Beiträge von Claudia Romana

    Romana lächelte mütterlich. Wahr, sie war nicht um viel älter als Serrana, aber sie war trotzdem die mit mehr Lebenserfahrung. Und sie war die mit dem höheren Rang in der Gesellschaft.


    “Es ist ganz natürlich, wenn du dir über etwas Sorgen machst. Sorgen sind ganz normal. Aber du hast recht, zuviele sind nicht gut.“ Sie hatte das Gefühl, dass sie das Problem nicht löste, sondern nur wiederholte. Vielleicht brauchte Serrana Verständnis ja nun mehr als einen konkreten Vorschlag? Es könnte sein. Und trotzdem ärgerte es die praktisch veranlagte Romana tief in ihr drinnen, dass sie keinen brauchbaren Lösungsansatz hatte. Sie hatte einfach keinen. Serrana müsste an sich arbeiten müssen, es gab keine urplötzliche Schocktherapie und auch keinesofort-Kur für so etwas. Romanas Hände wurden endlich losgelassen, bevor Serrana ihre Hände auf den Bauch legte und somit Romanas Schuldgefühle wieder kurz weckte, schließlich stand Serranas Schwangerschaft mit ihrem Totalversagen – ach, sie sollte nicht drüber denken, sonst wurde sie noch zur totalen Serrana!


    Und dann kam auch noch die Bitte. Romana hatte fast schon mit so etwas gerechnet. Es war nicht so, dass sie nun vor lauter Überraschung hochsprang. Nachdenkend blinzelte sie kurz mit den Augen. “Natürlich darfst du das tun, Serrana. Natürlich. Aber nur hoffe ich, dass ich keinen Feuerdienst habe. Aus einem Türdienst kann ich mich noch herausreden... aber nicht aus einem Feuerdienst. Ich hoffe, du kannst das verstehen. Aber sonst, natürlich. Wenn ich nicht gerade Feuerdienst habe, werde ich kommen.“ Sie lächelte wieder. “Versprochen.“


    Papiria Occia


    “Claudia Romana“, wiederholte Occia den Namen der geforderten Vestalin. Diesen Namen kannte sie sehr wohl, und sie wusste auch, dass Romana ziemlich viele Freundinnen in der Stadt hatte. Nur, war Aurelia Prisca, wie sie sich vorstellte, einer von jenen? Romana würde es wissen. Sofort sollte Romana kommen? Es war dringend? Occia verkniff sich ein Schmunzeln über die kurze Verbeugung der Aurelierin, wobei durch ihr Gesicht etwas weicher wurde, bevor sie nickte. “Ich werde es ihr ausrichten. Bitte gedulde dich.“ Mit diesem Worten machte die Papirierin die Tür zu, denn es ging nicht an, dass Fremde vor geöffneter Tür standen – nicht bei den Vestalinnen!


    Einige Minuten vergingen.


    Dann ging die Türe – tonlos, schließlich war sie gut geölt – wieder auf. In der Türe zeichnete sich die Silhouette einer überaus großen jungen Frau mit langen Locken und einem wallenden hellen Gewand ab. Es war Romana, der der genaue Wortlaut der Botschaft der Aurelierin zugetragen worden war. Aurelia Prisca, den Namen kannte sie, nur war sie sich bezüglich des Gesichts nicht mehr komplett sicher, schließlich war es nun auch schon einige Zeit her, dass sie Prisca getroffen hatte. Immerhin war sie froh, dass sie, laut Occia, Romana gesagt hatte – denn das frischte ihr Gedächtnis insofern auf, als dass sie das letzte Mal wohl ihre Cognomina verwendet hatten. Ja, früher hatte sie den Leuten einfacher ihr Cognomen angeboten als heute...


    Doch Gedanken über das, was war, waren sinnlos. Ja, Romana wusste, was vorgefallen war. Sie hatte es gehört. Dementsprechend ernst gab sie sich.


    “Salve, Prisca. Ich trauere mit dir. Ein schrecklicher Verlust für Rom, den wir alle erleiden müssen“, versuchte sie ein wenig tröstend-fürsorglich zu wirken. “Magst du reinkommen?“ Zumindest ins Vestibulum sollten wohl alle Besucher dürfen, weiter in das Atrium vorzudringen war schon ein wenig heikler, wenn auch nicht explizit verboten. Die Frage, warum Prisca hier war, den verbiss sich Romana – sie würde schon einen Grund haben, und Romana würde ihn früh genug hören!

    Die Übung war zu Ende. Gut für Romana. Die Claudierin war relativ verändert.


    Aam Anfang des Trainings war sie mit einem tadellos weißem Kleid gekommen, dass ihr bis zu den Waden reichte, und wie immer gut durchfrisierten Haaren. Nun aber sah man den Schweiß an ihr, an den Haaren, an der Kleidung, wo sich einige Schweißflecken entwickelt hatten, und auf ihrem Gesicht. Sie trat ebenfalls vor, wie Galeo gerade eben.


    Sie wollte irgendwie ins Balneum und danach ins Bett. Schon alleine, um die blauen Flecken, die sie sich bei Wulfgar abgeholt hatte, auszukurieren.

    Romana nickte langsam und etwas erleichtert. “Danke, Quintus. Wie gut, dass ich auf dich bauen kann“, machte die Claudierin und ließ sich dazu hinreißen, ihren Vetter zu umarmen. “Du bist ein ganz Lieber“, beteuerte sie, als sie ihn knuddelte und wieder von ihm abließ. “Vergewissere dich, dass diese Perserin eine gute, verdiente Strafe bekommt. Wenn nicht, wird bald die Anarchie über uns hereinbrechen. Sklaven müssen wissen, wo ihre Grenzen sind!“, machte sie, als ob Quintus nicht längst schon wüsste, was sie ihm sagte.

    “Werde ich das?“, machte Romana mehr als nur zweifeln. Wie neu geboren? Sie würde sich vermutlich fühlen wie frisch ermordet! Beine enthaaren! Wieso um alles in der Welt hatte sie da nur nicht abgeblockt? Wunderbar, was sollte daran wunderbar sein, dass sie sich nun zu einem Modepüppchen degradieren musste? Scheel blickte sie auf die Perserin, als Musa sie fragte, wie man Frauen in ihrem Land enthaarte, und Morrigan gab eine knappe, aber nichtsdestotrotz sehr grafische Beschreibung.


    Romana war keine Frau, die sich schnell vor etwas fürchtete. Tatsächlich war sie ziemlich couragiert, und sie hatte sich schon oft ihren Ängsten in ihren Leben gestellt. Nur das, das war... gar nicht gut. Während sie ein bisschen bleich wurde, begannen ihren Augen rapide zwischen dem einen Augenwinkel zum anderen zu wandern.


    “Äh... ähm...“ Sie schluckte und trat einen Schritt zurück. “Schön, aber ich... ich... ich habe jetzt gleich Feuerdienst. Jawohl! Ich habe gleich Feuerdienst und muss rechtzeitig im Atrium Vestae sein. Duldet wirklich keinen Aufschub.“ Entschuldigend grinste sie Musa an und blickte zur Tür, bereit, wenn sich jemand in den Weg stellen würde, sich nicht niederkämpfen zu lassen.


    Papiria Occia


    Es war Papiria Occia, eine Vestalin mittleren Alters und die ehemalige Mentrix von Claudia Romana, die Türwache hatte. Natürlich versah jede Vestalin ihren Dienst mit der Hilfe eines guten Buches, und somit war Occia, die schon viele Dienste gemacht hatte, ziemlich belesen. Die Bücher hatten aber nicht zur kompletten Weltfremdheit geführt, denn Occia genoss es, ihre freien Stunden mit den jüngeren Vestalinnen zu verbringen.


    Die Papirierin legte ihren Tiro – sie las gerade die Biographie des Cicero – aus der Hand, als es klopfte. Die plebejische Vestalin erhob sich und ging die paar Schritte zur Türe, um aufzumachen.


    Eine Sklavin stand draußen, und weiter hinten stand eine junge Frau mit dunkler Garderobe. Die Papiria kannte solche Situationen. Es kam öfters mal vor, dass irgendwelche Trauernde hierher kamen und sich beschwerten, weil die Testamente ihnen nicht passten. Sicher, hatte Occia schon gehört, würden die Vestalinnen sie gegen Geld fälschen!


    Aber das würde den Vestalinnen nicht im Traum einfallen. Denn schließlich hatten sie einen Ruf zu verlieren, und zwar einen Ruf, der tadellos war. Wo sonst würde man solche seelische Makellosigkeit finden wie unter den Vestalinnen?


    Occia setzte also vorbeugend einen strengen Blick auf, bevor sie zu reden begann. “Salve. Wie kann ich helfen?“, fragte sie langsam und höflich.

    QUIRITES!


    FÜR DIE WAHL ZUM


    AEDILIS CURULIS


    KANN ES NUR EINEN GEBEN!


    DEN ERFAHRENEN!
    DEN EHRBAREN!
    DEN PATRIOTISCHEN!
    DEN WÜRDIGEN!
    DEN BESTEN!


    HERIUS CLAUDIUS MENECRATES
    DER BESTE KANDIDAT FÜR EIN WÜRDIGES AMT!

    Sim-Off:

    Ja, wo stecken denn nur die ganzen Claudier? Ich für meinen Teil mit Fieber im Bett. Ich sollte gar nicht hier sein. :D



    Die Befehle wurden immer schwieriger. Romana hatte mittlerweile etwas Mühe, mitzuhalten. Man marschierte querfeldein herum. Ihre Füße wurden müde. Doch die Befehle kamen immer wieder, immer schneller. Die Claudierin schnaufte schon ordentlich. Aber sie machte natürlich weiter. Immer weiter. Sie versuchte es einmal.



    Sim-Off:

    Stimmt das hier unten?


    HGEF
    CDBA


    Vermutlich eh nicht. :D

    Als Romana sich schon begann, ernste Sorgen zu machen, gab es einen irgendwie sich befreiend anhörenden Klang von Galeo zu machen, und es dauerte nur eine Sekunde, bis ihr Bruder sich aufrichtete und den Käsewürfel ausspuckte. Er schien nicht gerade erbaut. Worüber er wohl sauer war? Auf das impertinente Käsestück? Oder viel eher auf Mansuri, die ihm das Leben gerettet hatte? Romana trat kurz zu ihm. “Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?“, fragte sie ihn schwesterlich-fürsorglich, bevor sie sich zu Mansuri hinwandte, die Musa fragte, ob sie wegdürfte. Romana fiel nichts besseres ein, als ratlos zu Musa zu schauen. Das war jetzt alles recht sonderbar gewesen, wie gut, dass es gut ausgegangen war!

    Erst, nachdem Romana ihre Gedanken zum Besten gegeben hatte, rückte auch Gracchus mit seiner Meinung heraus. Die Claudierin blickte zum Pontifex, der, krampfhaft bemüht, nicht allzu bewegt zu erscheinen, Celerina zu verteidigen schien, auch wenn er nicht abstritt, dass Celerina involviert war. Dennoch brachte er den Vergewaltiger ins Spiel, und Romana fühlte sich kurz an die altmodische Geschichte rund um Lucrecia erinnert, die sich nach ihrer Vergewaltigung durch Tarquinius Suberbus selbst umbrachte. Und gerade obwohl die Geschichte so alt und veraltet war, musste sie doch einen Wahrheitsgehalt haben.


    Tatsächlich aber versuchte Gracchus, die Unschuld seiner Verwandten herauszudeuten. Freilich stand es im Zweifel für den Angeklagten, doch was passierte, wenn die Sache für sich selbst sprach? Sicher würde es Durus wissen, welcher auch sogleich etwas erwiderte – es würde schwierig sein, herauszufinden, was genau passiert war. Vielleicht, vielleicht, oder auch nicht. Staatliche Entsühnungsmaßnahmen verstanden sich von selber, aber die nächste Idee kam bei Romana durchaus an. Eine Kommission also, die dem Verbrechen auf die Spur gehen würde. Vielleicht würde ja wirklich herauskommen, dass Celerina unschuldig war? Denn wie eine Frevlerin war sie der groß gewachsenen Vestalin, wie gesagt, nicht vorgekommen.


    Sie wartete ab, bis Durus zu Ende gesprochen hatte, bevor sie wieder ihre Stimme erhob. “Wenn das Collegium Pontificorum es nicht unangemessen für eine Vestalin findet, einer solchen Kommission anzugehören, würde ich mich gerne dazu bereit melden, ihr anzugehören, denn es erscheint mir sehr wichtig, herauszufinden, was passiert ist. Es könnte uns ein Bild geben, was für Ausmaße dieser Frevel hatte. Ich traue mir die notwendige Objektivität dafür zu.“ Denn dass das bei Gracchus nicht unbedingt so war, hatte er ihrer Meinung nach ja eigentlich schon durch seine Rede bewiesen, in welcher er stellenweise recht emotionale und subjektive Worte – wie untadelig – verwendet hatte für seine Verwandte.

    Romana beäugte angespannt Gallus dabei, wie dieser fleißig nach den Vorgaben ihres Vater lief. Ja, das sah gut aus. Und er kam offenbar dort zu stehen, wo es ihr Vater beabsichtigt hatte. Undn nun wurden sie durch die Gegend gescheucht. Romana blickte dem riesigen Germanen auf den uninteressanten Rücken, als sie zusammen mit dem Rest ihrer undisziplinierten Gruppe weiterlief.


    Sim-Off:

    Wir stehen auf 22 und schauen gen 32, wenn ich die Sache richtig verstanden habe.

    Romana wurde in ihren langatmigen Erklärungen unterbrochen, als Musa plötzlich auffuhr und herumzukommandieren begann. Romana wäre fast hintüber von ihrer Kline gefallen, so wie in den guten alten Zeiten in der Casa Iunia, und Galeo schien ein Käsestück in die falsche Röhre bekommen zu haben.


    Die Claudierin setzte sich auf und entstieg der Kline, um Galeo mit dem Käse zu helfen, da war auch schon die Sklavin Mansuri zur Stelle. Sie klopfte ihm auf den Rücken, aber wirklich helfen tat das nicht. Im Gegenteil, was Romana hörte, ließ ihr einen kalten Schauer über den Rücken sich ergießen lassen. Musa, die Auslöserin dieses Fiaskos, ignorierend stürzte sie auf ihren Bruder zu, als dieser bereits von Mansuri einer enorm brachialen Behandlung unterzogen wurde. “Galeo!“, rief sie, wagte aber nicht, ihn anzufassen.

    Noch immer weiß im Gesicht vor Wut, sah Romana den Sklavinnen dbei zu, wie sie abhauten, und wandte ihren Blick zu Lepidus. Sie hatte schon erwartet, dass ihr Vetter sauer auf sie wäre. Schließlich begann dieser zu sprechen, kaum dass die Türe hinter ihnen zugegangen war. Was sie aber nun hörte, erstaunte sie ein wenig. Liebste Romana? Kam jetzt ein Heiratsantrag, dachte sie sich leicht albern. Was er sagte, klang aber vernünftig.


    “Danke. Das wäre viel wert“, machte sie und nickte, bevor sie nachdenkend ihre Lippen aneinander reibte. “Quintus... bist du mir böse, dass ich vor der Bestrafung nicht deine Erlaubnis eingeholt habe? Ich hatte keine Ahnung, wo du bist, und die Bestrafung dafür wollte ich nicht länger auf sich warten lassen.“ Sie redete, als ob sie sich verteidigen müsste, aber freilich wusste sie, dass Lepidus ihr wohl nicht übel nehmen würde. Wenn Parthenope einmal so frech zu ihm wäre – was sie sich aber kaum vorstellen konnte – dann würde er ohne Zweifel sie auch bestrafen dürfen, wie er es als geeignet ansah.

    Es gab nicht viel auf der Welt, was Romana so dermaßen die Sprache verschlagen konnte, dass ihre Nase ganz weiß anlief. Ein Beispiel wäre ein offensichtlicher, ganz grässlicher Bruch der Pax Deorum. Wie nun in diesem Falle. Entsetzt blickte sie auf ihre Sitznachbarin. Aurelius Corvinus und Flavia Celerina. Zu beiden Namen konnte sie ein Gesicht zuordnen. Der Aurelius hatte schließlich ihre Priesterinnenprüfung damals abgenommen, und Celerina hatte sie bei der Vestalia dieses Jahres kennen gelernt. Es schien unglaublich zu sein, dass Celerina die Verursacherin eines solchen Frevels war. So kannte sie sie gar nicht! Sie schwieg noch immer fassungslos, während sie ihre Gedanken weiterspann. Celerina und Corvinus hatten sich beide umgebracht wegen dieses Frevels. Würden damit die Götter einverstanden sein? Sicher nicht! Die Götter würden Sühne verlangen. Dieser Gedanke schwebte ihr durch den Kopf, bevor sie wieder zu Worten fand. Sie war schließlich als Vestalin Hüterin der Sitte. Wann, wenn nicht in solchen essentiellen Verstößen gegen die Sitte, konnte sie sich zu Wort melden?


    “Pontifex Durus, im Namen meiner Schwesternschaft möchte ich mich für deine Erklärung bedanken. Ganz sicherlich“, begann Romana, nicht allzu erfahren in der Kunst der öffentlichen Rede, aber gewillt, ihr bestes zu geben, “ist es ein großer menschlicher Verlust. Und es ist der Flavia anzurechnen, dass sie aus der Folge ihres Frevels die Konsequenzen zog.“ Warum Corvinus ihr in den Tod gefolgt war, entzog sich ihr. Wahre Liebe vielleicht? Oder das Gefühl, für die Sünde seiner Frau büßen zu müssen. “Und doch dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass die menschliche Tragödie, die ihr Tod darstellt, hier nichts zur Sache tut. Und es wird auch sicherlich nichts bringen, wenn wir den partikulären Fall hier breittreten – und schon gar nicht, wenn, wir die genauen Umstände öffentlich und an jedermann verkünden.“


    Sie blickte aus den Augenwinkeln zum Verwandten der Frevlerin, Gracchus. Was er denken mochte, entschloss sich Romana nicht. “Wir müssen hier eine Entscheidung finden, schnell und ohne unangebrachte Emotionen.“ Sie atmete kurz ein, bevor sie fortfuhr. “Es ist ein großer Verstoß gegen die Pax Deorum geschehen, und es liegt an uns, der Priesterschaft Roms, den Frieden mit den Göttern wieder herzustellen. Vielleicht sollten wir die Götter direkt befragen, was sie benötigen, um den Frieden mit uns wieder herzustellen. Und zwar mittels der sibyllinischen Bücher, oder anderer Einrichtungen zur Befragung der Götter.“ Es war keine sonderlich tolle Rede, fand sie, aber immerhin hatte es wohl ein paar Ideenansätze in den Raum geworfen.

    Der Frevel bei der Nemoralia! Wer hatte nicht davon gehört? Ganz Rom sprach davon. Wer konnte diese Frevlerin gewesen sein? Romana hatte von all jenen, deren Namen gefallen waren, ja Flaminia Cincinnata in Verdacht. Diese Frau, so erzählte man sich, war schon öfters durch ihre extravagante und leichtfertige Art auffällig geworden. Ja, man sagte sich sogar, sie wäre ihrem Mann, dem unglückseligen Senator Ancius Sacerdos, das, was Messalina Claudius gewesen war – es war auch diese Historie, warum sie nie richtig mit den Valeriern warm geworden war, aber das lag jetzt in der fernen geschichte. Im Gegensatz zu dem Nemoralia-Skandal.


    So hatten die Vestalinnen keine Zeit verschwendet, sich auf das Treffen der Pontifices zu begeben. Tiberius Durus würde dort angeblich alles erklären. Na, da war Romana schon gespannt! Neben ihren Vestalinnenschwestern hockte sie sich hin und übte sich am Däumchen Drehen, als sie zu Durus hinschaute. In ihr sträubte sich alles dagegen, zu warten darauf, dass er seine Rede schwang, aber die Höflichkeit gebot es wohl, zu warten, bis Durus dazu kam, die Sitzung formell zu eröffnen.

    Ja, ruhig und gefasst wirkten sie, die Vestalinnen. Nun, schließlich war es ihre Aufgabe, die Würde und Nobilität ihrer Gottheit widerzuspiegeln. Innerlich aber fühlte sich Romana ein wenig niedergeschlagen, als sie die Worte hörte. Natürlich waren Traditionen etwas äußerst Feines, aber das, was die Götter zu sagen hatten, war immer das, was man am Höhsten einstufen musste. Und die Götter schienen wohl nichts sonderlich Neues zu sagen haben. Altes Recht ist gutes Recht... Romana dachte daran, wie man, wie sie in einem Buch über die Republik gelesen hatte, früher jemanden auf offener Straße verprügeln durfte und dafür nur ein paar Asse zahlen musste. Ob das so gut war? Und was wäre Rom unter dem alten Recht, das keine Kaiser vorsah? Aber gut, sie hielt sich zurück. Die Götter mussten Recht haben. Immer.


    Auch wenn sie mit Neugierde verfolgte, wie Durus versuchte, das ganze in eine weniger altväterliche Richtung zu lenken. So liberal kannte sie den alten Tiberier ja gar nicht! Ob es andere Passagen gab, fragte sie sich auch. Neben sich hörte sie leise Lartia Restituta. “Ich Wölfin, ich“, flüsterte sie mit einem Grinsen auf den Lippen. Romana bohrte ihren Zeigefinger in ihren linken Arm. “Reiß dich am Riemen“, mahnte sie leise, konnte sich aber ein amüsiertes Lächeln auch nicht unterdrücken. Sich die von Grund auf harmlose Restituta als Wölfin vorzustellen entbehrte nicht eines gewissen Witzes. Aber nun galt es, zu sehen, was der Quindecemvir weiter von sich geben würde.

    Romana lächelte hilflos. Freilich hatte sie sich Mühe gegeben. Aber trotzdem hatte sie ihre Sachen so gründlich verhaut, dass sich die leicht perfektionistische Claudierin fragte, ob sie sich jemals dafür verzeihen konnte. Vielleicht, indem sie nun das, was kommen würde, so gut wie möglich bewerkstelligen würde.


    Sie nickte. “Das finde ich wirklich. Ja. Und vielleicht solltest du dich ein wenig damit beschäftigen. Mir hat die Lektüre von Seneca und von Zenon durchaus gefallen.“ An und für sich stand Romana ja auch dem Gedankengut der Stoa nahe – außer, es ging um ihre heiß geliebte Religion. Da kannte sie keine Zurückhaltung.


    “Wenn du dir keine Gedanken machen müsstest, wäre es doch umso besser. Aber ich bin mir sicher, dein Kind wird auf dich stolz sein, und zwar auf jeden Fall“, lächelte sie – endlich wieder – und drückte Serranas Hände, die ja immer noch in ihren lagen. “Zusammen stehen wir das durch. Das verspreche ich dir“, sagte sie im Brustton der Überzeugung, auch wenn es sich wohl ein wenig kitschig anhörte. Jedoch glaubte Romana, dass Serrana so etwas brauchte.


    Plötzlich jedoch kam eine Frage. Die Claudia merkte auf. “Sicher. Was wäre dieser Gefallen?“ Hoffentlich nichts Unmachbares!

    Der Hüne vor ihr marschierte vorwärts, was Romana durchaus erleichterte, denn so musste sie nun nicht irgendwie auf ihn Rücksicht nehmen oder so. Sie fühlte sich reichlich dämlich an, wie sie hier nun marschierte. Es war vielleicht in etwa das am wenigsten Damenhafte, was sie sich vorstellen konnte. Was hinter ihr vorging, sah sie nicht, sie verstand nur, dass es ein grauenvolles Gewühl sein musste. Ein Chaos, das lieber mal gar nicht miterleben wollte. Sang da jemand etwa? Dem Reibeisenklang nach zu schließen, musste das ihr großer Bruder sein. Romana unterdrückte, die Augen zu verdrehen. Männer! Apropos Mann, dieser Germane war ihr alles andere als nicht suspekt. Wobei die Gefahr eher von Lepidus ausging, der hinter ihr ging. Aber soweit sie es bisher mitbekommen hatte, hatte jener bisher nichts falsch gemacht. Nun ja, wer nichts tat, machte auch keine Fehler. :D

    Hinter Musa schritt Romana einher, mit all ihrer Beherrschung bemüht, gleichmütig und freundlich zu erscheinen, auch wenn sie am Liebsten ohne großes Federlesen aus dem nächsten Fesnter gesprungen wäre, um dem ganzen zu entfliehen. Oh ihr Götter, warum konnte sie bei manchen Personen einfach nicht nein sagen? Aber nun war sie im Schlamassel drinnen. Ihr Gesicht als freudig erregt zu bezeichnen, wäre nicht nur eine Übertreibung, sondern auf ihr verkniffenes, gezwungenes Grinsen gar nicht zutreffend.
    “Äh...“, machte sie, als Musa sie fragte, was sie zuerst wollte. “Die Beine. Bitte.“ Denn wenn ihre Beine malträtiert werden würden, würde man das unter ihrem lange Vestalinnenkleid nicht sehen. Und vielleicht fiel ihr irgendeine Ausrede ein, wie sie entschwinden konnte, bevor Musa ihr Gesicht in eines verwandeln könnte, dass eher Ähnlichkeit mit einer Hafenlupa als mit einem Mitglied eines der eminentesten Kultgremien Roms hätte.