Für einen winzigen Moment kam Serrana der Gedanke, dass es nicht besonders feinfühlig gewesen war, ausgerechnet Axilla auf dieses Thema anzusprechen, die mit ihrer ungeplanten Schwangerschaft ja genug Probleme gehabt hatte. Aber jetzt war es ohnehin zu spät, um das Thema noch zu wechseln, und Serrana war viel zu beschäftigt, nach dem rettenden Strohhalm in Axillas Erklärungen zu greifen und sich die Informationen herauszupicken, die ihr in ihrer Not entgegen kamen.
"Oh ja, Stress, natürlich." Daran hätte sie aber auch selbst denken können! Mit einem zugleich zufriedenen als auch hoffnungsvollen Lächeln lehnte sie sich zurück und entspannte sich sogar ein wenig. Stress, das musste einfach der Grund sein! Natürlich war es schon reichlich vermessen, ihr neues und luxuriöses Leben in der Casa Germanica an der Seite eines Ehemannes, der sie auf Händen trug, als Stress zu bezeichnen, aber es war doch immerhin ungewohnt und zum Teil auch anstrengend, sich an all das zu gewöhnen!
Dass ihre monatliche Blutung bislang immer auf den Tag pünktlich und reibungslos abgelaufen war, ließ sie bei ihren Überlegungen lieber ausser acht. Dafür passte es einfach zu gut, denn die letzte Blutung hatte sie noch in der Casa Iunia gehabt, ein oder zwei Wochen vor der Hochzeit. Ebenso pünktlich wie alle anderen zuvor, und das in einer Zeit, als es wegen der umfangreichen Vorbeireitungen für die anstehende Doppelhochzeit wesentlich stressiger gewesen war als im Moment. Aber auch diesen Aspekt ließ Serrana lieber unbeachtet, da wandte sie sich doch lieber einem Detail zu, das besser in ihre Wunschvorstellungen passte. Übelkeit war ein Indiz für Schwangerschaft? Wundervoll, denn ihr war nicht übel! Sie war zur Zeit immer ein wenig müde und besonders viel Appetit hatte sie auch nicht, aber ihr war nicht übel! Serranas Lächeln verbreiterte sich noch ein wenig und sie sah Axilla dankbar an. Allzulange würde es nicht dauern, bis sich wieder die ersten Zweifel und Ängste in ihre Überlegungen schleichen würden, aber es reichte für ein paar Minuten inneren Frieden. Auf die Idee, sich Gedanken über die längst vergangene Schwangerschaft ihrer Cousine zu machen, kam Serrana bei all ihrer Fixierung auf ihren eigenen Zustand erst gar nicht. Schließlich war die jetzt anständig verheiratet, und da, von dem Arzt abgesehen, kein Aussenstehender davon wusste, konnte man guten Gewissens den Mantel des Vergessens darüber breiten.
Viel wichtiger war ja auch, dass Axilla sagte, gern hier zu sein. Wirklich danach aussehen tat sie mit ihrer ein wenig abweisenden Körperhaltung zwar nicht, aber Serrana rang sich, durch den Wein ein wenig mutiger geworden, noch zu einem weiteren Vorstoß durch. Schließlich war ja nicht klar, ob sie einander vor der geplanten Reise nach Germanien noch einmal wiedersehen würden, und wann mit einer Rückkehr nach Rom zu rechnen war.
"Das freut mich. Ich..ähm...vielleicht können wir uns in Zukunft ja ab und zu mal sehen. Das...ähm...würde mir gefallen." Alkohol hin oder her, der immer eher abwartenden und passiven Serrana fiel es nach wie vor schwer, auf andere zuzugehen, trotzdem war sie froh, diesen Versuch gemacht zu haben. Dass Axilla und sie einander nach den Turbulenzen und Meinungsverschiedenheiten der letzten Monate nicht sofort um den Hals fallen würden, war logisch, zumal sich die beiden Mädchen ganz offensichtlich auf unterschiedlichen Wellenlängen bewegten. Aber vielleicht konnte man mit der Zeit ja wenigstens so etwas wie eine freundschaftliche familiäre Bindung herstellen, die nicht nur für die Aussenwelt existierte.