Aristoxenus las die Tafel und machte ein nachdenkliches Gesicht.
Seine Gesichtszüge verdüsterten sich, den hoffnungsvoll fragenden Blicken des blonden Sklaven wich er demonstrativ aus. Er konnte Lycidas Anblick nicht ertragen denn dessen edle Gestalt, das lange, goldene Haar und der Glanz seiner lebhaften blauen Augen irritierten ihn. Tatsächlich war es so das der äußerst religiöse und abergläubische Aristoxenus (praktisch über Nacht) zu der festen Überzeugung gelangt war das es sich bei dem Sklaven Lycidas in Wahrheit nur um eine menschliche Inkarnation des Gottes Apollon handeln konnte, welcher vom Olymp herabgestiegen war um die Herzen und Seelen der sterblichen Menschen zu prüfen und nun war die Reihe an ihm...
Plötzlich befiel Aristoxenus eine innere, irrationale Angst, Verlegenheit und Furcht machte sich überall in seinem Körper breit. Um diese Zeichen der Angst und Schwäche zu verbergen, erhob sich der junge Hellene von seinem Stuhl und kehrte dem lydischen Sklaven seinen Rücken zu. Dann erhob er mit leicht zitternder Stimme das Wort.
Aristoxenus: "W...Wir haben in deinem Fall folgende Möglichkeiten."
"Die erste besteht darin, das ich umgehend einen Kontakt zu deinem Herren herstellen lasse und dann versuche dich ganz legal und im Rahmen der geltenden Gesetzte von Ihm loszukaufen, wobei natürlich immer die Gefahr besteht, das er, falls er ein ausgesprochener Sadist und Gewaltmensch sein sollte, mein Kaufangebot natürlich ausschlagen kann und das alles nur um dich später dann ganz nach Lust und Laune zu Tode quälen zu können."
"Eine zweite Option wäre zum Beispiel die Flucht in eine andere Provinz." "Da dein Herr warscheinlich irgendwann nach dir suchen lassen wird, müsste man ihn eben halt auf eine falsche Fährte locken."
"Man könnte ihm irgendwie vorgaukeln das du von Räubern ermordet, oder von Sklavenhändlern geraubt wurdest." "Das könnte gut funktionieren, aber auch hier besteht die Gefahr das diese Maskerade irgendwann an den Tag kommt und wir uns beide vor Gericht wiedersehen." "Dir droht der Tod durch Kreuzigung und mir eventuell der Verlust meiner Freiheit und die Aussicht jemals Bürger des Reiches zu werden." "Von dem Schimpf und der Schande welche ich damit auch über meine ganze Familie bringen würde wollen wir lieber gar nicht erst reden."
"Eine dritte Option wäre deine Weitervermittlung an eine einflussreiche Person, welche über mehr Macht verfügt als ich und dadurch auch eher in der Lage wäre dich effektiv vor den Gewaltausbrüchen und Nachstellungen deines ehemaligen Dominus zu schützen." "Ich denke da zum Beispiel an einen sehr reichen und überaus erfolgreichen Geschäftsmann und Lokalpolitiker, welcher hier in Alexandria zu den führenden Köpfen der Polis zählt. Sein Name ist Cleonymus, ein großer stattlicher Bursche mit einem furchteinflößenden schwarzen Bart, ihm gehört das Kappeleion Archaon." "Er ist ein kaltblütiger Rechner und Pragmatiker, immer auf seinen Vorteil bedacht, aber er handelt für gewöhnlich nach der Devise "Leben und Leben lassen". "Darüberhinaus ist er kein sadistisches römisches Untier so wie dein Herr Cethegus." Ganz im Gegenteil." "Seine Sklaven behandelt er gut und überaus zuvorkommend, zumindest hatte ich diesen Eindruck als ich bei Ihm zu Gast war." "Auch begeistert er sich für die schönen Künste, sammelt alle möglichen Gemälde und Zierobjekte und er liebt die Musik." "Dich würde er mit Sicherheit wie eines seiner kostbarsten Kristallgläser behandeln und solange du Ihm von Nutzen bist wird er dich auch nicht in die Gosse zurückwerfen und der Rachsucht der Claudier überlassen."
Dreht sich wieder um und sieht dem Lycidas direkt ins Gesicht.
Auf des Leandros hübschen Antlitz spiegeln sich Angst und Sorge.
Was wird Lycidas (alias "Apollon") jetzt wohl von ihm denken?