Beiträge von Marei

    "Was? Deine Mama ist tot? Ui! Das tut mir aber leid." Letzteres sagten die Erwachsenen immer, wenn sie von dem Tod erfuhren. Sie zuckte mit den Schultern. "Was mit meiner Mama ist, weiss ich nicht. Also ob sie lebt oder gestorben ist. Sie hat mich an den Sklavenhändler verkauft. Und von da wurde ich von den Aurelii gekauft." Sie musste unwillkürlich grinsen über das was Esquilina über Rom sagte. "Weit. Groß. Laut. Alles richtig. Es ist ständig was los. Im Sommer stinkt's von überall her. Du kannst dir alles mögliche kaufen."


    Ein Lehrer der extra aufs Landgut kommt? Überhaupt Landgut. Wie lebte es sich denn dort? Als Stadtkind hatte sie natürlich keine Ahnung. Neidisch dreinblickend plapperte sie weiter. "Pof! Baldemar bringt mich hin und holt mich wieder ab. Um zur Schule zu kommen müssen wir durch fast die halbe Stadt laufen. Manchmal muss ich alleine hin und zurück. Dann beeile ich mich und lasse mich nicht aufhalten. Das Alphabet übst du? Das habe ich schon durchgenommen. Wachstafeln haben die meisten. Mit Papyrus und Tinte schreiben nur die ganz reichen und die älteren Schülter. Was ist ein Bleistift?"


    Marei überwand so langsam die Überraschung in Licinus Büro auf ein anderes kleines Mädchen zu treffen. Sie staunte nicht schlecht. "Ja, Fabeln sind Tiergeschichten. Ich kenne bis jetzt nur eine Fabel von einem Soldaten der nach Germanien in den Kampf reitet. Cimon wollte mir die Ilias vorlesen, das soll eine Geschichte über einen einsam auf der Welt umherirrenden Mann sein. Magst du Katzen? In Rom passe ich ganz alleine auf die drei Katerln von Cimon auf. Die durfte ich nicht mitbringen. Jetzt kümmert sich wer anders um die drei so lange ich weg bin." Ob sie sich zu ihr auf den Boden setzen sollte? Sie tat es einfach. "Manchmal erzählt Cimon mir seine selber ausgedachte Geschichten. Wenn er keine Zeit zum Erzählen hat oder in Mantua ist, dann versuche ich mir selber die Fortsetzungen auszudenken."

    "Das Zimmer von Marcus...?" Sowas aber auch, das kleine Mädchen war genauso wie sie zu Besuch. "Ah.. ich verstehe. Er kann wirklich ganz gut aufpassen."


    Marei staunte nicht schlecht. Licinus hatte Esquillina tatsächlich über ihre Existenz informiert. "Ja, genau die bin ich. Licinus hat mir in seinem Brief von dir erzählt. Ich wohne normalerweise in Rom, aber ab und zu komma ich nach Mantua. So wie jetzt zu den Feierlichkeiten, weil die große Krankheit vorbei ist. Und mein Herr der Legat nicht nur über die Soldaten sondern auch noch über die Stadt herrschen darf." So hatte sie die komplizoierte Sache 'Patronat' zumindenst verstanden.


    "Für den Lehrer? Gehst du in die Schule?" Marei setzte sich auf den nächstbesten zum Sitzen geeigneten freien Platz... ein dreibeiniger Schemel. "Was für Aufgaben musst du denn für ihn lösen? Ich bin schlecht in den Zahlwörtern und lese sehr gerne Fabeln. Und du?"

    Wer war denn das? Große Überraschung! Marei war nicht minder erstaunt ein Spiegelbild ihrer selbst zu finden. Ein kleines Mädchen mit einer tabula in der Hand. Oh verflixt, die tabula errinnerte sie daran, dass sie sich immer noch nicht um die Aufgaben von Lehrer und Gärtner gekümmert und diese beantwortet hatte.


    "Öh! Bin ich im falschen Raum?" entfuhr es ihr. "Ich suche primus pilus Licinus. legatus Aurelius Ursus ist mein Herr. Und wer bist du? Ich heiße Marei."


    Neugierig wie sie auf das noch namenslose Mädchen war, fügte sie eine Frage dran. "Was schreibst du denn gerade? Ich kann schreiben und lesen. Und Briefe verschicken." Ja, genau wegen dem zweiten Brief an 'Lici' war sie hier. Um zu fragen ob ihre Zeilen angekommen waren. Und ob sie vielleicht nochmal auf die Mauer steigen konnte.

    Sie bekam unbegleiteten Eintritt und eine Information. Sie konnte gar nicht allzuviel falsch aufgesagt haben. "Aha, ich danke dir. Vale bene, Soldat." bedankte sich Marei, salutierte wieder und betrat das Gebäude.


    Es war viel los. Wieder waren viele Männer zu sehen. Marei riss sich zusammen und sprach sich Mut zu. Umdrehen und aufgeben? Nein, das kam nicht in Frage. Sie passierte die Ecke und betrat den nächstbesten Raum rechter Hand. Die Tür stand offen. Zu Hause in Rom hieß das, dass man eintreten durfte ohne zu klopfen. Aber hier war nicht ihr zu Hause, deshalb klopfte sie an. "Hallo? Jemand zu Hause? Ich suche primus pilus Licinus." Marei besah sich die Tür, nach einem Hinweisschild suchend, ob sie am richtigen Raum angelangt war und schaute wieder in den Raum. Ihre Hände waren leer und der Beutel nicht dabei. Nina war bei Frija, denn ihr Puppenkleid hatte einen Riss. Frija würde den Riss nähen.

    Zwischen den Aufgaben des Tages hatte sie eineinhalb Stündchen für sich übrig und nutzte die Gunst der Stunde, um so schnell wie sie konnte, allein um keine Sekunde der wertvollen freien Zeit zu verlieren für einen Besuch bei jemandem. Nicht ein irgendjemand sondern ein ziemlich wichtiger Mann. Marei näherte sich dem Gebäude, wo sich Licinus Büro und Privaträume befanden. Langsam gehend näherte sie sich den Wache stehenden Soldaten und salutierte, wie sie es sich von den vor Ursus Gebäuden stehenden Soldaten abgeschaut hatte. Und was sagte man jetzt? "Marei, serva Lagatus Aurelii Ursus... meldet sich... äh... zum Besuch des primus pilus." Alles ziemlich falsch, oder? Sie stockte und räusperte sich. "Äh.... kann ich alleine rein? Oder brigst du mich?" Noch ein Zögern. "Wenn er keine Zeit hat, dann gehe ich wieder und komme ein andermal vorbei."

    So viele Menschen! Da sie noch so klein war, sah sie größtensteils die Beine und Hüften. Gerne hätte sie Baldemar oder Cimon gefragt, ob sie sie auf die Schultern nehmen könnten. Aber das ging nicht. Beide mussten als Leibwächter 'ihren Dienst tun', so nannte Marei deren Aufgabe für die Herrschaften. Direkt hinter Cimon ging Marei. Sie trug die gleichen Farben wie seine Kleidung. Ihre dunklen Haare waren gekämmt und sorgsam mit einzelnen Klammern hinter den Ohren festgesteckt. Nun schob sie sich zwischen die Leibwächter in deren Mitte. Baldemar ging auf der anderen Seite, Sie fasste nach seiner Hand und sah zu ihm auf. "Papa? Weisst du, wie schick du und Mama aussiehen? Wir alle sehen ganz schön schick aus." Immer wieder huschte ihr Blick zu Septimas bewundernswerter Kleidung. Schickschickschick! Ihre Schritte hoben und senkten sich im Rythmus des Wortes.


    Für eine Weile war der Blick frei zum nach vorne schauen und gucken wo sie jetzt waren. Aha... sie waren bald da. Sie konnte die Tribüne sehen. Rechts davon wartete jemand in ihrem Alter auf sie. Marei freute sich schon auf das kleine Mädchen, welches unter der Obhut von Licinus stand. Sie konnte es nicht mehr erwarten. Um Cimons Aufmerksamkeit zu erhaschen, fasste das kleine Mädchen nach seiner Hand. "Wie wir es besprochen haben... ich gehe jetzt neben die Tribüne zu Esquilina. Licinus ist bestimmt schon da." gab sie dem dunklen Freund Bescheid und nickte ihm zu. "Keine Sorge, ich habe mein Holzschwert bei mir. Baldemar hat es erlaubt."


    Im Beutel, welchen sie über der Schulter trug, steckte Puppe Nina. Die musste ja auch die vielen Menschen sehen und sie bei diesem Fest begleiten. Nina war immer dabei, wenn sie außer Haus ging. Marei löste ihre Hand und schob sich aus der Gruppe heraus. Sie suchte, wie eine Schlange um die Passanten schlängelnd, ihren Weg bis zur Tribünenseite. So virele Männer! Wo war Licinus? Ein hellblauer Stoff stach ihr ins Auge. Die Größe passte auch. Das mussste sie sein. "Esquilina! Ich bin hierrr..." rief Marei freudestrahlend und winkend aus und kämpfte sich an die letzten im Weg stehenden Passanten vorbei. "Puh.. endlich am Treffpunkt! Hallo! Ist Licinus noch da oder schon weg?" plapperte sie munter drauf los. "Dein Kleid ist total schön! So ein schönes hellblau.."

    Ihr erster Impuls war es zu lügen. Aber Lügen war nicht gut. Es brachte nur noch mehr Schwierigkeiten ein. Trotzdem... sie könnte es versuchen. Sie hatte noch nie gelogen und war bisher immer ehrlich gewesen. Während dem inneren Zwist was zu tun sei, entschied sie sich für die Wahrheit. Und für das Miteinander reden. Und für das Erzählen. Mit beidem war sie bisher immer gut gefahren.


    "Ja, ich habe einen Brief bekommen. Von Licinus aus Mantua." Sie schüttelte den Kopf und sah den majordomus wieder an. "Er hat den Brief an mich adressiert. Also ist für mich bestimmt." beharrte sie und schüttelte den Kopf. "Ich habe ihn alleine gelesen. Obwohl ich zusammen mit Baldemar oder Frija lesen wollte. Weisst du was? Die Herrin will meinen Brief lesen. Lese ich Septimas Briefe, wenn die an sie gerichtet sind? Nein!"

    Der Türsklave war überzeugt und kümmerte sich um sie. Und der Mann hatte auch noch recht. Denn das Handtuch war tatsächlich so nass, dass es all die Regentropfen, die auf ihrer Kleidung und in den Haaren nicht auffangen konnte. "Blöder Regen! Was hab ich angestellt, dass ich in diesen vermaleldeiteten Regensturz gerate... " schimpfte Marei und setzte einen von Baldemar gelernten germanischen Fluch hintendran. "Himmel, Arsch und Wolkenbruch!" Marei führte ihre rechte Hand durch die nassen Haare, die inzwischen kreuz und quer zu Berge standen. Ohne Spiegel konnte sie ihre Frisur nicht sehen sonst würde sie versuchen die Haare wieder glatt zu streichen. "Salve Iunia!" grüßte Marei. "Wie geht es dir und den Kindern?"

    Dann waren sie zum Tor durch und 'enterten' das atrium des Praetoriums. Septima gab Anweisungen und teilte ihr eine Aufgabe zu. Sie sollte plötzlich helfen auf Thingmar achtzugeben? Was war denn jetzt los? Ziemlich erstaunt sah sie der davon eilenden Herrin nach und schnalzte ganz wie Baldemar mit der Zunge.


    Mama und Papa redeten leise miteinander und küssten sich. Kichernd wandte sich Marei ab und folgte Frija in Septimas Gemächer. Frija beim Auspacken zuzusehen war spannend. Die Herrin besaß so viele schöne Kleider und wertvolle Dinge. Marei hütete sich alles anzufassen, da es ihr nicht erlaubt worden war.


    Die Räume wurden gewechselt. Auch Thingmars Sachen wurden ausgepackt. Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie das Bett von dem Jungen und stellte fest, dass es größer als ihr eigenes Bett war. "Püh... wohl deshalb weil er ein Junge ist." maulte Marei. "Die Kaulquappen! Sie brauchen Wasser!" erinnerte sie ihre Mutter und durfte gehen.


    Thingmar lief ihr nach. Schweigend akzeptierte sie seine Gesellschaft. In der Küche füllte sie den Eimer auf und bemerkte etwas eigenartiges. Fragen drängten sich ihr auf, die sie von Baldemar beantwortet haben wollte. Thingmar stand neben ihr, um nichts zu verpassen. "Paaaappppaaaa? Die Kaulquappen haben keinen Schwanz mehr.. da wächst jetzt was anderes aus ihnen heraus... sind sie krank geworden?? Und der eine da hat so komische Glubschaugen bekommen..."

    Der Brief an Licinus war hoffentlich unterwegs. Marei schaute eine ganze Weile zum Fenster hinaus bevor sie sich gemeinsam mit Puppe Nina hinter den Vorhang zurückzog und anfing vor sich hin zu zu träumen. Der andere Vorhang, der die Tür zum Gang ersetzte, raschelte ein paar Mal. Das war bestimmt der Wind, redete sich Marei ein. Die strenge Stimme des majordomus belehrte sie eines anderes. Was machte er denn hier? Erschrocken rappelte sie sich auf und schob sich hinter dem Vorhang hervor. "Ja?" So streng wie er drein blickte, das kannte sie nur vom Lehrer in der Schule. Unwillkürlich machte sie sich klein und drückte Puppe Nina fest an ihre Brust. "Was ist denn los?"

    Ob sie sich im Hause auskannte? Flugs erschien ein amüsiertes Grinsen auf ihrem regennassen Gesicht. " Klar kenne ich mich aus. Ich habe hier mal eine Weile mit Tiberia Septima gewohnt. Aber da gab es dich wohl noch nicht.. hm?" scherzte das kleine Sklavenmädchen. "Ich möchte zuerst zur Iunia Serrana.. das gehört sich doch so, dass man die Mama zuerst begrüßt! Oder nicht? Oder doch lieber zuerst die Kinder? Oder schlafen die Zwillinge gerade?" Immer was Neues dazu lernen und Neuigkeiten erfahren lautet die aktuelle Devise!

    Rom lag seit einigen Tagen hinter ihnen. Mit gemischten Gefühlen betrachtete Marei die dunklen Schatten des Waldes und kuschelte sich tiefer in die wärmende Decke. Was sollte sie von dieser Reise quer übers Land halten? Einerseits hatte sie vorgehabt, nie wieder nach Mantua zu gehen, weil sie dort einen Alptraum erlebt hatte und anderseits warteten ihre großen Freunde Cimon und der primus pilus Lici auf sie und die anderen. Licinus hatte im ersten Brief gefragt, ob sie Esquillina kennenlernen wollte und er wollte dazu mit eigenen Augen zu sehen, wie gut sie mit dem Holzschwert umgehen konnte. Über alledem stand der Befehl der Herrin, dem sie sich als Sklavin zu beugen hatte. Naja, eigentlich war es ganz einfach, sie wollte nicht mehr, nie wieder alleine (zurück)gelassen werden. Unterwegs besuchten sie eine Villa Rustica, welche einem Freund der Herrin gehörte. Das Haus war schön, die Landschaft drumherum noch schöner. Das Wetter passte zu den Streifzügen rundum und über die Felder.


    Die Reise hatte den Vorteil, dass sie nicht mehr in die Schule musste und die Lehrstunden mit dem Gärtner bis auf weiteres verschoben waren. Beide Lehrer aber hatten sich Aufgaben ausgedacht, dessen Antworten sie nach der Reise vorlegen sollte. Mit jeder Meile, der sie sich dem castellum näherten wurde sie immer aufgeregter und beobachtete ganz genau, wie Baldemar mit den Soldaten sprach. Frija war wie immer mit Thingmar beschäftigt. Auf den Sohn der Herrin war sie schon seit einger Zeit eifersüchtig, eben weil er die Zeit mit ihrer Ziehmutter stahl. Da, jetzt sah er zu ihr rüber. Marei streckte ihm die Zunge raus und wandte sich zusammen mit Puppe Nina von ihm ab. Neben ihr stand ein Eimer voll Wasser, den man mit einem Deckel schliessen konnte. Darin ihre ersten Kaulquappen, die sich angeblich in Frösche verwandeln würden. Angeblich deshalb, weil sie es nicht so recht glauben mochte. "Papa.. wir müssen schneller rein. Im Eimer ist nur noch wenig Wasser drin..." rief sie ihrem germanischen Vater zu.

    Dieses Mal antwortete Septima nicht auf ihre Frage nach Baldemar und forderte stattdessen den Brief ein. Mit großen Augen sah sie die Herrin an und schüttelte schließlich fest entschlossen den Kopf. "Nein, Herrin, du kriegst ihn nicht. Er ist für mich bestimmt. MEIN Brief!" Nach diesen Worten drehte Marei sich auf der Stelle um und rannte aus den privaten Räumen ihrer Herrin hinaus. Wohin? Mit klopfendem Herzen rannte sie zum Raum, wo sie mit ihren Eltern schlief und versteckte sich hinter dem Vorhang. Dort brach sie das Siegel entzwei und fing an zu lesen. Oh, er hatte viel zu erzählen! Sie musste ihm sofort zurück schreiben. Leise ging sie zu ihrer Truhe, wo sie das Schreibzeug für die Schule lagerte.



    Ad primopilo
    Marcus Iulius Licinus
    Castra Legionis I Traianae Piae Fidelis
    Mantua
    Italia


    Liber Licinus!
    Vieln Dank für deinen Brif, ich war sehr überrascht dein Antwort so schnel zu bekomn. Eigndlih wollt ich dein Zeiln geminsam mit Frija oder Baldemar lesn, aber Herrin Septima hat Mama mit ihrm Sohn auf den Markt geschikt und Papa ist niht zu Hause. Stell dir vor, Septima hat verlangd, dass sie deinn Brief zuerst liest. Ich hab 'Nein' gesagt und bin vor ihr abgehaun.


    Ja, ich find es schön, Germanica Sabina zu kennn. Ab und zu seh ich sie und dann spieln wir zusammen. Sie hat ganz viele Pferd aus Holz und noch mehr Spielzeug. Ich hab Puppe Nina, Puppnhaus und bunte Steine. Gut, dan erzähl ich niemandm außer Cimon von den Spitznamn der kleinn Kinder. Dein Spitzname ist einfah, er lautet: 'Lici'. Zuerst hatt ich die Abkürzug 'Pripu' im Kopf, aber er gefällt mir nicht.


    Ich weiß nicht, wan wir nach Mantua gehn werden. Ich möcht nicht zurück gehn, aber wenn du möchtest, dass ich dir zeig, wie gut ich kämpfn kann, dann komm ich mit auf Reisn. Über die Schule mag ich nicht schreibn. Schön, dass dir gefällt wie gut ich schreibn kann. Aber jetzt ist keiner von den 'Großen' daheim, die mein Schreiben kontrolliern könnn. Hier weiss ich immer noch nicht, wer nebn der Herrin über alles Wichtige entscheidet, weil ich davon nichts mitbekomm. Ich krieg meistns gesagt, dass es jetzt so und so ist und gut ist es.


    Was? Du kennst noch ein kleins Mädchen? Ui, das Verkleidn macht bestimt Spaß. Ist sie dir schon mal nachgelaufn, ohne dass du es bemerkt hast? Schad, daß ihre Eltern tot sind. Nun hab ich noch einen Grund nach Mantua zu kommn! Gern möcht ich sie kenenlernn. Versprechn darf man nicht brechn, sagt Cimon mal zu mir. Ich richt ihm deine Grüß und deinen Dank aus sobald ich ihn seh. Ich schick jetzt den Brief los, hoffentlich sind es nicht allzu viel Fehlr drin.


    Marei
    Villa Ursus
    Roma


    Draußen auf dem Gang traf sie den Sklaven, der für die Post zuständig war. Marei blieb den Rest des Tages im Zimmer, darauf wartend, dass Baldemar und Frija kommen würden.

    Wie lange dauerte es hier bis die Tür aufging? Heimlich zählte sie von der Zahl eins los und blieb bei genau 122 stehen. So weit zu zählen war unnormal. Ganz bestimmt hatte sie sich verzählt. "Salve! Ich möchte zur Hausherrin und ihren kleinen Kindern. Herrin Tiberia Septima hat erlaubt, dass ich ab und zu ihnen zu Besuch kommen darf. Ich bin Marei. Victorius kann meinen Namen schon aussprechen. Laevina kennt mich noch gar nicht und ich kenne sie auch noch nicht." plapperte Marei drauflos und wischte die Regentropfen aus ihrem Gesicht.

    Laut Septimas Worten durfte sie zum zu Hause der Zwillinge gehen und die kleinen Kinder besuchen. Aber nur solange sie ihre Pflichten nicht vernachlässigte. Die Hausaufgaben aus der Schule waren erledigt. Die nachmittägliche Lehrstunden beim Gärtner wurde wie in letzter Zeit so oft recht kurz. Der ungeliebte Lehrer war verliebt und wollte so oft wie möglich bei seiner Liebe sein anstatt ein kleines Mädchen zu unterrichten. Eine kurze Notiz auf dem Ehebett ihrer Zieheltern musste reichen, um Frija oder Baldemar Bescheid zu geben, wo sie sich aufhielt. Zum Abendessen wollte und musste sie auf jeden Fall zurück sein. Auf dem halben Weg zur Casa Germanica begann es zu regnen. Marei trug keine vor den prasselnde Regentropfenden schützende Kleidung. Blöder Regen! Marei lief unbeirrt weiter. Mit nasser Kleidung und Haaren stand sie vor der Tür und begutachtete Puppe Nina. Auch diese war nass geworden. "Geteiltes Leid ist halbes Leid.." tröstete sie ihre Puppe. "Wir sind schon fast im trockenen."


    *Klopfklopfklopf*

    Nach ziemlich langer Zeit, in der sie die Zahlen auswendig lernte, beschloß Marei sich eine Pause zu gönnen. Vielleicht hatte Baldemar Zeit ihr Gelerntes abzufragen? Sie fand ihn nicht und suchte nach dem ungeliebten Gärtner, auch dieser war nicht da. Nanu, wo waren sie alle hin? Marei bekam heraus, dass eine Lieferung Möbel gekommen war, die zusammen gebaut werden mussten. Hm, gerne hätte sie mitgeholfen oder das Werkzeug gereicht, doch das zu tun gehörte nicht zu ihren Aufgaben.


    Langsamen Schrittes bequemte sie sich in die Küche und bekam von der Köchin sofort etwas zu tun. Diverse Früchte kleinschneiden und zu Mus stampfen... eine einfache Aufgabe. Sie zog sich mit ihrem Arbeitsutensilien in eine Ecke der Küche auf ihren Stuhl zurück und begann zu arbeiten. Immer wieder flog ihr Blick zur Tür, ob Baldemar oder Frija sich blicken lassen liessen. Pustekuchen. Dann würde sie im morgigen Unterricht die Zahlen eben nicht auswendig aufsagen und dann würde sie wieder heulend und zitternd den Besen auf dem Schulhof schwingen "Schnippschnappschnippschnapp.." glitt das Messer über das Schneidebrett. "Bombombombom.." Der Mörser hörte sich dumpf an, als sie sich bemühte alles klein zu matschen. Sie wurde schnell fertig und blickte, den Kopf in die Hände gestützt, gelangweilt aus dem Fenster. Was ihre Freundin Sabina jetzt wohl machte? Die konnte bestimmt schon die Zahlen auswendig. Ihr war langweilig... sie überlegte womit sie sich beschäftigen konnte.


    Aha! Marei rutschte vom Stuhl und rannte aus der Küche in den Raum, wo sie mit ihren Zieheltern schlief. Neben dem Kissen lag die Kiste, welches sie einst von Ursus geschenkt bekommen hatte. So lange schon besaß sie es schon! Und spielte selten damit! Marei setzte Nina auf ihren Schoß und setzte sich vor ihr Bett. Nun klappte sie das schlichte Holzkästchen auf. Das Kästchen allerdings hatte es in sich. Wenn man es öffnete und die Seiten abklappte, dann entstand eine winzige Wohnung bestehend aus einem Cubiculum, einem Atrium und einem Triclinium. Zwei winzige Püppchen gehörten dazu, die sogar kleine Kleidchen trugen. Es gab ein paar Einrichtungsgegenstände: Ein Bett, zwei Sesselchen mit einem Tischchen, kleine Topfpflanzen, Decken und Kissen, Teller und Becher und vieles mehr. Alles winzig klein. [SIZE=7]"Habt ihr schon das Bett gemacht?!"[/SIZE] fragte sie die winzigen Puppen ganz leise flüsternd und begann zu spielen. [SIZE=7]"Oh jeh.. so viele Krümel im Laken.. huschhusch.. alles ausschütten! Die Krümel auffegen!"[/SIZE]


    Sim-Off:

    Wer mag?

    "Nein, Cimon hat das nicht gesagt. Er kennt sich nicht mit Schmuck aus, denke ich mal. Und ja, er ist gut erzogen und er weiß sehr viel. Das 'Nicht- Anfassen' hat Frija mir genauso über den Schmuck und die wertvollen Sachen von Herrin Septima erklärt. Frija ist meine Ziehmutter und Septimas Leibsklavin." versuchte sie die Umstände zu erklären. Der strenge Blick stand der jungen Mutter gut.


    Das kleine Sklavenmädchen fand es immer noch blödsinnig, dass bunte Steine Ersatz für Schmuck sein sollten, denn bunte Steine waren bunt angemalte Steine und kein Schmuck, basta. "Bunte Steine sind bunt angemalte Steine und kein Schmuck. Schmuck dagegen ist durchsichtig und glitzert in der Sonne." äußerte sie sich über die eigenen gemachten Beobachtungen. "Aber du sagtest ja, Vina ist noch klein und steckt alles in den Mund." gab sie sich versöhnlich und versuchte vom Thema abzulenken. "Oh, ich bin sicher, dass deine Tochter sich über den Strauß freuen wird. Ich möchte sie auch kennenlernen. Wenn sie gesund ist, darf ich sie dann mal sehen, Herrin?"


    Wieder wandte sie sich Vic zu und hob anerkennend den Daumen nach oben, um mit dieser stummen Geste zu zeigen, dass er ganz toll bei dem Ballspiel mitmachte. "Ja, sofort, Vic... das war weit. Wirf gleich nochmal!" stimmte sie ihm zu und bekam rote Wangen über sein Lob. "Du aber auch!" erwiderte sie fröhlich lächelnd. Marei warf den weichen Ball direkt in Vics Arme. "Fang!" rief sie aus und sprang ebenfalls dem Ball nach, den sie von ihm zugeworfen bekam. Nach etlichen Ballwürfen wurde es Zeit wieder ins Haus zu gehen. Marei wunderte sich, dass niemand nach ihr gerufen hatte. "Komm, Vic, wir müssen rein. Willst du den Ball tragen?" Sie hockte sich vor ihn hin und reichte ihm den Ball.

    "Och mennnnooo..." brummelte Marei, entäuscht darüber, dass sie ihre Mutter verpasst hatte. Ihr Blick folgte dem Blick von Septima. "Nein..." Marei trat einen Schritt zurück und legte die Hand mit dem Brief auf den Rücken. So, jetzt war er versteckt."...nicht für dich, domina! Die Rolle ist nur für mich allein bestimmt! Du kennst den Absender nicht. Ich wollte den Brief Frija vorlesen. Oder auch dem Baldemar."


    Ihren Ziehvater hatte sie während ihrer eifrigen Suche auch nicht gefunden. "Hast du meinen Papa auch weggeschickt?" fragte sie nun nach. "Er kauft bestimmt keine Haarbänder für dich ein..." schon gar nicht auf dem Markt, du olle Nuss, die meine Mama mit ihrem Sohn auf den Markt schickt. Aber diesen Gedanken behielt das kleine Sklavenmädchen zum Glück für sich. "Wann wollte Mama wieder zurück sein?"

    Wieder war heute ein Tag an dem kein Unterricht und keine Schule stattfand. Erst am Nachmittag würde sie sich dem Unterricht des Gärtners stellen, wobei sie allerdings bereits nach dem Frühstück ganz alleine den Rest der gestrigen Aufgabe zu Ende gebracht hatte. Der Gärtner hieß im übrigen Tutius und trug den von Mareis verpassten Spitznamen 'Tutu' mit vornehmer Fassung. Sie hatten gestern den Unterricht wegen heftigen Regenschauern abbrechen müssen. Blumenzwiebeln pflanzen war einfach. Sie musste mit einem kleinen Spaten ein tiefes Loch graben, den Abstand zwischen den Zwiebeln beachten und alles schön säuberlich mit Erde zudecken. Im nächsten Jahr würde dann ein buntes Blumenbeet blühen. Und sie über das Auswendiglernen der vielen Blumennamen schwitzen.


    Nach dem Händewaschen und Schürzenwechsel wartete ein kleines Mittagessen darauf verzehrt zu werden. Der Türsteher war krank. Eine ganz alte Frau, die normalerweise in der Küche mithalf musste einspringen. Als Lauf- und Benachrichtigungsmädel wurde Marei zum Türdienst abbeordert. Der Türdienst sowie berittene Kurierreiter waren eine willkommene Abwechslung im alltäglichen Einerlei.


    Ad amica parva.. Marei

    Post! Sie haben Post! Sie hatte Post! Es drängte alles danach den ersehnten Brief jetzt sofort und auf der Stelle zu lesen. Doch sie wollte dies nicht alleine tun. Jemand weiteres sollte an ihrer großen Freude teilhaben. Es musste, nein, es sollte Frija sein. Ihr hatte sie von der Hilfe Cimons beim Brief schreiben an Licinus in Mantua erzählt. Und Baldemar hatte es auch erzählt bekommen, er musste ja auch Bescheid wissen.


    Aber wo war Mama nur? Als letzter nicht aufgesuchter Suchort blieb Marei übrig in den Gemächern der Herrin nach der älteren Frau zu suchen und klopfte artig an die Türe. Tür auf und sie war drin. "Salve, Herrin.. ich will dich nicht lange und unnötig stören. Ich suche meine Mama. Ist Frija bei dir?" fragte Marei mit glänzenden Augen die Herrin und wartete auf Antwort. In ihren Händen hielt sie die leicht zusammengedrückte Rolle aus Papyrus. In den winzigen Fingernägeln des Sklavenmädchen war ein bißchen Erde von der Bürste (rein unbeabsichtigt) verschont geblieben.