Beiträge von Faustus Domitius Massula

    Ich hatte Bodogiso gesagt, er solle zu meiner Fischerhütte hinausreiten. Einfach die Straße nach Borbetomagus bis zum Vicus Victoriae. Dann den Weg runter zum Rhenus nehmen und dort zwei Stadien stromab, die Hütte mit der blauen Tür. Ich würde später nachkommen.


    Aufgehalten hatten mich noch einige Briefe an verschiedene Händler, die etwas vertrackte Geschäfte machen wollten und subito eine Antwort haben wollten. Ich hatte mich lange bei dieser und jener Formulierung aufgehalten. Dann aber ritt ich los. Es war ein ungewöhnlich warmer Oktobertag. Der Rhenus hatte zwar anfangs dicke Nebelschwaden stromab treiben lassen, die sich wie die wilde Horde gebärdeten, aber als ich den Vicus Navaliorum verließ, war der Spuk vorbei und die Sonne fing an, mich zu blenden. Als ich an die Fischerhütte kam, saß Bodogiso auf dem Steg und schaute auf den Strom.


    "Heilsa, Bodogiso. Fast noch ein Nachschlag vom Sommer heute. So mag ich's".

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    Crispus maior: "Naja, dann wär' Agrimensor schon 'was - wobei ich eigentlich dachte, dass das seit neuestem wieder von den Legionsagrimensores erledigt wird. ... "Bist du auch ein Zahlenfuchser, Massula?"
    Clemens: "Scriba des Quaestor... Das klingt nach einer erwägenswerten Option. Danke für den Hinweis."


    Der alte Legionär war einfach nicht von der Idee abzubringen, dass die Legionen für alles Mögliche zuständig seien. "Nein, nein, Petronius Crispus, die Legionsagrimensoren sind freundlicherweise nur eingesprungen, weil wir einen gravierenden Mangel an zivilen Agrimensoren haben. In Zukunft macht das die Civitas selber".


    Dann schien in ihm der Verdacht aufgekommen zu sein, dass Bodogiso sein geliebtes Steckenpferd von mir geerbt haben könnte. So ganz falsch lag er damit nicht, auch wenn es realiter mit den Genen nichts zu tun hatte. Bodogiso hatte es mir einfach abgeguckt.


    "Wenn's um mein Geld geht", grinste ich, "dann bin ich ein begeisterter Zahlenfuchser, verlass dich drauf. Aber Spaß beiseite, ich hab schon immer gerne gemessen und gerechnet. Ich hab ja Zimmermann gelernt und da musst du viel rechnen, wenn du einen Dachstuhl ausmitteln willst. Und der sollte ja auch lange stehen bleiben, oder? Bodogiso hat das wohl mitgekriegt. Hier im Imperium habe ich dann, eigentlich fast nur zu meinem Vergnügen, Architektur studiert. Die Decem Libri de Architectura von Vitruvius liegen in meiner Bibliotheca. Hat mich ne Stange Geld gekostet, aber da steht nicht nur etwas über das Bauen drin, sondern auch viel über das Leben".


    "Ja, die Idee mit dem Quaestor sollte man ein bißchen pflegen. Der hat ja auch die Steuererhebung zu machen und dafür braucht er ein Kataster. Bodogiso, darüber müssen wir noch mal reden. Machen wir am besten nachher. Du kannst ja als Agrimensor anfangen und dann Quaestor werden. Ein bißchen Kommunalpolitik ist kein schlechter Einstieg und macht auch Spaß, nicht wahr Petronius Crispus?"

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    Crispus senior: "Übrigens - was hat dich denn dazu bewogen, zu deinem Vater zu kommen?" ... "Braucht dein Junge auch eine Ehefrau, was?"


    Ich war Bodegisels Vorlesung mit gemischten Gefühlen gefolgt: Vaterstolz über seine großen Kenntnisse und väterliche Sorge, dass er sich zu sehr in die Wissenschaften vergraben könnte. Aber ich ging davon aus, dass er als mein Sohn schon herausfinden würde, was er mit seinem Wissen in der Praxis anfangen konnte und dass er sich auch wieder herauszappeln konnte, wenn er sich mal allzusehr verbuddelt hatte.


    "Ob Bodogiso eine Frau braucht, kann ich dir nicht sagen, das muss der Bursche schon selber rausfinden. Und ich garantiere dir, er wird drauf kommen. Ob er es allerdings schafft, eine geometrische Annäherung an die Seele einer Frau zu berechnen, will ich mal offen lassen", sagte ich feixend. "Ansonsten hab ich ja auch noch eine Bibliotheca mit einem Haufen von nicht-geometrischer Literatur".


    "Bodogiso ist hierher gekommen, weil er in die Administratio gehen will, anders als sein Bruder Ebergisel, der die ehrwürdige Landwirtschaft als Lebensziel auserkoren hat. Aber, Bodogiso, Petronius Crispus hat ja dich gefragt. Erzähl mal was von deinen Plänen."

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    Crispus: "Moment, durch den Rhenus und dann zum Legionslager? Also doch auf der anderen Rhenus-Seite, oder?"


    Crispus' Bemerkung traf mich, als ich mich gerade auch mit etwas Falerner versorgte. Bei Wotans Eiern, da hatte ich mich verplappert. Ich schien mich dem Alter zu nähern, in dem man gaga sein durfte. "Was? Hab ich etwa diesseits gesagt? Quatsch! Ich meinte natürlich jenseits, klar doch".


    Die geräucherte Forelle hatte nicht bei jedem hier ihren Praxistest bestanden, das sah man an den spitzen Fingern, mit denen sie behandelt wurde. Ich nahm es gelassen, meine Gäste würden hier jedenfalls nicht verhungern, denn Boduognatos hatte sein Pulver noch nicht verschossen.


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    Octavena: "Da bin ich aber froh, hier gelandet zu sein. Alles andere wäre dann ja wohl ein noch größerer Schock geworden."


    War es der Tonfall? Oder waren es die Worte. Ich ließ mir Octavenas Tonfall noch mal durch mein Gehör wandern. Ja, sie hatte einen ganz eigenen Tonfall ihren Worten 'Da bin ich aber froh ...' mitgegeben. Richtig, das war es.


    "Nein, das war doch sicher nicht ironisch gemeint, Petronia Octavena. Aber ich höre doch heraus, dass du bei deiner Ankunft in Germania einen klitzekleinen Schock erlebt hast. Wie war das denn?"

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    Crispus: "Riecht ja wunderbar!"


    Ich hatte mir auch ein Stück von der Forelle genommen. Zusammen mit gedünsteten Zwiebeln und Rosinen schmeckte das tatsächlich wunderbar. "Ja, Petronius Crispus, die sind heute nachmittag frisch gefangen worden und dann kaum eine Stunde im Räucherofen gewesen. Mit Rauch von Buchen und Wachholder. Da schau auf das Mosaik am Boden. Da sind fast alle Fische des Rhenus. Die Forelle ist direkt unter den Augen von Petronia Octavena. Dort ist der Aal, Barsch, Hecht, Zander - er ist da vor deinen Augen, Lucius Petronius Crispus, ganz vorzüglich! -, Rapfen, Döbel, Brasse, Nase, Rotauge, Karpfen und so weiter, dort noch der Wels - der schmeckt aber ziemlich muffig."


    Auf dem Tisch stand noch die Kanne Falerner ganz unangetastet: "Hier, nehmt noch einen Schluck Falerner dazu, bevor es mit dem Essen weitergeht!"


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    Crispus: "Woher stammst du noch gleich ursprünglich? Von jenseits des Rhenus?"


    Dass ich aus dem Barbaricum kam, war ja stadtbekannt, das hatte Laetilius Fecenianus im Ordo Decurionum oft genug hinausposaunt, wenn er sich über mich geärgert hatte. Dass in meinem Herzen noch ansehnliche barbarische Restposten gelagert waren, war weniger bekannt und war, bei Wotan, mein Privatvergnügen.


    "Ja, Petronius Crispus, ich komme, wie man so sagt, von diesseits des Rhenus. Ungefähr fünf leugae diesseits des Rhenus. Wenn man auf einen Hügel kletterte, konnte man die Mauern des Legionslagers in Bonna sehen. Früher sind wir im Sommer manchmal durch den Rhenus geschwommen und haben die Legionäre gefoppt, wenn uns die Classis nicht vorher an unser Ufer zurückgescheucht hat. Übrigens, Petronia Octavena, am Rhenus haben wir uns ein gut Stück von der Wärme des Mare Internum ausgeliehen. Nirgends in Germania ist es so warm wie hier".

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    Octavena: "Ich liebe die heißen Sommertage in Tarraco. Um die Mittagszeit kann man sich dann kaum noch rühren, aber dann irgendwo im Schatten zu sitzen ist wunderbar."


    Ich versuchte mir vorzustellen, wie ein trüber germanischer Oktobertag auf jemand wirken würde, der in der Hitze Hispanias aufgewachsen war. Aber ich konnte es mir nicht vorstellen, weil ich die Wärme des Südens nicht erlebt hatte. Davon abgesehen hatten wir gerade seit Tagen überwältigend schönes Wetter und einen bunten Herbst.


    Lachend sagte ich: "Ja, das ist es, was die Germanen nach Süden treibt. Sie haben Sehnsucht nach Wärme. Dummerweise werden sie von den römischen Legionen ständig daran gehindert und müssen in ihren düsteren Wäldern bleiben. Auch mich hat dieser Drang nach Süden gelegentlich erfasst, ich habe aber Speer und Schwert liegen lassen und mich für den Schreibgriffel entschieden. Da haben sie mich als harmlos eingestuft und reingelassen. Bisher bin ich aber nicht weiter als bis nach Mogontiacum gekommen".


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    Crispus: "Vorwärts krieg ich's nicht so recht hin!"


    So eine Sache, das Eierlegen. Man kann's oder man kann's nicht. "Wäre ja noch schöner, eierlegende Legionäre".


    Atto kam mit einer neuen Platte: "Ah, da kommen die geräucherten Forellen!" Beim Absetzen sagte Atto: "Mit ein bißchen Koriander gewürzt."

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    Crispus: "Darauf kannst du wetten!"


    Marcus Petronius Crispus hatte einen Scherz gemacht. Ich war verblüfft, denn ich erinnerte mich nicht, dergleichen schon einmal bei ihm erlebt zu haben. Genau genommen hatte ich allerdings schon lange den Verdacht, dass er häufig Scherze machte und ich bloß nicht fähig war, sie als solche hinter seiner furztrockenen Fassade zu erkennen. Bei seinem Sohn war ich mir aber sicher, dass er bezüglich Humor keiner Teichmuschel das Wasser reichen konnte.


    "Nein, ich schließe keine Wetten auf den Appetit von Legionären ab, aber ich wette darauf, dass das eben wie Eierlegen rückwärts ausgesehen hat."


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    Octavena: "Ich war ehrlich gesagt vor allem unruhig und auch etwas ängstlich. Ich bin in Tarraco geboren und groß geworden. Bis dahin kannte ich nichts anderes. Und Germania war weit weg ... Alleine von da weg zu gehen war nicht gerade das Einfachste."


    Octavenas Bericht über ihre Gefühle beim Verlassen von Hispania war beeindruckend nüchtern. Vor allem, wenn man in Rechnung stellt, dass sie eine Frau war und eine Südländerin. Wenn ich irgendeine Germanin Ähnliches gefragt hätte, wäre diese erst ungefähr nach zwei Stunden zum ersten Atemholen gekommen. Ich hätte herzzerreißende Klagen über den Verlust des Zurückgelassenen und zorniges Geschimpfe über die Zustände am neuen Wohnort gehört. Die Ohren hätten mir danach weh getan. So gesehen, ein Pluspunkt für Octavena.


    "Sag, Petronia Octavena, was gibt es in Tarraco Schönes oder Beeindruckendes, was wir hier nicht haben?"

    Das war aber keine ausgeschlafene Idee mit der Sondersteuer. Ich kam aus dem Stirnrunzeln nicht mehr heraus. "Natürlich ist das Quatsch mit der Sondersteuer. Die Leute kriegen bei so etwas ja höchstens drei Viertel von dem zurück, was sie bezahlt haben. Erstens geht Geld für Lagerkosten und Verteilung drauf, zweitens wird beim Abwiegen sowieso immer etwas "verschüttet" und ich kann meine Augen auch nicht überall haben, um den Langfingern eins auf den Rüssel zu geben. Drittens ist eine Sondersteuer für jeden Legaten absolut verführerisch, weil man sie ja auch zweckentfremden kann. So gesehen würde dann vielleicht sogar ein vernünftigerer Quatsch draus werden. Aber was das Getreide angeht, denke ich, dass der Markt das leisten kann, ohne dass wir eingreifen. Schließlich müssen wir im Augenblick nicht auch noch zwei Legionen durchfüttern. Und die Belger werden verkaufen. Ich hab dort ein paar Freunde".


    "Den Tagesordnungspunkt Mattiaker", resümierte ich grinsend, "verschiebe ich dann mal auf einen Vormittag nach dem Krieg".


    Die Chose mit der Anklageerhebung hatte ich noch nicht zu Ende gedacht. Ich kratzte mich ausgiebig am Kopf. "Du hast recht, es dürfte ziemlich lange dauern, bis ich hier in der Provinz einen Senator ausfindig gemacht habe und bis ich den dann auch zu einem Kopfnicken überredet habe. Aber ich überlege folgendes: Weil die Civitas als Kläger fungiert, scheiden die Duumviri als Richter aus. Das war der Grund, warum man die Sache an die Provinz hochreichen will. Die erste Möglichkeit wäre, den Fall nicht an die Provinz weiter zu geben und auf der Ebene der Civitas einen unabhängigen Richter zu benennen. Die zweite Möglichkeit wäre, dass man den Fall an die Provinz abgibt und diese dann von § 9, Absatz 5 des Codex Iuricialis Gebrauch macht. Der erlaubt auch, Nicht-Senatoren oder solche, die keinen Abschluss im Cursus Iuris haben, zu Richtern zu berufen, wenn es gar keine andere Möglichkeit gibt. Ich lasse diese Varianten juristisch prüfen. Was Annaeus Modestus nach dem Krieg damit machen wird, kann ich nicht voraussehen, ebensowenig die Folgen eines eventuellen Kriegsausgangs zugunsten Salinators. Alles reine Hellseherei. Drum lass ich das mal außen vor".


    Ich gönnte ich mir einen Schluck Wein.

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    "Nönö, die Civitates in der Provinz sind Untertanen, keine Verbündeten. Aber wenn wir ein Municipium sind, haben wir ja quasi den gleichen Status wie die Städte in Italien und die sind ja keine Provinz, sondern freie Städte - oder?"


    Aha, das klang schon anders. Ich ließ mir meine Änderungswünsche nochmal durch den Kopf gehen und kam zum Schluss, dass ich eigentlich bei meiner Auffassung bleiben konnte.


    "Na, dann können wir ja bei meinen Änderungsvorschlägen bleiben. Ich schlage also vor, den Satz bezüglich der Zuwiderhandlung gegen die Lex Municipalis folgendermaßen zu formulieren: 'Jeder, der wider dieses Gesetz handelt, kann zu einer Strafzahlung von bis zu 5000 Sesterzen an die Stadtkasse verurteilt werden'. Der Satz bezüglich dessen, was erlaubt ist, kann entfallen. Den davor stehenden Satz bezüglich der Geltung der römischen Leges, der dir ja so am Herzen liegt, Petronius Crispus, sollten wir stehen lassen: 'In allen Dingen, die nicht durch diese Lex geregelt sind, gelten die Leges des römischen Volkes für die Municipes und Incolae des Municipium'. Mir wäre es aber lieber, wenn wir schreiben würden: 'Im Übrigen gelten die Leges des römischen Volkes für ...'. Die erste Formulierung stellt die Lex Municipalis zu sehr und in ausschließender Weise neben die Leges des römischen Volkes, wobei ich der Auffassung bin, dass sie besser unter dem Dach der römischen Leges anzusiedeln wäre.


    "Schließlich schlage ich noch vor, den letzten Satz folgendermaßen zu formulieren: '... auf dem Forum so ausgestellt wird, dass jedermann es lesen kann'. Damit ist klargestellt, dass auch die es lesen können, die gerade keine Leiter dabei haben."

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    Octavena: "Aber ich glaube kaum, dass eine Feige, die hier gewachsen ist, mit denen aus meiner Heimat mithalten könnte."


    Ich nahm mir etwas gedünsteten Fenchel. "Ich denke du hast recht damit, Petronia Octavena. Aber im Stillen hoffe ich immer noch auf einen heißen Sommer. Vielleicht klappt's dann. Natürlich haben euch in Hispania die Götter mit heißen Sommern gesegnet, da sind wir in der Tat schlechter dran. Für dich muss es doch schrecklich gewesen sein, als du Hispania verlassen hast und nach Germania gegangen bist, dessen Wetter einen solch schlechten Ruf hat. Was ist in deinem Kopf herumgegangen, als der Tag der Abreise gekommen war?"


    Dann angelte ich mir noch ein bißchen von den gekochten Eiern und einige Oliven. Ich sah, dass Petronius Crispus noch zögerte. "Komm, greif zu, iss wie ein Legionär! Die zieren sich wahrhaftig nicht, wenn es ums Essen geht."


    Atto stellte noch einige Becher und eine Kanne Falerner auf den Tisch.

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    Crispus: "Na gut - aber interessieren würde es mich schon. Und Octavena auch, was?"
    Octavena: "Sicher doch. Ich würde mich freuen, ihn kennen zu lernen."


    Gerade noch im letzten Augenblick kam Bodogiso im Triclinum an. "Heilsa, Bodogiso, schön, dass du noch zeitig gekommen bist. Schau her, das ist Marcus Petronius Crispus. Er hat bei der Legio Secunda gedient und ist nach vielen Heldentaten als Primus Pilus in den verdienten Ruhestand getreten. Er ist wie ich im Ordo Decurionum und wir haben dort schon so manche Debatte durchgestanden. Hier sein Sohn Lucius Petronius Crispus, Magister Vici in unserem Stadtbezirk. Er hat gerade begonnen, die Sprossen einer hoffentlich leuchtenden Karriere zu erklimmen. Und hier die liebenswerte Petronia Octavena. Sie ist die Nichte von Marcus Petronius Crispus und stammt aus Tarraco in Hispania".


    Panphilos kam herein und wies den Gästen höflich ihre Plätze auf den Klinen zu. Marcus Petronius Crispus bekam selbstverständlich den Locus Consularis auf dem Lectus medius. Die weiteren Plätze auf dem Lectus medius gingen an Petronia Octavena und Lucius Petronius Crispus. Summus in Imo ging an mich und neben mir nahm Clemens auf dem Lectus Imus Platz.


    "Petronia Octavena, ich weiß nicht, wie du es damit hältst, aber wenn du es wünschst, lasse ich dir gern auch einen Stuhl bringen".


    Atto brachte noch Mulsum und die Vorspeisen. Boduognatos hatte verschiedene gedünstete Gemüse und natürlich gekochte Eier mit einer Sauce aus Meerettich und Feigenmus vorbereitet.


    "Lasst es euch schmecken! Oder besser noch, beginnen wir die Cena mit einem weiteren Schluck Mulsum. Dann greift aber zu! Oliven sind da, gefüllte Weinblätter, Karotten, Lattich, Kraut, Zitronen und vor allem die neueste Kreation meines Kochs Boduognatos: gekochte Eier mit einer Sauce aus Meerettich und Feigenmus. Vielleicht etwas ungewohnt, aber schmeckt herrlich, diese Kombination von Süße und Schärfe. Ich habe übrigens im Hortus drei Feigenbäume gepflanzt. Du wirst es nicht glauben, Petronia Octavena, aber sie wachsen hier prächtig. Nur mit den Früchten hapert es ein wenig. Boduognatos musste die Feigen für seine Sauce auf dem Markt beschaffen".

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    Crispus: "Naja, als Municipium sind wir ja offiziell nur Verbündete Roms - auch, wenn ein Großteil von uns gleichzeitig römische Bürger sind. Deswegen würde ich sicherheitshalber klar stellen, dass die Gesetze in Rom eben auch für uns gelten.


    Hinter der Hartnäckigkeit des alten Petroniers verbarg sich offenbar ein tieferer Grund, den er aber erst nach geduldigem Nachbohren herausrückte. Nämlich, dass ein Municipium nur ein Verbündeter Roms zu sein schien. Mir kam das etwas abenteuerlich vor. Sein Gedankengang war dann wohl, dass ein Municipium, weil es nur mit Rom verbündet sei, sich expressis verbis den römischen Leges zu unterwerfen hätte.


    "Aber Petronius Crispus, was sagst du da? Die Civitas Mogontiacensium sei nur ein Verbündeter Roms, so wie die Mattiaker Verbündete Roms sind? Das ist mir neu. Wo ist das niedergeschrieben?"

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    Crispus iunior: "Hab' ich."
    Crispus senoir: "Ich bin jedenfalls stolz auf meinen Sohnemann - apropos Sohnemann - wolltest du uns nicht deinen vorstellen?"


    Der junge Petronier hatte gerade seinen persönlichen Erfolg mit einer geradezu bodenlosen Bescheidenheit bestätigt. Ich war etwas verwundert darüber, kannte ich ihn doch sonst als wortreichen Redner. Das mochte aber daran liegen, dass er immer nur dann viele Worte gebrauchte, wenn man ihn angegriffen hatte und das war hier eben nicht der Fall.


    "Das ist eine äußerst gute Nachricht, Lucius Petronius Crispus, brauchen wir doch hier in Mogontiacum gute Juristen, zumal wir noch ein Verbrechen aufzuarbeiten haben. Ich würde dich gern dem Ordo Decurionum als Ankläger beim Fall des Diebstahls der Stadtkasse vorschlagen. Wie auch immer, meine besten Glückwünsche für deinen Erfolg. Und dein Vater kann zu Recht stolz auf dich sein".


    Ich hob meinen Becher und wandte mich an meine beiden anderen Gäste. "Lassen wir die geschäftlichen Angelegenheiten aber jetzt beiseite und unterhalten wir uns über Dinge, die auch das Interesse der liebenswürdigen Petronia Octavena finden. Und vor allem, freuen wir uns auf die Annehmlichkeiten des Essens und Trinkens. Es ist nur noch ein Gang durch das Peristyl, der uns vom Triclinum trennt. Mein Sohn wird ein winziges Weilchen später hier her kommen, genieße also deine Ungeduld noch ein bißchen, Petronius Crispus,".


    Ich öffnete die Tür zum Peristyl und bedeutete meinen Gästen, mir zu folgen.

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    Crispus: "Dass wir das Satz zu dem nicht Verbotenen als erlaubt streichen, fände ich aber schlecht. Der Satz unterstreicht nochmal, dass die römischen Gesetze generell und die Decreta Decurionum genauso Rechtskraft besitzen wie die Lex - nicht, dass jemand meint, weil wir jetzt eine selbstständige Stadt wären, könnten wir uns über die römischen Leges hinwegsetzen."


    Crispus hatte wohl sein Herz an bestimmte Passagen seines Entwurfs gehängt und verteidigte sie zäh und geduldig.


    "Dieser Satz 'Alles was nicht verboten ist, ist erlaubt' ist eine solche Selbstverständlichkeit wie etwa der Satz 'Wenn nicht Nacht ist, ist Tag'. Gleichwohl haben die Juristen bemerkt, dass man auch solche Selbstverständlichkeiten regeln muss, weil anderenfalls einige närrische Winkeladvokaten auf die Idee kommen könnten, dass man sich solche Gesetzeslücken nutzbar machen könnte. Daher gibt es seit altersher den Grundsatz 'sine lege nulla poena'. Genau diese Worte sind auch die Überschrift des § 44 'Keine Strafe ohne Gesetz' im Codex Iuridicialis. Der Codex Iuridicialis ist ein höherrangiges Gesetz und deswegen brauchen wir das selbe nicht noch einmal in unserer Lex Municipalis zu wiederholen. Kurzum: ich bin für Streichung".

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    Crispus minor: "Sicher!" sagte er dazu mit größter Mühe, nicht ironisch zu klingen und nahm sich einen Becher, den er mechanisch Massula zum Anstoßen hinhielt.


    Es war nicht zu übersehen, dass Lucius ein leicht säuerliches Gesicht machte. Ich übersah es dennoch, stieß mit ihm an und verschüttete etwas Honigwein. "Mögen die Götter uns beiden die Gunst gewähren, dass jeder von uns sein Vergnügen an einem Streitgespräch hat. Übrigens hast du schon deine Prüfung im Cursus Iuris bestanden?"

    http://img268.imageshack.us/img268/3798/panphilosk.jpg
    Panphilos ... kam ganz aufgeregt in die Küche und wedelte mit einem Brief.


    "Alwina, schau her, du hast Post bekommen! Und ich hab immer gedacht, dass der Cursus Publicus wegen des Kriegs nicht funktioniert. Na, freust du dich, Alwina?"




    Ad
    Alwina
    Casa Domitia
    Mogontiacum
    Germanie Superior


    Salve meine kleine Barbarin,


    ich hoffe dieser Brief von deinem Berengar erreicht dich und nimmt dir einiges an Sorgen. Zumindestens für das erste.
    Mein Herz ist schwer und schmerzt mehr als meine Füße, Beine und Schultern zusammen. Ich vermisse dich und in meiner Brust fühlt es sich an als ob ein Dolch in ihr steckt. Solange bin ich schon weg und es gibt noch kein Anzeichen für eine baldige Rückkehr. Wir ziehen immer weiter gen Süden und damit von dir fort. Das überqueren der Alpen hat ewig gedauert. Sie war begleitet von einigen kleinen Scharmützeln und Ärgernissen. Doch am schlimmsten waren die letzten Tage. Zwar ging es da tagelang bergab was eigentlich leichter wäre, auch wenn die Ausrüstung dann ganz anders wiegt. Aber wurde das Wetter merklich schlechter und als wir schließlich am Fuß der Berge ankamen und an einem wunderschönen See lagerten traute ich mich gar nicht mehr zurück zu blicken. Denn dann hätten meine Augen hätten gesehen was mein Geist schon weiß. Auf Monate ist dieser Rückweg wegen dem Winter versperrt. Ein einzelner Bote mag es noch gelingen über die Berge zu kommen aber keinesfalls eine ganze Armee.
    Dieser See hier ist wunderschön und seine kühlen Fluten eine willkommene Möglichkeit sich mal wieder ordentlich zu waschen. Doch wenn ich ihn sehe denke ich nur daran das ich gerne mit dir zusammen an seinem Ufer eine Nacht verbringen würde. Ganz so wie unsere erste gemeinsame Nacht am Rhenus.
    Vielleicht findest du ja eine Gelegenheit mir zu antworten. Ein paar wenige Boten oder ähnliches werden zwischen Mogo und unserer Armee hin und her reisen. So hoffe ich jedenfalls. Ich hoffe es mangelt dir an nichts und es klappt alles. Nero und Ingrim tun hoffentlich ihre Pflicht die ich ihnen aufgetragen habe als ich unser Haus verließ.
    Ich versuche bald einen weiteren Brief zu schreiben mein Herz und hoffe darauf das dich zumindestens einer erreichen wird und ebenso das mich eine Antwort erreicht.



    Berengar



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    Bodogiso: "Aber eine Toga muss ich nicht anziehen, oder?"


    Ich grinste. Bodogiso war schon ein richtiger Römer geworden. Die legten zwar großen Wert darauf, die Toga tragen zu dürfen, aber wenn es sich vermeiden ließ, dann verzichteten sie darauf, sich in diesen Stoffmassen durch die Welt zu bewegen.


    "Nein Bodogiso, zu einer Cena geht man in bequemer Kleidung. Und hier kannst du sogar Bracae tragen, obwohl ich sicher bin, dass der junge Crispus darüber die Nase rümpfen würde. Wenn es irgendwem trotzdem einfallen würde, in einer Toga bei einer Cena aufzumarschieren, würde man ihn als Angeber betrachten".

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    Marsus: "Ich habe mir erlaubt, die Strafregelung etwas zu modifizieren, indem ich die Duumviri für zuständig in derlei Angelegenheiten erkläre. Ich hoffe, das trifft auf Zustimmung. Außerdem ist so auch festgelegt, dass eine Strafe auf einem Urteil basieren muss, damit gar nicht erst die Gefahr von willkürlichen Strafen mit langwierigen Beschwerdeprozessen aufkommt".


    "Danke Petronius Crispus. Ich komme also zu den Punkten, die den Absatz 'XVII. De Iure Municipium' betreffen. Da ist vor allen die Strafregelung zu nennen: '... Jeder, der wider dieses Gesetz handelt, hat gemäß dem Urteilsspruch der Duumviri 5000 Sesterzen an die Stadtkasse zu bezahlen'. Das widerspricht meinem Rechtsverständnis, weil hier den Richtern schon vorab das Strafmaß vorgeschrieben wird. Der Richter kann also nur noch feststellen, ob ein Verstoß vorliegt und nicht, wie dies im Codex Iuridicialis bei jeder Strafe üblich ist, auch über das Strafmaß je nach Schwere des Verstoßes und nach Würdigung mildernder Umstände ein angemessenes Urteil fällen. Ich schlage deshalb vor, die Worte 'gemäß dem Urteilsspruch der Duumviri' fallen zu lassen und vor den Worten '5000 Sesterzen' den Zusatz ' bis zu' einzufügen. Die Duumviri sind laut Abschitt XVI zuständig für diese Angelegenheiten. Das braucht hier also nicht mehr gesagt zu werden".


    "Auch den Satz 'Im Übrigen ist dasjenige, was nach dieser Lex, den römischen Leges und den Decreta Decurionum nicht verboten ist, erlaubt' können wir uns sparen. Er entspricht der allgemeinen Rechtsauffassung und braucht deshalb nicht hier wiederholt werden".


    "Schließlich schlage ich noch vor, den letzten Satz folgendermaßen zu formulieren: '... auf dem Forum so ausgestellt wird, dass jeder es lesen kann'."

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    Bodogiso: "Erinnerst du dich noch an Servius Aquilius Secundus?"
    Bodugnatos: Meinst du nicht auch, Domine, dass wir bald eine größere Culina brauchen?"


    Aquilius Secundus? Ich drehte mich zu Bodogiso: "Der Secundus. Leev de noch? Der hat mir doch schon das Rechnen beigebracht. Danke für den Gruß. Ich war ja vor ein paar Monaten mal in Agrppina, aber da musste ich den dortigen Legionskommandeur dazu überreden, am Kriegszug gegen Salinator mitzumachen. Und dann musste ich so schnell es ging, nach Mogontiacum zurück. Sonst hätte ich ihn besucht".


    Dann kam die Frage von Boduognatos. Dem schien das Geknubbel in der Küche auf den Geist zu gehen. Ich sah ja ein, dass es da manchmal etwas eng wurde. Aber ich war dagegen, da etwas dran zu ändern. Es war schön, so wie es war.


    "Nein, Boduognatos. Sicher würde es dir gefallen, wenn ich das Tablinum in eine Culina umbauen würde. Na klar. Aber dann müsste ich im ganzen Haus nach einem Platz für das neue Tablinum suchen. Ja, man könnte das Triclinum dazu hernehmen. Das heißt jetzt aber, einen Platz für das neue Triclinum zu finden. Wenn ich das mache, dann muss ich die ganze Barracke abreißen und neu bauen. Und wo essen wir dann in der Zwischenzeit?"