Beiträge von Iullus Quintilius Sermo


    "Ich verstehe," kommentierte Sermo die Erläuterungen seines Chefs. Er fragte bezüglich des Praefectus Castrorum erst einmal nicht weiter nach. Letztlich war er müde und hatte keine Lust, jetzt ewig in diesem Officum zu sitzen. Sermo hoffte auf baldige Entspannung in einem wohltuenden Bett.
    "Gut," sagte er dann. "Ich danke dir für die Einweisung. Wenn du es erlaubst, würde ich mich nun erst einmal zurückziehen, meinen Domus begutachten und mich ausruhen, damit ich morgen pünktlich und frisch zu Tagesanbruch meinen Dienst antreten kann." Und mit einem schmalen Schmunzeln fügte er hinzu: "Und, um es direkt der Vorschrift gemäß zu sagen: Erbitte Erlaubnis wegtreten zu dürfen."

    Das erste was der quintilische Tribun im Laufe der nächsten Stunde tat war, sich einen Überblick über seine Einheit zu verschaffen. Ihm war die Führung der zweiten Kohorte übergeben worden. Cleon hatte stapelweise Wachstafeln mit Listen aufgetrieben, die hilfreich sein sollten. Von den Listen war jene über die Mannschaftsstärke natürlich die interessanteste.


    "Nur noch zweihundertundneun Mann Kampfstärke???


    Sermo klappte beinahe die Kinnlade herunter. "Von vierhundertundsiebenundsechzig Soldaten sind zweihundertundachtundfünfzig im Kampf gefallen oder durch schwere Verwundung dauerhaft kampfunfähig geworden," trug Cleon die Zahlen zur Erklärung vor. "Das sind fast...die Hälfte?" Cleon sah seinen Herrn fragend an. Der zuckte nur ahnungslos die Schultern. "Möglich. Egal. Ich muss mit den verbliebenen zweihundert arbeiten, die Toten nützen mir nichts." Angestrengt rieb der Tribun sich die Augen, fuhr sich durchs Gesicht, trank einen Schluck Posca. Noch immer pladderte Regen pausenlos auf das Dach der Principia. Sermo saß hier fest solange es regnete, wenn er nicht gleich eine Erkältung beim Lagerrundgang bekommen wollte. Und das musste er nun wirklich nicht haben, wo er doch gerade erst hier angekommen war.


    "Wie viele Offiziere sind zu ersetzen?" fragte er dann weiter, das Gesicht noch immer in einer Hand vergraben, die Augen zugekniffen. "Von sechs Centuriones ist einer gefallen, ein weiterer hat ein Bein verloren und ist aus dem Dienst ausgeschieden," referierte Cleon weiter. "Des Weiteren sind zwei Optiones gefallen, ein Signifer erlag seinen Wunden im Valetudinarium. Sonst keine Verluste unter den Offizieren oder Unteroffizieren." Damit blickte der Sklave wieder von seiner Tabula auf und legte den Kopf schief, die Augenbrauen argwöhnisch quergestellt, als er seines Herrn in dieser genervt wirkenden Pose ansichtig wurde.


    "Hmhmhm..." brummte selbiger und schaute schließlich auch wieder auf. So saßen beide da, schweigend, einander fixierend. "Hörst du das auch?" rief Sermo dann plötzlich und sprang hastig von seinem Stuhl hoch. Er warf sich seinen Umhang über die Schultern und legte eilig das Cingulum Militare an, das er sich hatte aushändigen lassen. "Wie? Was soll ich hören?" Cleon war verwirrt. Verständnislos glotzte er seinen Herrn an, der wie von der Tarantel gestochen zur Türe marschierte. "Na, dann spann mal die Lauscher auf!" Und schon war der Quintilius zur Türe hinausgeschossen, endlich seinen Wallrundgang anzutreten. Cleon blieb allein zurück und horchte konfus in die Stille hinein.
    DIE STILLE! Natürlich, es regnete nicht mehr, deshalb war sein Herr so schnell rausgelaufen. Der junge Sklave gab sich einen Ruck und sprintete schnell hinter seinem Eigentümer her, bemüht ihn zügig einzuholen.

    Sermo nickte und begann in eben jene angezeigte Richtung zu stapfen, nämlich nach Osten. Sie passierten einen Miles im Wachdienst, der eiligst strammstand, als er den Stabsoffizier und seinen Centurio herankommen sah. Sermo nickte dem Soldaten im Vorbeigehen zu, achtete jedoch nicht weiter darauf. Unter ihnen marschierten einige junge Milites durch den Schlamm, angeführt von einem laut brüllenden Optio, der sie offensichtlich drillte. Sermo hatte mittlerweile fast seinen Eindruck über das ohrenbetäubende Löwengebrüll des Centurio Trebellius revidiert. Wie konnte ein Schinder wie dieser beinharte Veteran nur eine so lächerlich hohe Krächzestimme haben? Er versuchte diesen Eindruck zu verdrängen und sich auf das Sachliche zu beschränken. "Und der südliche Abschnitt? Hat der auch stark nachgelassen?" Er hatte den Eindruck, dass an manchen Stellen des Walls eher unaufmerksame Bautrupps gearbeitet hatten, während andere Abschnitte besser instandgehalten wurden. "Sind bestimmte Centurien zur Instandhaltung eingeteilt, oder wird das je nach Bedarf erledigt? Und woher kommt das Baumaterial?"
    Sie beschritten weiterhin den Wall, überquerten die Porta Principalis Dextra, die zum Glück keine Schäden erlitten hatte und warfen einen Blick auf den vor ihnen liegenden Wallabschnitt. Sermo runzelte die Stirn. Überall war der Graben abgeflacht oder unregelmäßig mit Schlamm versetzt, wo es Erdrutsche gegeben hatte. "Welche Centurien sind zur Zeit ohne besonderen Dienst?" Das Gejaule über schnoddelige Wälle ignorierte Sermo letztlich besten Gewissens.

    Es war der zweite Tag nach seiner Ankunft im Castellum. Sermo nutzte gerade einen Glücksmoment, in dem es zu regnen aufgehört hatte und man auch außerhalb der überdachten Gehsteige vor den Baracken trocken das Lager durchqueren konnte. Sein Ziel waren die Wallanlagen, die er nun einmal komplett abgehen wollte, um sich ein Bild von den regenbedingten Schäden zu machen. Im Schlepptau hatte er seinen Sklaven Issa, den er neuerdings Cleon nannte, und einen Centurio, den er auf dem Exerzierplatz aufgegabelt hatte. Aus Sympathie, weil der Centurio so laut gebrüllt hatte, wie Sermo sich das Gebrüll eines Löwen vorstellte. Der Anblick der entsetzten Tirones - die auffalend wenige gewesen waren, was Valas Bericht bestätigt hatte - war eine Augenweide gewesen. Sie bestiegen den aufgeschütteten Erdwall, wo Sermo zunächst einen Blick auf das Umland warf. Nikopolis lag im westlichen Teil des Nildeltas nicht weit vom Lacus Mareotis entfernt. Man sah wahlweise Wasser, Schilf und Papyrus, oder Wald. Ganz zu schweigen von den Lagercanabae, die vor den Toren des Castellums lagen.


    "Also, Centurio..." Ein hilfesuchender Blick zu Cleon. "Trebellius." "...Trebellius. Wie schlimm sind denn die Wallschäden? Liegt da viel Arbeit vor uns?"

    Auf Sermos bittere Zukunftsvision seines Tribunats folgte eine wesentlich verheißungsvollere Nennung seiner Möglichkeiten, die Vala ihm da präsentierte. Decimus war ein Held und hatte dazu noch einen hoch dekorierten Posten bei den Prätorianern. Ja, das war wirklich erstrebenswert. Aber war die Aussicht auf einen strammen Aufstieg und den vielen Ruhm auch den Preis wert? 'Beinahe umgebracht' klang nicht sonderlich erhebend. Und 'jede Menge Spannung' war ein beschönigender Ausdruck für das, was Sermo sich mittlerweile unter dem Blemmyerfeldzug vorstellte.


    Jedenfalls nickte er zustimmend auf den Hinweis, den Vala weiterhin gab. Den Kopf riskieren, oder nicht. War das hier die Frage? Sermo grinste süffisant, als Vala auf Imperiosus zu sprechen kam. Sitzfleisch oder Schwerthand war hier wohl eher die Frage. "Ähm," machte er dann, als der Duccius plötzlich Anstalten machte sich zu verabschieden. Er erhob sich ebenfalls hastig und erklärte nur hastig: "Morgen, Ecke principalis, praetoria, Essen, klar. Vale, Vala." Und blieb mit dem Wein in der Hand stehen, den Blick noch einen langen Augenblick etwas überfordert auf die bereits geschlossene Tür gerichtet.


    http://img130.imageshack.us/img130/7191/cleonjung.jpg Es war sein Leibsklave, der Sermo schließlich unterbrach. "Dominus?"
    "Iss...Cleon?" Sermo erinnerte sich der Umbenennung, der er seinen Sklaven erst am vorigen Tage unterzogen hatte, wonach er sich nun korrigierte.
    "Komische Freunde hast du," erlaubte jener sich Valas Auftreten - und erst recht dessen Sklaven - zu bewerten. Sermo machte eine wegwerfende Geste und ließ dann auf seinen Stuhl fallen, den zuvor noch der Duccius besetzt gehalten hatte, um dann seinerseits die Füße auf die Tischplatte zu verfrachten. "Puh...ich schätze, ich werde hier demnächst viel Zeit verbringen..."

    Es war noch am selben Tag seiner Ankunft und Einweisung durch den Praefectus Legionis, als Sermo seinen Domus betrat. Im Schlepptau hatte er Issa und zwei Milites, die ihre wenigen Habseligkeiten trugen. Er hieß die Soldaten die Dinge im Eingangsbereich abzulegen und entließ sie mit einem großzügigen Trinkgeld, dann begann er sich in Ruhe umzusehen, während er Issa vorschickte, um die Belegschaft zusammenzutrommeln. Sermo schlenderte gemächlich durch das Atrium, von dem aus drei winzige Cubiculi abzweigten sowie ein kleiner Lagerraum und die Culina, die wie in einem römischen Haus üblich lediglich aus einem schmalen Gang mit Kochzeile bestand. Tablinum und Triclinium dagegen waren etwas geräumiger und boten durchaus genug Platz für einen kleinen Empfang, den er bereits geplant hatte und zu dem die Stabsoffiziere geladen werden sollten. Die ganze Zeit über beherrschte geräuschvolles Plätschern die Kulisse, denn es regnete noch immer in Strömen und das Impluvium war randvoll mit Wasser. Dieser Umstand war jedoch freilich nicht gleich zu sehen, hatte man zwischen den Säulen des Atriums doch schwere Vorhänge aufgespannt, die die kühle Zugluft etwas eindämmen und für einen Hauch von Behaglichkeit sorgen sollten.


    http://img130.imageshack.us/img130/7191/cleonjung.jpg "Herr," zog Issa die Aufmerksamkeit des Quintilius auf sich. "Darf ich dir deine Haussklaven vorstellen?" Er winkte seinen Herrn ins Tablinum, wo ein gepolsterter Korbsessel hinter einem massiven hölzernen Schreibtisch bereitstand. Der Hausherr ließ sich bereitwillig nieder und richtete seinen Blick dann neugierig auf Issa in freudiger Erwartung seines Hauspersonals. Selbiges ließ nicht lange auf sich warten. Insgesamt unterstanden ihm abzüglich Issa nun ganze vier Sklaven.
    "Dies ist Isaak, der Maiordomus." Mehr gab es dazu nicht zu sagen. Es war klar, dass dieser Mann für die Versorgung, Instandhaltung des Hauses und derlei Dinge zuständig war. Außerdem würde die Aufgabe des Ianitors übernehmen und die Fauces auch als Schlafplatz nutzen. Isaak war ein älterer Mann mit dunkler, wettergegerbter Haut, der seinen neuen Hausherrn mit einer ehrerbietigen Verbeugung begrüßte.
    "Kortéssa. Sie ist für den Haushalt zuständig, kocht, wäscht, putzt, und so weiter." Issa deutete auf eine füllige kleine Frau mittleren Alters, die den Blick unterwürfig zu Boden gerichtet hielt. Sie schlief in der Küche, das wusste Sermo, denn konnte man es als Sklave nachts durchaus bei geringer Glut im Ofen ertragen. Sermo nickte fast unmerklich, woraufhin Issa fortfuhr.
    "Simeón, ihr Sohn. Wird dir als Schankbursche und bei sonstigen Hilfsarbeiten bereitstehen." Der Kleine würde wohl neben seiner Mutter auf dem Küchenboden schlafen. Er musste um die zehn oder zwölf Jahre alt sein, stand wie seine Mutter mit gesenktem Haupt da und starrte schüchtern zu Boden. Er war etwas schmächtig, hatte pechschwarzes Haar und schmutzige Füße.
    "Und zu guter Letzt noch Mára. Sie geht den anderen als Magd zur Hand, wo sie kann." Spätestens hier wurde Sermo besonders aufmerksam. Mára war eine junge Magd, ebenfalls sonnengebräunt wie der Rest der Sklaven, und nicht zu schlecht gebaut. Auch wenn sie keine Schönheit sondergleichen war, fand der Hausherr doch sofort Gefallen an ihr. Wo auch immer sie ihren Schlafplatz hatte, Sermo würde dafür sorgen, dass sie gelegentlich auch zu ihm selbst ins Bett kam.
    "Sehr gut. Ihr könnt wieder eurer Arbeit nachgehen." Die Sklaven nickten gefügig und huschten zügig hinaus. Issa sah genauso zufrieden aus wie sein Herr. "Ich denke wir werden es hier durchaus angenehm haben," stellte Sermo schmunzelnd fest und kratzte sich nachdenklich am Kinn. "Weißt du, was mir aufgefallen ist? Die haben allesamt griechische Namen. Du dagegen wirst immer noch 'Issa' gerufen. Ich finde, wir sollten dich den Gegenbenheiten anpassen. Insbesondere im Hinblick auf eine Rückkehr nach Rom, irgendwann. Ich kann da kaum mit einem Leibsklaven auftauchen, der einen barbarischen Namen trägt."
    Issa runzelte missmutig die Stirn. "Ich mag meinen Namen," grummelte er und verschränkte den gebrochenen und den heilen Arm vor der Brust. "Ahja?" Sermo fuhr auf, von der trotzigen Art seines Sklaven ausnahmsweise leicht gereizt. "Interessiert mich nicht! Es geht hier um meinen Ruf! Noch so ein ungehorsames Verhalten und ich hau dich grün und blau, verstanden?"
    Damit hatte der Sklave nun wahrlich nicht gerechnet. Er stand stocksteif da und glotzte seinen Herrn entsetzt an. Auf der Reise hatte er sich an eine gewisse Nähe zu Sermo gewöhnt, einen Grad an Vertrauen, beinahe Freundschaft zu nennen. Aber offenbar war das jetzt alles hinweggefegt, da Sermo als Tribun standesgemäß auftreten musste und sich eine offen sichtbare Freundschaft zu einem Sklaven nicht leisten konnte. Das vermutete Issa zumindest. Dennoch, er besann sich seiner Erziehung in einem ordentlichen Sklavenhaushalt und verbeugte sich demütig zum Zeichen, dass er verstanden hatte.
    "Gut. Du sollst von jetzt an....Cleon heißen. Ja, Cleon klingt gut. Was hälst du davon?" Natürlich war die Frage rhetorischer Natur. "Ausgezeichnet, Dominus." Damit war es fest. Issa hieß von nun an Cleon. So würde er sich gleich auch den anderen Sklaven vorstellen und so würde es sich einbürgern. Toll. Sermo dagegen war in Gedanken schon viel weiter. "Mára soll Waschutensilien vorbereiten, ich fühle mich matschig von der Reise. Und lass mein Bett herrichten, ich bin erschöpft. Achja, und eine Kleinigkeit zu essen. Pronto!" Gesagt, getan. Sermo ließ sich von der jungen Magd ausgiebig waschen, dann aß er und legte sich letztlich in das frisch bezogene Bett, wo er augenblicklich in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel. Erst am nächsten Morgen würde er seinen neuen Arbeitsplatz aufsuchen, wo eine weitere Überraschung auf ihn wartete.

    "Natürlich," bestätigte der Fragesteller den klugen Vortrag des Antwortgebenden und beließ es dabei. Vala hielt ihn offenbar für naiv genug an Krieg ohne Tote zu glauben. So war die Frage zwar nicht gemeint gewesen, aber Sermo war ja nicht als Rechtfertigungstribun hier. "Na wenn das so ist...ich werde dafür sorgen, dass ich ebenfalls in guter Erinnerung bleibe." So hoffte Sermo zumindest zutiefst. Auch wenn er sich insgeheim vor Schiss in die Unterkleider machte, wenn er auch nur an Schlachtgetümmel dachte, in dessen Mitte er womöglich wie dieser als Heroe gefeierte Tribunus Decimus umkommen könnte, so ließ ihn doch sein Stolz und der römische Patriotismus, der einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Erziehung ausgemacht hatte - sein Vater war immerhin selbst Soldat gewesen - einem solchen ruhmreichen Augenblick erwartungsvoll entgegenfiebern. Vala dagegen würde ihn vermutlich nur für lebensmüde halten.


    "In Ordnung. Dann muss ich mir meine Kohorte hier wohl erstmal aus den Resten zusammenkratzen. Lass mich nach deiner Reise wissen, wenn du Hilfe brauchen kannst. Wie es scheint, hält dieses Tribunat erstmal nicht viel Spannendes für mich bereit, wenn es sich weiterhin auf Bauarbeiten und solcherlei Krempel beschränkt." So hatte Sermo sich seine Zeit bei der Legion definitiv nicht vorgestellt, jedenfalls nicht durchgängig. Er war sich dessen bewusst, dass das Legionärsleben zu einem großen Teil daraus bestand, Lager zu errichten - Marschlager, Standlager, Übungslager, was auch immer - oder aber Straßen, Barracken, Ställe aus dem vermeintlichen Wüstenboden zu stampfen. Achja, den Wachdienst natürlich nicht zu vergessen. Sermo konnte sich nicht vorstellen, dass der Dienst hier in Nikopolis ihn zunächst sonderlich fordern sollte. Hätte er zu diesem Zeitpunkt nur schon gewusst, was für Geschehnisse in Italia ihren Lauf genommen hatten...

    Das klang ja nach einer gar nicht so langweiligen Vergangenheit, die Vala da andeutete. Wieso um alles in der Welt war er mit "Sechs Wochen oder mehr, hmhm," brummte Sermo kenntnisnehmend und trank einen weiteren Schluck von diesem guten Wein, den er da angeboten bekommen hatte. Ja, der war wirklich gut.


    "Auseinandergerupft? Wer hat denn da die Kundschafter geführt?" Sermo schüttelte verständnislos den Kopf. Wie konnte denn so etwas passieren? Man musste doch wissen, gegen wen man ins Feld zog. Nicht, dass Sermo jemals schon im Feld ein Kommando geführt hätte, aber das interessierte ihn jetzt doch. Vielleicht wusste Vala ja genaueres.


    "Und gibt es schon ein Konzept, wie wir den Mannschaftsschwund ausgleichen? Du bist ja nun schon etwas hier, hast du mit Artorius darüber gesprochen? Ich wurde dahingehend nämlich noch rein gar nicht instruiert..." Irgendwie nervte Sermo dieser Umstand jetzt schon, auch wenn er irgendwie den Eindruck hatte, dass der Praefectus Legionis vielleicht bei seinem unerwarteten Erscheinen auch einfach nicht mehr daran gedacht hatte. Falls so etwas überhaupt möglich war. Wie konnte man schon solch horrenden Verluste, wie sie die Deiatoriana offenbar erlitten hatte, einfach außer Acht lassen, wenn man einen neuen Tribun willkommen hieß?

    "Dann pass bloß auf, dass du nicht im Nil ersäufst, wenn du schon gen Süden reist. Wobei ich wohl annehme, dass du auch ein Flussschiff nicht mehr so schnell besteigen wirst, wie?" kommentierte Sermo Valas deutliche Ablehnung gegen das Meer schmunzelnd. "Wie lange soll die Inspektion dauern?"


    Was der Beauftragte der kaiserlichen Kanzlei dann jedoch wie beiläufig hinwarf, ließ Sermo aufhorchen. "Wie meinen? Gab es kürzlich so hohe Verluste?" Das konnte der Quintilius sich einfach nicht vorstellen. "War nicht von einer Gruppe Wüstenräuber die Rede? Wie schlimm kann es denn überhaupt um die XXII. bestellt sein?!" Im Anschluss an die Frage blieb Sermos ungläubig fragender Blick an Vala hängen, der jetzt hoffentlich konkreter wurde.

    Ahja, da war ja wirklich etwas mit Valas Bein los. Sermo hatte vor lauter Überraschung noch gar keinen Blick für die Verletzung seines Freundes gehabt. Er zuckte die Achseln und deutete beiläufig auf Issa, der seinerseits den geschienten Arm herzeigte und einen vielsagenden Blick auf seinen noch immer leicht geschwollenen Knöchel warf. "Mein Sklave hat den ganzen Dreck abbekommen," grinste er daraufhin und fühlte sich dabei fast ein wenig schuldig. "Scheint, als wäre das versäumte Opfer für Neptunus durch das umso größer ausgefallene Opfer an Mercurius gemildert worden. Für die Götter!" Damit verschüttete er etwas Wein zugunsten eben dieser und gönnte sich dann einen Schluck für sich selsbt.


    Als Vala dann die Geschichte seines glorreichen Prozesses zum besten gab, konnte Sermo sich ein süffisantes Grinsen nicht verkneifen. Einen Kommentar ersparte er sich jedoch erstmal, denn Vala fuhr ohne Pause fort zu berichten und ging auch gleich zu aktuellen Vorgängen über, als er auf seine Aufgabe bei der XXII. zu sprechen kam. Gut zu hören, dass Pompeius Imperiosus offensichtlich nicht nur Sermo selbst behilflich sein konnte, sondern auch den anderen Männern ihrer kleinen Runde Vorteile einbringen konnte.
    "Definitiv nicht, nein," wehrte Sermo bestimmt die Anfrage des Duccius ab. "Ich werde wohl kaum schon wieder verschwinden können, wo ich doch gerade erst mit so viel Verspätung hier angekommen bin. Außerdem habe ich bereits eine erste Aufgabe aufgebrummt bekommen." Sermo machte eine theatralische Pause..."Ich darf ein paar arme Schweine den Lagerwall instandsetzen lassen." Die Begeisterung über diese Aufgabe war nicht zu überhören...


    Der Praefectus grinste. Sermo glaubte es kaum, Artorius grinste, kicherte sogar, und hieß ihn einfach herzlich willkommen. Umso besser für ihn, denn offenbar war er nicht gleich in Ungnade gefallen wie er befürchtet hatte. Das angebotene Getränk nahm er natürlich gern entgegen. "Dankesehr, allerdings bin ich durstig. Auch wenn es da draußen schüttet wie aus Kübeln, etwas feuchtes kann die Kehle doch immer vertragen." Er lächelte dankbar, auch wenn es nur Wasser war, das er bekam und nahm einen guten Schluck zu sich.*


    Jedenfalls erhielt Sermo schließlich auch eine mehr oder minder konkrete Antwort auf seine Frage, während der Artorius noch immer grinste. Er würde die zweite Kohorte anführen, was ja schonmal gar nicht schlecht klang. Sein erster Auftrag dagegen klang eher wie offener Spott. Er durfte den Wall instandsetzen lassen? Toll, Handwerkerarbeit! Die Aussage über den so seltenen Regen im ägyptischen Winter nahm Sermo einfach mal als klare Ironie hin.
    "Das sollte wohl kein Problem sein. Für sämtliche Materialien wende ich mich an den Praefectus Castrorum?" **


    Sim-Off:

    *Ich weise darauf hin, dass der Winter in Ägypten äußerst regnerisch ist und Sermo quasi im Pladderregen zum Castellum kam. ;)
    Guggst du Wikipedia -> Ägypten - > Klima.


    **Meinst du zum Beispiel den Praefectus Castrorum, oder worauf bezog sich dein Hinweis bzgl. der NPCs?

    "Unannehmlichkeiten, hmhm," brummte Sermo verstehend. Er hatte sich bereits so seine Gedanken gemacht. Jetzt musste er aber wohl erstmal erneut seine Reisegeschichte erzählen. Oder...


    "Das Mare hat mich verschluckt und vor Sardinia wieder ausgekotzt, wenn du's genau wissen willst. Ich musste von da aus eine Mitfahrgelegenheit nach Alexandria finden. Odysseus hatte dagegen beinahe eine fidele Lustreise."


    "Freut mich auch, noch lebendig zu sein," scherzte Sermo dann grinsend. Dankend nahm er den Wein entgegen und kostete davon, während er Vala einen fragenden Blick zuwarf. "Jap," schmatzte er genüsslich. "Ist ein guter. Warum?"


    "Und..." Sermo fixierte den unerwarteten Freund skeptisch. "Was verschlägt dich nun hierher?" Den Seitenblick auf Sirius verfolgte der Quintilius zwar, da der Kerl aber offensichtlich nicht wert war von Vala vorgestellt zu werden, kam Sermo auch nicht auf ihn zu sprechen. Geschweige denn Issa, der ebenfalls noch etwas unschlüssig im Raum stand und gar nicht peilte, wer da über sie gekommen war.

    Zitat

    Original von Servius Artorius Reatinus
    Der Besuch des Quintiliers und neuen ritterlichen Tribunen kam zwar nicht überraschend, aber Reatinus gerade recht. Es gab viel Arbeit in der Legion und der Artorier konnte hier jeden Mann gut gebrauchen. So ließ er Sermo auch schnell hineinbitten, der vom Schreiber des Praefectus pflichtbewusst angemeldet wurde.
    "Salve, Tribunus, willkommen in der Legio XXII", grüßte Reatinus freundlich, dem der fehlende Salut mangels Uniform nicht aufgefallen war. Zugegeben, Sermo sah eher zivil aus, was Reatinus ein wenig die Irre geführt hatte. Der Praefectus wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch: "Ich hoffe, du bist gut nach Ägypten gekommen? Ich erwarte Deine Ankunft schon seit einer Weile, ist während der Reise etwas passiert?"


    "Vielen Dank, Praefectus Artorius," erwiderte er den Willkommensgruß und nahm dankend Platz. Auf die weitere Frage hin zog er jedoch eine Grimasse und erklärte bereitwillig:
    "Allerdings ist etwas passiert, denn nie wäre ich selbstverschuldet mit solcher Verspätung eingetroffen. Praefectus, mein Schiff ging unter im Sturm kurz vor Ostia, woraufhin ich auf Sardinia angeschwemmt worden bin. Fortuna allein ist es wohl zu verdanken, dass ich jetzt schließlich doch vor dir stehe, nachdem ich erst auf eine passende Verbindung nach Alexandria warten musste, die letztlich aber über Umwege nach Carthago führte. Es war...nun...dennoch, ich bin hier und bereit meinen Dienst umso pflichtbewusster und fleißiger zu erfüllen."


    Sermo grinste schief und zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Tja, also...welche Arbeit wartet hier auf mich?"

    Nachdem Sermo vom Praefectus Legionis eingewiesen worden war, hatte er zunächst Issa bei den Ställen aufgesucht und hatte sich schließlich erst einmal einen Besuch in den Thermen gegönnt, um den Reisedreck abzuwaschen und seine strapazierten Muskeln zu entspannen. Issa hatte er bereits zum Domus geschickt, damit er dort ihren Einzug vorbereiten konnte.


    Etwas später an diesem Tag machte Sermo dann bereits einen Rundgang durch die Principia und suchte letztlich auch seine eigene Schreibstube auf. Issa öffnete die Türe und trat ein, gefolgt von seinem Herren, der bereits in Feierabendlaune war.
    "... und dann werde ich erstmal eine dieser Lagerdirnen..."


    [Blockierte Grafik: http://img130.imageshack.us/img130/7191/cleonjung.jpgIssa


    "Äh, Dominus?"


    Der Sklave war vor Schreck auf der Stelle stehen geblieben, als er die unerwarteten Personen im Raum entdeckt hatte und Sermo marschierte natürlich prompt und ohne Bremsweg in ihn hinein.


    "Mann! Was in aller Götter Namen?"


    Er blinzelte an Issa vorbei und sah nun den Grund der Verwirrung.


    "Ach, ne." Eine Mischung aus Grinsen und Verwunderung lag auf Sermos Zügen, als er auf den Duccius zuging und ihm die Hand reichte. "Wie kommst du denn hierher?" Dabei zeigte er seine Missbillung dafür, wie der Neureiche Möchtegernsenator sich hier präsentierte, freilich nicht.

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    Lupercus wandte sich seinem Kameraden Calvinus zu. "Vinicia Pietas und die Sklaven Phaeneas und Lais, notieren!" Calvinus brauchte es nicht gesagt bekommen, er reagierte routiniert und wusste was zu tun war. Im Wachhäuschen wurden die Namen auf einer Wachstafel eingetragen, so dass nachvollzogen werden konnte, wer das Lager betrat oder verließ.


    Die Männer wurden schließlich nach Waffen durchsucht, wobei nichts Auffälliges gefunden wurde. Bei der Vinicia zierte Lupercus sich offensichtlich etwas, weshalb sie nur sehr unzureichend mit einem abschätzenden Blick bedacht und für in Ordnung befunden wurde.


    Dann ließ man die Gruppe passieren, wies den Sklaven den Weg zu den Ställen, um die Tiere unterzubringen und führte die beiden Vinicier zur Principia, wo sie sogleich zum Officium des Praefectus Legionis gebracht wurden.

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    Lupercus fiel die Kinnlade runter. Was machte der Sohn eines Consulars in Nikopolis?! Und warum bei allen guten Geistern hatte Lupercus ausgerechnet ihn so unfreundlich angefahren? Dem armen Legionarius brach augenblicklich der Schweiß aus, fürchtete er bereits Latrinensäubern oder gar eine ordentliche Züchtigung als Strafe. Deshalb zeigte er sich auch sogleich viel entgegenkommender, als er mit der Befragung fortfuhr.


    "Herzlich willkommen, Vinicius! Der Praefectus Legionis ist vor Ort, ja. Bevor ich dich passieren lassen darf, muss ich allerdings noch die Namen deiner Mitreisenden erfahren und euch auf Waffen durchsuchen." Er zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Die Dienstvorschriften, du verstehst?" Dabei warf er einen flüchtigen Blick auf die Begleitung des Vinicius, wobei er im Regenguss nicht sonderlich viel erkennen konnte außer einem weiteren Pferd und einer ziemlich bedröppelten regendurchtränkten Person.


    Calvinus war nun ebenfalls näher herangetreten und wies auf das Wachhäuschen, wobei er den Vinicius aufforderte: "Kommt doch hier 'rüber zum Vordach, raus aus dem schlimmen Regen."


    Und Pitio war bereits davongehastet, um den wachhabenden Optio zu informieren. Der Sohn eines Senators in Ägypten. Ging das überhaupt mit rechten Dingen zu? Durfte der überhaupt einreisen? Die einfachen Soldaten hatten keine Ahnung, da fragte man doch lieber seinen Vorgesetzten. Der Optio schickte auch gleich einen Mann zum Praefectus, um den Besucher anzukündigen.


    Die Stabsoffiziere einer Legion genießen besondere Privilegien. Das zeigt sich auch an ihren Unterkünften, die sich sehr von denen der einfachen Soldaten und Mannschaftsoffiziere unterscheiden. Ihnen stehen eigene Häuser zur Verfügung, die wenig mit der sonstigen Kasernenbebauung gemein haben, sondern stattdessen sehr stark den typisch römischen, städtischen Atriumhäusern ähneln. Wie bei diesen gliedern sich fast alle Räume um ein zentrales atrium, mit im Boden eingelassenem Wasserbecken (impluvium) und einer damit korrespondierenden Dachöffnung (compluvium). Auch die weitere Raumnutzung, mit z. B. fauces (Eingangsbereich), tablinum (Wohnraum), triclinium (Esszimmer) und cubiculum (Schlafzimmer), gleicht der ziviler Stadthäuser. Jedem Tribun steht ein eigenes Haus zu, in dem er zusammen mit seiner Familie und dem Hauspersonal wohnt. Die Tribunenhäuser befinden sich an der via principalis und zwar auf der Straßenseite, die der principia gegenüber liegt.


    Das ist das Haus des Tribunus Angusticlavius Iullus Quintilius Sermo.


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    Der Winter in Ägypten ließ keinen Flecken staubiger Erde trocken, denn es regnete in Strömen. Seit Tagen. Seit Wochen. Potitus Ofillius Lupercus wusste gar nicht mehr, wann es genau angefangen hatte, aber es war wie in jedem Jahr. Die Straßen war völlig aufgeweicht, Karren versanken im Schlamm, ganze Dörfer wurden unter Wasser gesetzt und beinahe jeden Tag hörte man von einem armen Kerl, der in den Fluten des Nils ertrunken war oder sich auf einem rutschigen Stück Gras beim Fallen das Genick gebrochen hatte.


    Lupercus hasste den Wachdienst in dieser Jahreszeit. Alles war durchnässt und im Wachhäuschen am Tor zog es und es müffelte in den feuchten Ecken. Selbst das gigantische Kohlebecken konnte nicht verhindern, dass man spätestens nach einer Stunde dienst eine Triefnase bekam.


    So war es wenig verwunderlich, dass Lupercus eine missmutige Grimasse zog, als sich jemand am Tor meldete. Und dann war der auch noch so freundlich! Dieser junge Typ konnte sich doch nur über ihn lustig machen. Andererseits musste die Reisegesellschaft, die ihm am Tor gegenübertrat auch völlig durchnässt und schlammüberspritzt sein, wenn sie bei diesen Regengüssen draußen unterwegs gewesen waren.


    "Salvete," brummte Lupercus, wobei er sich nicht die Mühe machte das Rauschen und Pladdern des Regens zu übertönen.


    "Wer seid ihr und was wollt ihr?!" fragte er daraufhin wesentlich lauter und vernehmlicher. Hinter ihm traten noch Calvinus und Pitio aus dem Wachhäuschen, hielten sich jedoch unter dem Vordach und wickelten sich enger in ihre Umhänge, scharfe Blicke auf die Ankömmlinge gerichetet.