Beiträge von Claudia Romana

    Romana wurde in ihren Erklärungen unterbrochen, als sich Gallus‘ Gattin einmischte. Nun ja, es war ja auch wirklich ein langweiliges Thema. Romana hätte es kaum angestoßen, hätte sie Gallus nicht danach gefragt.


    “Meine Abende? Entweder bin ich zum Türdienst oder zur Feuerwache eingesetzt, oder aber ich habe frei. Freie Abende verbringe ich oft geruhsam in meinem Zimmer oder aber in der Bibliothek. Manchmal aber haben wir Feste im Atrium Vestae, so unter uns Vestalinnen. Und manchmal gehe ich auch aus. Ich würde sagen, abgesehen von meinem Beruf unterscheidet sich mein Lebensstil nicht sonderlich von dem einer normalen römischen Frau meines Standes.“


    Es gab ja das Klischee, dass die Vestalinnen sich nonnenhaft in ihrem Kämmerchen vergruben uns die ganze Zeit heilig waren. Das stimmte so nicht. Romana hatte wirklich und durchaus ein soziales Leben. Als Musa nach einer etwaigen Erscheiung während ihres Dienstes fragte, veränderte sich Romanas Blick, fast unmerklich. Ihre Augen wurden etwas enger, strenger, ein wenig von ihrem tief in ihr sitzendem Fanatismus schien durch. “Ich würde sagen, dass der Geist der Vesta stets über uns Vestalinnen steht, schließlich repräsentieren wir sie hier auf Erden. Aber eine Erscheinung per se habe ich nicht gehabt, während ich ihr diente“, machte sie, mit besonderer Betonung auf dem letzten Halbsatz.

    Romana schnaufte noch immer, sich an Lepidus festhaltend, als sie den ruhmlosen Kampf zwischen Parthenope und Morrigan betrachtete. Sie verdrehte ihre Augen insgeheim. Ihre Sklavin konnte ja GAR nichts. Sich wieder von ihrem Vetter lösend stöhnte sie leise vor Verzweiflung auf, als Parthenope an die Wand stolperte und von ihrer Gegnerin geholfen werden musste. Ihr Vater fragte Parthenope, wie um alles in der Welt sie so alt werden konnte, eine Frage, die Romana sich auch stellte. Sie musste bisher immer an nette Leute gekommen sein, die es nicht übers Herz brachten, sie angesichts ihrer großen, verträumten Rehaugen für ihre Versäumnisse zu Tode zu bringen.


    Sie schritt eilends in Position, als ihr Vater einen Befehl erteilte, dass sie in Reih und Glied verweilen mussten. Die Sklaven und Familienmitglieder wurden in Position geschoben, woraufhin sie ihr Tunlichstes versuchte, nicht ebenfalls geschubst zu werden.


    Dann wantde sich ihr Blick wieder zu ihrem Vater, der Erklärungen abgab und danach Befehle brüllte. Romana schaltete schnell. Sie wandte sich nach links und setzte einen Schritt nach vorne, hoffend, dass Wulfgar vor ihr auch mitbekommen hatte, was passierte, und sie ihm nicht auf die Ferse steigen würde.

    Romana lächelte über die Freude ihrer Freundin ob ihrer Gratulation. Natürlich dachte Romana auch hie und da drüber nach, wie es wäre, schwanger zu sein. Hmm. Es mochte bei der Geburt in etwa so schlimm sein, als ob man Magenkolik hätte. Was ise ja auch schon gehabt hatte.


    Sie dachte kurz nach. “Ich glaube, es liegt eher am Alkohol. Ja, ich bin mir ziemlich sicher, es liegt am Alkohol. Aber du solltest dich da vielleicht bei einem Arzt erkunden, der weiß das ziemlich sicher besser als ich.“ Sie war ja eher Spezialistin in der hehren Kunst der Religion. Wobei sie dort manchesmal stümperhaft genug vorging, beziehungsweise nicht den Grad der Perfektion erreichend, den sie gerne hätte.


    Als das Gespräch auf den Vescularier kam, war Romanas Gesicht dementsprechend finster. “Ich bin mir sicher, ich habe den Brief durch einen treuen Boten schicken lassen. Andererseits... vielleicht ist er von einem der Schergen des Vescularius aus dem Briefkasten gefischt worden? Es könnte ja sein, dass alle Post an den Kaiser vorher durchgelesen wird. Aber dann müsste der Kaiser doch bemerken, was vorgeht...“ Sie fuhr sich mit ihrer rechten Hand etwas verzweifelt durch ihr wuschelig-lockiges Haar. Als Septima sich etwas näher zu ihr beugte, tat es Romana ihr gleich.


    “Natürlich ist es nur eine Vermutung. Denkst du, ich hätte irgendwelche Scheu davor, besipielsweise zu deinem Onkel Durus zu gehen, hätte ich Beweise für so etwas?“ Wie jeder Römerin lag es auch Romana im Blut, die Gerüchteküche anzuheizen, wobei sie selten so forsch vorging wie heute. “Fakten gibt es keine. Aber ich muss meine eigenen Schlüsse ziehen. Der Kaiser ist ja beseelt vom Genius des Staates. Wieso aber fehlt er dann? Warum lässt er Vescularius auf dem Posten des Stadtpräfekten zurück? Die Antwort kann nur sein, dass etwas ihn davon zurück hält, vernünftig zu urteilen. Und Gift könnte das durchaus sein“, erzählte sie Septima ihre zusammengesponnene Theorie, die eher auf ihrer Ablehnung des Vesculariers fußte als sonst irgendetwas.


    “Ob es wen in Rom gibt? Nun ja, klar. Seine Klienten. Und seine sonstigen Kreaturen. Nicht, dass ich die besonders gut kenne. Ich will sie auch nicht kennen lernen. Und was für Riten wohnt er bei? Doch keinen. Höchstens denen, denen er als Senator unbedingt beiwohnen muss. Wobei ich nicht denke, dass er um das Kultische besonders viel gibt." Sie zuckte die Achseln.

    Als Romana die Peitsche noch immer erzürnt in der Hand hielt, jedoch ihr Blick zu ihrem vetter hinging, stürmte Mansuri zu Morrigan und benahm sich wie eine Glucke einem Küken gegenüber. Romana schnaufte entnervt, und wollte mit einem scharfen Befehl Mansuri befehlen, sich zu entfernen – da fiel Morrigan um. Einfach so. Nach 4 Peitschenhieben! Das war lächerlich, dachte sich die resolute Soldatentochter. Niemand fällt nach 4 Peitschenhieben um! Auch nicht, wenn diese von einer zornigen Romana ausgingen.


    Doch bevor sie daraufhin noch reagieren konnte, brüllte Quintus herum, und zwar in die Richtung von Mansuri. Er sah ziemlich sauer aus. Richtete sich sein Zorn vielleicht auch auf sie, dachte sich Romana? Unmöglich.


    Sie befand es falsch, den beiden zu befehlen, sich zu entfernen. Sie war hier noch nicht fertig. Aber gleichzeitig war sie ebenfalls der Meinung, Herren sollten sich öffentlich, vor Sklaven, nicht streiten.


    Und so wartete sie erst einmal darauf, dass die Sklavinnen sich verzogen, und zwar pronto.

    Romana musste etwas länger überlegen, bevor sie einen Entschluss fällte. “Ich hätte gerne das selbe wie mein Bruder“, machte sie. “Und bitte Mulsum für mich“, fügte sie hinzu, bevor sie sich an Gallus wandte, dem gerade seine bestellten Sachen gereicht wurden.


    “Da fragst du mich? Du solltest einen qualifizierten Juristen fragen!“, lachte sie, bevor sie ernst wurde. “Aber soweit ich es im Gedächtnis habe, sind mehrere Punkte wichtig. Erstens solltest du es ordnungsgemäß unterschreiben. Zweitens solltest du nicht vergessen zu erwähnen, dass du das Testament im Vollbesitz deiner geistigen Kräfte gemacht hast. Drittens solltest du die Lex Iulia et Papia nicht vergessen.“ Kurz dachte sie nach. Dieses Gesetzeswerk, erlassen vom göttlichen Augustus, war ein sehr Wichtiges im Erbrecht von Rom. “Du kannst nur an jemanden innerhalb deiner Gens, soweit nicht allzu weit entfernt verwandt von dir, vererben – oder aber an jemanden, der schon verheiratet ist und Kinder hat. Jemand außerhalb deiner Gens, der von dir etwas erben sollte, und nicht verheiratet ist, bekommt nichts – und wer verheiratet ist, aber keine Kinder hat, nur die Hälfte. Doch es bleiben den jeweiligen Personen 100 Tage, um zu heiraten und Kinder zu kriegen.“ Sie dachte kurz nach. “Ich glaube, so lautete das Gesetz. Du solltest außerhalb deiner Gens also möglichst nichts vererben an unverheiratete und kinderlose Leute.“

    Romana blickte grimmig auf den Rücken der Sklaven, beachtete nicht die schockierten Blicke von Mansuri, nur am Rande fiel ihr auf, dass Morrigan ein Schreien unterdrückte. Nun gut. Das würde schon noch kommen. Klatsch. “Zwei“, bellte sie. Klatsch. “Drei.“[/color] Klatsch. [b]“Vier“ Sie erhob wieder ihre Peitsche, nur um innezuhalten. Sie hörte wen. Es war ihr Vetter, Quintus Claudius Lepidus. Wer hier war, fragte er. Romana hielt in ihrem Peitschen inne. “Mansuri, öffne deinem Herrn die Türe!“, befahl sie.


    Als die Türe dann offen stand, blickte Romana, noch immer mit der Peitsche in der Hand, Lepidus an. “Wer hier ist, Quintus? Ich, eine Sklavin, die mich als – ich zitiere – verdammte Hure bezeichnet hat, und eine andere, die es scheinbar gut findet, zuzusehen.“ Sie umfasste die Peitsche noch ein wenig fester.


    “Ich muss sie bestrafen, Quintus. Ich kann und werde es nicht zulassen, dass man mich so bezeichnet, und dass uns, den Claudiern, die Sklaven auf der Nase herumtanzen!“ Wut glühte in ihren Augen fast so heftig auf wie ihre häufigen Anfälle von religiöser Inbrunst.

    Romana lächelte. “Weil ich dir dann gratulieren muss. Meinen herzlichen Glückwunsch, Septima! Und auch an deinen Gatten!“ In ihrem Gedächtnis versuchte sie, das Gesicht des Aurelius Ursus zu rekonstruieren. Sie hatte ihn ja bei der Hochzeit gesehen, beziehungsweise der Feier nach der Hochzeit.


    Dass da etwas in Septimas Blick war, entging Romana nicht, aber sie konnte sie keinen Reim darauf machen. Könnte es die Freude der werdenden Mutter sein? Vielleicht. Es war am Besten, sich nicht allzu große Gedanken darob zu machen.


    “Nur solltest du dich dann vielleicht mit dem Mulsum zurückhalten. Ich habe gehört, das tut dem Kind nicht gut“, machte Romana, hoffend, dass man ihr diese Stellungsnahme nicht übel nahm.


    Es kam aber nun eh etwas komplett anderes aufs Parkett. Vesularius!


    “Bei diesem Menschen würde ich mir alles erwarten, aber auch wirklich alles. Und ja, der Knülch hält sich für unverletzlich! Und das scheint er auch zu sein, denn der Kaiser... er hat meinen Brief nicht einmal ignoriert...“ Sie blickte unglücklich drein. “Stell dir vor! Ich, eine Claudia, in der das Blut von Helden, Königen und Kaisern fließt, die eine Vestalin ist und somit unantastbar, habe mich behandeln lassen müssen wie ein Kind, das noch die Bulla trägt! Und natürlich ist er seines Amtes unwürdig! Jeder in Rom weiß es, aber keiner wagt es, dem Tyrann die Stirn zu bieten.“ Sie senkte ihre Stimme. “Ich habe Sorgen um meinen Vater. Den Kaiser, meine ich, nicht meinen leiblichen Vater. Irgendetwas geschieht mit ihm. Es ist nichts Gutes, und sicher steckt Vescularius dahinter. Der Mann vergiftet beim Kaiser vielleicht noch mehr als dessen Seele“, spekulierte sie leise.


    Sie atmete tief ein. “Ich weiß nichts über seinen Werdegang, außer, dass er Legatus Legionis in Illyrien war. Sonst nichts.“ Sie zuckte die Achseln.

    Romana feuerte einen kalten Blick zu Mansuri ab, als diese nicht richtig gehen wollte. “Selbstverständlich kann sie etwas dafür. Aber bitte, wenn du nicht gehen willst, dann schau halt her. Schau, was mit Sklavinnen geschieht, die ihre Herrinnen als verdammte Huren bezeichnen, in aller Öffentlichkeit.“ Morrigan jammerte noch ein wenig, aber die Claudierin, blind vor ungezügelter Wut, hatte keinerlei Intentionen mehr, darauf zu reagieren.


    Sie warf ihren Arm nach hinten, die 9 Enden der Peitsche flogen hinauf, und ließ ihn wuchtig herabschnellen. Klatsch, machte es neunfach auf dem nackten Rücken der Sklavin. “Eins“, machte Romana und hob ihre Hand zu einem neuerlichen Streich.

    Wie sich Romanas Gesichtsausdruck nach Musas beschwingten Ankündigungen änderte? Ein verlegenes, etwas gezwungenes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Einerseits hatte sie kaum Lust, sich von vorn bis unten einkremen zu lassen. Andererseits wollte sie Musa die Freude machen... und war auch wirklich gespannt darauf, wie es war, ein einziges Mal ein herausgeputztes Modepüppchen zu sein. Romana wäre ja durch ihre große und schlanke Gestalt für eine Modelkarriere wie prädestiniert, wenn die Römer dies schon gekannt hätten. Au weia, jetzt konnte sie nicht mehr wirklich nein sagen...


    “Es ist ja eigentlich mein Beruf, wie eine Göttin auszusehen“, wandte Romana ein, schließlich sollten die Vestalinnen ja Vesta auf Erden repräsentieren. Wobei, sie war ja jetzt gerade außer Dienst.


    Ihre Gedanken wurden abgelenkt, als sie sah, was die Sklaven da Köstliches daherbrachten. Natürlich hatte Romana schon gegessen. Aber, wie Gallus schon gesagt hatte, etwas Neckisches ging immer. Mansuri kam und zählte auf, was es gab. Hui, das war mehr als nur eine Zwischenmahlzeit. Wenn es so weiterging, würde Romana noch kugelrund werden. Aber so schnell würde das nicht gehen, dachte sie sich, als sie zu einem Becher Mulsum griff. “Sehr gut gemacht. Nur wer das alles essen will...“, machte sie zu den Sklavinnen, als sie einen winzigen Shcluck vom Mulsum nahm.

    Sklavisch – wie passend – fiel Morrigan vor der Claudia auf die Knie, nur um doch noch festzustellen, dass Romana heute wirklich nicht sanftmütig drauf war. Brav folgte sie ihren Befehlen unter dem unbewegten Blick der Claudia, die entschlossen war, heute Gerechtigkeit zu verteilen.


    Doch bevor sie ihren Arm erheben konnte, um die Peitsche herabsausen zu lassen, hörte sie eine Stimme neben ihr. Es war Mansuri, die Köchin. Romana wandte unwillig ihr Gesicht zu der Ibererin hin. Sie bürgte für sie? Wie?


    Etwas ungläubig verfolgte Romana den Wortwechsel zwischen den beiden Sklavinnen. Ihr Urteil stand schon fest. Sie blickte zu Mansuri. “Das ist nobel von dir. Aus diesem Grund will ich auch dein ungefragtes Eindringen in MEIN Cubiculum verzeihen. Jetzt verschwindest du aber, aber zackig. Ich habe Grund, sie zu bestrafen. Glaube mir. Und jetzt raus hier.“ Sie machte mit der linken Hand eine wegscheuchende Bewegung.


    Nicht, dass Romana nicht Mitleid mit der zitternden, bettelnden Sklavin hatte. Aber sie musste einfach ein Exempel statuieren! Sodass nie wieder jemand sie so schändlich beschimpfen würde. Nie wieder. Der Gedanke an die Unverfrorenheit ließ ihren Anflug von Mitgefühl wieder von einem glühenden Rachegefühl überlagert werden.

    Romana legte ihren Kopf leicht schief, als Serrana antwortete, dass ein Haruspex für sie nicht in Frage käme. Sie rang sich ein Lächeln ab, als die Iunia ihren Vertrauensbeweis erbrachte. Nach all dem hätte sie sich alles erwartet, bloß nicht, dass Serrana ihr irgendwann wieder verzeihen würde. Knapp nickte sie. “Natürlich. Ich werde dir helfen“, bekräftigte sie, bevor sie ihren Blick erschüttert wirkend zu Boden senken ließ. Versagerin, dachte sie sich selbst, sie war eine Versagerin, und Serrana vergab ihr. Sie hatte das nicht verdient. Nicht Romana, die nach Perfektion in ihren religiösen Handlungen strebte, zumindest zumeist.


    Romana seufzte, als Serrana so fatalistisch redete. Aber sie hatte recht. Wenn die Götter ihren Tod wollten, so würde es so geschehen. Aber die Ablehnung eines Gottes musste nicht notwendigerweise ihren Tod bedeuten. Nur... vielleicht. Konnte sein. Mochte sein. Ihren Fehler, dass sie viel zu viel in so eine Leber interpretert hatte, wollte sie nicht noch einmal begehen. Also nickte sie nur. “Gut. Gut.“ Mehr brachte sie nicht heraus. Ihre Hände bewegte sie nicht, sie ließ Serrana diese einfach nur streicheln.


    Ihre nächsten Worte veranlassten Romana dazu, zu seufzen. Schwach? War Serrana schwach? Wenn sie ehrlich war, war die Antwort ja. Serrana war schwach im Vergleich zu ihr, Romana. Serrana war schwach im Vergleich zu ihrer Großmutter. Schwach. Wehrlos. Ohne Widerrede hörte Romana hin. Am Ende atmete sie aus.


    “Das klingt... stoisch.“ Ja, Serranas Worte erinnerten Romana, die selber nicht unbedingt eine Stoikerin war, eher eine Aristotelianerin – dies war der Einfluss ihrer beiden Lehrerinnen Papiria Occia und Hortensia Calpetana – an die Stoa, mit ihrer Betonung der Würde, der Courage und Freiheit von übertriebenen Emotionen.


    “Ich bin sicher, dass dein Kind dich als eine Frau kennen lernt, die kein ängstliches Schaf ist“, versuchte Romana aufmunternd zu sein.

    Der „Optio“ reichte ihr die Hand, und mit schmerzverzerrtem Geischt reichte Romana ihr die ihrige, bevor sie sich hochziehen ließ. Das erste, was sie in ihrer normalen Stehposition, in der sie zwar noch etwas wackelig war, aber jetzt zumindest sicher, sich nichts gebrochen zu haben, hörte, war das Klatschen ihres Bruders. War das sogar eine Verbeugung? Romana war etwas baff.


    “Ich scheine ein Naturtalent zu sein“, murmelte sie zwischen zwei schweren Atemzügen heraus. Dann wandte sie sich zu ihrem Vater ein, der sie beide, Wulfgar und Romana, mit Lob einschüttete. Kampfgeist? Nun ja, den hatte Romana von Natur aus. Taktische Überlegungen hatte Romana eigentlich nicht gehabt, sie hatte eigentlich immer nur feste drauf gehalten. Geschick? Naja, Romana war nicht orientierungslos in der Gegend herumgestolpert. Das schien sich, man höre und staune, halbwegs positiv bei einem Kampf auszuwirken.


    Sie reihte sich ungeschickt wieder ein und schnaufte. “Ich... Quintus...“ Sie lehnte sich bei ihrem Vetter an, konnte ihr schweres Atmen gar nicht mehr stoppen. Für heute würde sie wohl kaum einen Kampf mehr ausfechten können.

    “Ich... ich, ähm...“, gab die überrumpelte Romana zum Besten, bevor sie sich an ihre Kinderstube erinnerte und sittsam nickte. “Danke, Musa“, machte sie artig auf die entschlossene Ankündigung ihrer Schwägerin hin. Innerlich mochte die Aussicht auf die Schminke sie nicht recht freuen. Aber ihre Schwägerin wollte sie nicht unbedingt durch ein Nein vergraulen, und sie selbst war ja schon gespannt irgendwie.


    Bevor sie fortfahren konnte, ließ sich ein gewisses insolentes Geschöpf blicken. Romana warf Morrigan einen grantigen Blick zu, sagte jedoch nichts weiter. Musa hatte wohl einen Befehl für sie. Romana bemerkte Gallus‘ Grinsen und verdrehte die Augen, bevor sie zu ihm gleichfalls zurückgrinste. “Brüderchen, danke für den Rat. Wenn nicht, naja, dann wirst du in den Genuss kommen, deine Schwester eingepappt wie eine Straßengauklerin zu sehn.“ Um nicht zu sagen, wie eine Hure. Aber sie wollte nicht anwesende Schminkeliebhaberinnen beleidigen. Herrje, das Leben war ein Eiertanz.


    Ihr Lächeln wurde aber wieder etwas fröhlicher, als Gallus etwas zum Essen bestellte. Essen war gut. In jeder Lebenslage.

    Herrisch fixierte Romana Morrigan mit ihrem Blick, als diese komplett eingeschüchtert das Seil, dass sie um ihre Tunika trug und sie selber wohl Gürtel nannte, löste und herabfallen ließ. Die Sklavin stotterte einen, nein, zwei Sätze hervor. Nciht nackt vor dem Mann wollte sie sein. Romana ließ ihren Blick zu Diviciacus hinwandern, verharrte dort mit ihrer Kopfposition eine Sekunde, dann nickte sie, nahm ihm die Peitsche ab und bedeutete ihm, den Raum zu verlassen. Der Fleischbrocken setzte sich grummelnd in Bewegung, zur Türe hin.


    Romana derweil deutete mit strengem Gesichtsausdruck mit der Peitsche zu Morrigan hin. “Kein Mann mehr da. Ich werde mich selbst deiner annehmen. Auch kein Problem. Und jetzt zieh dich aus. Ich sage es nicht noch einmal. Ich habe kein Problem damit, dir die Tunika zu ruinieren.“ Derweil riss Diviciacus simultan zu Mansuris Klopfen die Türe auf und starrte sie an. “Hier nix Eintritt“, blaffte er und drängte sich sehr unkavaliermäßig an Mansuri vorbei hinaus, vergaß aber dabei, die Tür zuzumachen. Ein dummer Kelte halt. Romana hatte noch nie was anderes als Verachtung für diese Leute übrig gehabt, auch wenn sie ihnen, die sie alle für gefährliche Druiden hielt, nicht mit der selben Verachtung begegnete wie Orientalen, welche sie als insgeheime Christensympathisanten einstufte.

    Romana blieb, als sie die Worte vernahm, stehen, und blickte verächtlich auf die um Verzeihung heischende Sklavin, bevor sie ihr Haar losließ. “Ja, es war ein Fehler. Und diesen Fehler wirst du ausbaden müssen“, machte sie herzlos. Nein, bei so etwas verstand sie keinen Spaß. Sie musste hier ein Exempel statuieren. Natürlich sollte sie vorher ihren Vetter dazu befragen, aber sie glaubte nicht, dass er in der Villa war – und sie wollte die Bestrafung schnell vollziehen. Lepidus würde sicher mit ihr übereinstimmen.


    “Also. Komm. Mir nach“, machte sie und eilte mit langen Schritten voran, immer darauf bedacht, zu kontrollieren, dass Morrigan auch nachkam. Binnen kurzer Zeit kamen sie zur Villa Claudia.

    Romana durchschritt mit Morrigan die Porta, das Atrium und einen Gang, bevor sie an einer Tür ankamen, die zu jenem Raum führte, wo Romanas Zimmer war. Es war noch immer für sie reserviert, obwohl sie es nicht gerade frequentierte.


    Sie machte die Türe auf und schaute auf Morrigan. “Geh rein!“, befahl sie und stieß hinter ihr die Türe zu.


    Zwei oder drei Minuten später kam sie mit einem muskelbepackten Sklaven wieder zurück. Der Typ hieß Diviciacus und war ein alt gedienter Sklave der Claudier. Er wurde gerne für Bestrafungen von Sklaven eingesetzt. Wie zum Beispiel nun. Diviciacus trug eine Tunika über seinem gestählten Körper und hielt eine sehr grausig aussehende neunschwänzige Katze in seiner rechten Hand, perfekt zum Auspeitschen. “Ausziehen“, befahl Romana herbe. “Und dann gehst du zur Wand und stützt dich daran mit den Händen auf. Alles klar?“ Sie kochte noch immer vor Wut. Wie viele Peitschenhiebe Morrigan heute bekommen würde, wusste sie noch nicht. Wenn es zu viele waren, würde Romana die Sklavin wohl an Lepidus zurückerstatten müssen – aber das kümmerte sie jetzt rein gar nicht.

    “Das wirst du ganz sicher, Sermo“, meinte Romana, so freundlich es ging bei ihrer Konsterniertheit. Sermo hatte sich nicht anmerken lassen, was er von ihren Worten hielt, aber Romana konnte anhand seiner Meinung, dass der Kaiser die Sache nicht mehr im Griff hatte, erahnen, dass er das nicht so sah. Oh, wie naiv Sermo war, dass er sich vom Schein trügen ließ, dachte sich Romana. Der Kaiser wird ihr antworten! Und er wird glorreich, triumphal nach Rom wiederkehren, um die alten Verhältnisse wieder herzustellen, um Valerian aus dem germanischen Exil zu holen, um Salinator in die Wüste zu schicken... er konnte doch nicht einfach die Worte seiner Tochter ignorieren. Das konnte er nicht. Das durfte nicht sein. Durfte, durfte, DURFTE NICHT SEIN.


    “Die Gerechtigkeit wird siegen... durch den Kaiser, der die Quelle der Gerechtigkeit ist!“, gab sie inbrünstig überzeugt von sich. Was in ihren Augen loderte, hatte etwas von fanatischer Glut an sich. Romanas entschlossen funkelnde Augen konnten, wenn sie sich in einen religiösen Wahn hineingesteigert hatte, recht unheimlich wirken. Nicht gerade anmachend, um ehrlich zu sein.


    Vielleicht war es gerade dies, was in Sermo das Abflauen, das Romana ebenso wie sein gesteigertes Interesse an ihrer Person gar nicht bemerkt hatte, bewirkte? Wie dem auch sei, Romana dachte kurz nach, als er ihr das Angebot machte. Dann seufzte sie und schüttelte den Kopf.


    “Es ist sehr, sehr freundlich von dir, mir dieses Angebot zu machen. Das Bad käme mir sehr entgegen. Aber ich fürchte, ich muss wieder los. Ich bin bald eingeteilt für eine Torwache, und es wäre nicht gut, würde ich mich jetzt hier vertratschen. Ich werde, so denke ich, ein kurzes Bad im Balneum des Atrium Vestae nehmen... aber deine Gastfreundlichkeit will ich nicht über alle Maßen in Anspruch nehmen. Aber es hat mich sehr gefreut. Danke. Du hast mir wirklich geholfen.“ Sie lächelte ihm schwach zu.


    “Ich werde jetzt wohl gehen. Mögen die Götter dich beschützen.“ Sie machte sich darauf, aufzustehen, blickte aber vorher noch Sermo an. Hatte er noch was zu sagen?

    Romana sah nur noch Sterne vor ihren Augen, als der Germane sich erhob. Sie sah weder den Rechen, an welchem sich Wulfgar stützte, noch den Bart, durch den er sich beobachtete. Wiederholt musste sie blinzeln, um wieder wenigstens etwas von ihrer Umgebung wahr zu nehmen.


    “Ohhh....“, jammerte sie leise, als sie mit ihren Armen den Boden nach einem geeigneten Stehpunkt abtastete. Sie fand einen, versuchte, sich aufzurichten, jedoch rutschten ihre Hände seitlich weg und ihr Rücken kam wieder auf dem Boden auf. “Ahhhh...“, stöhnte sie, nicht sonderlich laut, als ihr Kreuz sich schmerzhaft meldete. Doch nicht ganz so übel wie ihr Kopf, in dem es hämmerte. Ihr war schlecht. Sie tastete mit ihren Händen an ihren Kopf. “Ahhh...“ Sie konnte von Glück reden, dass sie noch lebte, nachdem dieses Monstrum auf sie raufgesprungen war! Nun, Romana war zäh, so schien es, aber sie konnte trotzdem nicht ausschließen, dass sie sich nicht doch etwas gebrochen hatte. Spürte man es, wenn man eine gebrochene Rippe hatte? Schmerzte dies? Nun ja, ihr ganzer Körper war eine einzige Pein. Sie konnte sich kam noch bewegen vor lauter Schmerzen! War ihr rechter Arm denn auch gebrochen? Sie konnte ihn noch bewegen... aber der Rist schmerzte ihr über alle Maße hinweg. “Hilfe...“, krächzte sie leise, peinlich berührt durch ihre totale und absolute Niederlage.

    Sim-Off:

    Das erste Mal, dass ich mich hierher traue. :D


    Keine Sitzung der Pontifices ohne Vestalinnen. Meistens freilich hielten sie sich bedeckt im Hintergrund und taten wenig, außer hübsch auszusehen. Dieses spezifische Thema aber interessierte vor allem Romana brennend, sodass sie, ganz konträr zu den anderen Diskussionen, wo sie sich bisher um Zurückhaltung bemüht hatte, neugierig nach vorne gebeugt saß, begierig darauf, alles zu hören, was diskutiert wurde.


    Die Relatio von den Septemviri hatte etwas sehr Interessantes, und möglicherweise konnte es eine wahre Revolution des Cultus Deorum mit sich bringen. Nicht, als ob dies relevant für sie, Romana, wäre. Aber es wäre relevant zum Beispiel für Serrana, die vielleicht irgendwann höhere Priesterämter bekleiden könnte. Septemmulier Iunia Serrana? Die Vorstellung war köstlich. Aber nur zu verwirklichen, wenn die Bücher dies so sagten – und Romana vertraute den Quindecemviri, dass sie den Willen der Götter eindeutig erkennen konnten.


    Romana lächelte zu Gracchus und zu Durus hin. Ersterer war ihr, nicht trotz, sondern gerade wegen seiner schrulligen Art sympathisch. Zweiteren schätzte sie über alle Maßen – nein, sie würde nie vergessen, dass er es gewesen war, der ihr auf dem Weg zur Vestalin geholfen hatte.


    Dann wandte sie ihren Blick zu Annaeus. Ein nicht allzu mickriger Senator schon etwas reiferen Alters, mit einem fast schon als vierschrötig zu bezeichnendem Gesicht. Er würde die Ergebnisse vortragen. Romana konnte kaum in Worte fassen, wie gespannt sie schon war.

    Mit einem Klappern fiel der Rechen zu Boden. Der von unten kommende Nudelwalker wurde mit Wulfgars Händen abgebremst, während Romana seinen Kopf durch ein schnelles hastiges Ducken verfehlte und Wulfgar an die Schulter haute. Der Germane schien wirklich Schmerz zu verspüren, auf jeden Fall biss er die Zähne zusammen – und stürzte sich auf sie.


    Die Claudierin sah das massive, muskulöse Ungeheuer auf sie mit einem enormen Satz zuspringen. Ihr stockte das Herz. Sie war nicht mehr rechtzeitig dazu fähig, die Nudelwalker in eine Position zu bringen, wo sie den Körper des Germanens abwehren konnte.


    Ein großer Mensch traf mit Wucht den anderen. Romanas Luft entwich ihren Lungen. Sie keuchte und schwankte wie ein Turm, der von einem Orkan getroffen wurde, und fiel nach hinten, mit Wulfgar noch immer an ihrem Körper. Zuerst kam sie am Hintern am Boden auf, und wurde danach von der Masse an Germane begraben. Die beiden Nudelwalker fielen aus ihren Händen und rollten hinfort. Ein erstickter, zorniger Aufschrei war von der Vestalin zu hören, der wohl signalisierte, dass sie noch am Leben war. Sie begann mit ihren Beinen zu strampeln, in einem hoffnungslosen Versuch, Wulfgar von ihr runterzubringen.