IN NOMINE IMPERII ROMANI
ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI
ERNENNE ICH
FLAVUS AMISIUS
MIT WIRKUNG VOM
ANTE DIEM VIII KAL DEC DCCCLXIII A.U.C. (24.11.2013/110 n.Chr.).
ZUM
TIRO - ALA II NUMIDIA
Iullus Quintilius Sermo
IN NOMINE IMPERII ROMANI
ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI
ERNENNE ICH
FLAVUS AMISIUS
MIT WIRKUNG VOM
ANTE DIEM VIII KAL DEC DCCCLXIII A.U.C. (24.11.2013/110 n.Chr.).
ZUM
TIRO - ALA II NUMIDIA
Iullus Quintilius Sermo
Geduldig folgte der neue Praefectus Alae dem Decurio. Die kurze Zeit, die sie zum Erreichen des Praetoriums benötigten, nutzte der Quintilier um sich ein wenig umzusehen. Das Lager war in ordentlichem Zustand, die Mannstärke aber ganz offensichtlich noch nicht wieder voll hergestellt. Die Verluste von Vicetia hatte man nicht so locker wegstecken können. Vielleicht hatte Sermos Amtsvorgänger ja mit größeren Rekrutierungsvorgängen auf ihn gewartet, um sich damit keine zusätzliche Arbeit mehr aufhalsen zu müssen.
Am Praetorium angekommen ließ Sermo sich bereitwillig ins Gebäude führen, seinen Sklaven Cleon immer als stillen Schatten im Schlepptau. Den Praefectus Alae erwischten sie wohl in einem ungünstigen Moment, weshalb es erstmal warten hieß. Sermo hatte nicht damit gerechnet, sogleich empfangen zu werden, weshalb er auch nicht übermäßig verstimmt war über diese Verzögerung.
"Decurio", wandte Sermo sich schließlich an seinen Offizier. 'Seinen' Offizier. Der Gedanke war seltsam. Bei der Legio XXII hatte Sermo zwar auch Offiziere in 'seiner' Kohorte kommandiert, aber eine ganze Ala zu führen, das war neu. Und es fühlte sich verdammt gut an. Sermo war in diesem Moment richtig stolz auf sich.
"Steh' bequem", wies er den Decurio erstmal an. So käme dieser vielleicht besser ins Plaudern hinein.
"Erzähl mir von Vicetia. Du warst doch dabei, nicht wahr?"
Mit zufriedener Miene beobachtete der Reiter, wie auf einmal Bewegung in die Wachmannschaft kam. Die folgende Frage allerdings hatte er nicht erwartet, was in sogleich in längeres Grübeln brachte. "Öhm...", machte er und sah sich unsicher nach dem Anführer der Reisegesellschaft um, der nun seinerseits das Tor erreichte. "Ich glaube... äh... Praefectus Quintilius?" Schließlich wandte er sich lieber gleich an den Chef, bevor er etwas Falsches sagte.
Sermo richtete sich noch ein Stückchen im Sattel auf, als er das Tor erreichte. Er zügelte sein Pferd und hinter ihm kam alles zum Stehen. "Der bin ich", sagte der Angesprochene knapp.
"Der Soldat will wissen, ob die ganze Gruppe dich hinein begleitet..."
Dabei hatte der Mann einen Blick drauf, der fast schon entschuldigend wirkte.
"Ah...", machte Sermo verstehend und sah sich kurz nach seinen Söldnern um. "Nein." Er wandte sich nun direkt an den Eques, der die Frage eigentlich gestellt hatte. "Die Herren werden eine Unterkunft in Confluentes finden. Cleon, zahl die Herren aus." Der zuletzt adressierte Sklave zückte einen Beutel und reichte ihn unter leisem Klimpern dem Anführer der Söldnergruppe, der mit gierigem Blick das Geld entgegennahm und die Anzahl der Münzen überflog.
"Alles bestens. Praefectus Quintilius, war mir eine Freude dir zu Diensten zu sein. Vale!" Damit wendete er sein Pferd und bedeutete seinen Männern ihm zu folgen, womit die Söldner samt und sonders kehrt machten und in der Stadt verschwanden, um ihr Geld 'gut anzulegen'.
"So, nachdem das geklärt wäre", fuhr Sermo nun an die Wachmannschaft gerichtet fort, "sind wir nur noch zu zweit." Er lächelte fein. "Meldet also bitte dem Praefectus Alae, dass sein Nachfolger angekommen ist. Ich wünsche zu ihm geführt zu werden." Dass sein Reittier, sein Packpferd, das Reittier seines Sklavens, ein weiteres Packpferd, sowie die vor die Kutsche gespannten Zugpferde versorgt werden mussten und zudem die Kutsche selbst untergebracht und entladen werden musste - das verstand sich für Sermo von selbst.
Es war ein kalter und nebliger Novembertag. Bereits vor einer Woche war ein Bote aus Massilia hergekommen und hatte die baldige Ankunft des neuen Lagerpräfekten angekündigt.* Nun war die Reise des Quintiliers beendet. Von Süden her kommend, aus Colonia Augusta Treverorum, näherte sich durch den sich spärlich lichtenden Nebel ein Reisewagen in Begleitung eines guten Dutzends Berittener dem Castellum.
Einer der Reiter setzte sich frühzeitig von der Gruppe ab und machte den Wachen am Tor des Castellums Meldung: "Salvete Milites! Macht dem befehlshabenden Offizier Meldung über die Ankunft des Praefectus Alae Iullus Quintilius Sermo. Er wünscht seine Unterkunft zu beziehen und erwartet die Decuriones zu seiner Begrüßung."
Und Während der Reiter am Tor Meldung machte, konnte man seine Kameraden langsam besser erkennen. Der Großteil der Männer waren augenscheinlich Söldner aus der Gegend. Die übliche Art, sich vor Übergriffen durch Banditen und anderes Gesindel zu schützen. Nur zwei der Männer waren anders. Einer der beiden, jung, bartlos, schmal gebaut, wirkte völlig durchgefroren und nieste ohne Unterlass. Der andere, er ritt kurz hinter den beiden vordersten Söldnern, machte einen selbstbewussten Eindruck und ließ seinen wachsamen Blick prüfend über die Wallanlage des Castellums schweifen. Er hatte den Kopf hoch erhoben und schien die Vorfreude selbst zu sein. Offensichtlich war er derjenige, den die Euites der Ala II Numidia so sehnsüchtig erwarteten.
*Geht bitte einfach davon aus, dass dem so war.
Wie schon so einige Männer vor ihm stand Sermo an der Reling eines Schiffes, dessen Namen er sich von Beginn an nicht gemerkt hatte, und blickte zurück gen Alexandria, von wo er sich soeben gemächlich entfernte. Das Frachtschiff war als eines der letzten zu dieser Jahreszeit auf dem Weg nach Massilia. Trotz der wohl stürmischen Verhältnisse auf See war Sermo zuversichtlich. Neptun hatte ihm sein Wohlwollen ausgesprochen und so konnte er sich in sicherer Gewissheit wiegen, dass er ungestört am angestrebten Ufer anlangen würde. Anders als auf seiner Anreise hierher.
Und während alsbald in Sermos Rücken die Insel Pharos bis zur Unsichtbarkeit schrumpfte und der Quintilier den Blick nach vorn wandte, tat sein Sklave Cleon das Gegenteil, indem er das eben erst eingenommene Mahl in hohem Bogen über die Reling würgte. Wie gut, dass Sermo dem Meeresgott zuvor bereits mehr als nur die Kotze seines Sklaven überantwortet hatte.
Der frisch ernannte Praefectus Alae atmete die salzige Meeresluft genüsslich ein. "Germania, ich komme!", sagte er laut und erntete dafür den ein oder anderen irritierten Blick eines Matrosen. Ein weiterer Schritt auf der Karriereleiter war getan, den es nun zu verdauen galt. Diese Reise trug ihn in einen neuen Lebensabschnitt hinein, auf den Sermo sich schon freute wie ein Schneekönig. Was angesichts des herannahenden Winters in Germania wohl ziemlich treffend war.
Sermo starrte den Opferschauer gebannt an. Während dessen bemerkte er nur unbewusst, dass sich die Seeluft sanft und frisch anfühlte. Einer der umstehenden Opferhelfer jedoch, der die ganze Zeit schon ein lästiges Husten hatte unterdrücken müssen, erlebte den Fisherman's Friend Effekt und konnte mit einem Mal unbeschwert atmen. Man sah ihm seine Freude direkt an.
"LITATIO!" rief dann auch endlich der Opferschauer aus und von Sermo löste sich jegliche Spannung in einem erleichterten Seufzen. Die Beendigung des Opferrituals war nun ein Klacks. Die Opferreste wurden dem Tempel gespendet und Sermo hatte beim Gedanken an seine nächste Schiffsreise kein Gefühl der Atemnot mehr, sondern vielmehr eines der absoluten Sicherheit. Neptun würde ihm diesmal seinen Schutz gewähren.
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Es gab mal wieder Papierkram abzuarbeiten. Wachstafeln, Papyri, stapelweise. Sermo hasste diesen Mist, aber er gehörte zum Geschäft. Als Tribunus Angusticlavius hatte er leider einen erheblichen bürokratischen Aufwand zu bewältigen, der auch nicht weniger geworden war seit dem Tod des Praefectus Legionis Artorius. Der Praefectus Legionis der Legio Cyrenaica hatte zwar kommissarisch die Geschäfte übernommen, aber die laufende Arbeit nahm er den Offizieren der Deiotariana freilich nicht ab. Und da weder aus Alexandria, noch aus Rom irgendwelche Befehle oder Neuigkeiten hinsichtlich eines Führungswechsels auf Provinzebene eingetroffen waren, gestaltete sich das Lagerleben für Sermo täglich ziemlich gleich. Papierkram erledigen, Alltag befehlen, Routineaufgaben abhaken.
Das änderte sich abrupt, als Cleon einen bestimmten Brief zückte, den er einen Augenblick lang verblüfft anglotzte.
"Was?", wollte Sermo wissen.
Der Sklave hob seinen irritierten Blick. "Der hier ist von der Kanzlei."
Cleon konnte gar nicht so schnell gucken, wie ihm das Schreiben aus der Hand gerissen wurde. Ein sichtlich aufgeregter Quintilier erbrach das Siegel der Kanzlei und las hektisch die Sätze auf dem Papyrus.
Mit weit aufgerissenen Augen sah er schließlich seinen Sklaven an. Unglauben lag in seiner Stimme: "Die machen mich zum Praefectus!" Beinahe hätte er gelacht.
"Wie jetzt? Du wirst Praefectus Legionis?"
"Nein, Quatsch! Praefectus Alae!", widersprach Sermo und erhob sich von seinem Stuhl, um unruhig durchs Atrium zu tigern. Cleon dackelte artig hinterher.
"Das hier ist mein Marschbefehl nach Germania. Wir gehen zurück nach Confluentes. Ich bin Praefectus der Ala II Numidia."
Er stoppte, sah Cleon fragend an. "Cleon, träume ich?"
"Mitnichten, Dominus", verneinte der Sklave. Er schluckte. Germania. Das bedeutete: Überfahrt. Schiffe. Seegang. Na großartig.
"Also gut. Wir müssen sofort die nötigen Vorbereitungen treffen", sagte Sermo nun entschlossen. "Sorge dafür, dass mein Zeug eingepackt und nach Alexandria verbracht wird. Meine Rüstung, meine Kleidung, und die paar Kleinigkeiten, die hier noch so rumfliegen."
Viel Persönliches besaß Sermo freilich nicht, hatte er sich doch von vornherein auf einen nur zeitweiligen Aufenthalt in Aegyptus eingestellt. Alles was er benötigt hatte, war ihm ohnehin von der Legion gestellt worden, was beim Haus anfing und bei der Sklavenschaft aufhörte.
"Sehr wohl, Dominus", nickte Cleon.
"Ich werde mich umgehend beim Praefectus Legionis der XXIII abmelden, der sollte wohl bescheid wissen. Schicke auch sogleich jemanden nach Alexandria, der uns ein Schiff nach Ostia oder direkt nach Massilia klar macht. Wir müssen so schnell wie möglich hier weg, bevor das Mare Internum unbefahrbar wird."
Cleon nickte erneut. "Äh...bleiben die anderen hier?", fragte er daraufhin zögerlich. Er meinte die Sklaven, die schon bei Sermos Einzug im Haus gewesen waren.
"Ja, natürlich", bejahte Sermo dies prompt. "Die sind Eigentum der Legion. Mitnehmen kann ich sie wohl kaum." Was Sermo eigentlich bedauerte. Isaak und Kortéssa hatten gut für ihn und sein Haus gesorgt. Ihr Sohn Simeón war ebenfalls meist nützlich gewesen und beinahe nie nervig. Und Mára, nun...die war Sermo oft genug nicht nur in ihrer Funktion als Magd zuträglich gewesen. Mittlerweile trug sie sogar schon einen Bastard unter dem Herzen. Sermo war stolz, aber nicht stolz genug um sich auf einer Reise eine schwangere Frau aufzuhalsen.
"Ja", bekräftigte er noch einmal. "Die bleiben alle hier. Und jetzt ab mit dir, ich will hier zügig den Abgang machen!"
Damit entließ er seinen Sklaven mit einer herrischen Handbewegung und strebte selbst dem Ausgang entgegen, um sich auf den Weg zu seinem kommissarischen Vorgesetzten zu machen.
Dieser Tag war ein Freudentag, denn Sermo konnte sich endlich aus dem Staub machen. Weg aus der Langeweile, hin zu seinem eigenen Kommando. Darauf würde er an diesem Abend kräftig mit seinen Kollegen aus dem Legionsstab anstoßen.
Sermo trieb sich seit Monaten schon mit dem Gedanken herum, Aegyptus langfristig den Rücken zu kehren. Er mochte die Legio XXII Deiotariana. Aber er wollte mehr. Sermo wollte nicht ewig im Nildelta festhängen. Aegyptus war zwar schön. Wenn man mal von der Regenzeit und den Malariamücken und dem tödlichen Wüstensand außerhalb der fruchtbaren Teile des Landes absah. Tatsächlich gefiel es Sermo in Nikopolis und Umgebung sogar so gut, dass er häufig auf Patrouillen ritt und die verschiedenen Stützpunkte und Wachposten an Kreuzungen kontrollierte. Immer möglichst weit abseits von nilpferddurchsetzten Gewässern, versteht sich. Er wollte ja nicht wie der Praefectus Legionis enden. Zerquetscht, erstickt, ertränkt - unter einem wütenden Nilpferd.
Dennoch, Sermo zog es zurück nach Rom. Dort pulsierte das politische Herz des Reiches, dort wurden die wichtigen Entscheidungen getroffen. In Rom entschied sich das Schicksal des Imperiums, in Rom entschied sich Sermos Schicksal. Und jetzt, da es einen neuen Imperator gab, taten sich gewiss neue Chancen auf. Parteigänger des Vesculariers wurden abgesägt und Posten mussten neu besetzt werden. Sermo hatte sich schon Träumereien hingegeben, bis er sich an eine Hürde erinnerte. Er musste auf ein Schiff steigen.
Ein Schiff. Sermo erinnerte sich noch verdammt gut daran, was beim letzten Mal passierte, als er ein Schiff bestiegen hatte. Er war jämmerlich abgesoffen. Das gesammte verdammte Schiff war mit Maus und Mann komplett untergegangen. Vermutlich war es nur Mercurius' Wohlwollen zu verdanken - dem hatte er nämlich zuvor ausgiebig geopfert -, dass Sermo nicht abgenippelt war. Inklusive seinem Sklaven Cleon, denn der hatte auch überlebt. Allein Neptunus wusste, warum. Aber Sermo war egal, was der Gott sich dabei gedacht hatte. Er war nur froh, dass er sich etwas derartiges gedacht hatte!
Und jetzt stand Sermo im Portal des Poseidontempels und atmete tief durch. Er wusste, dass der Gott ihn hassen musste. Aber Sermo kam nicht darum herum. Er war gezwungen mit einem Schiff über das Meer zu reisen und deshalb musste er Neptunus ein Opfer darbringen. Fehlerfrei. Makellos. Ohne Patzer. Voller Demut. Erfüllt von Gottesfurcht. In solchen Momenten hasste Sermo die Götter.
http://farm4.staticflickr.com/…17856197_0aed481f0c_n.jpgZu diesem Zwecke hatte Sermo einige Vorbereitungen getroffen. Musiker spielten sich sämtliche Luft aus den Lungen und vom Tempelverwalter hatte er sich ein weißes Kalb besorgen lassen. Der Altar des Poseidon war mit Salzwasser gewaschen worden und auch Sermo musste sich seine Hände zunächst mit Salzwasser reinigen. Die Toga über den Kopf gezogen und in würdevoller Haltung begann er schließlich auf Griechisch das Voropfer.
"Oh Herr des fließenden Gewässers, Beherrscher der Meere. Du Lenker allen Getiers unter den Wellen, du König der Ozeane. Poseidon, Herrscher über die salzigen Tiefen. Dir, oh Wellenreiter, gebe ich diesen Barsch, dass du mir Gehör schenkst bei der Bitte, die ich in Demut vor dich trage."
Sermo ließ sich von Cleon, seinem Leibsklaven, einen anderthalb Ellen langen und ziemlich schweren Nilbarsch reichen, den er unter stillem Ächzen auf den Altar verfrachtete. Dann verharrte er einen Moment in Stille, den Kopf vor dem Abbild des Meeresgottes gesenkt. Als es ihm lange genug vorkam, hob Sermo wieder den Blick und breitete die Arme aus. Ein Windstoß kam vom Meer her und erfüllte den Tempel mit dem salzigen Geruch der See. Die Weihrauchschwaden kringelten sich beim Emporsteigen, während Sermo nun wieder Poseidon anrief:
"Oh Poseidon, siehe hier deinen ergebenen Diener demütig stehend. Mich hast du niedergeworfen in meinem Hochmut, mir hast du die Grenzen meiner menschlichen Existenz vor Augen geführt. Ertränkt hast du mich und doch war es mir, von deiner gönnerhaften Milde getragen, noch einmal erlaubt den Strand voller Hoffnung unter meinen baren Füßen zu fühlen.
Oh Poseidon, du siehst in mir Ehrfurcht und Frömmigkeit. Nimmermehr will ich deinen Zorn beschwören, sondern dein Gefallen finden und dich in Ehren halten. So siehe auch heute, wie ich dir Kostbares darbringe, zu deinem Wohlgefallen."
Sermo wandte sich nach rechts um und atmete leise aus. Er stand unter Strom. Bloß nichts falsch machen! Sonst gäbe es wieder eine solche Katastrophe, wie beim letzten Mal.
Als nächstes ging es hinaus zum Opferaltar, wo ein weißes Kalb wartete, das festlich geschmückt war. Die Musiker spielten fröhlich weiter und Sermo ging die Pumpe. Favete lingius! rief ein Opferhelfer aus und Sermo nahm das Messer entgegen, mit dem er dem Kalb symbolisch über den Rücken fuhr. Daraufhin erhob er wieder die Hände gen Himmel und setzte zum wichtigsten Teil an.
"Poseidon, höre mich an! Ich, Iullus Quintilius Sermo, spreche zu dir mit der Bitte um deine Gunst. Erhöre mich und gewähre mir und meinen Begleitern sichere Überfahrt über das Mare Internum, sobald es zukünftig wieder nötig wird, die See zu überqueren. Schicke mir günstige Winde, aber bewahre mich vor tödlichem Sturm oder lähmender Flaute. Sei gütig, Poseidon, und lasse Milde walten mit mir, denn ich schwöre dir dich nie wieder so sträflich zu vernachlässigen!
Deshalb erhälst du von mir heute dieses junge und gesunde Kalb, das deiner göttlichen Erhabenheit geweiht ist und das dir zur Zufriedenheit gereichen möge. Gewähre mir und meinen Begleitern sichere Überfahrt nach Ostia, sobald es mich dorthin verschlägt, und ich will dir nach meiner Ankunft wieder großzügig opfern, wie es dir zusteht!"
In der Hoffnung, dass dies ausreichte, beendete Sermo auch diese Anrufung mit einer Rechtsdrehung. Was folgte, war das Standardprogramm: Ein Opferhelfer nahm einen Hammer zur Hand und zertrümmerte den Schädel des Kalbs. Ein anderer zerschnitt des Tieres Kehle und fing das Blut auf, während der erste Helfer sich bereits daran machte, das Kalb auszuweiden. Sermo hatte für diesen Tag einen Opferschauer bestellt, denn er wollte nicht riskieren eine falsche Einschätzung der Innereien zu treffen und sich damit ins Verderben zu stürzen.
Noch immer wehte salzige Meeresluft zum Tempel heran, während Sermo auf eine positive Reaktion Neptuns hoffte. Den Blick in stiller Erwartung auf den Opferschauer gerichtet, verharrte er in diesem unendlichen Moment des Wartens.
http://farm1.staticflickr.com/89/246193107_c80e6bfe83.jpgEs war später Nachmittag und die Sonne senkte sich langsam hinter rosa Wolkenfetzen gen Horizont hinab. Der Campus des Legionslagers war voller Soldaten, denn die Legiones XXII Deiotariana und XXIII Cyrenaica waren in Paraderüstung und zu zwei Dritteln ihrer Mannstärke auf dem großen Platz vor dem Lager aufmarschiert (das restliche Drittel schob Wache oder besetzte die Wachposten an den Kreuzungen im Delta und der weiteren Umgebung). Die Legionen hatten sich gegenüber von einander in zwei großen langrechteckigen Blöcken aufgestellt. Zwischen ihnen ragte ein zwei Mann hoher Scheiterhaufen vom sandigen Campus in die Höhe, der bereits den Geruch von brennbarem Öl und trockenem Holz verströmte. Eine leichte Brise wehte derweil über den Campus und wirbelte hier und dort Staub auf. Die Wimpel der Feldzeichen flatterten gemächlich im Wind und die Federbüsche der Centuriones und Tribuni raschelten leise. Die Männer standen gemütlich, noch.
Bald schon war vom Lager her Musik und Wehklagen zu hören. Die Pompa Funebris bahnte sich ihren Weg durch das Tor hinaus auf den Campus. Allen voran stapften die Musiker, Siticines und Cornicen, die eine getragene Melodie spielten. Ihnen folgten bezahlte Klageweiber, die ein fürchterliches Gekreisch und Gejammer veranstalteten, dass es einem in den Ohren wehtat. Hinter ihnen marschierten ausgewählte Soldaten, die die Ehrenzeichen des Artoriers präsentierten: Zwei Phalerae und eine Hasta Pura. Ihnen folgten wiederum folgte das Feretrum, die Totenbahre. Darauf gebettet war Servius Artorius Reatinus, Praefectus Legionis der XXII Deiotariana. Er war fünf Tage lang im Praetorium aufgebahrt gewesen und sollte heute seine letzte Ruhe finden.
Die Pompa Funebris machte wenige Schritte vom Scheiterhaufen entfernt halt, wo ein Podest aufgebaut worden war, das nun der Praefectus Legionis der XXIII Cyrenaica, Servius Icilius Receptus, bestieg. Die schwarz gekleideten Liktoren an seiner Seite wiesen ihn als Dominus Funebris aus, der diese Bestattung organisiert hatte. Icilius hielt nun die Totenrede, in der er das Wirken des Artoriers bei der Legio XXII Deiotariana lobte und seine Taten hervorhob. Er beschwor die Soldaten, dem Beispiel des Artoriers zu folgen, um Roms Interessen sowie seine Werte und Traditionen zu ehren und zu verteidigen, falls nötig.
Die Resignation des Praefectus Classis war unübersehbar. Hatte Sermo sich etwa so sehr in diesem Annaeus getäuscht? Er hatte den Mann bei ihrem letzten Treffen, damals während der Vorbereitung des Anschlusses von Aegyptus an die Rebellion, eigentlich für einen kompetenten Mann gehalten. Aber vielleicht hatte die Zeit im Amt ihn ja auch fett und träge werden lassen. So wie er diesen Palast in der Basileia einschätzte, konnte man da ziemlich schnell vor lauter Luxus arbeitsmüde werden.
"Vielleicht sollten wir die Ratten schlachten und geräuchert nach Rom schicken", feixte Sermo mit einem verschmitzten Grinsen. Sollte der Pöbel in diesem Moloch doch am Rattenspieß ersticken, dann wären sie wenigstens das ganze arbeitslose Bettlerpack los.
"Ich werde mich hüten, Legionäre mit Tagelöhnerarbeiten zu strafen", erwiderte der Tribun ernst, als der Praefectus Classis ein bisschen unverschämt wurde. Diese Männer waren immerhin die besten Soldaten der bekannten Welt! Solche Leute verschwendete man nicht an Packarbeiten. Dabei blendete Sermo getrost aus, dass die Legionen in Friedenszeiten regelmäßig für Bauarbeiten oder ähnliche Tätigkeiten herangezogen wurden.
Letztlich gab Sermo auf. Er hatte gehofft, die Verschickung des Getreides in einer Hau-Ruck-Aktion ankurbeln zu können. Aber hier war offensichtlich schon Schluss. "Aaach, was soll's. Dann werden wir einfach Quartier bei den Wachmannschaften der Regia Praefecti beziehen. Vielleicht kann ich ja bei einem aktiveren Beamten des Praefectus Aegypti ein paar Anweisungen locker machen, bevor auch das restliche Getreide vergammelt oder von Ratten verspeist wird..." Achselzuckend und ganz offensichtlich genauso resignierend wie der Praefectus Classis erhob Sermo sich und wandte sich zum Gehen. "Dann gehe ich jetzt mal zu meinen Männern bei dem Speichern. Vale Praefectus. Wir sehen uns hoffentlich bald wieder."
Selbstverständlich, wollte Sermo bereits lässig erwidern, bis er sich der Bedeutung der Worte klar wurde, die der Praefectus Classis in Frageform da gerade na ihn gerichtet hatte. Wie jetzt, schriftlich? Von der Kanzlei? Woher sollte er denn bitteschön einen Wisch von der Kanzlei haben? Sah er aus wie der Procurator ab epistulis?
"Äh, wie jetzt?", drückte er deshalb wenig eloquent seine Verwirrung aus. "Hier ist noch gar NICHTS an Nachrichten eingetroffen?" Sermo hatte drei hoch zehn Fragezeichen im Gesicht. "Augenblick", sagte er und drehte sich nach einem Schatten um, der ihm selbstredend auf dem Fuße in dieses Officium gefolgt war. "Cleon, du hast doch dieses Schreiben vom Duccius mitgenommen, oder?" Das hoffte er zumindest für den Sklaven.
Jener riss erschrocken die Augen auf und begann dann hastig in dem Beutel zu wühlen, in dem er Schreibutensilien und anderen Scribakrempel mit sich herumschleppte, wenn er mit Sermo zu offiziellen Gelegenheiten unterwegs war, die möglicherweise die Verschriftlichung von Gesprochenem erfordern könnten. "Hier, Herr", sagte er schließlich und reichte eben diesem dann auch das Gewünschte.
"Lies selbst", forderte der Quintilier den Praefectus auf, als er diesem die Wachstafel weiterreichte.
I. Quintilius Sermo
Nikopolis
Aegyptus
Sermo,
kurzum: Rom ist in unserer Hand! Der Usurpator (du weißt schon, der Vescularier) ist tot und der Cornelier marschiert auf Rom. Ich habe den Annaeus im Auftrag des Flaminius gebeten, die Getreidelieferungen nach Rom wieder in Gang zu setzen... wir hoffen daran, dass das auch bald geschieht. Die Classis sollte ein Auge auf die aus Ravenna halten, anscheinend hat der Cornelius aber selbst die aus Misenum im Alleingang auf seine Seite gebracht (frag mich nicht wie der das fertig gebracht hat, es ist bereits von einem Wunder die Rede). Noch haben wir nichts großartiges aus Ravenna gehört, aber von Kampfhandlungen im Mare Adriaticum ist keine Rede mehr. Seid aber dennoch vorsichtig, sobald ihr das in Angriff nehmt...
Achja, und schwing deine Hufe her!
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Castra Praetoria | Italia | Roma
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Als erkennbar war, dass Praefectus Pedius am Ende angelangt war, ergriff Sermo gleich wieder das Wort, um seine Sicht der Dinge zu erläutern und warum er nun überhaupt hier war: "Das ist nun schon ein paar Wochen her. Seit dieser Nachricht kam aus der Regia unseres Praefectus Aegypti noch gar nichts. Und auch sonst keine offiziellen Befehle, auch nicht aus Rom. Aber dieser Mann hier, Titus Duccius Vala, das ist einer derjenigen, die schon damals dabei waren, als in Nikopolis beschlossen wurde zu Palma überzulaufen. Seine Aussage ist also verlässlich, das kannst du mir glauben." Er sah den Pedier eindringlich an. "Ich verstehe allerdings nicht, warum hier noch niemand offiziell informiert wurde. In Nikopolis haben wir so lange nichts mehr aus Alexandria gehört, dass wir einfach beschlossen haben, selbst mal nach dem Rechten zu sehen. Und da wir jetzt ja schon hier sind, können wir doch auch gleich bei der Sicherung der Getreideverschiffung behilflich sein." Er lächelte schmal. "Ich habe zwei Centuriae mitgebracht. Ich dachte, nach so langer Zeit könnte das alexandrinische Volk beim Anblick geöffneter Getreidespeicher nervös werden, flinke Finger bekommen. Das wollen wir doch nicht."
Während der Centurio Aulus Trebellius Posca den direkten Weg zum Getreidespeicher eingeschlagen hatte, war Sermo in den Hafen geritten, wo er das Officium der Classis aufsuchte. Er hatte die zweite Centuria mit sich mitgenommen, die sich bereits im Megas Limen verteilte und dort herumlümmelnd ihre Befehle erwartete.
Sermo ließ sich beim Praefectus Classis Faustus Pedius Saturninus anmelden und wurde schließlich vorgelassen. Man führte ihn über den Stützpunkt. Salzgeruch lag in der Luft und das Gekreisch der Möwen kam einem dauerhaften Hintergrundrauschen gleich, ähnlich dem tatsächlichen Rauschen des Meeres, das man vor lauter Lärm aber nicht wirklich hörte.
"Salve Praefectus Classis", grüßte Sermo sein Gegenüber letztlich und salutierte. "Ich komme zu dir, weil es neue Nachrichten aus Rom gibt. Appius Cornelius Palma hat in Italia gesiegt, Rom ist befreit. Wir sollen die Getreidelieferungen wieder in Gang bringen. Ich wurde allerdings gewarnt, dass es noch keine Nachrichten aus Ravenna gibt. Diese Warnung gilt der Classis Alexandrina, versteht sich." Er zeigte so etwas wie ein schmales Lächeln. "Ich würde gern mit dir besprechen, wie wir am besten vorgehen, um Rom wieder zügig eine stete Versorgung zu ermöglichen. Der Eutheniarchos wird in diesem Moment bereits informiert, er ist zu den Getreidespeichern unterwegs, um dort alles nötige in die Wege zu leiten."
Von Nikololis her näherte sich eine Kolonne der prächtigen Hafenstadt Alexandria. Die Vormittagssonne wurde von Cassides, Speerspitzen und Umbones, den metallenen Buckeln der Scuta, reflektiert. Die Centuria I und II der Cohors II der Legio XXII Deiotariana marschierten unter dem lauten Klackern der Caligae auf die Porta Solis zu. Angeführt wurden sie vom Tribunus Angusticlavius Iullus Quintilius Sermo, der mit wehendem Helmbusch voranritt.
Es gab Arbeit in Alexandria und Sermo wollte keine Zeit verlieren. Deshalb schickte er zwei Mann im Laufschritt voraus, um die Kolonne am Tor anzumelden. Die Wachmannschaft sollte sie ohne große Fragerei passieren lassen. Welcher alexandrinische Stadtwächter würde sich auch freiwillig mit hundertundsechzig Legionären anlegen?
Falls hier geantwortet wird: Nicht wundern, ich mach innerhalb der Stadt schonmal aus Zeitgründen weiter.
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Vom Tor kommend betrat der Decurio Manius Valerius Sisenna das Officium des Praefectus Castrorum nach kurzem Klopfen. Vor der Principia hatte er sein völlig erschöpftes Pferd abgegeben und befohlen sofort beim Praefectus Castrorum angemeldet zu werden. Dort war aber niemand, denn der Mann war irgendwo im Lager unterwegs. Also machte der Decurio es sich im Officum gemütlich und ließ einen Legionarius nach dem Praefectus Castrorum suchen. Das dauerte eine ganze Weile.
Schließlich aber kam Sisenna dazu, seine Meldung zu machen. Er salutierte vor dem Praefectus Castrorum und berichtete: “Praefectus Castrorum, es gibt schlechte Neuigkeiten. Ich muss dir mitteilen, dass der Praefectus Legionis Artorius tot ist.“ Er schluckte hart, ließ seinem Gegenüber einen sekundenlagen Augenblick zur Verdauung dieser Information und erläuterte sodann die Umstände: “Es war während der Patrouille, eine Routinesache. Wir waren auf dem Rückweg aus Saïs, als wir die Furt eines Nilarms durchquerten, da... es passierte alles ziemlich schnell... ein Hippopotamus kam aus dem Nichts - eigentlich unfassbar bei diesen riesigen Viechern - und...“ Der Decurio sah ziemlich gequält drein, als er schließlich sagte: “Praefectus Artorius wurde zerquetscht.“
[Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.…raefectusCastrorumNSC.png]
“Mars steh' uns bei“, ächzte der Praefectus Castrorum Tiberius Critonius Planta, als er diese Neuigkeiten hörte. “Wie lange ist das her?“
“Vorgestern“, erklärte der Decurio lakonisch.
Der Praefectus Castrorum nickte. “Danke, Decurio. Ich werde den Stab einberufen. Ruh' dich aus...“ Er ließ sich schwerfällig auf seinen Schreibtischstuhl fallen und gab dem Decurio einen Wink, dass er wegtreten könne. Da kam einiges an Arbeit auf ihn zu, auf die er auch gut und gerne verzichten konnte.
Und jetzt bitte noch diese Ernennung eintragen. Vielen Dank.
Hiermit ernenne ich den Civis
IN NOMINE IMPERII ROMANI
ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI
LUCIUS TERENTIUS THYRSUS
mit Wirkung vom
PRIDIE NON IUL DCCCLXIII A.U.C.
(6.7.2013/110 n.Chr.)
zum
OPTIO
der
LEGIO XXII DEIOTARIANA
IULLUS QUINTILIUS SERMO
Holla, dieser Terentius konnte ja ganz schöne Reden schwingen. Da kam er ihm doch glatt mit einigen der höchsten Posten, die das Exercitus Romanus zu bieten hatte. Tatsächlich war Sermo der Name Terentius in Bezug auf die Ala II Numidia während seiner Zeit damals in Mogontiacum schon untergekommen. Und dass Appius Terentius Cyprianus Praefectus Praetorio gewesen war, das wusste jedes Kind. Aber wie genau waren diese Männer mit Thyrsus verwandt? Sermo ließ es einfach darauf ankommen:
"Ich sehe, du weißt was du willst", bemerkte er nüchtern. "Ich ernenne dich hiermit zum Optio der Cohors II, Centuria II." Sein Blick haftete kurz auf dem Centurio Trebellius. "Das ist die Einheit, die unter dem Kommando unseres lieben Centurio Trebellius hier steht. Ich denke, ihr werdet gut miteinander auskommen." Was ihm im Grunde genommen egal war. "Terentius, dies ist eine Chance, die ich dir gebe. Ergreife diese Chance und bewähre dich, dann stehen dir weitere Aufstiege offen. Vermassele es und du wirst als einfacher Legionär dein Dasein fristen."
Er sah den Mann kurz eindringlich an, bevor er Posca und Thyrsus mit einem Wink entließ. "Ich habe jetzt noch zu tun. Weggetreten!"
Dass es angeblich kein richtiges Gruppengefühl bei den Equites gab, ließ Sermo aufhorchen. Gab es da ein Problem in der Truppe? Er glaubte das nicht, aber vielleicht sollte er mal die Decuriones zusammenrufen und die Sache ansprechen.
"Du gehst also lieber wieder zu Fuß?", wiederholte Sermo die Aussage noch einmal für sich selbst. "Du strebst also nach höheren Dienstgraden?", fragte er Thyrsus dann ganz direkt. "Was hast du dir denn da so vorgestellt? Optio? Centurio? Praefectus Castrorum gar?" Dass von über fünftausend Soldaten in einer Legion nur ein minimaler Bruchteil überhaupt Optio wurden, musste dem Terentius ja klar sein.