Sermo war wieder nach Rom zurückgekehrt. Er wollte mit seinem Patron reden über die Zukunft, die ihm bevorstand. Und er war seit kurzem in seinem bisherigen Entschluß völlig unsicher geworden. Zunächst war er überzeugt gewesen, dass er den Cursus Honorum beschreiten wollte. Er hatte es so sehr gewollt! Sermo hatte ja bereits mit seinem Patron darüber gesprochen, hatte Vorbereitungen getroffen. Sogar für das Tirocinium Fori standen schon verdiente Senatoren in Aussicht. Und dann kam alles anders.
Er war nach Rom gekommen wegen Erledigungen, die er in gewissen Angelegenheiten hatte tätigen müssen, die nebenbei auf übliche Art und Weise mit seiner Tätigkeit als Magistratus in Ostia zustande gekommen waren. Da hatte er hier und dort Bekannte besuchen müssen, um gewisse Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können, die ihm die Arbeit in Ostia erleichterten und die außerdem seine Verbindungen in hilfreiche römische Dienstleisterkreise nicht einschlafen ließen. Soviel zu seinen Gründen, weshalb er überhaupt in Rom unterwegs gewesen war, während er eigentlich in Ostia seiner Arbeit als Amtsträger hätte nachgehen müssen.
Jedenfalls nächtigte er selbstredend in der Casa Quintilia während diesen Tagen und machte dabei eine Entdeckung, die er lange Zeit verdrängt hatte. Nachdem nämlich sein Vater damals verstorben war, hatten seine Söhne etliche seiner persönlichen Gegenstände von ihrer Mutter übergeben bekommen. Vor Sermos Abreise nach Griechenland hatte er diese Dinge allesamt in eine Kiste packen lassen und über die Zeit vergessen. Und dann hatte er sie wiedergefunden. Diomedes hatte nämlich Hausputz veranstaltet und zufällig war Sermo über die verstaubte Kiste gefallen, die die Erinnerungen beinhaltet hatte. Ohne Zögern hatte er sie in sein Zimmer bringen lassen und Diomedes dann hinausgeschickt. So saß er kurz grübelnd vor der Kiste, langte hin, zog die Hand wieder zurück und langte erneut zum Deckl.
Endlich überwandt er sich und öffnete die Kiste, woraufhin allerlei Kleinodien zutage kamen, die dem Quintilius seit langem entfallen waren. Neben dem Siegelring, den er immer am Finger trug, hatte Sermo nämlich noch etliche persönliche Gegenstände von seinem Vater geerbt. Darunter befanden sich unter anderem Insignien des Ritterstandes, aber auch vielerlei weniger repräsentative Stücke. Des Vaters Cingulum, seine Phalera, Urkunden über Beförderungen, bestandene Examina und Verdienste. Da kam auch anderer Kleinkram zum Vorschein wie Talismane, Würfelbecher samt Würfeln und Schreibutensilien. Und dann wickelte Sermo etwas aus einem Tuch, das ihn schockierte.
Die Laren, die Hausgötter seines Vaters, waren in dieser Kiste gefangen gewesen! Da hatten sie, die Ahnengeister seiner Familie, die ganzen Jahre über in dieser Kiste herumgefault? War er etwa ein so gottloser Mensch gewesen in seiner Jugend? Sermo versuchte sich zu erinnern, suchte nach dem Grund für dieses Handeln. Warum hatte er diese Geisterstatuetten weggeschlossen? Aus Furcht? Aus Desinteresse? Aus Trauer? Er konnte sich nicht mehr recht erinnern, waren doch viele Erinnerungen aus der Zeit nach seines Vaters Tod seltsam verschwommen.
Doch eines wusste Sermo: So konnte er nicht weitermachen! Mit einem Mal wurde er sich des Andenkens seines Vaters bewusst, das er seit Mutters Tod sträflich vernachlässigt hatte. "Vater, vergib mir..." murmelte er tonlos, als er sich wie ein nasser Sack zurückfallen ließ, sich im Schneidersitz gegen sein Bett lehnend. Er musste etwas ändern. Doch wie? Die Laren aufstellen und ehren, das war klar. Doch sollte er noch weitergehend Änderungen vornehmen? Mit einem Mal stellte er sämtliche Pläne in Frage, die er sich in der Vergangenheit so detailreich erarbeitet hatte. War der Cursus Honorum überhaupt die richtige Laufbahn für ihn, den Sohn eines Eques? Sollte er nicht lieber die Ritterlaufbahn einschlagen? Aber wie? Der Legion beitreten? Nein, so wurde man kein Ritter. Dem Ordo gehörte er ja schon an, da war viel eher über Beziehungen etwas zu deichseln. Doch einfach so? Gewiss nicht. Er musste mit seinem Patron darüber sprechen! Ja, Macer musste es wissen! Bei der nächsten Gelegenheit wollte er sich mit dem Senator darüber austauschen, das stand für ihn fest. Und die Gelegenheit kam auch bald.