort, als Romana ihm einen warnenden Blick zuwarf. „Eine Sekunde, bitte... also, wäre das alles, Calvena? Ich meine, die Graue, die ich da habe, die schaut doch elegant aus, würde sie dir nicht passen?“ Das entsprechende Kleidungsstück wurde mit Kraft aus Romanas Stapel herausgezogen und zur Germanicerin hingehalten. „Doch gut, oder? Oder findest du doch das Gelbe besser?“

    „Gut, dass du jemanden kennst, der da vernünftigere Preise anbietet!“, meinte Romana zu Calvena hin, den Händler gar nicht mehr beachtend. „Dann gehen wir, los, geh du voran. Denn ich habe echt nicht Lust, mich mit dem Typen herumzuärgern.“ Sie lächelte und ließ den Händler stehen. Sie war sich sicher, auf dem Weg zum anderen, weg vom Stand, würde der Händler noch etwas nachrufen.


    Und dem war tatsächlich so. Kaum hatte sich Romana ein paar Schritte vom Stand wegbewegt, hörte sie den Händler den beiden nachrufen: „30!“ Sie blieb stehen. „25!“ „Psst, Calvena, das klingt doch schon viel vernünftiger. Bleib einmal stehen.“, meinte Romana zu ihrer Freundin und drehte sich um. „10!“, rief sie über die Köpfe der Leute hinweg. Der Händler schüttelte entsetzt den Kopf, denn dies war nicht sehr viel für so einen guten Stoff. „Na gut, 15!“, schob Romana nach und ging wieder zum Stand hin. „15, nichts mehr.“ „Was, 15!“, rief der arme Händler aus. „22!“ „Nein, 17.“ 20!“ „18.“ „Gut, 18!“, rief der Händler und hob verzweifelt die Arme, aber was konnte er tun? Romana wandte sich um. „Calvena! Wir kriegen sie um 18! Und ich bin mir sicher, ein Mengenrabatt ist da auch noch drinnen.“ Sie lächelte von einem Ohr zum anderen.

    Fast hätte sie gekichert, als sie sah, wie der Mann vor ihr zurückwich. Hatte der soviel Respekt vor ihrer Größe, oder vor ihrer Vestalinnentracht? Vermutlich vor beidem. Doch sie tat es nicht, zum ersten, weil es unangemessen war, zum zweiten, weil sie sowieso nicht so der Kichertyp war, und drittens, weil ihr Zorn auf Marhabal dranan war, alle ihre positiven Gefühle zu überdecken. Ja, allein der Gedanke an diesen Unflätigen konnte ihr schon den Tag versauen. Dementsprechend verkrampfte sie sich, als der Quintilier ganz ungerührt Lobesreden auf den schrecklichen Punier schwang. „Deinen Garten hat er dir renoviert? Na, das ist ja schön!“, rief sie aus, man konnte ihr ansehen, dass sie agitiert war. „Danke, dass du es mir sagst, aber ich weiß es schon. Er hat es mir nämlich gesagt. Und auch, dass du sein Patron wärst. Das war im Garten meiner Familie, als ich ihm ein Arbeitsangebot als Gärtner machte, und kurz bevor er mich und meine Familie mit Schmähungen zu überzogen begann! Er hat mir gegenüber zu verstehen gegeben, dass wir schlampige Chaoten seien und am Bettlerstab hocken! Wir, die Claudier!“ Sie schaute sehr grantig drein. „Dieser Kerl hat die Ehre des Hauses Claudia durch den Schmutz gezogen, und du verhätschelst ihn? Er ist ein insolentes, vulgäres Subjekt, welches du an deiner Brust nährst! Armer Quintilius Valerian, was hast du da bloß an dich herangelassen!“ In ihren Augen widerspiegelte sich der Abscheu vor diesem Punier, der sie so behandelt hatte.


    Mit Verzweiflung blickte sie auf Valerian. Man musste den Glücklosen, der sicher nichts über die wahre Natur des Punier wusste, warnen. „Du hast doch nicht vor, ein längerfristiges Verhältnis mit ihm einzugehen? Der Mann ist potentiell gefährlich für die Ruhe und die Moral in Rom!“ Sie zeichnete ein drastisches Bild vom Punier, war ihre Abneigung ihm gegenüber doch so groß. Sie hatte die Damen rund um sich komplett vergessen, hatte nur bemerkt, dass sich Calvena verzogen hatte.


    Die ungezogenen Mädchen, die an ihnen vorbeizogen, quittierte sie mit einem kurzen Seitenblick, doch war sie viel zu viel damit beschäftigt, auf den Soldaten vor ihr einzureden, als diesen Gören besonders viel bedeutung beizumessen.

    Fast wie eine Königin fühlte sich Romana, als sie ankam. Die Fahrt nach Rom war lange genug gewesen. Zuerst im Schiff, dann in der Kutsche, waren sie von Misenum, über Ostia, nach Rom gekommen. In Ostia hatte sie deutlich gesehen, wie mies sich die Obervestalin gefühlt hatte. Jene hatte auch die ganze Fahrt von Ostia nach Rom über nur verbiestert vor sich hin geschaut, ohne nur ein Wort zu verlieren. Romana war das recht. Sie blickte aus dem Fenster heraus, und hing ihren gedanken nach. Wie wollte die Zukunft für sie wohl aussehen? Ihr Herz schlug schnell, so aufgeregt war sie. Kaum konnte sie es erwarten, nach Rom zu kommen, um dort endlich ins Atrium Vestae zu kommen.


    Doch es war nun so weit. Die Stadtmauern der ewigen Stadt flogen an ihr vorbei, bald erreichten sie das Forum Romanum. Und sie betraten das Atrium Vestae. Kaum drinnen, sah sich Romana staunend um. Welch Pracht, welch Schönheit! Sie kam aus dem gaffen gar nicht mehr heraus, ihr entging komplett, wie die Pomponierin die Vestalinnen begrüßte.


    Sie drehte sich erst hastig zu den Vestalinnen hin, als Pia zu sprechen begann. Romana lächelte, und versuchte, nicht allzu schüchtern zu wirken. Ein „Salvete“ hörte sie sich sagen, als Pia sie den anderen vorstellte. Zuletzt kam noch eine Frau aus den Reihen, eine durchaus nicht unattraktive Frau um die 40, welche sich ihr vorstellte. „Salve.“, begrüßte Romana die Papirierin nochmals, endlich ein Lächeln schaffend. „Ich bin Claudia Romana... aber das weißt du eh schon.“, meinte sie. „Du wirst also meine Ausbildnerin sein?“, fragte sie unnötigerweise, um die Vestalin zu weiteren Ausführungen zu animieren, und versuchte sich das freundliche Gesicht der Frau gut einzuprägen.

    Romana lächelte Calvena dankbar zu, als diese ihr zu verstehen gab, was sie empfand. Sie spürte den angenehmen Druck wieder in ihren Händen, und sie selber drückte zurück. Es war angenehm, sich mit einer anderen Person darüber unterhalten zu können, ohne dass diese dies kritisch examinierte, oder es ihr einfach nicht glaubte.


    Nun aber war nicht die Zeit, sich allzuviele Gedanken darüber zu amchen. Es ging ans Handeln. Romana betastete den Stoff kritisch und hörte, wie Calvena hinter ihr flüsterte, der Stoff sei gut. Dies war er aber auch wirklich. Sehr geschmeidig, weich, nicht kratzig, dies war sicher gut zu tragen.


    Als sie den Preis hörte, riss sie die Augen auf. 50 Sesterzen für so etwas? Nein, nie im Leben! „Was? Du willst mich auf den Arm nehmen!“, meinte sie entsetzt. „Sag, Calvena, das ist doch ein unerhörter Preis. Nur weil er sieht, dass wir nicht aus der Gosse sind, versucht er uns auszunehmen!“ Ärgerlich blickte sie ihn an. „Jetzt ehrlich, dass ist kein vernünftiger Preis. So viel bin ich nicht bereit zu bezahlen. Du hast einen besseren Preis, da bin ich mir sicher, Händler.“, meinte sie zu ihm und blickte ihn kritisch an. „Gibt es keinen akzeptableren Preis? Sonst müssen wir wohl woanders schauen gehen.“, eröffnete sie den Händler, dem sie um keinen Preis der Welt so einen Preis für die Tunika geben wollte.

    Romana hatte eigentlich auf eine negative Antwort auf ihre Frage gerechnet. Umso erstaunter war sie, als dem nicht so war. „Einen Patron hast du? Und zwar Tiberius Durus?“, rief sie erfreut aus. „Das ist ja wundervoll! Ein guter Mann. Er wird bald Consul. Und zudem ein einflussreicher Pontifex.“, zählte sie die Vorzüge des Patriziers auf. „Ich denke, eine Patronage von seiner Seite wird dir Türen und Toren zu einer Priesterschaft öffnen.“, erwähnte sie, ganz nebenher natürlich, doch man konnte nicht übersehen, dass Romana wieder Hoffnung für die Zukunft ihres Vetters schöpfte. „Privatsekretär klingt sehr gut. Da bekommst du auch sicher ein nettes Gehalt.“, vermutete sie. „Und, du hast komplett recht, du kannst sehr gut sehen, wie die Politik funktioniert.“


    Es war gut, dass Lepidus im Ordo Senatorius war, da würde er nicht viele Probleme haben, einzusteigen in die Politik. Allerdings musste man erst etwas erreichen, bevor man in die Politik gehen sollte, das war ganz klar. Als Priester sollte man erst kandidieren, hatte sie gehört, wenn man erst einmal die höheren Priesterämter in einem Kollegium erreicht hatte. Wenn man schon als kleiner Sacerdos amtierte, konnte das schwer in die Hosen gehen. Nun, sie würde sich, als Frau, keine Sorgen um eine Kandidatur machen müssen. Als Vestalin würde sie genug Macht haben, um über die Hintertür Politik zu betreiben. Besonders, weil man sich dann an einen „Vater“ wenden konnte, der die macht hatte, den Senat zu überrollen.


    Ihre gute Laune war wieder komplett hergestellt, und hell lächelte sie Lepidus an. „„Gefällt es dir eigentlich als sein Privatsekretär? Hast du schon viel gesehen, Quintus? Sicher hat dir der Tiberier schon viel gezeigt, was es über Politik zu wissen gibt.“, nahm sie einmal an.

    „Unheimlich?“, fragte Romana sich selber, als sie hörte, wie Calvena dieses Wort verwendete. „Unheimlich. Hmmm.“ Sie dachte streng kurz nach. War sie denn unheimlich gewesen, diese Begegnung? Dass die Begegnung unheimlich gewesen wäre, hieß ja nicht, dass Vesta unheimlich wäre. Nach ein paar Sekunden blickte sie Calvena an, ohne mit dem Kopf zu nicken, oder ihn zu schütteln. „Ich weiß nicht.“ Sie blickte kurz gen Himmel, dann wieder zu Calvena hin. „Ich glaube... ein bisschen. Ich kann es nicht richtig erklären... vielleicht ist es auch das falsche Wort. Aber ein bisschen unheimlich war es. Es kam... so plötzlich. So unerwartet. Denk nicht, dass ich Vesta darum gebeten hätte, mir zu erscheinen, dass ich es mir gewünscht hätte... es ist einfach passiert. Ohne, dass ich mir erklären kann, woher sie auf einmal gekommen war. Sie war einfach da. Aber Vesta selber, sie war nicht unheimlich, ganz und gar nicht. Nur ihr Erscheinen... weißt du schon, wo ich meine? Vermutlich kannst du aus meinen verworrenen Worten rein gar nichts Brauchbares herausdeuten.“, lachte sie und winkte ab.


    Denn es gab nun wirklich... nun, nicht Bedeutsameres, aber dem Seelenwohl von zwei Mädchen Zuträglicheres, als sich über Götter den Kopf zu zerbrechen. Handeln war doch immer was Schönes, und Romana dachte durchaus von sich selber, dass sie eine gute Feilscherin wäre. „Ich sehen? Ich fühlen?“, wiederholte sie, mit den Augen blinzelnd, wie immer sie es tat, wenn sie etwas verwunderte. Wie konnte bloß jemand nach Rom kommen und derart mies Latein reden? Das verwunderte sie immer. Obwohl es genug Gestalten in Rom gab, die nicht einmal das grundlegendste Latein können. Sie strich also über den Stoff, gab aber kein Wort von sich über ihre Meinung darüber. Es war genug, dass sie den Händler danach fragte: „Sag mir, guter Mann, was ist dein Preis?“ Egal was es wäre, sie würde die Tunika sicherlich nicht so nehmen, wie der Mann es anbot. Der würde ihnen beiden, Töchtern aus gutem Hause, sicherlich doppelt so viel abknöpfen wollen wie anderen.

    Sim-Off:

    Ich kürze das mal ab. ;)


    Der Kapitän schmunzelte zwar über die Landratte, wie er es sich dachte, aber eine Vestalin auszulachen, das hätte sich nicht geschickt, und außerdem war es auch nicht seine Art. Er erklärte ihr, dass das Schiff nicht sinken würde, es sei stabil gebaut, und käme auch nicht in Küstengebiete, die zu dieser Jahreszeit von Stürmen heimgesucht werden. Man würde immer in Küstennähe fahren, und er selber sei ein Kapitän mit Erfahrung. Dies alles beruhigte Romana, und sie konnte sich nun, mit mehr Mut im Herzen, umsehen. Das Schiff machte in diesem Moment die Leinen los, und sie sah neugierig dabei zu, wie das Schiff begann, abzusegeln. Der Wind füllte die Segel, und bald hatten sie den hafen von Misenum verlassen. Es ging nun Richtung Nordwesten, der Hafenstadt von Ostia entgegen.

    Romana freute es zu sehen, dass sich die Tränen langsam aus dem Gesicht der Germanicerin verzogen, und sie wieder einen ein bisschen gelösteren Gesichtsausdruck annahm. Ihr Wort des Dankes quittierte sie mit einem Lächeln und einem Kopfnicken. Es war eine Selbstverständlichkeit, dass sie Freundinnen in der Not half und versuchte, aufzumuntern. Ihre hohen moralischen Vorstellungen ließen nichts anderes zu. „Schon besser?“, fragte sie sie, als sie ihr ein paar Mal über den Rücken gestrichen hatte. Der jungen Claudierin tat es sehr weh, ihre Freundin so leiden zu sehen, und es tat ebenfalls gut, zu sehen, dass sie Calvena mit ihrer Geschichte von ihrer eigenen ablenken konnte.


    Die Augen der Germanicerin nahmen beängstigende Ausmaße an. Die werden doch nicht rausfallen, dachte sich Romana, als Calvena schließlich zu sprechen begann. Aus jedem einzelnen ihrer Worte konnte man heraushören, wie beeindruckt sie war. „Ich konnte es auch nicht fassen. Aber ich versichere dir, ich spreche die Wahrheit.“, meinte Romana ernst. Calvena schien es aber auch wirklich zu glauben, was Romana unheimlich erfreute. Sie wusste, viele Leute würden es als Humbug abtun, aber Romana war durch nichts zu überzeugen, dass es vielleicht keine Illusion gewesen wäre.


    „Ich möchte dir viele Male danken.“, bedankte sich Romana gerührt. „Auch wenn dir deine Göttin noch nicht erschienen ist, bin auch ich mir sicher, dass ihr Segen über dich ruht.“ Noch einmal machte Romana ein freundschaftliches, leichtes Klopfen auf Calvenas Rücken. „Ich glaube, wir sollten uns mit etwas anderem beschäftigten als die Vergangenheit, zumindest jetzt... he, da liegt ja noch meine Tunika! Die habe ich komplett vergessen!“, meinte sie. „Also, handeln wir nun weiter?“

    Während sie sich noch unterhielten, stießen 3 weitere Frauen zu ihnen... und, die da, die kannte Romana ja! Das war die Tiberierin, vom Markt! „Arvinia! Wie schön, dich wiederzusehen!“, entgegnete Romana erfreut die Begrüßung der Mitpatrizierin. „Gut schaust du aus, meine Liebe!“ Sie lächelte Arvinia freundlich an. „Wir kennen uns tatsächlich. Das heißt, ich und Calvena, die anderen Damen hier sind für mich ebenso neue Bekanntschaften wie für dich. Also, weil dir jetzt schon alle vorgestellt worden sind...“, sie lächelte Calvena dankbar zu, „erübrigt sich das. Was hast du so getrieben die ganze Zeit? Wie geht es deiner werten Verwandten Albina, ist sie glücklich mit Senator Purgitius Macer verheiratet?“, fragte sie.


    Anschließend wandte sie sich an die weiteren zwei Ankömmlinge. „Serrana, Cara, es freut mich sehr!“, meinte sie zu den beiden, nicht minder freundlich als eben zu Arvinia, und hätte sich durchaus länger mit den beiden befasst, wären nicht noch zwei Leute dazugekommen. Aha! Calliphana, und, der Hahn im Korb, Centho. Romana ging auf die beiden zu. „Ihr müsst Furia Calliphana und Iulius Centho sein. Ich denke nicht, dass ich euch schon vorgestellt wurde. Ich bin Claudia Romana.“, stellte sich die große Vestalin den beiden vor. „Es freut mich wirklich sehr, euch kennen zu lernen.“


    Kaum war dies gesagt, schon – heute ging es zu wie im Taubenschlag – kam noch einer. Ein Mann. In Uniform. Sie runzelte die Stirn. Was war denn das für einer? Doch als sie den leichten Stoß in ihre Seite spürte und sah, wie Calvena rot anlief, wusste sie, das musste der quintilische Centurio sein. Sie musterte ihn unauffällige. Eine Toga hatte er an, doch unterhalb musste er bis an die Zähne bewaffnet sein, wie es schien.


    Sie wartete erst einmal, so unauffällig, wie es ihr möglich war, und versuchte, die geflüsterten Worte, die Calvena dem Quintlier ins Ohr wisperte, zu ignorieren. Gerade wollte sie sich einer neuen Klatschrunde zuwenden, da sah sie plötzlich, dass Calvena eine bezeichnende Handbewegung in ihre Richtung gab. Sie ging schnell zu ihr hin und hörte sich ihre Worte an. Ein verschmitztes Grinsen zeigte sich auf ihren Lippen. Sie hatte es ja doch gewusst. Sie nickte, um verstehen zu geben, dass sie verstanden hatte. Ein Grinsen, welches so schlagartig und rapide aus ihrem gesicht verschwand, als ihr plötazlich einfiel, woher sie den Namen Quintilius Valerian kannte. Sie blinzelte verblüfft. Wieso war es ihr nicht vorher eingefallen? Genau!


    Sie richtete sich auch und blickte auf den Centurio. „Salve, Quintilius Valerian.“, begann sie. „Es ist eine Ehre, dich kennen zu lernen. Gestatte mir aber bitte eine Frage... sag... kennst du einen gewissen...“ Sie kniff ihre Augen leicht zusammen. „Marhabal?“ Sie dehnte den Namen aus, als ob es sich um ein widerwärtiges Objekt handeln würde.

    Calvena war in ihrer Erzählung, anders als es Romana vermutet hätte, noch gar nicht fertig. Sie fuhr fort, zu erzählen, was ihr geschehen war, und Romana hörte zu, andächtig, aufmerksam, man konnte sehen, sie legte wirklich wert darauf, zu hören, was Calvena zu sagen hatte. Und abermals schaffte Calvena es, die junge Patrizierin zu erschüttern. Erst einmal war sie komplett still, sie hielt nur die Hände ihrer Freundin fest, während sie in die Luft starrte und versuchte, sich zu überlegen, was sie jetzt sagen sollte. Doch es kam nichts besseres raus als: „Oh, Calvena... es tut mir so Leid... so Leid...“ Sie wusste, dass auch eine Ziehfamilie für Menschen wie eine normale Familie waren. Sie stellte sich vor, wie es wäre, sähe sie ihren Vater, ihre Geschwister, ihre Cousins und Cousinen, geschlächtert am Boden. Es war schon so schwer gewesen, als damals ihre Mutter starb... Calvena hatte auf einen Schlag alles verloren. Es musste das Schrecklichste sein, was einem Menschen jemals passieren könnte. Vorsichtig hob Romana ihre rechte Hand und wischte die einzelne Träne, die Calvena über die Wange lief, behutsam weg. Sie entgegnete das tapfere Lächeln, welches ihr Calvena gab, mit einem warmen solchen.


    Calvenas Stimme war so elend und heiser geworden, dass es Romana reute, dass sie keine Wasserflasche bei sich hatte. Doch, da half nichts. Immerhin beruhigte sich Calvena wieder. Und Romana beschloss, die arme Freundin zu umarmen, fest und herzlich. „Ach, Calvena! Ich danke den Göttern, dass sie mir nicht die selbe schwere Last auferlegt haben wie dir. Ich hätte dies nie überstanden. Ich bewundere dich dafür, dass du dies getan hast.“ Sie sprach die Wahrheit, sie wusste nicht, ob sie etwas Ähnliches überstanden hätte. Vielleicht schon. Oder aber auch nicht. Es war müßig, darüber nachzudenken. So konzentrierte sich Romana lieber aufs Jetzt. Und arauf, wie sie Calvena erzählen konnte, was geschehen ist, damals, in Clusium.


    „Gut, wenn du es wissen willst, ich erzähle es dir. Ich habe bis vor Kurzem bei meinen Großeltern gelebt, in Clusium, das habe ich dir schon erzählt. Aber nicht, was der echte Grund war, wieso ich nach Rom gegangen bin.“ Sie holte tief Luft. „Meine Entscheidung, Vestalin zu werden, kam nicht von ungefähr. Nein. Vesta ist mir erschienen.“ Sie blickte sich unwillkürlich um, und fuhr dann fort. „Ich hatte eine Erscheinung ihrer selbst auf einem Feld nahe Clusium. Sie erschien mir, und sagte mir, ich müsse Vestalin werden. Es gäbe keinen anderen Weg für mich. Sie wolle, dass ich Vestalin werde, und ihr diene.“ Eindringlich blickte sie Calvena an. „Du glaubst mir doch, dass ich die Göttin gesehen habe? Du denkst doch nicht etwa, ich wäre verrückt und habe Halluzinationen gehabt?“ Es war ihr wichtig, Calvenas echte Meinung zu wissen.

    „Selbstverständlich. Eine gute Ruhe wünsche ich dir.“, meinte sie, nickte ihr zu, und betrachtete sie, wie sie verschwand. Ihre Augen trafen unwillkürlich die des Kapitäns. Sein Augenzwinkern gefiel ihm überhaupt nicht! Was hatte der wohl im Schilde? Der dachte sich doch nicht etwa irgendein versautes Zeug, hoffte Romana und trat tapfer auf ihn zu.


    „Äh... ahoi, Käpt’n.“, begrüßte sie ihn etwas ungeschickt, etwas peinlich berührt, nicht mehr als solch abgedroschene Phrasen auf Lager zu haben. „Das Schiff... sinkt doch nicht, oder?“ Was für eine selten dämliche Frage, damit beleidigte sie die Intelligenz aller Beteiligten. „Äh... ich wollte sagen, wir kommen doch nicht in einen Sturm, oder so, der das Schiff zum kentern bringt, oder so etwas in der Art, und dann sinkt... ich weiß nicht...“ Sie hatte in ihrer Fragestellung den Faden komplett verloren und blickte den Kapitän ein bisschen hilflos an. Der würde sie jetzt sicher auslachen.

    Da das Privatgespräch mit Calvena erst einmal zur Historie gehörte, wandte sie sich an Calvena und Narcissa, die sie aufklärten über das Missverständnis. „Ah, zwei verschiedene Feste! Ach, bei der großen Vesta.“, meinte sie lachend, und denselbigen schüttelnd ließ sie an den Kopf die Hand sich patschen. „Gut, ich komme sehr gerne heute am Abend. Fontanalien, ich weiß nicht... da ist des Öfteren immer etwas los im Tempel. Mal sehen, ich danke euch beiden auf jeden Fall.“, sagte sie und lächelte den beiden freundlich zu.


    Das mit der Verwandtschaft nahm sie mit einem kurzen: „Ah ja, danke.“, zur Kenntnis. Dann war es also Iunia Serrana. Sie würde sie wohl noch eh kennen lernen, da waren Verwandtschaftsbeziehungen nicht von so großer Bedeutung. Sie musste sich das nicht unbedingt merken. Die Andeutung in Serranas Worten entging ihr komplett, es war ohnehin so, dass es ihr des Öfteren schwer fiel, zwischen Zeilen zu lesen.


    Gleich begann Narcissa ihr minutiös zu erklären, wieso eine sturmfreie Bude besser war als eine voll mit Aufpassern und Anstandsonkeln. Romana blinzelte verblüfft, die Frau hielt sie wohl für komplett dumm. Oder verstand sie das wieder komplett falsch? Sie beschloss, das Verhalten der Iunierin erstmal zu ignorieren, und weiter freundlich zu lächeln. „Das klingt wirklich wundervoll. Da wäre ich gerne dabei.“, meinte sie, doch dass die Iunierin ihr so sorgfältig erklärt hatte, hinterließ doch einen Nachgeschmack, sodass sie sich nicht verkneifen konnte, nachzusetzen: „Da auch ja eine gewisse Sturmfreiheit gegeben ist, um deren Vorzüge ich Bescheid weiß.“ Die Iunierin erhielt abermals ein strahlendes Lächeln, und dann wandte sich Romana an Calvena. „Auf wie viele warten wir noch?“, fragte sie.

    Calvenas Gesichtsausdruck wurde plötzlich düster. Romana, erschrocken, legte die Tunika erst einmal auf die Bank und entschuldigte sich beim Händler, bevor sie sich zu ihr hinwandte und zuhörte. Bei jedem einzelnen Wort von Calvena öffnete sich Romanas Mund ein bisschen mehr, vor lauter Erstaunen, Ungläubigkeit, Fassungslosigkeit. Sie wartete, bis die Germanicerin zu Ende war, dann sog sie erst einmal Luft ein und blies sie langsam aus, als ob sie einen Schlag in die Magengegend versetzt bekommen hätte. Sie rang, wie man durchaus sehen konnte, nach Worten. Zuerst schluckte sie, bevor sie zu sprechen begann. „Calvena... ich danke dir für deine Offenheit. Das ist... echt schwere Kost. Du warst Gauklerin?“ Romana verachtete das Gauklerwesen. Doch gleichzeitig fühlte sie sich echt hingezogen zu dieser netten jungen Frau. Es schien, als ob sie kurz nachdachte, dann schüttelte sie schnell den Kopf, fast, als ob sie einen unangenehmen Gedanken aus ihrem Kopf vertreiben wollte. „Nun, es ist egal. Deine Familie hat dir verziehen. Die Götter auch. Du hast dieses Leben hinter dir gelassen, und das ist gut so. Ich werde es niemandem verraten, ich kann schweigen.“ Romana war keine große Klatschtante, wenn sie versprach, nichts zu sagen, dann würde sie dies auch tun. „Du hast mein Wort.“ Sie lächelte wieder, doch dann wurde sie schlagartig ernsthaft. „Aber ich habe auch eine Geschichte erzählen. Vielleicht wirst du mich nachher für verrückt erklären. Aber ich denke, du hast ein Recht nun darauf, sie zu erfahren. Willst du sie hören?“, fragte sie ihre neue Freundin.

    Das edle Schiff war am Hafen nicht u übersehen. Romana musste nicht mal nachfragen, welches es war, unter den ganzen Kriegs- und Lastschiffen erkannte sie die Jacht sofort heraus. Welch ein Nobelhobel, dachte sie, als sie das Schiff bestieg, und die Rampa unangenehm unter sich wanken spürte. Sie ging vorsichtig nach oben, wo sie dann hastig eher an Bord sprang wie viel. Hoffenlich kommen wir in keinen Sturm, dachte sie entsetzt, besonders seefest war sie leider nicht. Wenn das Wetter aber anhielt, konnte es sich ausgehen.


    Als sie nach rechts blickte, sah sie sofoer die Pomponierin, die es sich auf einem Stuhl bequem gemacht hatte. Romana eilte sofort auf die Frau zu, ohne dass man sie erst hierher bringen musste. „Salve, Schwester Pomponia.“, begrüßte sie die Frau ehrfürchtig. „Ein sehr schönes Schiff...“, meine sie, auch wenn sie von Schiffen rein gar nichts verstand.

    Die Schritte von Claudia Romana waren immer noch ein kleines bisschen wackelig, als sie die Herbergsstufen hinaufschritt und die Tür zum Zimmer aufriss. 4 Augenpaare starrten sie an. „Und?“, fragte schließlich Nofretete, „Alles gut gegangen?“ Romana lächelte. „Ja. Alles gut gegangen. Alles. Ich bin Vestalin.“ Die Sklaven blickten sich gegenseitig an und lächelten dann erleichtert. „Gratulation!“, rief Kallonike und umarmte ihre ehemalige Herrin. Romana umarmte die treue Seele zurück. „Dies ist jetzt der Abschied.“, teilte sie den Sklaven mit. „Ich gehe per Schiff nach Rom zurück. Ihr werdet die Kutsche nehmen müssen.“ „Per Schiff?“, fragte Kallonike. „Ja, per Schiff. Und ich habe nicht viel Zeit, ich muss los. Auf Wiedersehen. Macht es gut. Wir sehen uns bestimmt wieder, ich werde euch besuchen kommen, wann immer es geht.“ Sie verabschiedete sich von jedem einzelnen ihrer Sklaven und verließ dann die Herberge, Richtung Hafen.