“Verdünnten Wein, sicher. Also, zweimal verdünnten Wein, Calliope“, gab sie an die Sklavin weiter, nur im Falle, dass diese sie nicht gehört hatte. Die Sklavin verbeugte sich tief und eilte von dannen, während Romana sich wieder Prisca zuwandte. Sie lächelte leicht, als Prisca erfreut schien, dass wenigstens Romana nicht unter der Todeswelle, die wohl im Patriziat umging, zu leiden hatte – bisher noch nicht, denn Romana wusste noch nichts darüber, dass der Tod ihrer Schwester Livilla vor der Türe stand. Der Tod war einfach allgegenwärtig. Ihr Lächeln wurde ein wenig breiter, als Prisca das Loblied auf ihren Vater sang. Natürlich konnte die lange Claudierin sich nicht vorstellen, dass die Aurelierin ihren Vater gut kannte, schließlich hatte ihr Vater eine lange Zeit die Gesellschaft vom Umfeld des toten Corvinus gescheut. Aber trotzdem war es nett, solche Worte zu hören. Es zeugte von Respekt gegenüber ihrer Familie, und Romana, die, wie wohl jede Patrizierin in Rom, insgeheim im Glauben lebte, der besten Gens anzugehören, gefiel das. Der Wein wurde eingeschenkt, und Romana nippte unkonzentriert daran.
Pietätvoll schwieg Romana, als Prisca davon jammerte, wie schwer ihr Los war, und nickte nur dann und wann gravitätsschwer. Romana konnte sich kaum noch an ihre Onkel Vitulus und Constantius erinnern, aber hätte sie sie besser gekannt, hätte sie sicher dieselbe Trauer empfunden. Sie stellte sich vor, wie es wäre, einen ihrer Brüder oder Cousins zu verlieren, sicher wäre das schlimm! Es gab wohl nicht viel, was Romana hinzufügen konnte, außer ein freundliches, aufmunterndes Gesicht zu versuchen. Oder doch! Kurz war Romana unentschlossen, aber Prisca würde es so und so rausfinden.
“Ich bin, um ehrlich zu sein, involviert in die Angelegenheit, denn ich bin Teil der Inquisitio Pontificium, die dem auf den Grund gehen wird, was bei der Nemoralia passiert ist“, teilte sie also mit, schon ein wenig gespannt auf die Reaktion.
Auf ihre Lippen stahl sich ein leichtes Lächeln, als Prisca auf Narcissa zu sprechen kam. Sie konnte wohl nur schwerlich verstecken, dass sie Narcissa mochte – schon alleine deshalb, weil sie sie nach ihrem Ausbruch religiöser Inbrunst nicht als komplette Spinnerin abgestempelt hatte – und es wohl gerne sehen würde, wäre sie Vestalin. Und was nun? Ah, Romana hatte gar nicht gewusst, dass Narcissa eine Schwester hatte. Aber das war wohl nicht das Interessante – es schien so zu sein, dass dieser Orestes gestorben war! Romana konnte sich noch erinnern, wie sich Narcissa beklagt hatte, dass sich ihr Bruder nicht um sie kümmerte. Und tja, es war wohl nun so, dass er nun gestorben war. Es musste ein Leiden sein. Kurz fühlte sie ein wenig Schuldbewusstsein in ihr, denn es hatte wohl tiefere Gründe gehabt, dass er seinen Pflichten nicht nachgegangen war, als die insgeheim von Romana unterstellte Pflichtvergessenheit. Nun ja. Die Vestalin richtete sich schon eine bedrückte Miene zurecht, da hörte sie den Ausdruck Blümchen. Ihr trauernder Gesichtsausdruck wandte sich in einen verständnislosen. “Höh?“, machte sie ein wenig zu barsch, bevor sie sich ihrer Erziehung erinnerte. “Blümchen?“, setzte sie also gerunzelter Stirn weitaus seriöser nach.
Das Gespräch steuerte in eine Richtung, die Romana immer seltsamer vorkam. Blumen? Nun, Romana mochte Blumen. Aber das konnte man falsch auslegen. Der Claudierin wurde immer ein wenig schlecht beim Anblick von abgeschnittenen Blumen, die man in eine Vase gesteckt hatte. Sie hatten etwas von Leichen an sich, schließlich waren sie ihres Lebens beraubt. Nein, Romana liebte es, Blumen zu züchten. Und nicht nur Blumen, sie mochte das Gärtnern allgemein. Sie würde mit genau so großer Freude Stangenbohnen und Sellerie züchten wie wertvolle Blumen aus dem Orient – tatsächlich besaß Romana eine Getreidelatifundie, und zu den seltenen Anlässen, wo sie da war, fand sie so viel Freude am Wachsen des Weizens wie am Wachsen der Rosen im Garten im Atrium des Atrium Vestae. Ja, Romana wäre wohl eine ausgezeichnete Bäuerin geworden. Wenn sie denn nicht Vestalin wäre.
In ihren Augen funkelte also ausdrückliche Neugierde auf, als Prisca die Blumen ihres Onkels erwähnte. “Das heißt, er hat Blumen gezüchtet?“, inquirierte sie. “Das ist ja interessant...“