Nach zwei weiteren Stunden waren die Tische endlich abgebaut und der Großteil der frisch rekrutierten Männer bereits vor die Stadt geführt, wo sie in Reih und Glied sortiert und von den eifrigen Optiones schonmal ordentlich eingenordet wurden. Sermo wandte sich an Anaxímandros, bevor er wieder sein Pferd bestieg. "Wir verbleiben also dabei: Ich kümmere mich um die Ausbildung und ihr stellt die Finanzierung. Sobald ich mit diesen Waschlappen fertig bin, kannst du deine Offiziere schicken und das Kommando übernehmen."
"So ist es", stimmte der Angesprochene noch einmal zu und gab dem Rhomäer dann zum Abschied die Hand. "Viel Erfolg, Rhomäer. Bastet mit dir", wünschte der Grieche und blickte dem Quintilius noch einige Zeit hinterher, als dieser aufsaß und die Agora verließ, um vor die angetretenen Rekruten zu treten. Ein Glück, da waren sie auf einen Schlag hunderte Diebesgesellen, Gauner und Juden los. Anaxímandros war immer wieder von der Dummheit der Rhomäer überrascht.
Sermo war plötzlich ganz mulmig. Er hatte keine Antrittsrede halten müssen, als er seinen Dienst bei der XXII begonnen hatte. Vor seiner Cohorte hatte er gesprochen, aber die war damals ja nicht einmal vollzählig angetreten gewesen. Und jetzt sollte er vor diesen zahlreichen Neulingen eine flammende Rede halten. Zumindest hatte Sermo sich das vorgenommen. Und wenn er das einmal so entschieden hatte, dann wollte er es auch durchziehen. Also zügelte er sein Pferd einige Schritte vor den Rekruten, die in einem großen Block formiert waren. Hier vorn standen auch einige Offiziere, die anderen hatten sich rund um die Rekruten verteilt, damit ja keiner auf die Idee kam, doch noch die Biege zu machen. Außerdem waren da ja noch die Legionäre, die die Rekruten in die Zange genommen hatten. Sermo räusperte sich, richtete sich im Sattel auf und begann dann beinahe brüllend seine Worte loszuwerden, die er sich vorher halbwegs zurechtgelegt hatte. Er sprach Koiné.
"Hört mich an, Männer aus Bubastis! Ich bin Iullus Quintilius Sermo, Ritter des Römischen Reiches und Legionstribun. Heute ist euer Glückstag, denn ihr habt die einmalige Chance ergriffen, euch dem Exercitus Romanus anzuschließen, dem stärksten, gefährlichsten und prachtvollsten Heer, das die Welt je zu Gesicht bekam! In den kommenden Wochen werde ich aus euch Krieger machen, echte Soldaten. Ihr werdet lernen mit dem Schwert und der Lanze umzugehen und ihr werdet lernen den Feinden des Reiches Angst und Schrecken zu bringen. Ihr werdet Tod und Verderben für eure Gegner sein und ihr werdet Ruhm und Ehre ernten."
Nach diesen tollen Verheißungen und Anpreisungen legte Sermo eine Kunstpause ein, holte Atem und setzte dann mit schneidender Stimme seine Rede fort.
"Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg. Auf diesem Weg werde ich euch formen. Ich werde euch bearbeiten wie feuchten Ton, werde euch an die Grenzen eures Kröpers bringen und euch zu wahren Kämpfern machen. Ab jetzt herrschen die Gesetze des Exercitus Romanus, an die ihr euch zu halten habt. Euer Optio hat die Befehlsgewalt, euer Centurio hat die Befehlsgewalt, ich habe die Befehlsgewalt. Und ihr befolgt ab jetzt diese Befehle."
Nach dieser deutlichen Ansage wiederholte Sermo noch einmal seine wunderbare Anpreisung.
"Doch am Ende eurer Ausbildung stehen ein fairer Sold, gesicherte Lebensverhältnisse, die Möglichkeit zu gesellschaftlichem Aufstieg und",
hier grinste Sermo breit, "die Bewunderung der Frauen!"
Nach dieser vermeintlich grandiosen Ansprache gab es allgemeines Gemurmel, hier und dort auch Applaus oder Jubelrufe, aber insgesamt zeigten sich die Rekruten doch recht verhalten. Sie waren sich womöglich nicht so sicher, ob sie den richtigen Schritt getan hatten. Was aber nicht so schlimm war, denn sämtliche Gedanken wurden augenblicklich vom Gebrüll der Offiziere zerstreut, die die Rekruten in eine Reihe trieben, damit sich der Zug von insgesamt genau vierhundertundachtzig Männern in Bewegung setzte. Sermo hingegen fühlte sich miserabel und versuchte so viel frische Luft wie möglich einzuatmen, um seine Übelkeit niederzukämpfen.