Beiträge von Iunia Serrana

    Als es noch um eine Reise ohne Not gegangen war, damals kurz nach ihrer Hochzeit, da war Germanien in Serranas Augen auch noch "fein" gewesen. Jetzt, in diesen unsicheren Zeiten und ohne Gewissheit, wann es wieder zurück nach Rom gehen würde, sah die Sache schon ganz anders aus. Da die Dinge nun aber so oder so entschieden waren, stieß Serrana einen kleinen schicksalsergebenen Seufzer aus und griff erneut nach Priscas Hand.
    "Ich kann nicht behaupten, dass ich mich sehr darauf freue nach Germanien zu gehen, und das ohne meine Mann." sie warf einen wehmütigen Blick hinüber zu Sedulus. "Aber es wird mir viel leichter fallen, jetzt wo ich weiß, dass du uns begleiten wirst, Prisca." Über die Reiseroute und -mittel machte sie sich weniger Gedanken, die Männer der Familie, die deutlich mehr Reiseerfahrung besaßen als sie selbst, würden sicher die beste und für eine Gruppe Frauen und Kinder angenehmste Alternative finden.

    Serrana fühlte sich, als würde eine kalte Hand ihren Magen zusammenpressen und musste sich sehr zusammenreissen, um sich in Anwesenheit ihres kleinen Sohnes nichts anmerken zu lassen. "So schlimm ist es? Die Götter mögen uns beistehen..." Ihr Lächeln fiel ein wenig kläglich aus, trotzdem fühlte sie ein warmes Gefühl der Dankbarkeit und Zugehörigkeit Seneca gegenüber in sich aufsteigen. "Dass du uns rechtzeitig warnen willst, finde ich sehr beruhigend, Aulus. Aber bitte sei selbst vorsichtig, bei allem, was du tust. Kein potentieller neuer Imperator wird es sich mit euch Praetorianern verderben werden, aber ihr steht auch in vorderster Reihe." Ihr Blick fiel wieder auf Victorius, der vor Stolz und Aufregung beinahe platzend den viel zu großen Helm an Ort und Stelle hielt und dann auf ihren Mann, bevor sie ihrem Vetter díe Hand leicht auf den Unterarm legte. "Aber vielleicht sollten wir jetzt von etwas anderem sprechen. Quintus, mein Sohn, was hältst du davon, wenn du Aulus ein wenig das Haus zeigst? Du kennst dich hier doch besser aus, als dein Vater und ich zusammen. Und danach treffen wir uns alle im Triclinium zur Cena wieder, was meint ihr?"

    Also hatte sie tatsächlich allen Grund, um ihre Freundin und nicht nur um diese besorgt zu sein. Während sie Prisca mit wachsendem Unbehagen zuhörte, erwiderte Serrana deren Händedruck und hielt die Finger der Freundin auch weiterhin umschlossen, während diese erzählte. Dass sie selbst die aktuelle Lage für ernst hielt, war eine Sache. Tat dies aber ein gestandener und erfahrener Legat wie Aurelius Ursus, dann nahm das ganze noch ganz andere und wesentlich bedrohlichere Dimensionen an. Serranas Blick glitt eine Weile zwischen Prisca und Sedulus hin und her und blieb schließlich an letzterem hängen. Sie hatte keine Zweifel, dass er der Ursus' Bitte nachkommen würde. Schließlich war dieser sein Freund, und Septima ihre Freundin und Pronuba. In Mantua waren sie Gäste des Aureliers gewesen, und Serranas Zwillinge und Septimas Sohn waren am selben Tag im selben Haus zur Welt gekommen, kurz nach der Flucht aus der seuchengeplagten Stadt. "Ich bin so froh, dass du hergekommen bist, Prisca. Denn was für Ursus' Familie in Mantua gilt, gilt schließlich auch für dich als Aurelia und Witwe eines Flaviers." Serrana strich leicht über Priscas Hand und wartete dann auf die Reaktion ihres Mannes.

    "Das kommt häufiger vor, als du denkst, also mach dir keine Gedanken." beruhigte Serrana das junge Mädchen und nickte zufrieden, als diese nach erfolgter und korrekter Reinigung schließlich zu ihr zurückkehrte. "Nun, ich kann natürlich nicht die Entscheidung der Göttin vorwegnehmen, aber ich zuversichtlich, dass dein Opfer ihr gefallen wird. Wir müssen nur darauf achten, dass in ihren Augen alles perfekt und vollkommen abläuft." Serrana warf einen Blick auf die übrigen Gaben, die das Mädchen mitgebracht hatte und nickte erneut. "Ich seh schon, für dein Voropfer ist bereits gesorgt. Und wenn du das blutige Opfer selbst durchführen möchtest, dann steht dir das natürlich frei. Ich selbst werde mich gleich ein wenig zurückziehen, weil ich ein Kind erwarte und daher nicht am Ritual teilnehmen darf." Auf ihren Wink hin näherte sich ein junger Mann, an dessen Schurz die Scheide mit dem Opfermesser hing und blieb abwartend bei den beiden Frauen stehen. "Du musst dir aber keine Gedanken machen, dieser Opferdiener hier führt normalerweise die Schlachtung der Tiere durch und wird dir jederzeit helfen, wenn du es wünschst."

    Serrana warf einen Blick hinunter auf ihre Hand unter der bislang noch kaum eine Wölbung zu erkennen war. "Nun, wenn ich richtig gerechnet habe, dann dauert es noch ein gutes halbes Jahr. Die Zwillinge und auch Sedulus' Tochter aus erster Ehe wissen noch nichts davon, ich bin gespannt, wie sie auf die Neuigkeit reagieren werden." Normalerweise sprach Serrana ausgesprochen gern und viel über ihre Kinder, wenn man sie nur gewähren ließ, doch Claras Erzählung brachte sie dann doch ein wenig davon ab, und dann auch noch die Frage am Schluss....
    Ein verlegenes Räuspern ertönte, während sich Serrana verzweifelt um die passenden Worte bemühte.


    "Ja, über Brutus kann ich dir etwas erzählen, aber es sind keine guten Nachrichten." begann sie schließlich und legte sanft ihre Hand auf Claras Unterarm. "Brutus ist gestorben, vor ziemlich langer Zeit schon. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, warst du da noch nicht allzu lange aus Rom fort. Ich wünschte, ich müsste dir das nicht erzählen, jetzt wo es dir gerade wieder besser geht nach deiner langen Krankheit."

    Serrana hatte keine Ahnung, welche Gedanken ihrem Cousin gerade durch den Kopf gingen, doch fiel ihr auf, wie ernst er in den Momenten aussah, wenn er sich gerade nicht beobachtet fühlte. Ihr Sohn bekam davon natürlich nichts mit, der unübersehbar hin und weg von seinem neuentdeckten Praetorianer-Verwandten. Als er dann doch einmal für kurze Zeit durch das Gespräch mit seinem Vater abgelenkt war, nutzte Serrana die Gelegenheit, sich leise an Seneca zu wenden.


    "Danke, Aulus, dass du dir soviel Mühe mit ihm gibst, vermutlich wird er die nächsten drei Nächte vor lauter Aufregung kaum schlafen können. Aber lass uns auch über dich sprechen, und wie es dir geht. Das mit den Verhaftungen und den besonderen Aufgaben hört sich in meinen Ohren ziemlich beunruhigend an. Darfst du ein wenig darüber erzählen, oder bist du zu völligem Stillschweigen verpflichtet? Verstehen könnte ich das ja, obwohl ich zugeben muss, dass diese Ungewissheit, in der wir seit Tagen leben, furchtbar ist."

    "Das ist ein ganz wundervolles Haus." Serrana, der bei der Bewertung ihrer Kinder meist jegliches objektive Maß abging, betrat nun auch das Cubiculum und fuhr beiden Zwillingen leicht durch die Haare, bevor sie sich ebenfalls auf dem Boden nieder ließ und einen etwas genaueren Blick auf das nicht gerade durch ein besonders geometrisches Erscheinungsbild auffallende Bauwerk warf. "Erzählt eurem Vater und mir doch mal doch mal, was es mit all diesen Säulen und Durchgängen auf sich hat. Schließlich sind wir beide ja nicht so erprobte Baumeister wie ihr." Kurz zwinkerte sie Sedulus zu, die Gelegenheit, ein wenig Zeit gemeinsam mit den Kindern zu verbringen, ergab sich selten genug, und sie mussten ja nicht sofort mit der Tür ins Haus fallen.
    "Hat einer von euch beiden eigentlich heute schon zufällig Sabina gesehen?" Serrana wusste, wie sehr die beiden Kleinen an ihrer großen Schwester hingen, und meistens wussten sie über deren Verbleib besser Bescheid als alle anderen im Haus.

    Kurz nachdem Gundhraban sie über den Besuch einer ihrer besten Freundinnen informiert hatte, betrat Serrana das Atrium und eilte mit einem erfreuten Lächeln auf diese zu. "Prisca, wie schön, dich zu sehen." Sie schloß die Freundin kurz in die Arme und bemerkte erst dann, dass auch Sedulus' junger Verwandter anwesend war. "Salve, Aculeo. Entschuldige, aber ich habe dich zuerst gar nicht gesehen. Kennt ihr beide euch schon länger, oder habt ihr euch gerade hier zum ersten Mal getroffen?" fragte sie an beide gewandt, bevor sie Prisca leicht über den Arm strich und dann mit unverkennbarer Neugier und nicht gut überspielter Besorgnis ansah.
    "Versteh mich nicht falsch, Prisca, ich freue mich sehr, dass du unser Haus mit deinem Besuch beehrst, aber nach unserem letzten Gespräch in der Taverne hab ich mir schon ziemliche Gedanken und Sorgen um dich gemacht. Gibt es einen besonderen Grund, warum du hergekommen bist?"
    Erst jetzt fiel ihr auf, dass die beiden offenbar gerade im Aufbruch begriffen waren, und ein fragender Blick traf Aculeo. "Entschuldigt, wenn ich euch unterbrochen habe, wo wolltet ihr denn gerade hin?"

    Serrana sah überrascht auf, als sie die Stimme von Gundhraban gedämpft durch die Cubiculumstür dringen hörte. Allzu häufig kam es nicht vor, dass sich der Türsklave selbst die Mühe machte seine Herrschaften über einen Besuch zu informieren, doch als sie den Namen des Gastes hörte, schien es ihr fast passend.
    Prisca zu Besuch in der Casa Germanica....Serrana erinnerte sich noch gut an das letzte Treffen in der Taverna Aspicia und stand dementsprechend schnell und neben aller Freude auch ein wenig beunruhigt auf.

    "Ich danke dir, Gundhraban, ich werde mich sofort auf den Weg ins Atrium machen."
    Noch während sie sprach, hatte sie bereits das Cubiculum verlassen, nickte dem großen Germanen noch einmal zu und machte sich dann auf den Weg, um Prisca willkommen zu heißen.

    Kurz nach Sedulus traf auch Serrana im Cubiculum ihrer Kinder an und betrachtete für einen Augenblick die beiden kleinen und den etwas größeren Kopf so nah nebeneinander. Unter normalen Umständen hätte sie diesen Anblick sehr genossen, doch das Wissen um eine eventuell bevorstehende Trennung auf unbestimmte Zeit trübte das Vergnügen doch ein wenig.
    Da sie sich nicht in die Antwort der Kinder einmischen wollte, blieb Serrana für den Moment in der Tür stehen und sah mit mit einem unverkennbar wehmütigen Lächeln ihrer kleinen Familie zu.

    Bevor sich die Vorstellung, die man in späteren Zeiten als Kopfkino bezeichnen würde, allzu deutlich vor Serranas Auge Gestalt annehmen konnte, öffnete sie kurzentschlossen die Tür des Cubiculums und rief nach der Sklavin, die ihr morgens beim Ankleiden, Schminken und Frisieren half. Normalerweise wartete diese meistens schon vor der Tür, doch auch heute, zur deutlich früheren Stunde, war sie innerhalb von kürzester Zeit zur Stelle und nahm sich ihrer Domina an.


    "Gut, dann sehen wir uns gleich drüben, Quintus. Ich bin gespannt, wie die Kinder reagieren werden."

    "Hoffen wir einfach, dass du recht hast, und wir alle dieses Wirrwarr unbeschadet überstehen." Serrana strich ihrem Mann sanft über den Arm und stand dann auf. "Großmutter gemeinsam mit Salinator in einer romantischen Szene ist mehr, als mein inneres Auge verkraften kann. Was meinst du, Quintus, wollen wir, wenn wir uns fertig angezogen haben, ins Cubiculum der Zwillinge gehen? Vielleicht haben wir Glück und treffen auch Sabina dort an, dann können wir den dreien von ihrem künftigen Bruder oder ihrer künftigen Schwester berichten. Und falls wirklich ein Sklave an unserer Tür war, dann wird er sich bestimmt nochmal melden, wenn es denn etwas wichtiges gibt."
    Das Thema Germanien sparte Serrana bewusst aus, vielleicht ließen sich ja noch einige Tage herausschinden, bevor es wirklich akut wurde.

    Dass das junge Mädchen zugunsten ihrer Eltern und nicht für eigene Belange opfern wollte, war in Serranas Augen durchaus lobenswert, und dementsprechend wohlwollend schaute sie auf die kleine Amsel, die ihr entgegengehalten wurde.
    "Also soll es ein blutiges Opfer sein." sagte sie, ohne wirklich eine Antwort darauf zu erwarten. "Ich bin mir sicher, die Göttin wird dein Opfer wohlwollend betrachten, allerdings sollten wir sicher stellen, dass alles auch seine Ordnung hat und den richtigen Weg geht. Das hier ist doch sicher ein weibliches Tier, und du hast beim Reinkommen die rituelle Waschung durchgeführt und die Reinigungsformel gesprochen, nicht wahr? Du wirst bei diesem Opfer als Opferherrin fungieren, solltest du also irgendwelche Fragen haben, dann stell sie ruhig. Ich beantworte sie gern."

    "Vermutlich wäre es schmeichelhafter für die Familie, das nicht zuzugeben, aber ich fürchte, meine Großmutter war schon immer so." meinte Serrana mit einem entschuldigenden Schulterzucken an den jungen Annaeus gewandt "Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht sie das auch um jeden Preis durch. Und den Leuten gegenüber, die ihr dabei in die Quere kommen, kann sie dann unter Umständen auch ziemlich ruppig werden." War das da am Arm des jungen Soldaten etwa ein Bissabdruck? Serrana starrte für einen Augenblick fassungslos auf die recht deutlich abzeichnden Zahnspuren beschloss aber, das lieber nicht anzusprechen. Mit etwas Glück war der Tiro ja von einem bissigen Hund angefallen worden und nicht Germanica Laevina.

    "Ein kleines Rädchen kann genau stören wie ein großes, wenn es an der richtigen Stelle sitzt und lässt sich auch leichter entfernen." beharrte Serrana stur auf ihrer Meinung, die allerdings auch ein Stück weit auf Sorge und Angst beruhte und daher nur bedingt für andere Argumente zugänglich war. Gut dass das Gespräch sich dann wieder der vielgefürchteten aber nur wenig geschätzten Großmutter zuwandte, das lenkte doch ein Stück ab, von Gefahren hier in Rom ebenso wie von dem ungeliebten Umzug nach Germanien. "Einen Versuch wäre es fast wert, schade, dass Salinator nur auf junge Frauen steht, sonst hätten wir ihm Großmutter mal unauffällig zuspielen können. Ich glaub, sie hat immer noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen, weil er damals bei den Fontinalia hier im Haus angeblich mit einer Lupa auf einem der Sessel Schweinskram getrieben hat." Serrana kicherte bei dem Gedanken an Laevinas empörten Gesichtsausdruck seinerzeit erneut und warf dann automatisch einen erneuten Blick Richtung Tür, bevor sie den Kopf schüttelte. "Nein, Quadrata war das ganz bestimmt nicht. Wenn einer lautlos im ganzen Haus unterwegs ist dann sie. Aber ich könnte schwören, dass da gerade jemand an der Tür war."

    "Ja, das Baby hat überlebt. Ein Junge, soweit ich weiß." Serrana fühlte sich bei diesem Thema zunehmend unwohl und war Prisca dankbar dafür, dass diese nun etwas ganz anderes ansprach, auch wenn der Inhalt kaum erfreulicher war. Da sie bei dieser Schwangerschaft bislang von Übelkeitsattacken verschont geblieben war stattdessen aber häufig unter Heisshunger litt, griff sie erfreut nach den aufgetragenen Speisen und gönnte sich einen großen Schluck Wasser mit sehr wenig Wein darin. "Mach dir keine Gedanken, Prisca, es schmeckt wunderbar." widersprach sie mit einem Lächeln, doch dann wurde ihr Gesicht recht schnell wieder Ernst. Die Aurelii also und die Flavii...Es hatte viele Nachrichten und Gerüchte seit der Ermordung des Kaisers gegeben, Mutmaßungen und Verdächtigungen in die unterschiedlichsten Richtungen, doch war das unterschwellige Gemurmel etwas ganz anderes gewesen als die Gewissheit, dass die Familie einer guten Freundin unmittelbar davon betroffen war. Serrana kannte, von Septimas Mann Ursus einmal abgesehen, keinen der anderen männlichen Aurelii persönlich, wusste aber, dass zwei von ihnen Senatoren und der eine darüber hinaus auch noch Haruspex war. Und auch unter den Flaviern gab es mehrere Senatoren und einen Pontifex, wenn auch der eine Senator immer wieder kränkelte und sich selten in Rom aufhielt. Und all diese ehrenwerten Mitglieder der römischen Gesellschaft sollten Verräter und Kaisermörder sein? Unvorstellbar!


    "Ich glaub das auch keine Minute lang, Prisca, allein der Gedanke ist ja schon absurd." stimmte Serrana Calvena zu und schüttelte vehement den Kopf. "Und was Salinator betrifft...."Serranas Stimme wurde automatisch deutlich leiser und sie beugte sich ein wenig näher zu den anderen Frauen hinüber, um an den Nebentischen nicht mehr hörbar zu sein. "..glaube ich auch, dass wir alle vor ihm auf der Hut sein sollten, er wird sich jetzt gerade die herauspicken, die am angreifbarsten sind." Die ohne Familie zum Beispiel. "Prisca, was hältst du davon, wenn du fürs erste mit zu uns in die Casa Germanica kommst? Dort wärst du sicher aufgehoben und nicht so allein wie in der Villa Flavia. Und wir könnten uns in aller Ruhe überlegen, wie es weitergeht. Platz genug gibt es allemal, Calvena und ihr Sohn leben zur Zeit auch dort, musst du wissen, da werden wir dich bestimmt auch unterbringen."

    Im Gegensatz zu den beiden germanischstämmigen Gästen, denen bei diesem uralten Ritual so manches Detail vermutlich seltsam vorkommen musste, fand Serrana nichts dabei, nackt um ein Schwein herumzutanzen. Nicht, weil sie in den Jahren seit ihrer Ankunft in Rom deutlich freizügiger geworden wäre, sondern weil es ein religiöses Ritual war, und die Iunia liebte nach wie vor alles, was mit dem Dienst an den Göttern zu tun hatte und wäre niemals auf die Idee gekommen, irgendetwas davon in Frage zu stellen.
    Nachdem sie sich mit zwei kundigen Handgriffen aus ihrem Kleid befreit hatte, nahm sie ihren Platz in dem Reigen ein und war schon nach wenigen Sekunden von den Bewegungen und der Musik derart eingenommen, dass sie kaum noch mitbekam, was um sie herum geschah. Erst als Calvenas Kindermädchen hustend aus dem Kreis verschwand, wurde auch Serrana etwas langsamer und warf der Duccia einen besorgten Blick zu, die Hand einladend zu dieser ausgestreckt, um sie zurück zu den anderen Tänzerinnen zu lotsen. Schließlich lag ja noch einiges an Programm vor den Frauen, und es wäre doch zu schade, wenn die Duccia bei ihrem ersten Fest der Bona Dea das beste verpassen würde.

    Das Chaos, das durch den Tod des Imperators und seiner Familie ausgelöst worden war, hatte inzwischen auch die Bereiche des täglichen Lebens innerhalb Roms und damit auch die Tempel erreicht. Nicht nur einige hochrangige Vertreter des Cultus Deorum waren entweder gestorben oder aus der Stadt geflohen, auch unter den Aedituii hatten sich in den letzten Wochen Lücken aufgetan, sodass Serrana inzwischen nicht mehr ausschließlich im Tempel der Minerva Dienst tat sondern auch in anderen Heiligtümern, denn der Bedarf der verunsicherten Bevölkerung nach göttlichem Rat und Beistand war deutlich gestiegen.
    Heute hatte sie sich in den frühen Morgenstunden im Tempel der Fortuna eingefunden und bereits dem einen oder anderen Gläubigen weitergeholfen, als sie am Eingang ein junges Mädchen entdeckte, das sich gerade sehr sorgfältig die Hände und Unterarme wusch. Ein sehr junges Mädchen, eigentlich noch ein Kind, was Serrana dazu veranlasste, auf die junge Besucherin zuzugehen und sie anzulächeln.


    "Salve, und willkommen im Tempel der Fortuna. Kann ich irgendetwas für dich tun?"