„Ich danke dir, Schwester Pomponia.“, erwiderte Romana ebenso knapp, etwas heiser ob der Aufregung, ebenso knapp wie die Obervestalin. Dann drehte sich die frisch gebackene Vestalinnenschülerin herum und verließ den Raum, ging wieder in ihre Herberge, um von dort aus zum Hafen sich weiter fortzubewegen.
Beiträge von Claudia Romana
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Eine Keltin machte die Stoffe also, nicht, dass die junge Vestlin die Kelten besonders liebte, aber angebliech wären sie ganz fähige Weber. Wobei. Stoffe aus südlicheren Gefilden präfereierte sie dennoch. Sie lächelte aber dankbar. „Vielen Dank.“, meinte sie ebenfalls und hörte weiter gut zu, kein Detail auslassend, später auch sicher nichts vergessend.
„Fast alle?“, fragte sie verduzt und lachte, als sie den Namen Flavia hörte. „Das sieht einer Flavia ähnlich! Die können sich halt einfach nicht damit abfinden, dass sie nicht mehr Rom beherrschen, und biestern deswegen alle an. Ich meine, wir Claudier wissen genau, dass wir nicht mehr die Kaiser stellen...“ Die Flavier waren doch immer wieder merkwürdige Genossen, dachte sie und schüttelte leicht amüsiert den Kopf. „Ich danke dir vielmals für die Einladung, ich denke, ich nehme sie gerne an. Ja, ich werde kommen. Sicherlich verzeiht man es mir, wenn ich ein bisschen länger bleibe.“, lachte sie.
Gleichsam wie Calvena verstummte sie jedoch schlagartig und blickte eigenartig drein. Dann, als sie nochmals eine Umarmung spürte, und einen warmen Druck in ihren Händen, lachte sie wieder. „Ach, Calvena, meine Liebe. Du bist so goldig.“ Nicht nur wegen ihrer Worte, sondern, weil sie sah, dass der Germanicerin sofort das Blut in den Kopf schoss, als sie begann, Calvena über ihren Kerl zu befragen. „Was? Ein Soldat?“, wunderte sie sich, während sie begann, stark mit dem rechten Auge herumzuzwinkern, ein Zeichen, dass sie streng nachdachte. „Quintilius Valerian... den Namen kenne ich doch irgendwoher...“, murmelete sie zu sich selber. Doch sie kam momentan nicht drauf. „Nun, lass ihn auf jeden Fall mit deinem Onkel reden. Der hat sicher viel Lebenserfahrung, der kann das sicher gut beurteilen.“, meinte sie und nickte bedächtig.
Sie zuckte die Schultern, als sie befragt wurde. „So viel ist bei mir nicht passiert. Viel gewartet habe ich, bis ich den Brief bekommen habe. Und stell dir vor, meine Captio war in Misenum, nicht in Rom! Wie seltsam. Auf jeden Fall bin ich mit dem Wagen hin, und dem Schiff wieder zurück. Und sonst habe ich im Vestalinnentempel gearbeitet. Immer nur am Schuften. Aber es ist ja für meine Göttin. Und heute habe ich eben frei. Sonst ist nicht viel passiert...“, gab sie zu. „Das war, denke ich, all...“ Sie unterbrach sich, als eine fremde Frau sie ansprach. Sie war ebenfalls jung, doch nicht ganz so jung wie sie oder Calvena kam sie Romana vor. Sie trug ein sehr exquisites Kleid, welches Romana kurz beäugte, ohne neidisch zu werden. Mit ihrem Vestalinnengewand konnte sie durchaus, ohne Pomp und Überkanditeltheit, sich sehen lassen. Sie war so stolz auf ihre Tracht, dass sie sie sicher nicht ablegen würde. Sie antwortete auf die Begrüßungsworte der Iunierin: „Salve, Iunia Narcissa. Es ist mir eine Freude, dich kennen zu lernen. Und danke... aber sagt... war die Feier nicht geplant in der Casa Germanica? Oder habe ich das falsch verstanden?“, fragte sie irritiert und blickte zwischen Narcissa und Calvena hin und her. „Und... wer sind Cara und Serrana?“ Auch von diesen wusste sie nichts.
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Aus den Augenwinkeln entdeckte Romana irgendeinen Mummenschanz, ein Puppenspiel, von dem sie nicht wusste, was sie halten sollte. Sie sah sowieso nicht hin, ihre Freundin interessierte sie bei weitem mehr. Sie hatte sie in diesem Moment bemerkt und stürmte nun auf sie zu. Romana musste lachen, als sie die Freude in Calvenas Augen sah. Freudig umschloss auch sie ihre Freundin, welche sie ja schon einige Zeit nicht mehr gesehen hatte. In ihrer Anfangszeit bei den Vestalinnen hatte sie ja überhaupt keinen richtigen Ausgang bekommen, das hier war der erste, der länger dauerte als nur 30 Minuten oder so.
Eng drückte sie die Germanicerin an ihren Körper, bevor sie von der viel kleineren Frau abließ. Den doof dreinblickenden Sklaven, der sie angaffte, ignorierte sie souverän. „Auch du schaust toll aus! Sag, wo kriegt man denn einen so schönen Stoff, wie du ihn hast?“, fragte sie erst einmal, sich gezwungen sehend, auf das durchaus nette Kompliment, welches ihr Calvena zukommen lassen hatte, etwas zu erwidern. Dass Calvena ihr viel zu erzählen hatte, glaubte Romana ihr durchaus, als sie sich neben der wieder gefundenen Freundin niederließ. „Freundinnen! Wenn es deine Freundinnen sind, müssen sie sicher sehr nette Leute sein.“, freute sie sich. „Und... was? Du bist beim... Cultus Deorum? Um Iunopriesterin zu werden? Das ist ja... wundervoll! So schön!“ Sie freute sich unheimlich über jeden neuen Menschen im CD, besonders, wenn es Freunde waren, und besoders, wenn es Calvena war. „Und wie... ich habe dich inspiriert?“ Sie klimperte ungläubig mit den Augenlidern, als ob sie aus einen Traum erwachen wollte. „Aber... Calvena... das is so... ich kann es gar nicht sagen...“ Beschämend, schmeichelnd, faszinierend, alles zugleich, dachte sie sich. Kurz glaubte sie, ihr würde schwindelig werden. Ihr Lächeln wurde ein wenig verlegen, aber auch strahlender.
„Natürlich, ich werde dir sagen, was bei mir pass... ein Mann?“, fragte sie, als sie sich unterbrochen sah. „Was, heiraten?“ Ungläubig blickte sie Calvena an. Nun, Calvena war eine attraktive Frau, viel attraktiver als sie selber, dachte sie. Der rannten die Männer sicher haufenweise hinterher. „Das ist ja etwas! Aber, Calvena, sei mir bloß vorsichtig, soviele Männer wollen nur ihr Vergnügen, und rennen dann weg! Was für einer ist das überhaupt? Ein Senator? Ein Ritter?“, fragte sie neugierig. Nicht, dass sie männliche Gesellschaft selber vermissen würde, sie selber hatte noch nie Bedürfnisse in diese Richtung gehabt.
„Ah, ein Fest!“, freute sie sich und nickte, als sie hörte, dass es so etwas geben würde bei den Germanicern. „Hmm, man hat mir gesagt, ich solle bis zum Abend wieder beim Atrium sein... aber der Abend ist lange! Und bei den Germanicern, hmmm... mein Vater wäre so etwas von sauer... er muss es ja nicht wissen. Und mein echter Vater... ist er ja nicht mehr...“ Man konnte einen Anflug von Trauer in ihrem Gesicht sehen, doch dies verzog sich sofort wieder, und wich der typischen Gelassenheit, mit der göttergläubige Menschen ihr Schicksal hinnehmen. „Da freue ich mich schon wirklich drauf. Du gehst jetzt aber auch zu den Ludi, oder?“, fragte sie.
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Der Händler grinste die junge Adelige vor ihm mit strahlend weißen Zähnen, die er immer gut im Schuss hielt, an. Bereitwillig ließ er die Frau über seinen Teppich streichen. Die Frage der Frau veranlasste ihn dann doch dazu, die Augenbrauen zucken zu lassen. „Bilder! Wie ungewöhnlichhhhh...“ Das ch betonte er fremdartig, dann nickte er. Er drehte sich um und bellte was ins Zelt hinein. Eine weibliche Stimme, die selbe wie vorhin, rief etwas heraus. Der Mann hustete mehr etwas zurück, als dass er es sagte. Die Frau murmelte etwas, warf einen Teppich aus dem Zelt heraus, und der Händler verstieg sich tatsächlich dazu, ein „Schukran“ zu murmeln, was ja bekanntlich „Danke“ hieß.
Den neuen Teppich rollte er mit einer bedeutsamen Geste aus. „Hier!“, meinte er. Das Motiv auf diesem Teppich waren Tiere. Viele Tier. „Die Florrrra... nein, Fauna, von meine Chhheimat.“, professierte er und deutete drauf, nacheinander. „Kamel. Wüstenfuchs. Araberpferd – beste in ganzes Welt! Oryxantilope. Wildkatze. Mantelpaviane – ja, Affe, der in Wüste lebt! Wolf. Hyäne. Geier. Ein paar kleine Vögel. Ein paar Fisch.“ Er deutete wild auf dem Teppich herum. „Sehr schön!“ Und das war es wirklich, die Tiere auf dem Teppich waren sehr schön gemacht. Romana selber dachte sich, sie sollte auch so einen Teppich kaufen... aber für sie, als junge Frau ohne Geld, und mit einem doch sehr sparsamen, ja, fast geizigen Vater, war dies kaum machbar.
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Während zuerst Romana Calvena anzuführen schien, war es nun Calvena, die das Tempo vorgab. Der Weg zum markt war nicht mehr lang, bald kamen die beiden jungen Frauen dort an. Der Markt war schön und farbenfroh wie immer, und natürlich zog es die beiden, schneller als sie denken konnten, in den Kleiderbazar. Romana war wie benommen von der Gröse und der Pracht des Marktes. Sie liebte ihn, ganz heiß und innig. „Komplizierte Vergangenheit?“, fragte sie Calvena verblüfft? „Wie soll ich denn das verstehen?“, fragte sie aber, als Calvena was sagte, was sie halb mitbekam. „Was ist denn diene Vergangenheit? Ich verstehe natürlich, wenn du es mir nicht mitteilen willst.“, beschwichtigte sie. Aber sie dachte auch, dass sie, wenn sie gute Freundinnen werden wollten, keine Geheimnisse in der Richtung haben sllten. Wenn Calvena bereit wäre ihre Geschichte zu erzählen, würde Romana auch ihr Erlebnis in Clusium erzählen. Das war sie ihr schuldig.
Nun standen die beiden aber erstmal vor einem Kleidungsstand, und Romana fühlte, wie ihr ein Kleidungsstück in die Hände gedrückt würde. Es war grün. Blassgrün. Sie starrte die Tunika an, als ob sie aus einem Traum kommen würde. „Eine hellgrüne Tunika...“, murmelte sie vor sich hin, ganz so, als könne sie es nicht fassen. Dann ließ sie den Stoff sinken. Ein Lächeln war auf ihren Lippen, wie so oft.
„Mir gefällt dies. Sag, Händler, was ist dein Preis dafür?“, fragte sie den Händler. Es wa klar, dass sie versuchen würde, den Preis zu drücken, so weit es ging.
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Auf den Ludi Romani sah man immer sehr viel, man konnte sich immer sicher sein, viel Außergewöhnliches zu sehen. Doch das Letzte, was man eigentlich erwartete, war ohne Zweifel eine große, nein, hünenhafte Vestalin, gewandet in den traditionellen Gewändern ihres Ordens -blütenweiß - , die ihre rechte Hand an ihre Stirn gepresst hielt und mit unterdrückter Stimme auf etruskisch Flüche ausstieß, welche die Römer rund um sie veranlasst hätten, erstaunt den Kopf zu ihr zu drehen, wenn sie denn die alte Sprache verstanden hätten.
Der Grund für diese Erscheinung war leicht zu erklären. Die Vestalinnenschülerin Claudia Romana hatte vom Vestalinnentempel Ausgang bekommen, und hatte sich dazu entschlossen, die Zeit, die ihr zur Verfügung stand, dazu zu nutzen, die Ludi Romani anzusehen. Diese waren natürlich gratis für alle Bürger und Bürgerinnen, und als Vestalin würden die Wachtleute schnell bereit sein, sie hineinzulassen, nicht ohne respektvoll den Kopf zu neigen. Was ihr gefiel. Sie war jetzt nicht mehr irgendein römisches Mädchen vom Land. Sie war jetzt jemand. Eine Vestalin, eine Respektsperson. Eine, von der man dachte, dass sie, wenn sie leise aus Etruskisch zu sich selber sprach, nicht fluchte, sondern alte Gebete sprach.
Doch genauso wie die Wachmänner den Kopf neigten, wenn sie an ihnen vorbeischreiten würde, tat sie dies nicht. Und gerade vor ihr lag über zwei Pfeilern ein Holzpfahl. Die Leute bemerkten nichts davon, da er über den Köpfen der meisten war. Doch nicht über den von Romana. Und so rauschte sie, als sie in Träume versunken zwischen den beiden Pfeilern hindurchschritt, mit ihren Kopf geradewegs in den Holzbalken hinein.
Das tat weh, fürchterlich weh. Es war keine neue Erfahrung für sie, sich den Kopf anzuhauen, doch das hieß nicht, dass sie es liebte, oder gewohnt dran war. Sie hasste es jedes Mal mehr. Hie und da konnte sie die Götter verwünschen, dass sie sich entschlossen hatten, sie nicht so zu machen wie jedes andere Mädchen, sondern dass sie sie unbedingt so unheimlich groß aus dem Leib ihrer Mutter kommen lassen mussten. Nun war ihr Vater ein großer Mann, und ihre manlische Mutter war eine große Frau – selbstredend mit roten Haaren – gewesen. Sie war unverkennbar die Tochter ihrer Eltern.
Sie schritt an den Händlern vorbei, welche versuchten, ihr diverse Früchte oder Süßigkeiten anzubieten, wie auch Kleidungsstücke, welche eher Fetzen waren als echte Klamotten. Ein junger Mann war besonders lästig. „Aber, bitte, hohe Dame, willst du gar nichts kaufen?“ Hohe Dame! Ha! Mach dich nur lustig, dachte sie sich und blickte krampfhaft weg. „Mützen, die Dame, Mützen!“ „Ich habe einen Schleier.“, machte Romana abwehrend. „Ich brauche nichts.“ „Aber Nüsse, Nüsse für die Dame!“ „Man kriegt Brot gratis. Was brauche ich da Nüsse.“, kam es unwirsch zurück. „Aber Wasser brauchst du garantiert, meine liebe Dame...“ „Ich bin nicht lieb.“, schnarrte Romana verärgert zurück. „Und ich brauche nichts. Nichts. Verstanden? Und ich muss jetzt weiter! Du wirst mich da nicht aufhalten, verstanden? Vale!“ „Aber...“ „Vale!“
Romana wandte sich ab und beschleunigte ihre Schritte, durch die Menschenmassen hindurch. Sie suchte einen ruhigen Platz weiter hinten, doch auf halbem Weg stoppte sie. Das gab es doch nicht, das konnte doch nicht... doch, tatsächlich, das war sie! Da, an einem Brunnen! Sie begann zu lächeln, zuerst leicht und schmunzelnd, bevor ihr Lächeln breit und strahlend wurde, ihre weißen, vollständigen Zähne entblössend. „Calvena!“, rief sie aus und winkte der Gestalt weiter drüben zu. Sie eilte auf sie zu. Die Schmerzen an ihrem Kopf waren vergessen. „Calvena!“ Die Germanicerin musste sie nun gehört haben, denn Romana hatte sie mitlerweile erreicht. „Du siehst dir auch die Ludi Romani an? Ist das unglaublich, dich hier zu treffen! Wie geht es dir denn? Kann ich mich zu dir setzen?“, überschwemmte sie die Plebejerin mit Fragen.
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Romana liebte natürlich die Gesellschaft, in der sie lebte, über die der von Göttern bestimmte Kaiser herrschte, wo Männer wie ihr Vater am Ruder waren, doch man musste auch sagen, dass sie konservativ, fast schon reaktionär war. Sie war sehr schnell damit, Männer, die einen neuen Stil von Regieren pflegten, und Leute, die die alten Traditionen nicht punktgenau beachteten, sich vielleicht sogar von den Göttern abwandten, als von Grunde auf verdorben zu sehen. Der Grund dafür, in ihren Augen, war die Gier nach Macht und Geld. Gut, dass die Patrizierfamilien die Traditionen hochhielten. Lepidus war da keine Ausnahme, er pflichtete ihr bedingungslos bei, was Romana durchaus in ihrem Weltbild bestätigte.
Und tatsächlich hatte sie sich da schon so eine wundervolle Zukunft für Lepidus zusammengeträumt, dass sie schon seinen künftigen Lebenslauf vor sich sah. Es war genau der, denn sie eingeschlagen hätte, wäre sie als Mann geboren, als „Titus Claudius Romanus“, wie man sie genannt hätte als Mann.
Als Lepidus erst einmal versuchen wollte, ihre überzogenen Träume zu dämpfen, blickte sie ihn schief an, fast als könne sie nicht glauben, dass er nicht ganz den selben Enthusiasmus für ein Consulat seinerseits aufbrachte wie sie. Sie war ja sehr ambitioniert für ihn, und hatte scho n ausgerechnet, wann ihr Cousin frühestmöglich Consul werden könnte.
Sie schnaufte dann aber amüsiert aus, um von ihrer 2 oder 3 Sekunden langen Irritiertheit abzulenken. „Da hast du sicher recht, Quintus.“, meinte sie freundlich. „Man braucht halt, immer, viel Energie, Motivation und Geld. Sag, hast du eigentlich schon einen Patron? Ohne kommt man als junger Mann nur schwer voran!“, schlug sie ihm vor.
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Sim-Off: ...ups. Wie schön, dass man so etwas auf die Ungeschicktheit des eigenen Chars schieben kann.
Apropos, krieg ich noch die Passwörter für die Privatforen? *neugierig sei* Danke.Romanas Überwältigung überstieg ihre, und vielleicht auch des Imperators, kühnste Träume. Es war irgendwie alles überhaupt wie ein Traum. Mit glühendem Eifer blickte sie zum Kaiser hin, als dieser ihr erlaubte, ihn Vater zu nennen. Vater! Einen Moment lang fühlte sie sich hin- und hergerissen zwsichen ihren Gefühlen zur eigenen, der claudischen, Familie, und ihrer neuen, welche die Vestalinnen als ihre Schwester und den Kaiser als Vater umfasste. Nach einem kurzen innerlichen Ringen gewann der religiöse Fanatismus, der bei ihr sogar noch ausgeprägter war als bei anderen Mitgliedern ihrer götterfürchtigen Familie. „Danke... Vater.“, krächzte sie also. Ihre Stimme war im Eimer, so aufgeregt war sie, soviel Adrenalin war durch ihre Adern gepumpt worden.
Nur mit großer Mühe riss sie ihren Blick vom Kaiser los und blickte die Obervestalin an, welche gerade ihr Gespräch mit dem Kaiser... ihrem neuen Vater... zu beenden schien. „Das Schiff nach Rom.“ Mit einem Schiff war sie gekommen. Daran hätte sie auch denken können, dachte sich die frisch gebackene Vestalinnenschülerin. Dann hätte sie sich die Rumpelei auf dem Weg hierher erspart. „In Ordnung. Dann sehen wir uns beim Hafen, Schwester.“ Das letzte Wort kam ihr nur schwer über die Lippen, es klang ungewohnt. Ihre Stimme nahm langsam wieder ihren natürlichen Ton an. „Aber ich muss zuerst noch die Sklaven instruieren, die ich in meiner Kutsche mitgenommen habe. Erlaubst du mir, dass ich mich kurz entferne, um mich ihrer anzunehmen?“, fragte sie die Pomponierin vorsichtig. Sie wollte nicht, dass Saud, Nofretete, Kallonike und Giselher bis ans Ende ihrer Tage in Misenum festsäßen.
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Auf seinen Dank entgegnete sie ihm nur ein Lächeln, sie war sich nicht sicher, was sie sagen sollte. Vermutlich würde sie mit einem weiteren Wort nur seine verwundbare Künstlerseele nur noch mehr ankratzen. Was für ein Aufschneider, der schaffte es tatsächlich, den Schwachsinn in eine Kunstform zu verwandeln. Er war ja noch schlimmer als ihr Bruder. Derweil, so glaubte sie, sich die zwei ausgezeichnet verstehen würden. Brutus und Piso könnten wahrscheinlich stundenlang über ihre ach so noblen, elevierten Gefühlslagen schwatzen. Doch ohne sie, da war sie sicher.
Ein paar Sekunden blickten sie sich an, ein unkomfortables Gefühl breitete sich in ihr aus. Sie hatte keine Ahnung, was sie jetzt noch sagen sollte. Nicht einmal, wie sie dreinschauen sollte. Doch der Sklave des Flaviers rettete die Situation gerade noch, bevor es zum rot-vor-Scham-werdend peinlich wurde. Der junge Mann vor ihr schien nun sehr um die Gesundheit seines Sklaven bemüht, und verabschiedete sich hastig. „Vale.“, antwortete sie ruhig und blickte ihm hinten nach. Das war ein seltsames Gespräch gewesen. Und sehr, sehr sinnlos. Außer, dass sie jetzt einen Patrizier kennen gelernt hatte, hatte sie das Gefühl, dass sie nun eine kostbare Viertelstunde ihres Lebens verschwendet hatte. Doch halt, eines hatte sie erfahren. Dass sie singen konnte. Dass sie eine Gesangsstimme hatte, welche, zumindest einigen Leuten, zu gefallen schien. Und noch etwas hatte sie gelernt. Nie mehr Parfüm. Ganz egal, wie damenhaft sie sich damit fühlen würde. Wenn sie nun Vestalin werden würde, müsste sie eh niemals einem Mann gefallen. Und das war auch gut so, dachte sie sich. Man stelle sich vor, sie wäre an einen Kerl wie den verheiratet worden. Da konnten sich alle M;adchen glücklich preisen, die den Weg der Jungfernschaft gewählt hatten.
Romana schüttelte ihren Kopf geschwind herum, doch dies hatte nicht zur Folge, dass ihr intensiver Geruch irgendwie verflog, sondern nur, dass ihre Frisur zerstört wurde. Sie hatte von Natur aus unbezähmbares Haar, welches nur durch sorgfältiges Frisieren einigermaßen in Form gebracht werden konnte. Durch ein Haarschütteln konnte dies jedoch zunichte gemacht werden. Jetzt sah sie vermutlich aus wie eine Vogelscheuche, dachte sie sich. Nichts wie nach Hause, und ein ordentliches Bad nehmen! Das hatte sie sich jetzt verdient.
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Sofort wandte sich der Pontifex Maximus an sie, als sie eintrat und sich vorstellte. Romana hatte schon einiges gehört über den Kaiser. Ein schwacher Mann, der das Imperium nicht regieren konnte, und seine Kompetenzen an die Kanzlei, den Senat und den Praefectus Urbi verteilt hatte, weil er mit seinen Amtsgeschäften nicht klar kam. Romana, die wusste, dass oftmals Büsten Personen alles andere als wahrheitsgetreu darstellten, und oft nur den Zweck hatten, den Auftraggeber zu schmeicheln, hatte sich, obwohl sie schon eine solche Abbildung des Kaisers gesehen hatte, den Imperator als dick, träge und schwachbrüstig vorgestellt.
Doch dies war nicht der Fall. Vor ihr offenbarte sich eine Figur, die sie sofort in ihrem Bann nahm. Vielleicht war es ja wirklich nur der Widerhall, der durch die Halle hier entstand, aber Romana war sofoert zutiefst beeindruckt von der Stimme des Kaisers, welche, wie sie fand, wahrhaft kaiserlich klang. Gebannt blickte sie auf ihn. Sie übersah die Tatsache, dass der Kaiser angespannt klang wie ein Nervenbündel, dass er seinen Text herunterlesen musste, dass diese Zeremonie in Misenum war und nicht in Rom. Nur das Wissen, dass dieser Mann von Göttern auserlesen war, über sie zu herrschen, war in ihren Gedanken präsent.
Das Gebet war ausgesprochen, Romana wusste nicht, was sie sagen sollte. Vom ganzen Glanz und Gloria, von dem ganzen Brimborium, das gemacht wurde – nur für sie – hatte es ihr die Sprache verschlagen. Und, kein Wort an dieser Stelle wäre auch angebracht gewesen. So schwieg sie nur, blickte ehrfürchtig zum Kaiser hin, und ließ sich in seine Arme nehmen. Als sie so dermaßen von diesem heiligen Mann umarmt wurde, traten ihr vor Rührung fast die Tränen in die Augen. Sie hatte keine Ahnung, was nun der Brauch verlangte. Da niemand es ihr gesagt hatte, nahm sie auch an, dass nichts Spezielles getan werden musste. „Oh Majestät...“, flüsterte sie und legte ihre Hände ungeschickt auf die Seiten seines Bauches, sie wagte es nicht, ihn zu umklammern, wie er es mit ihr tat. „Imperator...“ Nur das eine Wort brachte sie nicht über ihre Lippen. Vater. Sie konnte ihn nicht so nennen... sie konnte nicht mit dem Gedanken umgehen, dass sie jemanden anderen als Herius Claudius Menecrates ihren Vater nennen sollte.
Als sie die Arme des Imperators wieder von ihren Schultern sich lösen, spürte, zuckte sie mit ihren Armen hastig zurück, fast so, als ob es nun eine Erlösung wäre, nicht mehr in Berührung zu sein mit dieser Verkörperung des Glanzes von Rom. Fast schon krampfhaft musste sie ihre Augen von ihm abwenden, in die Richtung der Obervestalin, die sie nun ansprach, und die zusammen mit den anderen Priestern die Captio abgewartet hatte.
Sie horchte den Worten der Vestalin zu und nickte sehr, sehr langsam, als ob sie berauscht wäre von der Wucht dieser Zeremonie. „Ja... ja, Obervestalin... meine Schwester.“, brachte sie hervor. Sehr eloquent bist du heute schon, Romi, an dir ist eine Senatorin verloren gegangen, bemerkte eine Stimme in ihrem Kopf spitzfindig. Sie konzentrierte sich darauf, sie nicht zu beachten. Heute waren keine Volksreden angesagt, sondern nur, dass sie sich anständig benahm. „Ich werde dir folgen.“ Gerade als sie dies sagte, kamen ihr die Sklaven in den Sinn, die noch immer auf sie in der Gaststätte warteten. Doch sie wollte diese nicht jetzt zur Sprache bringen, jetzt, wo noch immer die Augen aller auf sie ruhten.
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Sie seufzte. „Ich sage dir, die meisten Menschen sind schlecht. Sie fluchen auf unsere lieben Götter und scheffeln Unsummen, durch eben Korruption und Ausbeutung. Ich bin nur froh, dass wir Leute haben wie den Kaiser, wie Vater, wie dich, die ehrlich sind, gut und einsichtig.“ Sie erwähnte den Kaiser klarerweise, war sie doch eine überzeugte Monarchistin. Die Götter hatten den Kaiser gesandt, ja, er war selber göttlich, er war es, der Rom aufrechterhielt. „Quintus, ich bin sicher, dass du, sobald du in der Politik bist, diese Schmarotzer ausmisten kannst. Sie verderben uns alle. Was Rom braucht, ist ein Mann, der den Boden unter den Füßen noch nicht verloren hat, einer, der ehrlich, aber nicht vulgär ist, der sich nicht mit seinen Errungenschaften über Gebühr brüstet, der weiß, was gut für das Volk ist. Was nicht immer das sein muss, was das Volk will.“ Sie blickte ihn fest an, bevor sie dann lächelte. „Ich weiß es jetzt schon... das Jahr des Consulats des Claudius Lepidus wird ein Schönes werden. Ich freue mich schon drauf, und ich kann das, denn es wird unweigerlich kommen.“, gab sie sich nun überzeugt.
Es freute sie, dass er wirklich über ihren Vorschlag nachdachte und ihn ernsthaft in Erwägung zog. „Auf jeden Fall! Du als Priester, das hätte was.“, meinte sie. Kurz sah sie eine Art Vision vor sich – Lepidus in feierlichen weißen Gewändern, den Göttern ein Ferkel opfernd. Bevor sie eine zweite sah. Lepidus zusammengekauert über einen Schreibtisch, wegen eines Schreibfehlers zusammengebrüllt von einem Primicerius oder Procurator oder was die Titel alle waren. Nun, er müsste es wissen, sie würde nichts einwenden gegen jeglichen Entschluss, den er fällte. Es stand ihr gar nicht zu, es war ja sein Leben. Obwohl, ein bisschen leiten konnte sie ihn dann schon. Hinter jedem großen Mann stand ja schließlich eine Frau mit einer großen Bratpfanne in ihrer Hand.
Und wenn nötig, würde sie für Quintus Lepidus selber diese Position einnehmen, dachte sich Romana, ihm zurücklächelnd.
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Es war schon ein Dilemma. Brutus hielt Romana für beschränkt. Romana hielt Brutus für beschränkt. Und beide waren überzeugt, dass sie im Recht waren. Romana bebte schon fast vor lauter Groll, als ihr Halbbruder ihr nonchalant hinwarf, wie er die ganze Sache sah, und dass er nicht dachte, dass es Romanas Schicksal wäre, im Atrium Vestae zu dienen. Sie schnaubte. „Nur weil du im Cultus Deorum versagt hast, muss es nicht heißen, dass ich versagen werde.“ Sie blickte ihren Bruder an, als ob sie ihn am liebsten ohrfeigen würde.
Doch bevor noch ein Unglück geschah, schritt Lepidus ein. Mit dröhnender Stimme, welche die junge Claudierin zusammenzucken ließ, befahl er den beiden, Schluss zu machen mit ihrer gegenseitigen Angifterei. Und dann verkundete er, dass schon alles seine Richtigkeit hatte, wie er es formulierte. Romana war ihm zutiefst dankbar, dass er sich auf ihre Seite stellte. Und ihr Halbbruder sah wohl, dass er verloren hatte. Seine Bemerkung entlockte Romana ein „Ha!“, was man wohl als eine Art abgekürztes zynisches Lachen deuten könnte. Natürlich wäre der Kampf ungleich – sie würde diesen Schwachmatiker in der Luft zerfetzen, dachte sie sich, obwohl sie wusste, dass dem nicht so sein würde. Sie war doch eben nur ein Mädchen, was sie hie und da doch verzweifeln ließ, vor allem, wenn sich Brutus wieder einmal aufspielte wie ein Pascha. Die Gesamtheit seiner Gesten, Worte, Blicke, strafte seinen guten Wünschen, als er abging, Lügen. „Vale.“, erwiderte sie, nein, spuckte sie fast schon aus. Auf Nimmerwiedersehen, du Krätze.
Sie blickte ihm noch nach und schüttelte dann ihren Kopf. „Mein Bruder.“, murmelte sie zu Quintus Lepidus. „Der ganze Stolz des claudischen Hauses. Wehe uns.“ Traurig blickte sie zu ihm hin. „Gut, dass ihm der Cultus Deorum nicht gefallen hat. Das ist schon fast eine Garantie, dass ich jede Sekunde davon lieben werde.“ Sie blickte kurz zur Tür hin, wo blieb bloß ihr Vater? Würde sie am Ende, ohne sich von ihm verabschieden zu können, aufbrechen müssen? Hoffentlich nicht.
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Dieses leichte Nicken, dieser hochnäsige Gesichtsausdruck, dieses Getue, welches eine solch überragende Indifferenz bezeugte, am Liebsten wäre sie ihm an die Gurgel gegangen. Doch sie würde es nicht tun; nicht ihrem eigenen Bruder gegenüber. Stattdessen zwang sie sich, ihm zuzuhören. Leicht blickte sie zu Lepidus hinüber. Ihr Quintus würde sie doch unterstützen?
„Ich finde nichts, was an meiner Situation mit Ödipus vergleichbar ist. Im Gegenteil, es war Ödipus‘ Schicksal, seinen Vater zu töten und seine Mutter zu heiraten.E s ist mein Schicksal, Vesta zu dienen. Ich und Ödipus, wir beide steuern unseren Ziel an. Ich wissend, er unwissend. Deine Analogie beweist meinen Standpunkt.“ Nur ruhig durchatmen! Ein cholerischer Anfall würde doch nur seine innere Genugtuung untermauern. „Gut, dann lag ich falsch. Bitte! Entschuldigung!“ Sie sprach dieses Wort aus, als ob sie Brutus vorwerfen würde, Besserwisserei im großen Stil zu betreiben. „Wenn dies der falsche Weg für dich war, dann glaube ich dir. Ich bin mir sicher, dass es der richtige, dir vorbestimmte Weg ist, den ganzen Tag nur in deinem Zimmer zu hocken, die Nächte zu durchheulen und dich zur Lachnummer Roms zu machen.“, meinte sie spitz.
„Und ich mache also Wind.“ Ihren wieder an die Oberfläche hervorquellen wollenden Zorn herunterbeissend, sah sie ihn an. „Aber bedenke, mein werter Bruder... man kann sich Handlungen nicht entziehen. Auch nur Herumzufaulenzen ist eine Handlung. Macht Wind.“ Sie hob ihren Kopf empor. Sie übertraf an Körpergröße ihren Halbbruder, und dies machte sie sich zunutze, als sie nun auf ihn niederblickte.
„Deine Intentionen sind mir egal. Weitaus egaler, als sie dir selbst sind, stell dir vor. Du hast dich mir gegenüber benommen wie ein komplettes...“ Sie wagte das Wort nicht auszusprechen, sie war, trotz allem, eine echte Patrizierin. „Ich habe mich aufgebracht verhalten, weil du mich dazu gebracht hast. Man kann sich von einem Bruder mehr erwarten als solche himmelschreiend stupiden, herablassenden Kommentare.“ Sie war wieder ganz ruhig und lockerte ihre Faust, die sie schon in der rechten Hand geballt hatte. Keine Hysterie! So schwer es auch fallen würde. „Ich danke dir für deine guten Ratschläge und deine Warnungen.“ Ihr Blick war von der glühenden Wut der Jugend auf die eisige Kälte einer Patrizierin umgeschwenkt. „Ist es nicht eine Schande, dass ich in Zukunft ohne sie auskommen muss.“, frotzelte sie. „Aber sei dir bewusst – ich lasse mich von niemanden von meinem Weg abhalten. Am allerwenigsten von... dir. Den ich allzu bald schon, mit meiner ganzen Schwäche, Dummheit, Tollpatschigkeit, Inkompetenz, und sonstigen Schwächen, überflügelt haben werde.“ Sie blickte ihn unverwandt an. Sie wollte eine Entschuldigung. Reue. Mindestens.
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Unglück von ihr abwenden? Das war ja schon eigenartig. Hätte Brutus ihr mitgeteilt, dass Romana ihn an die Gorgo erinnerte, wäre sie vielleicht so furios geworden, dass sie ihm die Augen ausgekratzt hätte. Sie war wehrhaft, und des Öfteren leicht aus der Ruhe zu bringen... manchesmal war dies eine ungünstige Kombination, die einer jungen Patrizierin kaum bekommen wollte. Dies aber trat nicht ein, und so blickte sie ihren Halbbruder nur seltsam an. „Unglück?“ Vielleicht machte er sich ja wirklich Sorgen um sie! Vielleicht war sie viel zu harsch mit ihm umgesprungen, und er meinte es nur gut! Sie wollte sich schon entschuldigen für ihre harschen Worte, da führte Brutus – eine sehr unkluge Taktik war das! – aus, wieso er sich Sorgen machte. Brutus' Worte waren hart. Doch gehört wurden sie von Romana noch härter.
Sie blickte ihn an. Ihr Gesicht nahm eine leicht rötliche Gesichtsfarbe an. „Aha. So ist das also. Ich bin ungeschickt. Du haltest mich für inkompetent und unwürdig.“, stellte sie fest. „Und der Ruf unserer Familie. Du wagst es, vom Ruf unserer Familie zu reden, du...“ Ihr fehlte das passende Wort, und so ballte sie nur hilflos ihre rechte Faust. Innerlich war sie fast schon versucht, ihm recht zu geben. Oft war sie ein wenig tollpatschig und unbeholfen. Doch das wüde ihr im Tempel der Vesta nicht passieren!
„Ich wurde von Vesta ausgesucht, von ihr höchstselbst. Und der Kaiser hat mich akzeptiert. Ist das genug für dich? Nein, sicher nicht.“, beantwortete sie ihre eigene Frage. „Denn der junge Herr mit den ach so niederdrückenden Gedanken in seiner Brust!“ Sie machte eine Geste, ihre Hand auf ihre Brust legend und eine Grimasse schneidend, die Posen von Leidenden, Geplagten und sonstigen Dummschwätzern nachäffend. „Der junge Herr geruht den ganzen Tag auf der faulen Haut zu liegen, statt seinem Vater Ehre zu machen! Deine Priesterausbildung hast du abgebrochen, weil du keinen Bock mehr hattest darauf! Bei Pluto! Schämen solltest du dich, Lucius, schämen, nicht mit solchen Sprüchen daherkommen!“ Fast, schien es, würde es beginnen, ihr aus den Ohren zu dampfen vor Wut.
„Nicht einmal in der Stunde des Abschieds kannst du es lassen, mich herunterzuziehen.“ Sie blickte ihn agitiert an. „Wieso musst du mich erniedrigen? Selbst jetzt?“
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Sie hatte eigentlich die große Geheimnistuerei geplant, da platzte der Plan. Vermutlich hatten es sowieso schon die Sklaven gesagt, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Brutus‘ unerbetene Ansage die Magie des Augenblickes brach. Einige Augenblicke schaute sie auf ihn und nickte dann. „Aha. Dann ist es ja kein Geheim... wie?“ Sie unterbrach sich, als sie sich des ganzen Ausmaßes von Brutus‘ Worten bewusst wurde. „Was? Du... du bist nicht hinter mir? Du unterstützt meinen Traum nicht? Du...“
Ihre Augen weiteten sich. „Du bist dagegen, dass ich Vestalin werde?“ Romanas Augen wurden wieder normal. Und dann verengten sie sich. „Du willst, dass ich jemanden heirate. Einen senatorischen Patrizier. Du willst, dass ich eine brave Hausfrau werde, die mit jemanden anbandelt, der unsere Familie stärken kann. Wie schön wäre es doch, denkst du dir, wenn deine Schwester doch nur eine dumme Ziege wäre, die zu nichts imstande ist, außer zu heiraten und Kinder zu kriegen. Wie schön wäre es, wenn ich keinen eigenen Willen hätte. Nicht wahr?“
Sie trat einen Schritt auf ihn zu. Eisig blickte sie ihren Bruder an, von ihrer fast omnipräsenten Freundlichkeit schien nur noch wenig existent zu sein. „Was ist bloß aus dir geworden, Lucius?“ Sie schüttelte den Kopf.
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Selbstverständlich nahm ein Neffe den Onkel nicht so wahr wie das Kind den eigenen Vater, und so war das auch hier. Vielleicht irrte sich Romana auch, doch sie selber glaubte es nicht. Sie hatte ihren Vater gesehen, und er war daneben gewesen. Sie hatte es selber nicht wahr haben wollen – doch der energiestrotzende Mann, den sie im Gedächtnis hatte, als sie damals aus Rom weg ging, der war nicht mehr.
Sie nickte langsam zu Lepidus‘ Worten. Jedes einzelne davon hätte sie unterstreichen können. „Ich sehe, du verstehst, was ich meine. Du weißt, was mich bewegt...“ Sie senkte ihren Blick. „Macht... es ist die Macht, die so viel zerstört im Menschen...“, flüsterte sie geistesabwesend. Schließlich hob sie ihren Kopf wieder, Lepidus anblickend. „Ich danke dir. Ich wusste, ich kann auf die bauen.“ Glücklich war ihr Lächeln. Gut, dass es noch solche wie ihn gibt, dachte sie sich.
Neugierig blickte sie auf Lepidus‘ Hand, als jener über die Blumen, welche die Straße säumten, fuhr. Hatte er doch ein Interesse zur Natur entwickelt? Oder war dies einfach eine gedankenlose Geste, welche gar nichts zu bedeuten hatte? Vermutlich deutete sie da zuviel hinein. Weitaus mehr interessieren sollten sie die Gedanken von Lepidus bezüglich seiner Zukunft. „Und es eröffnet dir interessante Wege nach oben. Cursus Honorum, sage ich da nur. Viele frühere Consule waren, oder sind, auch Priester.“ Sie blickte unauffällig nach oben und dann wieder zu ihrem Vetter hin. „Ich will dir jetzt nichts diktieren. Überlege es dir einfach.“ Der Vetter und die Base, der Flamen und die Obervestalin... sie wären ein unschlagbares Duo, dachte sie sich. Es würde auf jeden Fall den Anspruch des claudischen Hauses auf einen bedeutsamen Platz in Cultus Deorum unterstreichen.
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„Lucius!“, machte sie erstaunt, und erfreut, als sie ihren Halbbruder erblickte. Aber schlecht schaute er aus. Seine angeschlagene Gesundheit musste er von seinem Vater geerbt haben. Weniger körperlich in diesem Falle, als mental. Jawohl, insgeheim wollte Romana bezweifeln, dass in seinem Gehirn alles in vollständigster Ordnung war. Aber trotzdem versuchte er sich, halbwegs ordentlich – spitze Zungen würden hier vielleicht schon das Wort geckenhaft verwenden – herzurichten. Doch Romana sah ihm an, dass er überhaupt nicht gut beinander war. Erst einmal diese merkwürdige, umständliche Begrüßung. Er benutzte ihren vollen namen, als ob sie eine Fremde wäre. Distanz drückte auch seine restliche Körpersprache aus. Romana, die ihn schon mit ihrer üblichen Herzhaftigkeit hatte umarmen wollen, schreckte nun davor zurück. Was war aus ihm geworden? Sie wurde aus ihm nicht schlau.
In diesem Moment wurde sie in ihren Gedanken unterbrochen, als jemand daherkam, der vermutlich eine unterhaltsamere Gesellschaft darstellte als Brutus. Es war Lepidus. „Schön, dass du da bist, Quintus!“, lächelte sie ihm zu, seine Begrüßung entgegnend. „Ich muss, Quintus, ich muss... warten wir noch auf meinen Vater. Dann erzähle ich euch allen, was der Grund für meinen Aufbruch ist.“
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Wer aus dem Tempel, aus der Türe, herausschaute, konnte sehen, wie eine Gestalt plötzlich im Türrahmen erschien. Natürlich konnte man, da man im Tempel vermutlich vom Licht, welches zur Tür reinströmte, etwas geblendet war, nicht sofoert sehen, wer dies war. Doch nachdem die Gestalt, die entweder ein Mann oder eine sehr große Frau war, ein paar Schritte getan hatte, konnte man sehen, dass es sich um Letztere handelte. Es war die, um derentwegen man diesen ganzen Zirkus veranstaltet hatte.
Es handelte sich um die Claudierin. Romana. Sie spürte die Blicke der auf sich lasten. Sie blickte vorsichtig um sich. Priester waren versammelt. Beamte verschiedenster Art. Die Obervestalin. Und der Kaiser.
Ihr Puls war eindeutig erhöht ob der intimidierenden Atmosphäre, unter der viele andere Mädchen schon eingeknickt wäre. Romana aber konnte sich beherrschen, was durchaus von ihrer Willenskraft zeugte. Tief atmete sie aus und ein. Dann sagte sie zu den Anwesenden: „Salvete. Ich bin Claudia Romana.“ Dies war eigentlich unnötig zu erwähnen. Sie blickte kurz in die Richtung des Kaisers und vollführte einen tiefen Knicks vor ihm. Ihren Blick ließ sie kurz unter den anwesenden Priestern schweifen, bis er auf der anwesenden Vestalin verharrte, der einzigen, die hier war. Es musste Pomponia Pia sein. Mit einem fast hilfesuchenden Blick schaute sie auf die Obervestalin, von der sie hoffte, dass sie ihr jetzt erklären würde, was nun auf sie zukam.
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Es war der Morgen des 14. Tages des Iulius im Jahre 106 nach Christus, wie es der gefährlichste Kult im ganzen Reich nannte. Die Sonne war über Misenum aufgegangen. Romana, die gestern aus Rom angekommen war, war gerade vor ein paar Stunden aufgestanden und stand am Fenster. Sie blickte über die Stadt, während sie sich von ihrer Vestispica ihre Palla glattstreichen ließ. „Komplett weiß, wie es sich gehört!“, hatte sie auf sie eingeredet, als sie ihr das Gewand angedreht hatte. Romana konnte sich durchaus vorstellen, dass sie, dermaßen dick eingepackt, im Laufe des Tages noch ins Schwitzen kommen würde. Sie hatte die typischen patrizischen Schuhe mit dem Halbmond an. Zuunterst hatte sie ein kurzes Untergewand angezogen, darüber eine weiße Stola, und darüber wiederum eine lange Palla, welche ja für die Frau das war, was für den Mann die Toga war. Eingewickelt in diese Stoffe, blütenweiß natürlich, hatte sie darauf bestanden, dass sie komplett ungeschminkt zur Captio gehen wollte, mit dem Haar einfach nach hinten gekämmt und nicht kunstvoll aufdrapiert. „Ich will nicht aussehen wie eine Prostituierte oder so etwas!“, hatte sie angordnet. „Ich will den Kaiser nicht heiraten! Ich will unter seine Patria Potestas fallen, dafür muss ich nicht verführerisch oder weiß was ich ausschauen!“, hatte sie die Sklavin angefahren. Diese hatte daraufhin auch jegliche Vorschlage sein lassen.
„Passt es so?“ „Absolut, Herrin.“ „Ich meine, wirklich?“ „Natürlich.“ „Aber ich meine, ich kann mcih ja nicht von hinten sehen, ich...“ „Herrin! Es passt alles! Wirklich!“ „Aber...“ „Keine Sorge, Kindchen!“, machte die Vestispica gutmütig zur jungen Claudierin, die kurz vor einer Panikattacke stand. „Du wirst das überstehen. Ich weiß das.“ „Wirklich?“ „Ja, natürlich! Du bist fertig! Es kann losgehen! Und jetzt spute dich, amsonsten kommst du zu spät, und dann muss der Kaiser noch auf dich warten. Komm. Auf geht’s. Wir warten hier auf dich, ja? Und dann sagst du uns, wie es gegangen ist!“ Romana lächelte die Sklaven gerührt an. „Ihr seid... gute Menschen. Wirklich. Danke. Danke für alles.“ „Ist ja schon gut!“, warf Saud ein. „Und jetzt beeile dich!“ „Jajaja, sicher. Bis später.“ „Viel Glück!“ Romana wandelte aus der Tür heraus, warf den Sklaven nochmals einen Blick zu, und verließ dann das Zimmer.
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Die Kutsche rumpelte aus Rom heraus. Hinten in der Kutsche befand sich eine Kiste voll mit diversen Besitzgütern, die Romana auf ihrer Reise brauchen würde. In der Kutsche befanden sich 4 Personen. Zuerst Kallonike, die verna, die die Nachricht von Romanas Captio überbracht wurde – sie wurde mitgenommen, da Romana sich Glück von ihr versprach. Dann Saud, Romanas Leibsklave, der sich um ihre Sicherheit kümmern würde. Dann die Vestispica der Villa Claudia, Nofretete aus Ägypten, auf die die Claudier nun für ein paar Tage verzichten mussten. Und nicht zuletzt Romana.
Vorne, am Kutschbock, saß der Kutscher. Sein Name war Giselher, ein Germane mit Vollbart. Er lenkte die Kutsche vorbei an diversen Ortschaften. Sie nahmen die Via Appia. Durch die Albaner Berge bis an die Küste in Tarracina. Von dort aus folgten sie die Via Appia an der Küste bis nach Sinuessa. Während dort die Via Appia abbog ins Landesinnere, nach Capua, folgten sie den Küstenweg bis nach Cumae, die Stadt des berümten Orakels. Von dort aus rumpelte die Kutsche weiter nach Misenum, welches nur eine kurze Strecke entfernt war von Cumae.
Als die Kutsche zum Stillstand kam und Romana aus dem Fenster lugte, sah sie zuerst nur Schiffe. Kriegsgaleeren, Triremen, und haufenweise anderer Schiffe, die sie nicht kannte. Staunend blickte sie auf den Kriegshafen hinunter, der sich vor ihr eröffnete. Sie waren in Misenum angekommen. Es war eine kleine Stadt, wie man sie überall in Italia fand, und wäre nichts besonderes, gäbe es nicht die Flotte, welche vor de ganzen Stadt ankerte. Sie stieg aus und atmete die klare Seeluft ein. Der Kutscher begab sich zu ihr. „Sieh, Herrin. Hier...“ Er deutete vom Hafen weg, auf einen Hügel, „befindet sich die kaiserliche Villa. Und hier die kapitolinische Trias.“ Er deutete auf einen Tempel direkt vor ihnen. „Wir übernachten in der Herberge direkt daneben.“ Saud wuchtete die Kiste mit ihrem Besitz aus der Kutsche, und gemeinsam betraten sie die Herberge in Misenum.