Beiträge von Claudia Romana

    Rege Betriebsamkeit war ins Haus der Claudier gekommen. Eine Kutsche war von einigen Sklaven hergerichtet worden, und Romana hatte sich in ihr Reisegewand geworfen. Natürlich wurde nur das Notwendigste in die Kutsche nach Misenum geschlichtet, das Allermeiste von ihrem Besitzstand hatte sie vorübergehend in der Villa Claudia gelassen, damit es später in das Atrium Vestae überführt werden könnte. Zuerst einmal jedoch würde sie nach Misenum reisen.


    Aber noch vorher würde sie sich von ihrer Familie verabschieden. Kallonike, die verna, die den Brief überbracht hatte, hatte alles veranlasst, dass die Herrschaften, die in der Villa lebten, auch wissen würden, dass die Tochter des Hauses dasselbige nun verlassen würde, da sie bei den Vestalinnen aufgenommen worden war.


    Romana wartete im Atrium. Etwas traurig war sie schon, vor allem, weil sie es nicht geschafft hatte, in ihrer Zeit hier den Garten in einen ordentlichen Zustand zu bringen. Sie würde es später machen, wenn sie längeren Urlaub bekäme. Und sie würde ihre Energien nun vor allem auf die Gewächse, die mit dem Atrium Vestae in Verbindung stehen, lenken.


    Sie schaute herum. Hoffentlich ließen sich die Bewohner der Villa nicht allzuviel Zeit.


    Sim-Off:

    Menec, Lepidus, und was alles sonst noch in der Villa herumkreucht, angetreten, bitte! :D

    Es war ein Tag wie jeder andere. Heiß war es draußen. Aus diesem Grund war Romana erst einmal gar nicht nach draußen gegangen, sondern hatte sich in ihrem Zimmer verschanzt. Sie saß am rande ihres Bettes und las irgendein Buch, an dessen Namen sie sich nicht erinnern konnte, unkonzentriert. Ihre Gedanken schweiften immer aber von der Handlung des Buches. Wann kommt er endlich? Wann kommt der Brief? Gewissheit wollte sie haben. Gewissheit, ob sie aufgenommen worden war oder nicht. Sie würde alle Nachrichten stoisch ertragen, schwor sie sich selber. Sie würde es akzeptieren, als Entscheidung des Kaisers in seiner göttlichen Natur...


    Sie wurde aus ihren gedanken gerissen, als es klopfte. Jemand trat ein. Romana erkannte die Person, die eintrat, sofoert; es handelte sich um eine verna des Hauses namens Kallonike, eine Ionerin, die sich ihr Vater irgendwann einmal angeschafft hatte. „Herrin?“, fragte sie leise. „Ein Glas kaltes Wasser?“ Ein Lächeln wurde ihr entgegnet. „Ja, bitte, das ist sehr nett.“ Als die Griechin auf sie zuschritt, den Becher voller Wasser in ihrer Hand ausstreckend, bemerkte sie noch beläufig: „Ach ja. Ein Brief ist gekommen. Für dich.“ Sie hielt inne, streckte ihre linke Hand aus und hielt eine Schriftrolle unter Romanas Nase. „Was?“ Ja, ich weiß nicht von wem, ich...“ Gib her!“ Die Freundlichkeit, die noch vorher Romanas Stimme erhellt hatte, schwand einer gewissen Art von... Hast, vielleicht sogar Panik. Ihr Arm fuhr nach vorne und entriss der Griechin die Schriftrolle, welche sie in ihrer linken Hand hielt. Mit fast schon zittrigen Händen brach sie das Siegel mit etwas mehr Kraft als notwendig und rollte die Schriftrolle aus, gar nicht mehr auf das Wasser, welches Kallonike neben ihr hingestellt hatte, achtend.


    „Pomponia Pia Virgo Vestalis Maxima Claudiae Romanae s.p.d.”, las sie selber sich laut vor, wie sie es des Öfteren tat. Ein Brief von den Vestalinnen! Nicht nur von irgendeiner Vestalin, nein, gleich von der Höchsten! Das musste der Brief sein, der sie über das Ja oder Nein des Kaisers unterrichtete. Fast kicherte sie, als sie das p sah. Die Leute im Cultus Deorum hatten es wohl mit mit ihren vielfältigen Grüßen. Doch sie war viel zu aufgeregt, um darüber zu sinnieren, sie musste weiterlesen!


    „Der Pontifex Maximus et Imperator Caesar Augustus L Ulpius Aelianus Valerianus...“, der gute Kaiser! Er hatte ihren Brief bekommen! Was hatte er beschlossen? „...hat beschlossen,“, ja, was denn? Ihre Hände zitterten jetzt schon wirklich. Sie konnte die Lettern kaum noch ausmachen. Sie musste sich zusammenreißen! Sie stierte gebannt auf die Worte. „...dich für die Sacerdotes Vestales zu rauben und in seinem Patria Potestas zu überführen.“


    Natürlich hatte Romana sich vorgenommen, die Nachricht mit dem notwenigen Maß an Gravitas und Stoizismus, der einer Patrizierin zustand, anzunehmen. Doch über diese Nachricht vergaß sie all ihre Vorsätze. Sie sprang auf und ließ den Brief zu Boden fallen. Aus ihrem Mund erklang ein lauter, etwas heiserer, aber komplett heiterer Freudenschrei. Ja, sie warf ihre Hände in die Höhe und fiel der armen Kallonike, die ob des Ansturms fast umgefallen wäre, um den Hals. „Herrin? Alles in Ordnung?“ „Jaaaaaaaa!“, heulte Romana. „Sie haben mich genommen!“ Tränen der Freude weinte sie in das Gewand der Griechin, die mit der Situation etwas überfordert war. „Herrin? Willst du dich nicht wieder setzen?“, fragte sie. Ein Nicken bekam sie als Antwort. „So.“ Sanft drückte die kleine Griechin die große Römerin wieder auf den Rand ihres Bettes. „Sie haben mich akzeptiert...“, schluchzte die glückselige junge Patrizierin. „Oh danke! Danke, Götter! Danke, Vesta! Danke Kaiser, oh Göttlicher, oh Großer, oh strahlender Schützer der Heimat, der sofort die Wahrheit erkannte! Danke Pomponia Pia, Hüterin des Feuers, große Obervestalin! Danke, Tiberius Durus, in ich froh, dass wir einen Pontifex wie dich haben, du bist einmalig, du bist spitze, du bist der Beste!“ Sie wischte sich mit ihrem rechten Ärmel über ihre Augen. „Lies weiter, bitte... ich kann nicht mehr!“ Kallonike nickte, ergriff das Papier und las für Romana weiter.


    „Finde dich dazu PRIDIE ID IUL DCCCLIX A.U.C. (14.7.2009/106 n.Chr.)“ „Welch großter Tag, welch freudiger Tag! Ich werde da sein!“ „im Tempel der capitolinischen Trias“ „Hä? Wieso dort?“ „...des Municipium Misenum ein,“ „Was? WAS? Misenum?“ Romana starrte auf Kallonike, ihre Glückstränen waren weg. „Misenum? Du nimmst mich auf den Arm.“ „Nein, Herrin...“ Gib her!“, verlangte sie abermals und las es sich durch. „Tatsächlich! Misenum! Au Backe.“, murmelte sie. Dann las sie selber weiter. „...nimm jedoch Abschied von den Deinen, denn danach wirst Du eine Amata Minor des Cultus Vestalis sein. Möge das Heil der Vesta mit Dir sein!“ Auf ihren Lippen bildete sich wieder ein Lächeln.


    „Wenn es Misenum sein muss, wird es Misenum sein! Gib den Sklaven Anweisungen, zu packen! Trommel alle Familienmitglieder zusammen, ich werde mich nun von allen im Atrium verabschieden! Brechen wir schnell auf!“, wies sie Kallonike an. Während diese nickte und verschwand, aus ihrem Zimmer hinaus, blieb Romana dort noch eine Weile. Nachsinnend, mit einem vielleicht leicht debil aussehenden, aber komplett glücklichen Grinsen auf ihrem Gesicht. Doch lange verblieb sie nicht dort, sie stand schnell auf und entfernte sich ebenfalls. Es musste jetzt noch einiges getan werden!

    „Aaaaah, Herrin!“, erwiderte der Händler mit einer schwungvollen Handgeste, mit der er fast einen Großteils seines Inventars vom Tisch gefegt hätte. „Ein Teppich! Ein Teppich fürrrrrr die Dame!“ Er redete so aufgeregt und schwungvoll, dass man die Ausrufezeichen in seinem Reden fast schon hören konnte. Er keifte nach hinten, in sein Zelt, etwas hinein. Eine weibliche Stimme keifte etwas hinaus. Ein Teppich wurde aus dem Inneren des Standes nach vorne geschmissen, Tariq fing das mit Kraft geschleuderte Objekt nur mit größter Mühe auf.


    Er schnaubte verärgert aus und murmelte unter seinem Bart etwas hervor, von dem Romana sich dachte, dass es, soweit ihr klägliches, von Saud gelerntes, eigentlich nur aus despektierlichen Worten bestehendes Arabisch ging, mit der Tochter eines Esels zu tun hatte. Dann rollte er den Teppich, der vorher nur zu einem Bündel zusammengerollt war. Staub flockte aus dem Teppich hervor, als dieser von der Schwerkraft anch unten gezogen wurde und am Ende am Boden aufschlug. Der Teppich war durchaus nicht von schlechter Qualität (obwohl Tariq noch ein paar Bessere hatte, die er jedoch jetzt noch nicht vorzeigen wollte). Der Teppich war überzogen von seltsam anmutenden, gleichsam faszinierenden orientalischen Mustern, die keine Bilder darstellten, sondern farbige geometrische Muster. „Was denkst die Herrin davon?“, fragte Tariq mit unterwürfiger Stimme.

    Sim-Off:

    Ich begehe, schon zum zweiten Mal in diesem Thread, das ultimative Faux-Pas des RPG – ich überschreibe Vera, da diese absent ist. Möge sie mir verzeihen :D


    Arvinia schien von der Größe der Auswahl wirklich überwältigt zu sein. Damals, in Clusium, dachte sich die Claudierin, hätte das nicht so passieren können. Da hätte es die Wahl gegeben zwischen Pomeranzen in eigentümlichen Verformungen und alter, spröder Keramik. Rom war da schon etwas anderes. Und, zu ihrer geheimen Freude, war die Tiberierin mehr angetan von den Angeboten des Arabers als von jenem des bärtigen Barbaren.


    Also dann, ihr nach, dachte sie sich. Sie war nicht umbedingt eine, die Tag und Nacht am Markt herumhing, doch wenn sie es tat, war sie mit Herz und Seele dabei. Gelangweilt am Markt herumschlendern sehen würde man sie niemals. Arvinia erzählte ihr und Vera ein bisschen etwas über Albina, deren Namen sich Romana einprägte, vielleicht würde die Kenntnis desselben ihr weiterhelfen.


    Der Händler sah die Damen schon von Weitem kommen, er verbeugte sich in einer elaboraten Geste, als die Patrizierinnen vor sienem Laden zu stehen kamen. „Salam alaikum, ya sayidatun.“, begrüßte er sie mit einer formellen arabischen Formel. „Willkommen bei Tariq ibn Halif und den Wundern des Orients!“ Seine Zähne blinkten bei seinem Grinsen weiß zwischen seinen Lippen hervor. „Wie kann ich dienen?“ Seinen Akzent war Romana von Saud gewohnt, sie verstand ihn problemlos, doch wusste nicht ganz, ob das auch bei den beiden anderen Patrizierinnen der Fall sein würde. Sie schaute zu Arvinia hin, sie würde am Besten wissen, was ihre Verwandte brauchte.

    Und es kam, wie es kommen musste: Lepidus war natürlich sehr neugierig, was ihren Vater anging. Sie blickte ihren Vetter an und seufzte. Wie sollte sie beginnen? „Vater macht mir... in letzter Zeit so einen... schlechten Eindruck. Er war lange krank, weißt du? Deshalb hat er sich auch kaum an der Politik beteiligen können.“ Sie wägte kurz ihren Kopf hin und her, als wäre sie sich nicht sicher über ihre Worte. „Manchmal habe ich das Gefühl, diese ganze Politik hat ihn ausgesaugt. Er hat sein ganzes Herzblut dort hineingesteckt. Zweimal war er Quaestor, das sagt doch alles über den selbstlosen Wunsch meines Vaters, dem Staat dienen zu wollen, aus. Er ist nicht machtgeil. Er hat nur für den Staat dasein wollen, hat geschuftet für ihn.“ Sie blickte zu Boden. „Weißt du, Quintus... ich weiß nicht, ob es ihn gut getan hat. Und dann hat er noch so lange alleine in der Villa gelebt. Wir beide sollten für ihn ein bisschen da sein, denkst du nicht auch? Dann wird es ihm sicher besser gehen.“, schlug sie vor.


    Als ihr Vetter ihre Aussage wiederholte, riss sie das jedoch aus ihren Sorgen. Sie lächelte wieder und nickte ihm zu. „Sei froh, dass du eine ehrliche Base hast, Quintus.“ Ein Augenzwinkern folgte sowie ein eifriges Kopfnicken, als er einen neuen Weg vorschlug. „Klar, machen wir das!“, stimmte sie zu und wandte sich eilig nach links, wo sich ein neuer Weg auftat, gesäumt von einer Pracht von Nelken.


    Sie gingen einige Schritte, während denen Quintus Lepidus über irgendetwas nachzugrübeln schien, bevor sie auf seine Zukunft zu sprechen kamen. Er zeigte sich nicht einmal so abgeneigt – das war ja auch schon ein Fortschritt. Sie machte ein unschuldiges Gesicht. „Ich will auf gar nichts hinaus.“, flötete sie. Dann wechselte ihr Gesichtsausdruck, wurde um einiges ernster. „Ich denke nur, eine Karriere im Cultus Deorum wäre doch was für dich. Ich meine, besonders am oberen Ende ist es interessant. Da kannst du Flamen werden. Was denkst du, wieviel ein Flamen Dialis, der natürlich patrizisch sein muss, verdient? Unmengen! Und das ewige Heil im Elysium wäre dir sicher. Also würdest du dich weltlich und geistlich absichern. Es war nur so eine Idee von mir, aber ich glaube, das könntest du dir auch durch den Kopf gehen lassen.“ Sie zuckte die Achseln. „Aufregender als den ganzen Tag im Officium zu sitzen ist es sicher.“

    „Ja, sicher, mach das! Ich meine, mein Vater ist ja in der Mitte des Geschehens... nur weiß ich nicht ganz, ob es ihm auch immer... gut tut...“, meinte sie. Ihre Stimme wurde in der zweiten Hälfte ihres letzten Satzes etwas unsicher, sie brach ab, ohne Lepidus eine Begründung für ihre Meinung zu geben. Obwohl er vermutlich nicht wissen würde, worum es ging, da er so lange nicht in Rom gewesen war. Irgendwie hatte sie Scheu davor, ihre Sorgen um ihren Vater auszubreiten... doch wem sollte sie es sagen, wenn nicht ihrem Vetter? Sie wusste, er würde es nicht weitererzählen.


    Sie fühlte sich auf einmal am Kopf gepackt und zu seiner Schulter hingezogen. Ein ursprünglicher, momentärer Krampf ob der unerwarteten Berührung wich einer vertrauensvollen Entspannung ihrer Halsmuskeln. Quintus wusste es immer wieder, sie mit diversen ganz und gar nicht erwarteten Bewegungen zu überrumpeln. Sie begann zu lachen. „Danke. Und hie und da, muss ich sagen, bist du wiederum ganz und gar unmöglich.“ Das musste auch noch dazugefügt werden. Aber es war klar, dass sie es nicht böse meinte, denn sie zwinkerte ihrem Vetter fröhlich zu, welcher sich nun daran machte, etwas zu erwidern.


    Was dabei herauskam, war irgendwie... nun, für seine Verhältnisse ein wirklich nettes Kompliment. „Das mache ich doch gerne, vor allem mit so einem wie dir.“, entgegnete sie. Obwohl, oder gerade wegen seiner Makel, mochte sie ihren Vetter wirklich, und auch sie genoss es, wieder einen Spaziergang mit ihm zu tätigen. Sie wusste aber auch, dass manch eine Frau, vor allem, wenn sie nicht aus der claudischen Familie stammte, mit ihm nicht so recht etwas anzufangen im Stande wäre. Erst wenn man Lepidus besser kennen lernte, so vermutete sie, würde man erkennen, dass in dem augenscheinlichen Grobian ein weicher, empfindsamer Kerl steckte.


    Lepidus sinnierte über die Kanzlei und seine sonstige Zukunft, und erwähnte den Namen ihrer Schwester, die sie so lange nicht mehr gesehen hatte. „Sie verweilt jetzt außerhalb von Rom. In einer Landvilla, glaube ich. Ich habe keine Ahnung, wo.“ Zumindest hatte sie das gehört, obwohl Informationen, was sie anging, nur noch bruchstückchenweise zu ihr vordrangen. Seitdem sie Mitglied der flavischen Familie geworden war, war ihre Beziehung nicht mehr so eng... was sie schade fand. Überhaupt waren die claudischen Familienmitglieder in der Welt verstreut. Da war ja eine ihrer Tanten in Britannien, und ein anderer in Aegyptus...


    „Sag, Quintus? Du hast wohl keine priesterliche Karriere im Sinn, hm?“, fragte sie. Ein Keim der Hoffnung war in ihrer Stimme, ihn bekehren zu können.

    „Oh! Gut.“, meinte Romana, ein bisschen apologetisch, und ließ sich auf ihren Stuhl zurückplumpsen. Es war doch ein unglaublicher Zufall, gerade hatte sie an ihr Getränk gedacht, als der Sklave schon damit daherkam. Sie versuchte, keinen allzu gierigen Eindruck zu machen, als sie den Becher aus den Händen des Sklaven nahm und eilig heruntertrank. Sie verabschiedete sich ebenfalls von Durus, der nun seinerseits ging, und leerte den Becher, nun etwas langsamer.


    Nun kam also eine zweite Phase des Wartens. Doch lange war sie nicht, der Schreiber war wirklich unglaublich schnell. Er hatte ihren Text auf der Wachstafel in einem atemberaubenden Tempo auf ein Stück Papier kopiert. „Danke.“, meinte Romana, als sie das Pergament entgegen nahm und es überflog. Nein, da waren keine Fehler drinnen. Anerkennend blickte sie zum Schreiber auf. „Nicht schlecht.“, lobte sie ihn, nahm die Feder zur Hand und unterschrieb.


    Claudia Romana Imperatori Caesari Augusto Pontifici Maximo salutem plurimum dicit.


    Mein Kaiser, ich bin Claudia Romana, Tochter des Senators Claudius Menecrates. Es ist mein zutiefst gehegter Wunsch, der Priesterschaft der Vestalinnen beizutreten, und hoffe, dass du meinen Wunsch verstehst und mich für würdig erachtest, sowie ich dir von der Vision erzählt habe. Hierbei handelt es sich um eine Epiphanie der Göttin Vesta, welche sich am ANTE DIEM IX KAL APR DCCCLIX A.U.C. in Clusium, Provincia Italia, meiner Person gegenüber zutrug. Ich war alleine und habe keine Zeugen. Ich stand damals weder unter dem Einfluss von Weihrauch, Wein oder sonstigem Rauschmittel. In Clusium hielt ich mich damals auf, da ich Zeit bei meinen Großeltern verbrachte.


    Die Göttin erschien mir am Mittag, an einem wolkenverhangenen Tag, als ich durch ein Kornfeld wandelte. Es gab keinerlei Vorzeichen, die mich auf eine Vision vorbereitet hätten. Ich wandte meinen Kopf kurz nach rechts, und als ich wieder nach vorne blickte, saß an einer Stelle am Boden, wo vorher noch nichts gewesen war außer ein paar Weizenhälme, eine große Gestalt, gekleidet wie eine Vestalin. Die Erscheinung strahlte ein Licht aus, deren Farbe nicht zu beschreiben ich imstande bin, und die Aura der Erscheinung war nicht von dieser Welt. Rund um mich verschwamm die Welt zu einer unscharfen Masse. Die Erscheinung richtete einen Blick auf mich, streng und doch zugleich warm; mütterlich. Sie sprach mich mit meinen Namen an und sagte mir, wer sie war. An ihre nächsten Worte kann ich mich klar erinnern.
    „Das heilige Feuer muss beschützt werden, und von allen bist du die Würdigste, dies zu tun. Gehe nach Rom. Gehe zu meinem Tempel. Sieh dazu, dass das Feuer der ewigen Stadt immer erhalten bleibt. Sei mir eine gute Dienerin, Claudia Romana.“
    Diese Worte brannten sich in mein Gedächtnis. Das nächste, an das ich mich erinnere, ist ein Stoß, der aus dem Nirgendwo zu kommen schien, und mich nach hinten warf. Als ich es endlich, nach einiger Zeit, schaffte, mich zu erheben, war die Erscheinung verschwunden, und wo die Göttin vorher gesessen war, erhoben sich hoch die Weizenhalme, als ob nichts geschehen wäre. Und als ich nach oben blickte, sah ich, dass das Wetter sich aufgeklärt hatte und die Sonne wieder auf die Gefilde schien.


    Mein Kaiser, diese Erscheinung hat es mir klar gemacht, dass es mein Schicksal ist, Vestalin zu werden, obwohl ich etwas über dem normalen Alter bin. Ich hoffe, dass du die Wahrheit in meinen Worten siehst, und mich zu einer Dienerin der großen Göttin Vesta erheben wirst.


    Bei meiner Ehre und den Göttern schwöre ich, dass alles, was ich hier beschrieben habe, der Wahrheit entspricht.


    Mögen die Götter dir und dem Imperium stets wohlgesonnen sein,


    Claudia Romana


    Als dies getan war, händigte sie das Pergament dem Sklaven zurück. „Gut! Dann wäre es dann. Ich finde schon selber raus, mach dir da keine Sorgen. Vale.“, verabschiedete sie sich vom Sklaven.

    “Während die Parther, die Germanen und die Kaledonier wie eine Hautkrankheit sind, ist das Christentum vergleichbar mit einer Krankheit am Herzen, am Herzen unseres Reiches.”, las Romana sich selber vor. Sie hatte sich selber in ihr Bett geworfen, lag nun leger auf ihren Kissen und zusammengeknuddelten Decken ausgebreitet herum und hielt ein Pergament in ihrer Hand. Sie hatte es in der Bibliothek der claudischen Villa gefunden und hatte es in ihr Zimmer hineingeschmuggelt. Dort lag sie nun, kritisch auf den Text des Pergaments schauend, unbeabsichtigterweise vor sich selbst halblaut dahinlesend.


    „Des Christen einziges und alleiniges Ziel ist die Zerstörung unseres Reiches. Sie hassen unseren verehrten Kaiser und spotten der lieben Götter.“ Romana sog scharf Luft ein und schüttelte ungläubig ihren Kopf. Was für verdorbene, elende Menschen! Was für Schurken! Ihnen musste der Garaus gemacht werden, und zwar so schnell wie möglich.


    „Die Christen sind Kannibalen. Ja, sogar stolz sind sie darauf, Blut zu trinken und Menschenfleisch zu essen!“ Romana starrte entsetzt auf diese Meldung. Jung und gutgläubig wie sie war, nahm sie alles im Pergament für bare Münze. Und nicht zuletzt deswegen, weil sie es glauben wollte. „Die Christen sind nicht bereit, die göttliche Natur unseres Kaisers anerkennen.“ Das war ja die Höhe! „Sie verehren einen einzigen Gott, ähnlich wie die Juden, doch unterscheiden sie sich von denen, indem sie vorgeben, dass dieser Gott einen Sohn hat. Jedoch betrachten diese verwirrten Köpfe den „Vater und den „Sohn“ als genau das selbe. Dies bezeugt zweifelsohne die Wahnwitzigkeit und Lächerlichkeit der Religion.“ Sie lachte einmal laut aus. Was für elendigliche, verachtenswerte Knülche!


    „Die Christen müssen systematisch ausgerottet werden. Der Cultus Deorum muss die Oberhand behalten. Götter zu verleugnen, welche unser Reich fast 1000 Jahre lang geschützt haben, ist Aberwitz und gefährlich.“ Sie könnte nicht mehr übereinstimmen! Christen waren verachtenswerte Kreaturen, dachte sie sich, und feuerte das ausgelesene Pergament von sich.


    Sie sackte zurück. Hoffentlich würde bald der Bescheid des göttlichen Augustus eintreffen! Dann würde sie endlich imstande sein, im Cultus Deorum mitzuwirken und aktive Schritte gegen diese Christen zu unternehmen. Das Übel musste an der Wurzel gepackt werden, wenn nicht, würde es das reich überschwemmen.


    Fanatismus glomm in ihren Augen auf. Religiöser Fanatismus. Stärker als je zuvor. Ein Glanz, den man nicht in den Augen einer solch jungen, amsonsten so netten Frau je vermuten würde.

    Die Entschuldigung wurde akzeptiert. Wenn auch nur mit einem Grollen, welches der Stimme des Flaviers beiwohnte. Irgendwie konnte Romana es sich nicht nehmen lassen, tief in ihrem Inneren den Gedanken zu haben, dass der Flavier es nicht ernst meinte, dass er ihr nur was vormachte. Aber das war ja bei allen so. Manchesmal kam sie sich so vor, als wäre ihr Leben ein einziges Theaterstück mit verflucht miesen Schauspielern.


    Sie schüttelte den Gedanken ab. Sich selbst treu zu bleiben, dachte sie kurz, würde heißen, jedes Wort des Flaviers für bare Münze zu nehmen. Sie wollte nicht in irgendwelche Komplikationen gezogen werden. Frieden mit sich selbst und mit allen anderen um sie war ihr wichtig. Dass sie den Kerl grade vorhin so... plump angepöbelt hatte, war nicht gerade sehr zielgerichtet gewesen. Sie nickte deshalb nur huldvoll, als er ihre Entschuldigung annahm. „Ich danke dir.“, meinte sie knapp und lauschte seinen weiteren Worten.


    Ihr weiteres Reden wurde da und dort mit einer relativ überzogenen Geste erwidert. Ein Seufzen. Ein kläglicher Laut. Ein Ausdruck auf dem Gesicht, der an ein junges Hündchen erinnerte, welches Schläge komplett ungerechtfertigterweise erhalten hatte. Langgezogen waren die wenigen Worte, die seiner Kehle entronnen, und Romana schlief fast das Gesicht ein, als sie dieser langsamen Art zu reden zuhören musste.


    Prima, dass er sie nicht zu etwas zwingen würde. Zu freundlich. Löblich? Sie war etwas erstaunt. Wenn du wüsstest, dachte sie sich und verbiss sich ein Grinsen. Was würde der Mann jetzt noch ausspucken?


    Man höre und staune! Eine Entschuldigung. Generellerer Natur. Eine Entschuldigung, welche sich auf sein Angebot bezog. Sie versuchte sich an einem warmen Lächeln. „Das macht nichts. Wirklich. Es ist schon recht.“, meinte sie und versuchte dabei unbeschwert-fröhlich zu klingen. „Es war halt einfach... eines von diesen Dinge, die halt hie und da passieren.“ Sie zuckte die Achseln. Und blickte ihn an.

    Durus erwiderte nichts auf ihre gemurmelten Worte, aber sie konnte sich vermutlich denken, was e sich dachte. Was für ein Landei! Romana wünschte sich, sie hätte nichts gesagt, aber hie und da fiel es ihr einfach ein bisschen schwer, nicht mit diversen Dingen, die ihr Gehirn beschäftigten, herauszuplatzen.


    Viel angenehmer war es aber, zu hören, dass ihr geschundener Daumen nicht noch weiter würde strapaziert werden. Sie lächelte ihm – und auch, gerechterweise, seinem Schreibsklaven – dankbar zu. „Das ist sehr nett von dir.“, meinte sie ehrlich. „Danke vielmals.“ Die Tafel wurde ihr entnommen, und der arme Teufel von einem Sklaven entschwand.


    Durus nun schien aber nicht mehr zu wissen, über was er sich sonst noch unterhalten könnte. „Also, wenn das alles war...“ Sie erhob sich von ihrem Platz. „Ich bin dir zu Dank verpflichtet, Pontifex.“ Ihr fiel auf, dass der Sklave mit ihrem Getränk noch gar nicht zurückgekehrt war. Er musste die Sache wohl verschwitzt haben. Aber die junge Claudierin war so glücklich, dass die Angelegenheit erledigt war, dass es ihr überhaupt nichts mehr ausmachte, dass sie die Villa Tiberia wohl durstig verlassen würde. „Dann gehe ich jetzt... vale, Tiberius Durus.“

    Sim-Off:

    Ich mach mal hier weiter. ;)


    Der Bart des Mannes war schaurig, aber vielleicht erwartete sich der Händler durch die Zurschaustellung solchen gesichthaares ja mehr Kundenzuwachs? Obwohl die Strategie bei den drei jungen Frauen nicht unbedingt aufzugehen schien. Nur Vera schien noch angezogen zu sein. Ein Ruf von ihr veranlasste Romana dazu, sich abermals umzudrehen und ein paar schnelle Schritte auf den germanischen Stand hinzumachen, und sich hinter Vera aufzustellen.


    Es war tatsächlich Bernstein, was der Mann anbot. Vera deutete auf ein besonders großes Exemplar, in dem sich erstaunlicherweise eine Blume befand. Romana beäugte den Stein mit einer Mischung von Ehrfurcht und Argwohn. Der Bernstein war so groß wie sonst keiner, den sie je gesehen hatte. Und die Objekte, die darin und in anderen Bernsteinen eingeschlossen waren, waren durchaus eines Blickes wert. „Uh, schau mal...“, meinte Romana etwas angeekelt, als sie die Bernsteine neben Veras bernstein sah – einige Exemplare, in denen Fliegen, Bienen und – ach, ihr Götter – Spinnen steckten. Sie trat zurück. „Äh... nicht schlecht...“, meinte sie unsicher. Angezogen war sie von den germanischen Sachen nicht, aber es war ja nicht sie, die ein Hochzeitsgeschenk kaufen wollte. Es war Arvinia.


    Sie blickte unsicher auf die Flavierin, und dann auf die Tiberierin. „Gut, ich denke, wir können mal nachsehen. Aber vielleicht will Tiberia Arvinia ja nochmals schauen, was der Germane im Angebot hat?“, fragte sie und blickte zu eben der hin. „Was denkst du, werte Tiberia? Germane oder Araber? Beide haben sicherlich schöne Sachen.“

    Der Mann vor ihr sackte zusammen, als sie ihn anfuhr. Fast konnte man meinen, ihm würden durch ihre Rede sich ihm die Haare aufstellen. ;) Aber vermutlich war der gescheiterte Künstler vor ihm Demütigungen mehr gewohnt als jeder andere Patrizier. Aber wenn sich ein Mensch so dermaßen der Lächerlichkeit preisgab, musste er damit rechnen. Wer den Schaden (in diesem Falle wohl irgendwo im Hirn) hatte, musste für den Spott nicht mehr sorgen. Vielleicht behandelte sie ihn wirklich ungerecht, schoss es ihr durch den Kopf, als sie endete. Vielleicht ging sie zu streng mit einem um, der vermutlich in seiner Kindheit nur verhätschelt worden war. Obwohl, sie hatte eine schöne Kindheit selbst gehabt, sie hatte alles gehabt, was sie brauchte, und auch das meiste bekommen, was sie wollte. Doch sie hatte sich nicht so entwickelt wie der – mit Verlaub zu sagen – Großkotz vor ihr.


    Romana war aber keine grobschlächtige Person, die über Leichen ging. Und deshalb berührte sie irgendwie sein Blick. Entweder war er ein guter Schauspieler, oder er dachte echt, er wäre ungerecht behandelt worden. Vielleicht war sie auch nur einen Zacken zu naiv. Wie dem auch sei, sie war kurz etwas erschrocken und vielleicht auch etwas beschämt, als der Flavier bedrückt zu jammern anfing. Seine knappe Ausdrucksweise und sein tragischer Blick bohrten sich ihr irgendwie ein.


    Ihre Schultern sanken um ein paar kaum spürbare Millimeter ab. Ihr tat der Kerl irgendwie Leid in seiner Verblendung, und sie konnte ihm irgendwie nicht mehr böse sein. „Schau, Flavius Piso. Es tut mir Leid. Echt.“, sagte sie und machte eine beschwichtigende Handbewegung. „Ich hätte es nicht sagen sollen. Ich weiß nicht, was ich mir gedacht hatte.“ Das dachte sie wirklich, sie hatte vorhin etwas sehr Stupides gesagt. Doch zurücknehmen konnte sie es nicht mehr. Ja, das Wort „Überreaktion“ war vielleicht angemessen, um ihr Handeln zu beschreiben. „Aber ehrlich. Ich kann dir deinen Wunsch nicht erfüllen. Es war wirklich nett von dir, dass du gesagt hast, ich habe eine gute Stimme, und es schmeichelt mich, das du mich ausgesucht hast. Aber ich kann es einfach nicht. Verstehst du, ich will Vestalin werden. Dazu brauche ich einen tadellosen Ruf.“ Sie blickte ihn so warm wie möglich in ihrem noch immer etwas agitierten, vor allem irritierten, Zustand. „Ich kann mich nicht als Gauklerin betätigen. Und ich will es auch nicht. Bitte, akzeptiere das. Ich wäre dir zu Dank verpflichtet.“, brachte sie raus. Wenn sie ihm honigsüße Worte um den Mund schmierte, konnte sie sich vielleicht noch elegant aus der Affäre ziehen.


    Fragend blickte sie ihn an. Hatte sie ihn überzeugen können? Ihr Götter, am Ende habe ich jetzt eine Kluft zwischen den Flaviern und den Claudiern aufgerissen, dachte sie sich und ihre Augen zuckten schnell gen Himmel, bevor sie wieder ihren Blick sanft auf den Flavier richtete.

    Es war direkt witzig anzusehen, wie dem Flavier sein dämliches Grinsen verging, als die junge Claudier ihm eine Gardinenpredigt hielt. Gut, vielleicht war es diplomatisch unklug gewesen, Piso so direkt vor dem Kopf zu stoßen, aber sie selber war, wie sie es selber zugeben musste, eine sehr direkte Person mit wenig Sinn für subtile, unterschwellige Angriffe, oder Ablehnungen, die innerhalb des weiblichen Patriziats so gang und gäbe waren. Sie bevorzugte es, ihre Gesprächspartner, wer auch immer diese sein mochten, wissen zu lassen, woran sie bei ihr waren. Romana war keine Lügnerin, selbst weißen Lügen (die sie vielleicht hier aus der Affäre gezogen hätten) konnte sie wenig abgewinnen. Sie fand solche Umgangsformen unter ihrem Niveau. Eine Lüge war für die streng gläubige Romana immer eine Sünde, ebenso wie nicht ausgesprochene Wahrheiten.


    Doch, so ungeschickt ihre Ablehnung vielleicht gewesen war - obwohl der Flavier sich nichts anderes hätte erwarten können, denn welche Patrizierin vermarktet sich schon? – so inakzeptabel war seine Antwort daraus. Ihre Augen quollen schier über, als sie die Unflätigkeiten hörte, die dem Flavier aus dem Mund hervorkamen. Sie verrieten ein aufgeblähtes Ego, das durch ihre Ablehnung empfindlich geschädigt wurde. So künstlerisch sensibel sich Piso noch vor einer Minute gegeben hatte, so unkund und ungehobelt klangen seine Worte nun. Und am Ende drehte er ihr sogar den Rücken zu!


    Romana konnte es nicht glauben. Sie vermutete, Piso erwarte eine Antwort von ihr. Allerdings kam ihr kein laut über die Lippen. Sie musste sich innerlich sammeln.


    Fast aber hätte sich ihr Entsetzen in kreischendes Lachen verwandelt, als der junge Mann sich tatsächlich erdreistete, sich umzudrehen und sie zu fragen, ob sie doch annehmen würde. Sie stand noch immer auf ihrem Platz und starrte den Kerl an.


    Dann öffnete sich ihr Mund. „Du wagst es noch, dies zu fragen? Noch nie bin ich in meinem Leben so behandelt worden... halt.“ Sie dachte kurz intensiv nach, ihre Augen kniff sie zu, der Mund bewegte sich lautlos vor sich hin, ohne dass sie einen Laut von sich gab. Dann öffnete sie die Augen wieder und gab Piso einen eisigen Blick. „Vielleicht nicht die schlimmste Behandlung seit jeher.“ Ihre Augen glommen voller Frust. „Aber sicher gehört dies zu den untersten Fünf.“ Sie verschränkte ihre Arme. Die alte, resolute Romana, die sich sicherlich nie von solchen Leuten unterkriegen lassen würde, kam an die Oberfläche, und blickte den Flavier schnöde an.


    „Meine Antwort lautetet nein. Ist das deutlich genug?“ Wieder einmal war diese Ansage weder diplomatisch noch elegant, aber dafür effektiv und, vor allem, sehr klar. „Ich werde nicht meinen Ruf aufs Spiel setzen, damit du vielleicht ein paar Bröckchen Ruhm erntest. Und, noch etwas, zur Information. Ich werde sicher nicht heiraten. Und zwar wegen Männern wie dir.“ Gut, das war sehr tief. Unter der Gürtellinie. Als Romana das bewusst wurde, zwang sie sich dazu, ihren Mund zu halten, bevor sie einen Bürgerkrieg auslöste.


    Sie atmete aus und sah dann zu Piso hin. „Es tut mir Leid.“, machte sie in einem versöhnlicheren Tonfall. „Aber ich kann nicht. Es ist nicht möglich.“ Sie schüttelte während diesen Worten suggestiv ihren Kopf.

    Durus nahm die Tafel entgegen und las sie durch, genau so schnell und mit geübtem Auge, wie er vorher die Einverständniserklärung ihres Vaters gelesen hatte. Sie vermeinte in seinen Augen einen Anflug von Respekt für ihre Fähigkeit zu schreiben zu erkennen. Ja, sie hatte Glück gehabt, dass ihr Vater weder Mühen noch Kosten gescheut hatte, in die Bildung seiner Kinder zu investieren. Zudem hatte sie schon einiges an Schreibübung.


    Es freute sie, als er am Ende zu ihr sagte, es wäre alles in Ordnung. Ihr Herzklopfen ließ nach. Ihre Hand, welche vorher an einer Falte ihrer Palla herumgeknetet hatte, wurde ruhig. Ihr Atmen wurde regelmäßig. Es war alles in Ordnung. Bis auf eines, die Anschrift. „Gut, dann werde ich das korrigieren. So eine lange Anschrift...“, murmelte sie. „Und gleich einen „vielfältigen Gruß“. Nun ja, es ist ja der Kaiser.“ Die Worte waren eher an sich selbst als an Durus gerichtet. Sie hielt den Griffel schräg hin und ebnete die oberste Zeile ein. Anschließend fügte sie in ihrer schönsten Kursivschrift „Claudia Romana Imperatori Caesari Augusto Pontifici Maximo salutem plurimum dicit.“ dort ein, wo eben noch die nur sehr kurze Grußformel gestanden war. Außerdem korrigierte sie den Brief noch an einer Stelle, wo sie zwischen „mein“ und „zutiefst“ eine unzulänglich große Leerstelle gelassen hatte.



    Claudia Romana Imperatori Caesari Augusto Pontifici Maximo salutem plurimum dicit.


    Mein Kaiser, ich bin Claudia Romana, Tochter des Senators Claudius Menecrates. Es ist mein zutiefst gehegter Wunsch, der Priesterschaft der Vestalinnen beizutreten, und hoffe, dass du meinen Wunsch verstehst und mich für würdig erachtest, sowie ich dir von der Vision erzählt habe. Hierbei handelt es sich um eine Epiphanie der Göttin Vesta, welche sich am ANTE DIEM IX KAL APR DCCCLIX A.U.C. in Clusium, Provincia Italia, meiner Person gegenüber zutrug. Ich war alleine und habe keine Zeugen. Ich stand damals weder unter dem Einfluss von Weihrauch, Wein oder sonstigem Rauschmittel. In Clusium hielt ich mich damals auf, da ich Zeit bei meinen Großeltern verbrachte.


    Die Göttin erschien mir am Mittag, an einem wolkenverhangenen Tag, als ich durch ein Kornfeld wandelte. Es gab keinerlei Vorzeichen, die mich auf eine Vision vorbereitet hätten. Ich wandte meinen Kopf kurz nach rechts, und als ich wieder nach vorne blickte, saß an einer Stelle am Boden, wo vorher noch nichts gewesen war außer ein paar Weizenhälme, eine große Gestalt, gekleidet wie eine Vestalin. Die Erscheinung strahlte ein Licht aus, deren Farbe nicht zu beschreiben ich imstande bin, und die Aura der Erscheinung war nicht von dieser Welt. Rund um mich verschwamm die Welt zu einer unscharfen Masse. Die Erscheinung richtete einen Blick auf mich, streng und doch zugleich warm; mütterlich. Sie sprach mich mit meinen Namen an und sagte mir, wer sie war. An ihre nächsten Worte kann ich mich klar erinnern.
    „Das heilige Feuer muss beschützt werden, und von allen bist du die Würdigste, dies zu tun. Gehe nach Rom. Gehe zu meinem Tempel. Sieh dazu, dass das Feuer der ewigen Stadt immer erhalten bleibt. Sei mir eine gute Dienerin, Claudia Romana.“
    Diese Worte brannten sich in mein Gedächtnis. Das nächste, an das ich mich erinnere, ist ein Stoß, der aus dem Nirgendwo zu kommen schien, und mich nach hinten warf. Als ich es endlich, nach einiger Zeit, schaffte, mich zu erheben, war die Erscheinung verschwunden, und wo die Göttin vorher gesessen war, erhoben sich hoch die Weizenhalme, als ob nichts geschehen wäre. Und als ich nach oben blickte, sah ich, dass das Wetter sich aufgeklärt hatte und die Sonne wieder auf die Gefilde schien.


    Mein Kaiser, diese Erscheinung hat es mir klar gemacht, dass es mein Schicksal ist, Vestalin zu werden, obwohl ich etwas über dem normalen Alter bin. Ich hoffe, dass du die Wahrheit in meinen Worten siehst, und mich zu einer Dienerin der großen Göttin Vesta erheben wirst.


    Bei meiner Ehre und den Göttern schwöre ich, dass alles, was ich hier beschrieben habe, der Wahrheit entspricht.


    Mögen die Götter dir und dem Imperium stets wohlgesonnen sein,


    Claudia Romana


    Sie legte sie Wachstafel auf ihren Schoß. „Soll ich damit nach Hause gehen und eine Abschrift auf Pergament machen lassen?“ Sie wollte keinen Fehler begehen und lieber blöd fragen, als etwas nicht richtig zu machen. „Und sie dir dann wieder zurückbringen?“

    “Niemand.”, entgegnete Romana schmunzelnd, als der Flavier mit ihr übereinstimmte. Doch als er eine Grimasse zu machen schien und loshustete, dachte sie sich insgeheim, dass es zwei Arten von unkonventionellem Denken und Handeln gibt. Zwar schützte Piso seine Umwelt mit seiner Hand, und doch, machte es einen so hervorragenden Eindruck, wenn man herumhustete? Sie wartete höflich, bis er zu Ende gehustet hatte. „Alles in Ordnung bei dir?“, fragte sie. Wenn das Gespräch auf einer informelleren Basis gelaufen wäre, hätte sie ihm jetzt auf den Rücken geklopft, doch so war ihr das nicht möglich. Und so entstand für ein paar Sekunden eine unangenehme Situation, wo Piso nur hustete und Romana untätig daneben stand.


    Endlich jedoch hörte er auf und fing wieder an zu reden. Seine Worte wirkten seltsam. „Agreabel?“, wiederholte sie verblüfft. „Ein breites Publikum? Ich weiß jetzt nicht recht, wie ich das verstehen sollte.“ Wollte er sie auftreten lassen? Oder was?


    Eine düstere Szene schwirrte ihr durch den Kopf – sie, als leicht bekleidete Gauklerin, vor einer Ansammlung von Leuten, mit nichts an außer ein paar fetzen, leider trällernd, während die werte belegschaft sich am Gedanken, ihr an die Beine oder die Brust zu fassen, ergeilte...


    ...und tatsächlich kam das auch so. Ob sie für ihn singen wollte, kam seine Frage. Sie blickte ihn groß an. Wie? Das konnte er doch nicht ernst meinen. Sie war eine Tochter aus gutem, sehr gutem Hause. Sie war kein peregrines Flittchen, welches für ein paar Sesterzen ihre Haut zu Markte tragen würde.


    Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Weg war das heitere, offene, optimistische Lächeln, welches sie so oft zur Schau trug, besonders Leuten gegenüber, die sie nicht kannte – ja man konnte sagen, hie und da war es eine Maske für ihre wahren Gefühle. Doch sie war nicht sehr strapazierfähig. Ihr Gesichtsausdruck wurde finsterer. Ihre Augenwinkel zogen sich zusammen, ihr Mund verkniff sich.


    „Dieses Angebot ist zutiefst schmeichelhaft und beschämt mich, Flavius.“, brachte sie hervor und riss sich am Riemen. Nur nicht die Fassung verlieren, Romi! Ihre Gesichtszüge glätteten sich, das einzige, was blieb, war der Ausdruck der Verwunderung in ihren Augen. „Es tut mir leid, dass die Leute kein Verständnis für deine... außergewöhnliche Stimme aufbringen.“ Wenn man den Bericht in der Acta so las, konnte man sich nur selber dazu beglückwünschen, dass man noch nie den Flavier singen hören hat.


    „Der Name, den man dir gesagt hat, und an dem ich nicht im Geringsten interessiert bin, wird das selbe sagen wie ich, wenn der Besitzer aus einer anständigen Familie ist. Such dir eine Peregrina, oder eine Sklavin, Flavius. Diese haben vielleicht weniger Bedenken, sich zu einer Gauklerin zu degradieren.“ Sie sprach das Wort „Gauklerin“ mit Verachtung, wie ein Schimpfwort, aus. „Geld habe ich selber.“, sagte sie also unwirsch. „Also. Ich stehe nicht zur Verfügung. Basta.“ Wer Romana kannte, wusste, dass dies ihr letztes Wort war.

    Nein, Romana hätte nie und nimmer damit gerechnet, dem Kaiser selber schreiben zu müssen. Wäre das nicht schön gewesen, wenn der Pontifex das für sie gemacht hätte! Oder hätte die Obervestalin da etwas in die Wege geleitet! Sie nahm sich in jenem Augenblick vor, wenn sie jemals Obervestalin werden würde, würde sie alles dafür tun, um den Weg für begabte Vestalinnenfreiwillige zu ebnen.


    „Ich glaube, du hast schon recht, werter Tiberius. Ich werde einen Brief an ihn schreiben. Vermutlich gefällt dies dem Kaiser mehr als ein unpersönlicher Bericht.“ Sie hoffte die einmal. Wenn nicht, konnte sie sich ihren Traum als Gamsbart auf den Hut stecken, dachte sie sich insgeheim, und musste sich beherrschen, dass sie nicht in Angstschweiß ausbrach. Ichdarfnichtversagen, ichdarfnichtversagen, ichdarfnichtversagen betete eine innere Stimme in einer Litanei herunter. Es ging nun, um es informell auszudrücken, um die Wurst.


    Ein Sklave betrat den Raum. Er hielt eine Tafel und einen Griffel. Beides entnahm ihm Romana. „Ich kann schreiben. Ich... ich werde einfach einmal schauen, was ich schreiben werde. Möge Vesta meine Hand führen...“, meinte sie. Letzteres sagte sie um einiges stiller und vielmehr zu sich selber. Dann begann sie, mit dem Griffel auf die Tabula einzuritzen. Man konnte dort ja jederzeit Formulierungen, die fehl am Platze waren, ausmerzen. Sie musste sich beherrschen, dass ihre Hand nicht zitterte.



    Claudia Romana Imperatori salutem dicit.


    Mein Kaiser, ich bin Claudia Romana, Tochter des Senators Claudius Menecrates. Es ist meinzutiefst gehegter Wunsch, der Priesterschaft der Vestalinnen beizutreten, und hoffe, dass du meinen Wunsch verstehst und mich für würdig erachtest, sowie ich dir von der Vision erzählt habe. Hierbei handelt es sich um eine Epiphanie der Göttin Vesta, welche sich am ANTE DIEM IX KAL APR DCCCLIX A.U.C. in Clusium, Provincia Italia, meiner Person gegenüber zutrug. Ich war alleine und habe keine Zeugen. Ich stand damals weder unter dem Einfluss von Weihrauch, Wein oder sonstigem Rauschmittel. In Clusium hielt ich mich damals auf, da ich Zeit bei meinen Großeltern verbrachte.


    Die Göttin erschien mir am Mittag, an einem wolkenverhangenen Tag, als ich durch ein Kornfeld wandelte. Es gab keinerlei Vorzeichen, die mich auf eine Vision vorbereitet hätten. Ich wandte meinen Kopf kurz nach rechts, und als ich wieder nach vorne blickte, saß an einer Stelle am Boden, wo vorher noch nichts gewesen war außer ein paar Weizenhälme, eine große Gestalt, gekleidet wie eine Vestalin. Die Erscheinung strahlte ein Licht aus, deren Farbe nicht zu beschreiben ich imstande bin, und die Aura der Erscheinung war nicht von dieser Welt. Rund um mich verschwamm die Welt zu einer unscharfen Masse. Die Erscheinung richtete einen Blick auf mich, streng und doch zugleich warm; mütterlich. Sie sprach mich mit meinen Namen an und sagte mir, wer sie war. An ihre nächsten Worte kann ich mich klar erinnern.
    „Das heilige Feuer muss beschützt werden, und von allen bist du die Würdigste, dies zu tun. Gehe nach Rom. Gehe zu meinem Tempel. Sieh dazu, dass das Feuer der ewigen Stadt immer erhalten bleibt. Sei mir eine gute Dienerin, Claudia Romana.“
    Diese Worte brannten sich in mein Gedächtnis. Das nächste, an das ich mich erinnere, ist ein Stoß, der aus dem Nirgendwo zu kommen schien, und mich nach hinten warf. Als ich es endlich, nach einiger Zeit, schaffte, mich zu erheben, war die Erscheinung verschwunden, und wo die Göttin vorher gesessen war, erhoben sich hoch die Weizenhalme, als ob nichts geschehen wäre. Und als ich nach oben blickte, sah ich, dass das Wetter sich aufgeklärt hatte und die Sonne wieder auf die Gefilde schien.


    Mein Kaiser, diese Erscheinung hat es mir klar gemacht, dass es mein Schicksal ist, Vestalin zu werden, obwohl ich etwas über dem normalen Alter bin. Ich hoffe, dass du die Wahrheit in meinen Worten siehst, und mich zu einer Dienerin der großen Göttin Vesta erheben wirst.


    Bei meiner Ehre und den Göttern schwöre ich, dass alles, was ich hier beschrieben habe, der Wahrheit entspricht.


    Mögen die Götter dir und dem Imperium stets wohlgesonnen sein,
    Claudia Romana


    Sie hielt die Tafel dem Pontifex hin. „Ist es so in Ordnung?“, fragte sie.

    Romana blickt ihn leicht schief an und musste in sich hineingrinsen. Mit dieser Ansage konnte man Männer immer wieder außer Gefecht setzen. Zumindest, wenn sie einen Funken Anstand besaßen. „Dann ist es ja gut.“, schnaubte sie ein wenig belustigt aus. Irgendwie amüsierte sie der Kerl. War es seine, wie sollte sie das ausdrücken, Albernheit? Seine absolute Unfähigkeit, so zu agieren, wie es seinem Stande angemessen wäre? Irgendetwas an ihm zog sie an, und stieß sie zur selben Zeit wieder ab. Sie hatte keine Ahnung, ob sie ihn mögen sollte, oder gut beraten wäre, sich von ihm abzuwenden? Im Moment sprach nichts dafür, solch eine drastische Aktion zu unternehmen. Also blieb sie bei ihm und horchte interessiert seine Schwafelei an.


    Als er seinen Wortschwall beendete, lachte sie auf. Der Typ war echt lustig, den sollte man vielleicht an einen Zirkus übergeben. Woher er nur diese ganzen großen Worte hatte? Sie hatte eine gute Ausbildung genossen, doch sie würde niemals im normalen Sprachgebrauch so geschwollen reden. Es musste wohl ein flavisches Syndrom sein, sich so auszudrücken. "Das kann gut und gerne sein, Flavius Piso.“, lächelte sie. „Wer mit dem Strom schwimmt, ist ein toter Fisch.“ Es war eines ihrer Lieblingssprichwörter. Und sie konnte sich vorstellen, dass auch Piso sicherlich mit diesem Sprichwort etwas anfangen könnte. „Ich habe niemals deinen Geschmack über den deines Sklaven gestellt.“, lachte sie abermals, als er seinen Sklaven anherrschte.


    Auf seine Worte bezüglich sein Vakuum im Kopf und seine Lernkapazitäten gab sie nur ein warmes, unverbindliches Lächeln, welches alles bedeuten konnte, von „Ja, natürlich bist du ein Vollidiot“bis zu „Nein, was bist du doch für ein Witzbold und ein gescheiter Mensch“. Sie kicherte, als er ihre Worte wiederholte. „Genau so.“, meinte sie und lächelte ihm aufmunternd zu, sie wollte ihre Zeit nicht mit Lehrstunden verschwenden und zudem dem Flavier das Gefühl geben, etwas richtig gemacht zu haben.


    Als er sagte, sie habe eine interessante Familiengeschichte, wusste sie nicht recht, ob sie lachen solle oder verwundert dreinschauen. Sie entschloss sich, unverfänglich zu reagieren und verhalten zu lächeln. „Ich weiß.“, meinte sie nur


    Seinen Kommentar, was ihre Stimme anging, hörte sie mit Erstaunen. „Das heißt also, meine Stimme ist gut für den Pöbel, die normalen Menschen?“ Sie runzelte ihre Augenbrauen. „Also, schönere Komplimente hat man mir auch schon gemacht.“ Romana verschränkte die Arme vor ihrer Brust. „Was willst du damit sagen, dass ich in schöngeistigeren Kriesen nichts verloren habe?“ Eine Sekunde überlegte sie, dann ließ sie den Kopf sinken. „Ach, du hast sicher recht. Du hast nur durch die Blume ausgedrückt, dass ich als Sängerin nichts tauge. Tut mir Leid.“, meinte sie bedrückt.


    Umso überraschter war sie, als er ihr einen Zettel unvermutet in die Hand drückte. Noten lesen? Sie blickte auf das Stück Pergament und sah sich mit zugekniffenen Augen die griechischen Buchstaben an. Sie sagten ihr nichts. Sie konnte sie zwar lesen, doch hatte sie keine Ahnung, was sie in diesem Zusammenhang bedeuteten.


    “Äh, lass mich mal versuchen.“, machte sie nichtsdestotrotz. „Mal sehen.“ Sie las sich durch den Text. Er war einigermaßen komisch. Bedrückend. Sie würde einfach auf die Schnelle eine eigene Melodie erfinden müssen.


    Und so begann sie einfach einmal, ganz vorsichtig und langsam:


    "Ich steh' im Regen und warte auf Dich, auf Dich
    Auf allen Wegen erwart' ich nur Dich, immer nur Dich...“


    Sie blickte ihn fragend an. „So in Ordnung?“ Sie blickte auf das Pergament. „Aber jetzt im Ernst. Wieso willst du, dass ich das tue? Wieso singst du das Lied nicht selber? Du kannst es sicher besser als ich.“, meinte sie.

    Sim-Off:

    Juhee! :D


    Durus hörte ihr aufmerksam zu. Sie versuchte, während ihren Ausführungen nicht komplett agitiert zu werden, aber trotzdem war sie ein wenig verunsichert von der Art und der Weise, wie komplett unbeeindruckt sich der Pontifex gab. Dachte er etwa, sie würde lügen? Vielleicht dachte er, Romana wolle sich wichtig machen. Aber dies war nicht der Fall, sie wollte einfach nur zu den Vestalinnen. Wenn er ihr nicht glaubte, dass Vesta nicht versucht hatte, eine Beziehung mit Romana zu errichten, dann war das nur dadurch zu erklären, dass er die Erscheinung nicht miterlebt hatte.


    Als er ihr sein Verständnis ausdrückte, war es nun an Romana, ihn direkt anzusehen. Ihr forschender Blick glitt über seine Gesichtszüge. Ließ sich darin irgendetwas erkennen?


    Durus überlegte laut vor sich hin, Romana horchte zu. Sie ließ ihre Schultern leicht sinken, als es offensichtlich wurde, dass er ihr nichts versprechen konnte. Doch dass er nun, allen Anzeichen zum Trotz, die Bedeutung ihrer Erscheinung ansprach, wurde der Ausdruck in Romanas Blick wieder hoffnungsfroher.


    Was er als Nächstes sagte, ließ ihr einen Schauder über den Rücken fahren. „Ich... die Vision aufschreiben?“, stotterte sie hervor und schluckte. „Sie war so... ich kann es nicht aussprechen! Worte können nicht beschreiben, was ich gesehen habe, ich...“ Sie pausierte und blickte ihn hilflos für einen Moment an. Dann fuhr sie fort, in einem ruhigeren Tonfall: „Gut. Ich werde es versuchen. Ich werde mein Bestes geben.“ Sie würde zwangsläufig nicht alle Nuancen der Geschehnisse in Clusium beschreiben können, doch sie konnte es versuchen.


    „Danke für die Hilfe, Pontifex.“, hörte sie sich sagen. „Aber... wie soll ich das beschreiben? Als direkten Brief an den Kaiser? Oder als allgemeine Beschreibung, gerichtet an niemanden im Speziellen?“, fragte sie. War das ein Aufwand! Aber sie war gewillt, alles zu tun, um sich den frei gewordenen Platz zu sichern.


    Doch war sie nicht ganz sicher, wie sie den Brief formulieren sollte.Vielleicht würde der Kaiser ihn abtun. Sie wusste es nicht. Er würde es aber sicher nicht machen, wenn seine Natur wahrhaftig göttlich war. Die Möglichkeit des Scheiterns war ihr noch nie gekommen, jedoch tat sie sie kurzerhand ab. Sie wusste, Vesta stand auf ihrer Seite. Selbst wenn archaische Riten vollzogen werden müssten, sicher würde sie Vesta zu ihrem Gunsten ausfallen lassen.

    Aufmerksam beobachtete sie, wie Durus ihre Schriftrolle ihr entnahm und sie skeptisch schmökerte. Was würde er wohl sagen? Würden die Worte in ihr seine Zustimmung finden? Gemustert fühlte sie sich dann und wann, als er zu ihr aufblickte. Vermutlich war ein Mann von seiner Statur es nicht gewohnt, Frauen zu begegnen, die ihn überragten. Mit selbstbewussten Gesichtsausdruck blickte sie zurück und erwartete jene Frage, die unweigerlich kommen musste, die sie ja schon erwartete hatte, halb mit Freude, halb mit Furcht. Sie hatte die Ungläubigkeit in den Augen der Vestalin gesehen, als sie ihr ihre Geschichte vorgetragen hatte. Würde Durus ihr glauben?


    „Ich weiß, dass normalerwiese das Eintrittsalter für Vestalinnen bei 6 bis 10 Jahren liegt. Aber ich bin für meinen Teil jünger, als ich ausschaue.“ Sie nannte ihm ihr Alter.* „Und ich kann mich an jemenden erinnern, eine Sergierin, die mit 15, oder 16, aufgenommen wurde. Als Waisenkind. Deshalb weiß ich, dass Ausnahmen bei Mädchen, die willig sind, diesen Weg zu begehen, gang und gäbe sind.“ Sie seufzte. „Tiberius Durus, wenn du denkst, dass ich diese Entscheidung spontan und ohne Kenntnisse ihrer Konsequenzen getroffen habe, liegst du falsch.“, meinte sie und richtete sich auf ihrem Stuhl zu voller Höhe auf. „Ich habe es mir gut überlegt. Weißt du, Pontifex... mir ist Vesta erschienen.“ Sie würde es ihm jetzt anvertrauen.


    „In Clusium, wo die Erde den Gestaden der Göttern noch nahe liegt. Ich hatte eine Vision von ihr.“ Ihr entschlossener, fast stechender Blick ließ keine Zweifel daran, dass sie bei jener Vision weder unter dem Einfluss von Alkohol noch von irgendeinem Rauschmittel geschehen war. „Sie hat mich angewiesen, zu den Vestalinnen zu gehen. Und, bei den Göttern, ich will jener himmlischen Entscheidung nicht Lügen strafen.“ Sie versuchte, sich besonders eloquent bei dieser Situation auszudrücken, um nicht den Eindruck von einem einfachen Mädchen, welches nicht wusste, was es wollte, zu erwecken.


    Sim-Off:

    *Will mich da ungern festlegen - am Alter sollte es nicht scheitern. ;)

    Romana blickte von ihrem Stuhl aus auf, als sie einen Mann sich nähern hören konnte. Er war von mittlere Höhe und schon etwas älter, aber er machte einen relativ netten Eindruck. Die Streifen auf der Tunika waren ein eindeutiges Zeugnis seines Standes. Er musste sich gar nicht vorstellen, denn Romana wusste sofort, um wen es sich hierbei handelte.


    Das Lächeln des Mannes, dachte sie sich innerlich, wirkte ein bisschen einstudiert, als ob er stundenlang vor dem klaren Wasser seines Atriums gesessen hätte und hart geübt hätte. Allerdings machte ihn das nicht ihr unsympathisch, nein, sie verstand sehr gut, dass ein Senator äußerlich das Gesicht zu wahren wissen musste. Obwohl sie selber Ehrlichkeit schätzte, wusste sie, dass für den Pontifex solch ein Empfand Routine war und er es sicher gut mit ihr meinte. „Salve, Pontifex.“, erwiderte sie also nur auf seinen Gruß hin. "Dein Sklave hat die Wahrheit gesprochen, ich will Vestalin werden." Das Wort "will" konnte ohne Probleme durch "muss unbedingt" ersetzt werden, dachte sie.


    Etwas Erstaunen schien ihr Wunsch aber auf jeden Fall ihn ihm ausgelöst zu haben. Es war tragisch, dachte sie sich, dass so wenige Mädchen in ihrem Alter nicht mehr diese Laufbahn einschlagen wollten. Auf ihrem Stuhl wandte sie sich ihm zu. „Es scheint in diesem Fall wohl göttliche Bestimmung zu sein.“ Auf ihrem Lippen zeigte sich ein leicht seltsames Lächeln, welches nicht leicht einzuordnen war.


    Sein Angebot überraschte sie positiv. „Das wäre zu nett!“, rief sie freudig aus. „Danke.“ Endlich etwas zu trinken, höchste Zeit war es gewesen. Zwar hätte sie lieber Wasser gehabt, war sie doch Wein nicht wirklich gewohnt, doch sie wollte sein Angebot nicht ausschlagen.


    Sie blickte kurz nach unten. Eng umklammert hielt sie noch immer ihre Schriftrolle. „Dies hier hat mein Vater geschrieben. Es ist für dich, Pontifex. Es ist an dein Officium in der Regia adressiert, aber das macht hoffentlich nichts aus.“ Sie öffnete die Hand und hielt ihm das Schriftstück entgegen. „Hier, Pontifex. Dieser Brief beweist, dass ich das Einverständnis meines Vaters habe.“



    Ad
    Pontifex pro magistro
    Manius Tiberius Durus
    Regia
    Roma



    Ich betrachte es als Ehre, wenn meine Tochter Romana Aufnahme bei den Vestalinnen findet und unterstütze dieses Vorhaben mit ganzer Kraft.


    Vale
    H. Claudius Menecrates