Beiträge von Iunia Serrana

    Serrana konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, denn das was Sedulus sagte, und das, was seine Mimik ausdrückte, waren zwei ganz unterschiedliche Paar Sandalen. Aufgrund des frühen Todes ihres eigenen Vaters hatte sie nie selbst Erfahrungen mit väterlicher Sorge und Eifersucht gemacht, aber sie konnte sich vorstellen, wie schwer es ihrem Mann fallen würde, seine kleine, große Tochter irgendwann einmal ziehen lassen müssen, zu wem auch immer.
    "Helvetius Milo, an den kann ich ich erinnern." sagte sie nachdenklich. "Mit dem hat Sabina doch früher immer gespielt, oder? Ist das denn schon so lange her, du meine Güte, wir sind schon so etwas wie ein altes Ehepaar, Quintus....Aber der hier...." erneut drückte sie ihr Gesicht sanft an das winzige Köpfchen ihres Sohnes"...bleibt noch ganz lang bei uns, darüber bin ich froh. Und die Zwillinge auch, selbst wenn sie jetzt schon seit Jahren regelmäßig das Haus auf den Kopf stellen".Ostia also....Ostia, und nicht Germanien, was für eine Erleichterung. Und vielleicht, ja vielleicht, mussten sie ja nicht mal dorthin, je nachdem, wie sich die Dinge in Rom weiterentwickelten.


    "Hast du denn schon ein paar Gespräche wegen deiner Kandidatur geführt, Quintus? Einige wichtige Männer sind ja noch übrig in Rom, auch wenn viele in der letzten Zeit geflohen sind. Großmutter wird in jedem Fall entzückt sein, dann hat sie endlich wieder etwas, worauf sie sich mit Feuereifer stürzen kann."

    Auf Sedulus' letzte Bemerkung hin hob Serrana den Kopf und sah ihn überrascht an. "Einen Freund? Sabina? Glaubst du wirklich?" Erstaunlich wie gelassen ihr Mann diese Vermutung aussprach, immerhin war seine älteste Tochter ja gerade erst den Kinderschuhen entwachsen, auch wenn sie schon sehr weiblich wirkte. Serrana runzelte leicht und Stirn und nickte schließlich langsam. "Naja, wer weiß, vielleicht ist es wirklich so. Schließlich war Sabina nie so verschreckt und verschüchtert, wie ich es in ihrem Alter war, da werden sich bestimmt einige junge Männer für sie interessieren. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass Großmutter dann nicht eingegriffen hätte. Der entgeht nun wirklich gar nichts, vor allem nicht solche Dinge...Ein Freund, du liebe Güte...." Serrana rutschte ein wenig hin und her, um es sich auf dem Bett wieder etwas bequemer zu machen und genoss für ein Weilcheneinfach das wundervoll leichte und doch wichtige Gefühl ihres jüngsten Kindes auf dem Arm und die Nähe ihres Mannes, bis sie erst erleichtert und dann überrascht wieder hoch und ihren Mann ansah.


    "Ostia, na schön, das ist ja von der Entfernung her schon wesentlich überschaubarer als Germanien. Ich hab uns schon alle wochen- und monatelang auf der Reise gesehen.." Sie seufzte unverkennbar zufrieden auf, dann mischte sich unverkennbar Aufregung in ihren Tonfall. "Du möchtest wieder kandidieren? Als Aedil? Das ist eine wundervolle Idee, Quintus. Ich werde dich so gut wie möglich unterstützen, dessen kannst du dir sicher sein."

    "Ich denke, davon können wir getrost ausgehen." zwinkerte Serrana ihrem Mann zu, und ihre Gesichtszüge wurden weich, als sie an ihren ältesten Sohn und dessen Entschlossenheit dachte, mit der er alles für das Zustandekommen eines männlichen Geschwisterkindes hatte tun wollen. "Und ich denke nicht, dass er das Interesse an dem Kleinen hier verlieren wird, das ist einfach nicht Victorius' Art. Er ist schon recht verantwortungsbewusst für seine fünf Jahre, auch wenn er häufiger mal Unfug treibt. Aber das hat Sabina schließlich auch, und aus ihr ist schon eine richtige junge Dame geworden." Das Neugeborene in Serranas Armen wurde ein wenig unruhig, doch nachdem sie es ein Weilchen sanft hin und her gewiegt hatte, schlief es mit einem kleinen Seufzer wieder ein und die winzigen Hände entspannten sich. Serrana, deren Beschützerinstinkt diesem jüngsten Kind gegenüber bereits ebenso ausgeprägt war wie bei den Zwillingen, gab dem Kleinen einen ganz sanften Kuss auf die Stirn, dann fiel ihr auf, dass Sedulus ihre letzte Frage noch nicht beantwortet hatte.
    "Und was ist jetzt mit der Reise, Quintus? Meinst du, wir können fürs erste hier in Rom bleiben, bis der Kleine aus dem Gröbsten raus ist?"

    So wie Sedulus nicht auf ihre letzte Bemerkung eingegangen war, überging Serrana nun seine Ausführungen über mögliche Verhütungsmethoden. Sicher gab es die, aber sie selbst hatte sich ihrer bislang noch nie bedient. Zwar hatten zwar einige Jahre zwischen ihrer ersten und zweiten Schwangerschaft gelegen, doch warum das so gewesen war, hätte Serrana beim besten Willen nicht erklären können. Besondere Enthaltsamkeit war zumindest nicht der Grund gewesen, und sie selbst hatte nach einer Weile einfach angenommen, dass sie, vielleicht bedingt durch die doch recht anstrengende erste Geburt, einfach nicht mehr schwanger werden konnte. Aber nun gut, da diese Theorie mit der Geburt des kleinen Germanicus nun endgültig mehr als deutlich widerlegt war, würde sie sich vermutlich wirklich einmal Gedanken zu diesem Thema machen müssen, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihrem Ehemann ein weiteres Kind erfolgreich schmackhaft gemacht hatte.
    "Victorius war sogar bereit, sein geliebtes Meerungeheuer für einen Bruder zu opfern, und du weißt ja, wie sehr er an diesem Spielzeug hängt. Jetzt ist er endlich auch mal der Große und kann seinem kleinen Bruder alles zeigen, was für einen Jungen wichtig ist. Vina hat für diese Dinge ihre ältere Schwester, und auch Victorius wird dem Kleinen sicher viel beibringen können, auch wenn er noch etwas jünger ist als Sabina bei der Geburt der Zwillinge damals." Serrana betrachtete noch eine Weile mit einem gedankenverlorenen Lächeln Vater und Sohn neben sich, dann wurde ihr Gesicht wieder ernst. "Was ist jetzt eigentlich mit unserer Reise, Quintus? Egal, wohin auch immer die jetzt gehen soll, im Moment möchte ich dem Baby so etwas nicht zumuten. Meinst du, wir können das ganze für ein paar Wochen zumindest verschieben?"

    Nein, es gefiel Serrana tatsächlich nicht, dass ihr Mann ihrer Großmutter beipflichtete, das tat es schon aus Prinzip nicht. Wobei es in diesem speziellen Fall nicht weiter schlimm war, denn ein Übermaß an Frömmigkeit konnte es aus ihrer Sicht eigentlich gar nicht geben.
    "Na schön, dann legen wir jetzt erstmal ein Päuschen ein." erwiderte Serrana mit kaum wahrnehmbaren Bedauern in der Stimme. "Drei Kinder, nein, vier mit Sabina, sind ja auch fürs erste gar nicht so schlecht. Und unser großer Sohn wird bestimmt entzückt sein, wenn er erfährt, dass es tatsächlich mit dem Bruder geklappt hat und die Gefahr einer weiteren Schwester aus der Welt ist."
    Serrana hob den noch so wunderbar leichten Körper des Babys vorsichtig ein Stück in die Höhe und reichte ihn dann an ihren Mann weiter.
    "Ja, er ist ein hübscher kleiner Kerl." sagte sie mit einer Mischung aus Zärtlichkeit und Stolz in der Stimme. Ihr zweiter Sohn war in ihren Augen ebenso perfekt wie es die fünf Jahre älteren Zwillinge waren, kein Makel durchbrach den rosarot eingefärbten und alles andere als objektiven Mutterblick.


    "Unsinn? Wieso Unsinn?" hakte Serrana mit aller Arglosigkeit, die sie in ihre Stimme legen konnte, nach. "Sicher ist sicher, ich glaube kaum, dass wir uns einfach darauf verlassen sollten, dass es jetzt wieder vier Jahre dauert, bis ich wieder schwanger werde. Aber wenn du meinst, dann richte ich mich natürlich nach den Vorstellungen des Herrn Senators, ist ja nicht so, als wollte ich unbedingt freiwillig in Enthaltsamkeit leben..."

    "Ja, ich weiß, dass du nicht so bist. Obwohl du dir die größte Mühe gibst das zu verbergen..." Innerlich äusserst zufrieden mit seinem Zugeständnis strich Serrana ihrem Mann erneut über die Wange und rückte mit dem Kind im Arm ein wenig näher an ihn heran. "Ich denke, in dieser Hinsicht ergänzen wir uns ganz gut, was du an Frömmigkeit zu wenig hast, besitze ich im Übermaß, zumindest sagt Großmutter das immer..." Und ja, es war Serrana tatsächlich Ernst mit ihrer Bemerkung, allerdings war es nun an ihr, über die Reaktion ihres Mannes ihrerseits überrascht zu sein, denn im Erkennen und Verstehen von Scherzen und nicht ernst gemeinten Bemerkungen war sie noch nie die Allerschnellste gewesen. "Natürlich ist das mein Ernst, warum denn auch nicht?" Serranas Stirn runzelte sich leicht, während sie ihren Mann prüfend ansah. "Oder möchtest du etwa keine weiteren Kinder mehr, Quintus? Dann müssten wir unsere Ehe allerdings auf einer eher....freundschaftlichen Ebene weiterführen, was ich persönlich schade finden würde, wenn ich ehrlich bin." Nicht dass Serrana nur kurz nach der Geburt der Sinn nach ehelichem Zusammensein stand, dieser Gedanke war ihr derzeit so fern wie der Mond und würde es wohl auch noch einige Zeit bleiben. Aber irgendwann würde sich das auch wieder ändern, daran hatte Serrana nicht den geringsten Zweifel, denn auch wenn sie gern und viel vor sich hin moralisierte, so war sie in trauter Zweisamkeit doch durchaus ein sinnenfroher Mensch.
    "Du hast recht, lass uns noch ein paar Tage mit der Entscheidung wegen seines Namens warten." sagte sie wieder mit Blick auf ihr Baby, das die Unterhaltung seiner Eltern friedlich und vollkommen verschlief. "Willst du ihn mal nehmen?"

    "Die Stimmung und das Wetter? Quintus, also wirklich...Du hast immerhin gerade deinen zweiten gesunden Sohn bekommen, da kann man den Göttern doch mal ein bisschen dankbar sein." Serrana gab sich größte Mühe, ihren so penetrant unfrommen Ehemann streng und tadelnd anzusehen, doch da sie ihn inzwischen einfach schon viel zu gut kannte und sich in dieser Hinsicht auch keine großen Hoffnungen auf einer spürbare Verbesserung machte, wurde ihr Gesichtsausdruck nicht halb so ernst, wie sie es eigentlich vorgehabt hatte. Abgesehen davon, dass ihr die Züge bei Sedulus' nächster Bemerkung dann doch ein wenig entgleisten. "Beim Nächsten? Wieviele Kinder hattest du in etwa denn noch eingeplant? Wobei.... ein oder zwei würden mir tatsächlich noch gefallen, scheinbar bekommt mir das Kinderkriegen doch deutlich besser, als ich früher immer gedacht habe." Mit einem nun wieder höchst zufriedenen Gesichtsausdruck legte sich Serrana, ihren Sohn nach wie vor im Arm, zurück und runzelte dann nachdenklich die Stirn.
    "Hm....so wie der kleine Mann eben geschrien hat, scheint Patientiam vielleicht nicht der optimale Name für ihn zu sein. Callidus gefällt mir da schon besser, war das nicht der Name von Calvenas Vater? Ich hab ja auch schon gedacht, ihn vielleicht nach meinem Vater zu nennen, du weißt schon. Aber naja, ich bin mir nicht sicher..."

    "Ja, echt." Serrana schmunzelte und wunderte sich nicht zum ersten Mal, wie unbedarf Männer doch im allgemeinen an bestimmte "Frauenfragen" herangingen, obwohl sie, wie im Fall ihres Mannes, doch seit Jahren mit einer zusammenlebten. "Keine zwei Stunden hat es diesmal gedauert, aber ich werde mich ganz sicher nicht darüber beschweren, sondern Iuno ein Dankopfer darbringen, sobald ich wieder auf den Beinen bin. Möchtest du wieder mitkommen wie beim letzten Mal?" Das Zwinkern verriet Sedulus, dass Serrana diese Frage nicht wirklich ernst meinte, wusste sie doch seit Beginn ihrer Beziehung, dass dieser nicht das allerengste Verhältnis zu den unsterblichen Göttern pflegte. Inzwischen hatte die Hebamme das Baby fertig gewaschen und gewickelt und kehrte mit dem kleinen Bündel zu den frisch gebackenen Eltern zurück. Serrana streckte instinktiv die Arme nach ihrem Sohn aus, hielt ihn aber so, dass auch Sedulus ihn problemlos sehen und berühren konnte. "Ich denke, du musst dir keine Gedanken machen, dominus, dein Sohn ist gesund und wohlgestaltet, nur würde ich für die ersten Wochen versuchen, mögliche Unruhe und Strapazen aller Art so gut wie möglich von ihm fernzuhalten, um kein unnötiges Risiko einzugehen." erklärte die Hebamme und ließ Sedulus und Serrana mit ihrem Baby für einen Moment allein, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass es letzterem gut ging und fürs erste alles getan war.


    "Wie er heissen soll? Hm......" Serrana warf einen etwas ratlosen Blick auf das kleine braunhaarige Köpfchen in ihren Armen. "Lass uns doch überlegen, ob es in deiner Familie jemanden gibt, dessen Namen uns gut gefällt oder auch in meiner."

    Der kleinste Germanicus stellte gerade recht anschaulich unter Beweis, dass sein Stimmvolumen seiner Größe zum Trotz künftig wohl problemlos mit dem seiner älteren Geschwister würde mithalten können, als Sedulus das gemeinsame Schlafzimmer betrat. "Ja, diesmal ist es so schnell gegangen, dass ich kaum zum luftholen gekommen bin." erwiderte sie mit unüberhörbarer Erleichterung in der Stimme und strich sanft über die Wange ihres Mannes, bevor sie sich ein wenig im Bett aufrichtete und seinem Blick hinüber zu dem Baby folgte, das von der Hebamme gerade unter lautstarkem Protest gewaschen wurde.
    "Ja, dem Kind geht es gut, es ist gesund und munter, wie du unschwer hören kannst. Die Hebamme hat nur gesagt, dass wir vorsichtig sein sollen, weil das Baby vor der Zeit geboren wurde und noch ein bisschen zu klein ist. Oh, und wir haben übrigens einen zweiten Sohn, ich hoffe, das ist dir recht." Es wäre schon seltsam, würde Sedulus das nicht recht sein, schließlich waren männliche Kinder nach wie vor die entscheidenden in jeder Familie, und in ihrer gab es bislang erst eins.

    Im Vergleich zu ihrer ersten Schwangerschaft hatte Serrana diesmal kaum Gelegenheit gehabt, sich in ihre übliche Geburtshysterie hineinzusteigern. Ab und zu mal ein flaues Gefühl bei dem Gedanken an die näherkommende Niederkunft, das ja, aber für die Angst, die vor einigen Jahren ihr ständiger Begleiter gewesen war, war schlichtweg keine Zeit gewesen. Zu hektisch und trubelig waren die letzten Monate gewesen, die auf die Ermordung des Kaisers gefolgt waren, nicht nur innerhalb der Stadt, sondern ebenso innerhalb der Casa Germanica. Eine Weile war ein Umzug aller Frauen und Kinder nach Germanien, zu den dortigen Besitztümern der Familie, im Gespräch gewesen, doch dann war immer wieder irgendetwas geschehen, das die Abreise verzögert hatte, erst das Verschwinden Sabinas und dann das Fieber, an dem erst der eine und dann der andere Zwilling erkrankt war, und von dem sich beide erst jetzt vollständig erholt hatten.
    Ja, es war eine hektische Zeit, ohne wirkliche Verschnaufpausen,und auch an diesem Tag eilte Serrana von einem Zimmer ins nächste, nachdem sie den Vormittag in der Stadt mit Besorgungen verbracht hatte, die lange schon überfällig gewesen waren.
    So überdreht war sie dieser Tage, dass sie selbst das Einsetzen der Wehen zunächst nicht als das erkannte, was sie waren, und schließlich von einer resoluten Adula in ihr Cubiculum geschleift wurde. Es dauerte eine Weile, bis endlich auch die vorgesehene Hebamme in der Casa Germanica eintraf, denn eigentlich fehlten noch ein paar Wochen bis zum erwarteten Geburtstermin. Vor einigen Jahren wäre es für Serrana das Schlimmste gewesen, einen Teil der Geburt ohne Hilfe und moralische Unterstützung durchzustehen, doch war Iuno ihr offenbar gnädig gestimmt, und so lief diese Geburt weitaus schneller und auch weniger schmerzhaft ab als die der Zwillinge, die auf Tiberia Septimas Landgut zur Welt gekommen waren, und nach nur wenigen Stunden hielt Serrana ihren zweiten Sohn in den Armen.
    "Geht es ihm auch wirklich gut? Er ist so klein." fragte sie besorgt, während sie den kleinen Babykörper sanft umfasste und die Nase in den weichen braunen Flaum auf seinem Köpfchen drückte.
    "Domina, ich denke, du brauchst dir keine Sorgen zu machen." nickte die Hebamme beruhigend, während auch sie den kleinen Jungen noch einmal genau begutachtete. "Dein Sohn ist klein, ja, aber ansonsten vollkommen gesund und munter. Dass er ein wenig zu früh geboren wurde, sollte kein Problem sein, allerdings würde ich dir raten, zumindest in der ersten Zeit kein Risiko einzugehen und ihm so viel Ruhe wie möglich zu gönnen."

    Ich möchte an dieser Stelle mal ein kurzes Lebenszeichen von mir geben, und mich für meine recht ausgeprägte Inaktivität in den letzten Wochen entschuldigen. Momentan habe ich beruflich sehr viel um die Ohren, aber spätestens ab nächster Woche ist das für's erste erledigt :)

    Serrana fuhr überrascht herum, als plötzlich Sedulus' Onkel das Atrium betrat und das Wort an sie richtete, fehlte nur noch ihre Großmutter, dann würden alle erwachsenen Mitglieder der Familie anwesend sein. Was vielleicht gar nicht so verkehrt wäre, schließlich ging es ja bei diesem Gespräch um das Wohlergehen der gesamten Gens. Ihr überraschter Gesichtsausdruck wurde schnell sowohl schuldbewusst als auch gekränkt. Schuldbewusst, weil sie das Wort "fliehen" eher unbewusst hatte und und ohne sich Gedanken darüber gemacht zu haben, wie gefährlich die Nutzung dieses Wortes auf der Reise vielleicht würde sein können. Und wider Willen ärgerlich wegen der Wortwahl, die wiederum Avarus und Sedulus getroffen hatten. Eine Fahrt ins Grüne...langverdienter Urlaub...., das verband sie mit einem Ausflug nach Puteoli aber nicht mit einem Umzug nach Germanien auf unbestimmte Zeit. Von ihrer Schwangerschaft ganz zu schweigen, Serrana graute es noch immer bei dem Gedanken an den überstürzten Aufbruch aus Mantua, und damals war die Reise um einiges kürzer gewesen.
    Aber nun gut, aus ihrer Perspektive hatten die Männer vermutlich recht, und so nickte Serrana mit einem kleinen Seufzen.
    "Ist gut, Avarus, ich verspreche dir und meinem Mann, dass wir auf der Fahrt derartige Worte nicht in den Mund nehmen und entsprechend vorsichtig sein werden. Die Kinder wissen ja ohnehin nicht, um was es geht, daher kann denen auch nichts gefährliches herausrutschen. Nach unserem Gespräch hier werde ich direkt an die Vorbereitungen gehen." Serrana hielt inne und sah zwischen ihrer Freundin und dem Onkel ihres Mannes hin und her. "Sag Prisca, kennst du den Onkel meines Mannes eigentlich bereits? Senator Germanicus Avarus, und das hier ist meine liebe Freundin Aurelia Prisca, die Cousine von Aurelius Ursus."

    "Meinst du? Oh, ich weiß nicht, vielleicht hast du recht...ich bin ja bislang noch nie aus Rom geflohen." versuchte sich Serrana an einem recht kläglichen Witz und wünschte sich ausnahmsweise, zumindest für diese Planerei so resolut zu sein wie ihre Großmutter, die in der Zwischenzeit vermutlich bereits die Wagen organisiert und bepackt gehabt hätte. "Ein Sammelpunkt ausserhalb Roms, vermutlich gar keine so schlechte Idee, aber wo denn nur?" Serranas unverkennbar ratloser Blick traf wieder ihren Mann. "Quintus, was sagst du dazu? Wo sollen wir das Gepäck sammeln? Hier oder woanders? Gibt es überhaupt geeignete Besitztümer der Germanici in der Nähe von Rom? Mir fällt nur Großmutters Landgut ein, aber das liegt in Nola und damit in der vollkommen falschen Richtung, wenn es nach Germanien gehen soll." Serrana seufte und wünschte sich, dass sie den bevorstehenden Exodus nach Germanien, der sich wie ein Berg vor ihnen auftürmte, bereits überstanden hätten. Immerhin hörten sich Aculeos Worte tröstlich an, denn die Vorstellung, nach wochenlanger und strapazenreicher Reise mit dem nicht gerade kleinen Tross in einem winzigen Haus zu stranden, war alles als reizvoll. Zumal dort ja auch vermutlich der nächste kleine Germanicus zur Welt kommen würde. "Nun, besser zu groß als zu klein, denke ich. Mit Prisca sind wir immerhin schon zu viert, und wir haben ja auch noch die Sklaven dabei. Ich werde gleich eine Nachricht nach Mogontiacum schicken, damit die Casa dort entsprechend hergerichtet wird."

    Ein wenig verwirrt sah Serrana zu Aculeo hinüber, der urplötzlich zu flüstern begonnen hatte und ganz offensichtlich ein Anliegen an ihren Mann hatte, das Prisca und sie nicht mitbekommen sollten. Da sie ihm diese Gelegenheit durchaus gönnte, die daraus entstehende Situation aber trotzdem ein wenig peinlich fand, wandte sie sich schnell an Prisca, um in der Zwischenzeit das eine oder andere ohnehin zu klärende organisatorische Problem zu klären.
    "Was meinst du, Prisca? Sollen wir direkt damit anfangen, das, was du an Gepäck mitnehmen willst, nach und nach unauffällig aus der Villa Flavia hierher zu holen, damit wir dann gemeinsam von hier aufbrechen können? Allzuviel können wir wahrscheinlich eh nicht mit auf die Reise nehmen, aber du hast sicher auch Dinge, von denen du dich nicht mal vorübergehend trennen willst, nicht wahr? Hauspersonal wird es in der Casa Germanica in Mogontiacum sicherlich in ausreichender Menge geben..." sie warf einen fragenden Blick hinüber zu Sedulus und Aculeo, war sich aber nicht sicher, ob die beiden das auch mitbekommen hatten"...aber vertrautesten Sklaven müssen natürlich mitkommen. Bei mir wären das in jedem Fall Adula und die Hebamme, von der ich eben gesprochen habe, und wer soll dich begleiten?"

    "Nun, ich fürchte, dein Vater hat recht, Victorius. Es liegt nicht in seiner Hand und auch nicht in meiner, ob das neue Mädchen nun ein Junge oder ein Mädchen wird. Das entscheiden allein die Götter, weißt du?" Es fiel Serrana ziemlich schwer, angesichts des Eifers ihres Sohnes nicht aufzulachen und stattdessen einen bedauernden Gesichtsausdruck aufzusetzen.
    "Am besten wäre es natürlich, wenn Iuno uns gewogen wäre. Dein Vater und du könntet ihr ja im Tempel ein Opfer darbringen und um ein männliches Kind bitten. Das könnte noch am ehesten helfen, denke ich mal. Ich würde es ja selbst tun, aber ich darf nicht opfern, solange ich schwanger bin." Serrana seufzte betrübt und zog dann ihre kleine Tochter ein wenig näher an sich heran, um die Arme um sie zu legen und ihre Nase in deren weiche, dunkle Locken zu stecken. Wie gut die beiden doch immer noch rochen, so rein und einfach perfekt...
    "Wobei ich auch nichts gegen ein weiteres Mädchen einzuwenden hätte. Mit Vina und Sabina haben wir ja bislang sehr viel Glück gehabt, finde ich."

    Ob nun Schiffs- oder Landroute, am Ziel selbst schien nun nichts mehr zu rütteln zu sei. Bei dem Gedanken an die lange Reise wurde Serrana regelrecht schlecht, aber hier, in Beisein ihres Mannes und ihrer Freundin wollte sie sich davon nichts anmerken lassen und bemühte sich stattdessen, sich mit konkreten Planungen von ihren diffusen Ängsten abbringen zu lassen.
    "Nun, gleichgültig, auf welche Weise wir nun gen Norden reisen, müssen wir so bald wie möglich mit den Vorbereitungen beginnen." sagte sie an alle Anwesenden gleichermaßen gewandt, einen hoffentlich optimistischen und zuversichtlichen Unterton in der Stimme und Priscas Hand nach wie vor fest umschlossen. "Auch wenn in der Villa in Mogontiacum alles vorhanden ist, werden wir Unmengen von Gepäck haben. Das der Kinder und noch dazu Priscas und meins. Und wir müssen überlegen, wann und wo Septima und ihr Sohn zu uns stoßen werden. Hier in Italien oder erst in Germanien. Und darüber hinaus..." Serrana holte tief Luft"...möchte ich gern, falls sich das irgendwie bewerkstelligen lässt, die Hebamme Praxilla mitnehmen, die mir damals bei der Geburt der Zwillinge geholfen hat. Du erinnerst dich sicher an sie, Quintus, sie lebt auf Septimas Landgut. Ich würde mich wirklich viel besser fühlen, wenn sie an meiner Seite wäre. Auch jetzt schon." Bei den letzten Worten starrte Serrana auf irgendeinen imaginären Punkt des Mosaikbodens und biss sich leicht auf die Lippe.

    Serrana begutachtete den zur Straße gelegenen Säulengang, den Victorius ihr mit soviel Begeisterung zeigte, und kicherte leise. "Nun, eurer Urgroßmutter würde es sicher gefallen, wenn sie andere Häuser so einfach hineinschauen könnte. Das würde ihr und vor allem Quadrata viel Zeit und Mühen sparen..." Von dem wackligen Gebäude auf dem Boden sah sie kurz noch mal zur Tür, als wollte sie Sabina eine letzte Gelegenheit geben noch rechtzeitig hereinzukommen und räusperte sich dann.


    "Nunja, wie euer Vater schon sagt, wir müssen euch etwas erzählen. Bislang wart ihr beide ja immer die Kleinsten hier im Haus, aber das wird sich in einigen Monaten ändern. Dann bekommt ihr nämlich noch eine kleine Schwester oder einen kleinen Bruder, müsst ihr wissen." Serrana lächelte ihren Mann an und wartete dann gespannt auf die Reaktion ihrer Kinder.