Beiträge von Iunia Serrana

    "Enteignen? Was meinst du denn damit? So wie damals bei den Gracchen? Was will Senator Furianus denn damit erreichen?" Mittlerweile war Serrana eher irritiert als nervös und ärgerte sich, dass sie dem aktuellen Tagesgeschehen aufgrund bevorstehenden Hochzeit so wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte."Und warum lässt der Kaiser so wenig vo sich hören? Ist er vielleicht noch kränker, als wir gedacht haben?" Einen so unmittelbaren Einblick in die Politik zu bekommen, war schon ganz schön spannend, aber mit einem Senator als Mann würde es künftig auch nicht mehr möglich sein, alles nur von einer unbeteiliigten Zuschauerperspektive zu betrachten.


    "Vielleicht ist es wirklich ganz gut, für eine Weile zu verreisen. Und vielleicht haben sich einige dieser Dinge bereits geklärt, wenn wir aus Germanien zurück sind."

    Serrana nickte nur nachdenklich, als Sedulus ihr über die Festnahme des Decimers durch die Parther berichtete, denn das andere Thema begann sie immer mehr zu fesseln und machte sie auch ein kleines bisschen nervös, so dass sie unbewusst ein bisschen näher an ihren Mann heranrutschte.


    "Aber zur Zeit besteht doch nicht die Gefahr eines Bürgerkrieges, oder? Es hat doch niemand einen Grund, so etwas loszutreten." Nein, ein Bürgerkrieg vor den eigenen Toren oder sogar vor dem eigenen Haus war ganz und gar nicht nach Serranas Geschmack. Ihrem zugegegebenermaßen ein wenig naiven Weltbild nach sollten die Legionen das römische Reich verteidigen und im Idealfall auch noch vergrößern, aber das natürlich weit weg in sicherer Entfernung. Schließlich gab es doch noch genug barbarische Völker, die man von der unbestreitbaren Überlegenheit der römischen Kultur überzeugen konnte.

    "Aber wenn es irgendwo einen Aufstand gibt, dann doch sicher ausserhalb von Italia, oder?" hakte Serrana nach. Für jemanden wie sie, die im Frieden geboren worden und aufgewachsen war, war die Vorstellung, in ihrer näheren Umgebung mit kriegerischen Aktivitäten konfrontiert zu werden, nahezu utopisch.
    Von dem missglückten Feldzug gegen die Parther hatte sie bereits das eine oder andere aufgeschnappt, aber die Gelegenheit, ein wenig mehr darüber zu erfahren, war doch mehr als günstig. Zumal Sedulus sich immer die Zeit nahm, ihr alles in Ruhe zu erklären ohne ihr das Gefühl zu geben, dumm oder schlecht informiert zu sein.


    "Was genau ist denn auf diesem Feldzug passiert? Ich weiß eigentlich nur, dass Senator Livianus danach eine zeitlang in parthischer Gefangenschaft war."

    "Salve, Germanicus Umbricius, die Freude ist ganz auf meiner Seite." entgegnete Serrana mit einem aufrichtig erfreuten Lächenln den Gruß des jungen dunkelhaarigen Mannes. Er war also auch ein Germanicus, aber Serrana konnte sich nicht erinnern, ihn jemals zuvor gesehen zu haben. Auf den Fontinalia vielleicht? Nein, dann würde er ihr sicher irgendwie bekannt vorkommen. Aber vielleicht hatte er auch eine Weile keinen Kontakt mehr zu seiner Familie gehabt, das war bei ihrer Großmutter Laevina ja auch nicht anders gewesen, auch wenn die das heute sicher nicht mehr zugeben würde. Auf jeden Fall freute sie sich, dass jetzt wieder jemand im Haus leben würde, der etwa in ihrem Alter war, wenn auch vielleicht ein paar Jahre älter.
    Bei dem Stichwort "reizende Ehefrau" fiel Serrana plötzlich ein, dass sie einer Gastgeberinnenpflicht noch nicht Genüge getan hatte und wandte sich an den Senator Lucianus.


    "Verzeih mir bitte meine Unaufmerksamkeit, Senator Vinicius, aber ich habe mich noch gar nicht nach dem Befinden deiner Gemahlin erkundigt. Aelia Paulina und ich haben uns vor einigen Monaten in den Thermen kennengelernt, ich hoffe, sie und die Kinder sind wohlauf?"

    Serrana folgte Sedulus zu seinem Schreibtisch und ließ sich dann neben ihm darauf nieder, wobei sie ihre Hand auf die seine legte. Mittlerweile kannte sie ihn schon gut genug, um sich nicht über diese reichlich ungewöhnliche Sitzweise zu wundern. Irgendwie passte diese zu dem auch sonst häufig etwas unkonventionellen Benehmen ihres Ehemannes, und Serrana spürte, wie gut es ihr tat, ab und zu auch mal ein wenig lockerer zu sein.


    "Was meinst du mit "Wenn es zum Äußersten käme?" Die Legio I ist doch in Mantua stationiert, also hier in Italia. Was kann denn da schon passieren?"

    "Aber wenn man sie nicht bändigen kann, wie schafft man es dann, dass sie tun, was man möchte? Wäre es dann nicht sinnvoller Pferde zu nutzen? Oder sind Kamele in Mauretanien billiger?" Serrana besaß so gut wie kein Wissen über Vitales Heimat und die dortigen Gebräuche und Sitten, aber je mehr ihr der junge Scriba darüber berichtete, desto interessanter fand sie dieses Thema. Vor allem deutich interessanter als ihre Großmutter, auch wenn Vitale mit seiner Bemerkung vielleicht nicht ganz falsch lag. "Ja, vielleicht hat sie das, wer weiß das schon." sagte schulterzuckend, musste ihm in einem Punkt jedoch beipflichten. "Was handwerkliche und hauswirtschaftliche Dinge anggeht, ist Großmutter wirklich eine hervorragende Lehrmeisterin gewesen, ich glaube, die meisten Sachen werde ich wohl nie wieder vergessen." Genauso wenig wie die zahllosen recht schlagkräftigen Motivationshilfen von Laevina, aber diese Bemerkung verkniff sich Serrana dann doch lieber. Schließlich hatte sie keine Ahnung, wie streng die Erziehungsmethoden in Mauretanien waren, und sie wollte vor Vitale nicht verweichlicht dastehen, Scriba hin oder her.


    "Warum bist du eigentlich direkt nach Rom gekommen? Das ist doch von deiner Heimat aus gesehen furchtbar weit und in Hispania zum Beispiel gibt es auch einige größere römische Städte."

    "Naja, irgendwann kommt er ja wieder zurück, und dann wirst du ihn ganz sicher sehen." Serrana hatte besaß deutlich mehr Wissen über die Geschichte als über das aktuelle politische Tagesgeschehen, und ihrer Meinung nach gehörte ein Kaiser in seine Hauptstadt, wo auch der Senat sein zuhause hatte. "Und warum sollte Archias dich ihm nicht vorstellen, wenn er wieder daheim im Kaiserlichen Palast ist? Du bist doch seine Frau!" Und wen interessierten schon die genauen verwandtschaftlichen Beziehungen, verwandt war schließlich verwandt. Ob sie Axilla anbieten sollte, einmal mit ihr zum Tempel der Minerva zu gehen und ihr alles zu zeigen? Die Vorstellung war schon sehr reizvoll, aber Serrana erinnerte sich noch ziemlich gut an den Wutausbruch, den ihre Cousine damals im Garten der Casa Iunia bekommen hatte und wie sie dann über die Götter gesprochen hatte, falls man das überhaupt sprechen nennen konnte. Dass Serrana selbst sich damals ziemlich auf ihrer angeblichen moralischen Überlegeneheit ausgeruht und damit diesen Ausbruch ein Stück weit provoziert hatte, tat jetzt nichts zur Sache.
    Wichtig war nur, dass so etwas nicht noch einmal geschah und schon gar nicht in dem Tempel, in dem sie selbst verantwortlich war. Dis Pater war das schon etwas anderes, schließlich war der nicht wegen seiner gütigen Wesensart unter den Römern so populär. Hätte sie sich doch nur die letzte Frage verkniffen, jetzt musste sie Axilla ihre Gründe erklären, und das war alles andere als leicht.
    "Naja, ich weiß nicht so recht, wie ich dir das erklären soll...." Serrana stellte den Weinkelch zurück auf den kleinen Tisch und zupfte stattdessen an ihren Fingern herum. "Als wir damals dort im Tempel waren und du DisPater geopfert hast, da hatte ich irgendwie das Gefühl, dass etwas vor sich geht. Ich hab gespürt, dass da noch etwas war ausser uns und dem Priester. So etwas passiert mir ab und zu, weißt du. Als ich im Januar mit Quintus im Tempel der Venus war, da ging es mir ähnlich, auch wenn es sich ganz anders angefühlt hat. Naja, und weil dein Opfer damals doch angenommen wurde, da dachte ich, es würde vielleicht noch irgendetwas passieren. Ist aber auch egal, du findest das sicher albern." Jetzt griff Serrana doch noch einmal nach ihrem Kelch und trank einen weiteren Schluck Wein. Wann hatte sie eigentlich zuletzt soviel getrunken? Für heute musste damit auf jeden Fall Schluß sein.

    "Glaubst du, dass ihn demnächst mal persönlich kennenlernen wirst? Den Kaiser meine ich, dein Mann ist ja schließlich mit ihm verwandt. Das wäre doch ungeheuer aufregend, findest du nicht?" Was für eine grandiose Vorstellung: ihre Cousine durch die Gänge des kaiserlichen Palastes wandelnd und dabei nebenbei ein Schwätzchen mit dem Imperator haltend....Wieder war die Frage nicht ganz frei von Neid, denn auch wenn Serrana sich nicht vorstellen konnte, im Beisamm des Kaisers auch nur einen Ton herauszubringen, so hätte sie doch einiges dafür gegeben ihn einmal aus der Nähe zu sehen, und wenn auch nur, um zu überprüfen, ob er wirklich so beeindruckend war wie seine Büsten und Statuen. Dann kam das Gespräch jedoch auf ein Thema, das Serrana wirklich am Herzen lag und sie sofort auf komplett andere Gedanken brachte. "Oja, ich bin Mitglied des Cultus Deorum." erzählte sie eifrig und hocherfreut, dass Axilla ausgerechnet hier nachgehakt hatte. "Anfang des Jahres habe ich meine Prüfung zur Aeditua abgelegt und jetzt diene ich im Tempel der Minerva auf dem Forum Nervae. Er ist wirklich schön, warst du schonmal dort?" Sie hatte ihre Cousine zwar weder dort und mit einer Ausnahme auch noch nicht in der Nähe eines anderen Tempels gesehen, aber das musste nichts bedeuten, schließlich hatte sie ja nicht den ganzen Tag Dienst. Aber vielleicht war das hier ja eine günstige Gelegenheit, um eine Frage zu stellen, die ihr schon seit etlichen Monaten immer wieder nachgedacht hatte, und die ihrem abergläubischen Naturelll seinerzeit ziemlich zugesetzt hatte. "Sag mal," begann sie etwas zögerlich und ließ den Kelch ein paar weitere Runden zwischen ihren Fingern drehen,weil ihr bei dem Gedanken an jenen Tag unwillkürlich wieder die Kälte in die Knochen zu steigen schien, "wir sind doch damals gemeinsam im Tempel des Pluto gewesen, und du hast Dis Pater ein Opfer dargebracht. Hast du mal irgendwas gehört, ob...ähm...also ob es was gebracht hat?" Serrana hatte ihre Verwandte Urgulania zu deren Lebzeiten zwar niemals persönlich kennengelernt, aber ihre Ermordung hatte sie trotzdem getroffen, und Axilla hatte offensichtlich keine Zweifel gehabt, was die Identität des Schuldigen anging.

    Dass Sedulus' Vater ein ziemlich hochrangiger Befehlshaber innerhalb der der Armee gewesen war, hatte sie aus seinen Berichten ja schon zusammengereimt. Aber der Kommandant einer Legion...., das machte schon eine Menge her, und Serrana fühlte ein nicht unerhebliches Maß an Stolz, auch wenn sie selbst nicht den geringsten Anteil an diesen Errungenschaften hatte. "Septimas Mann befehligt die Legio I?" fragte sie dann aufrichtig erstaunt. "Das wusste ich gar nicht, Aurelius Ursus wirkt noch so jung, ist es normal, dass man in dem Alter schon ein solches Kommando bekommt?"

    Serrana wurde aus Axillas Antworten nicht wirklich schlau. Die waren nett und höflich und nicht einmal ablehnend, und trotzdem hatte Serrana nicht das Gefühl, mit ihren Vorstößen irgendwelche Fortschritte zu machen. Aber immerhin hatte ihre Cousine ihren Vorschlag nicht von vorhherein abgelehnt, und Axilla war im Gegensatz zu Serrana durchaus ein Mensch, der kein Problem damit hatte, seine Meinung offen auszusprechen. Serrana seufzte leise und sah ihre Cousine ein wenig ratlos an. Unter normalen Umständen wäre ihr vermutlich viel früher aufgefallen, dass diese Einsilbigkeit in erster Linie mit ihren eigenen missverständlichen Äusserungen zusammenhing. Doch da ihr das Thema Schwangerschaft derart unangenehm wenn nicht gar zuwider war,vermied sie es, noch länger darüber nachzudenken und griff stattdessen dankbar den Themenwechsel auf, den Axilla ihr anbot. Der Garten war nun wirklich ein sicheres Metier ohne Stolpersteine.


    "Ja, mir gefällt dieser Garten auch sehr gut. Ich komme so oft wie möglich her um zu lesen." sagte sie und ließ den Blick kurz über die sorgfältig gepflegte Anlage gleiten. Sie hatte bereits den Mund geöffnet, um zu erzählen, dass das Familienhaupt höchst persönlich ein Auge auf diesen Hortus hatte, doch da Axilla bereits ohnehin nicht allzugut auf Avarus zu sprechen war, klappte sie ihn schnell wieder zu. Dann doch lieber die andere Geschichte, die konnte höchstens sie selbst in Verlegenheit bringen. "Weißt du, in diesem Garten sind Quintus und ich zum ersten Mal ganz allein gewesen. Das war auf den Fontinalia, und natürlich war es damals ziemlich dunkel und kalt hier draussen, aber es war trotzdem schön, dabei hat er an diesem Abend nur zweimal meine Hand berührt." Serrana lächelte ein wenig verlegen und drehte wieder einmal den Kelch in ihren Händen hin und her. Vielleicht fand Axilla mit ihrem deutlich größeren Maß an Lebenserfahrung diese Episode ja albern, aber das änderte nichts daran, dass sie für Serrana wichtig war und es wohl auch bleiben würde.
    "Habt ihr denn auch einen eigenen Garten, Archias und du? Zum kaiserlichen Palast gehören doch sicher dutzende davon." Was für eine einschüchternde Vorstellung, die Casa Germanica verfügte schon über ein in Serranas Augen mehr als beeindruckendes Ausmaß an Luxus, die Dimensionen des Palatium Augusti würden sie vermutlich schlichtweg erschlagen.

    Kaum hatte Sedulus seine Gegenfrage gestellt, da wurde Serrana bewusst, wie naiv sich ihre eigene in seinen Ohre vermutlich anhören musste. Schließlich hatte ein Senator mit einem gehörigen Maß an Lebenserfahrung vermutlich eine ganz andere Vorstellung von Wichtigkeit als ein Mädchen vom Lande, das erst seit einem dreiviertel Jahr dabei war, sich auf dem gesellschaftlichen Parkett der Hauptstatt einigermaßen zurechtzufinden und das auch deshalb auch deutlich schneller zu beeindrucken war.


    "Hm....wichtig ist vermutlich das falsche Wort." ergänzte sie schnell und winkte mit der Hand ab. "Ich meinte Politiker, die sich hier in Rom bereits einen Namen gemacht haben, oder militärische Führer."

    Für einen winzigen Moment kam Serrana der Gedanke, dass es nicht besonders feinfühlig gewesen war, ausgerechnet Axilla auf dieses Thema anzusprechen, die mit ihrer ungeplanten Schwangerschaft ja genug Probleme gehabt hatte. Aber jetzt war es ohnehin zu spät, um das Thema noch zu wechseln, und Serrana war viel zu beschäftigt, nach dem rettenden Strohhalm in Axillas Erklärungen zu greifen und sich die Informationen herauszupicken, die ihr in ihrer Not entgegen kamen.


    "Oh ja, Stress, natürlich." Daran hätte sie aber auch selbst denken können! Mit einem zugleich zufriedenen als auch hoffnungsvollen Lächeln lehnte sie sich zurück und entspannte sich sogar ein wenig. Stress, das musste einfach der Grund sein! Natürlich war es schon reichlich vermessen, ihr neues und luxuriöses Leben in der Casa Germanica an der Seite eines Ehemannes, der sie auf Händen trug, als Stress zu bezeichnen, aber es war doch immerhin ungewohnt und zum Teil auch anstrengend, sich an all das zu gewöhnen!
    Dass ihre monatliche Blutung bislang immer auf den Tag pünktlich und reibungslos abgelaufen war, ließ sie bei ihren Überlegungen lieber ausser acht. Dafür passte es einfach zu gut, denn die letzte Blutung hatte sie noch in der Casa Iunia gehabt, ein oder zwei Wochen vor der Hochzeit. Ebenso pünktlich wie alle anderen zuvor, und das in einer Zeit, als es wegen der umfangreichen Vorbeireitungen für die anstehende Doppelhochzeit wesentlich stressiger gewesen war als im Moment. Aber auch diesen Aspekt ließ Serrana lieber unbeachtet, da wandte sie sich doch lieber einem Detail zu, das besser in ihre Wunschvorstellungen passte. Übelkeit war ein Indiz für Schwangerschaft? Wundervoll, denn ihr war nicht übel! Sie war zur Zeit immer ein wenig müde und besonders viel Appetit hatte sie auch nicht, aber ihr war nicht übel! Serranas Lächeln verbreiterte sich noch ein wenig und sie sah Axilla dankbar an. Allzulange würde es nicht dauern, bis sich wieder die ersten Zweifel und Ängste in ihre Überlegungen schleichen würden, aber es reichte für ein paar Minuten inneren Frieden. Auf die Idee, sich Gedanken über die längst vergangene Schwangerschaft ihrer Cousine zu machen, kam Serrana bei all ihrer Fixierung auf ihren eigenen Zustand erst gar nicht. Schließlich war die jetzt anständig verheiratet, und da, von dem Arzt abgesehen, kein Aussenstehender davon wusste, konnte man guten Gewissens den Mantel des Vergessens darüber breiten.


    Viel wichtiger war ja auch, dass Axilla sagte, gern hier zu sein. Wirklich danach aussehen tat sie mit ihrer ein wenig abweisenden Körperhaltung zwar nicht, aber Serrana rang sich, durch den Wein ein wenig mutiger geworden, noch zu einem weiteren Vorstoß durch. Schließlich war ja nicht klar, ob sie einander vor der geplanten Reise nach Germanien noch einmal wiedersehen würden, und wann mit einer Rückkehr nach Rom zu rechnen war.


    "Das freut mich. Ich..ähm...vielleicht können wir uns in Zukunft ja ab und zu mal sehen. Das...ähm...würde mir gefallen." Alkohol hin oder her, der immer eher abwartenden und passiven Serrana fiel es nach wie vor schwer, auf andere zuzugehen, trotzdem war sie froh, diesen Versuch gemacht zu haben. Dass Axilla und sie einander nach den Turbulenzen und Meinungsverschiedenheiten der letzten Monate nicht sofort um den Hals fallen würden, war logisch, zumal sich die beiden Mädchen ganz offensichtlich auf unterschiedlichen Wellenlängen bewegten. Aber vielleicht konnte man mit der Zeit ja wenigstens so etwas wie eine freundschaftliche familiäre Bindung herstellen, die nicht nur für die Aussenwelt existierte.

    "Er ist im Garten? Oh, dann werde ich nach dem Essen mal hinübergehen und ihn besuchen." antwortete Serrana erfreut, da sie wirklich neugierig war, wie sich Verus' niedlicher Welpe in den Monaten seit ihrem bislang ersten und letzten Zusammentreffen auf den Trajansmärkten entwickelt hatte.
    In der Zwischenzeit war auch die Vorspeise serviert worden und sie pickte sich ein paar Gurken- und Melonenstückchen heraus. Wirklichen Appetit hatte sie ja schon seit einer ganzen Weile nicht, aber ein bisschen frisches Obst und Gemüse konnten ja nicht schaden.
    Auf die Frage des Senators Lucianus hin sah sie erneut zu Verus und wartete gespannt auf dessen Antwort. Schließlich wusste sie bislang so gut wie nichts über den Mann, der zur Zeit immerhin unter einem Dach mit ihr lebte.

    "Also hier empfängst du deine Klienten, oder?" fragte Serrana, nachdem die das Officium ihres Mannes betreten hatte. Neugierig ging sie zu den Regalen hinüber und warf ein Blick auf die dort gelagerten Schriftrollen. Viel über Architektur, von der sie wenig Ahnung hatte, aber dazwischen fand sich auch das eine oder andere literarische Werk, bei dem sie auch einen zweiten Blick riskierte. "Oh, hier hast du ja sogar was von Iulius Cäsar." sagte sie überrascht und zog die entsprechende Rolle hervor. "Danach hast gefragt, als ich dir zum ersten Mal unsere Bilbiothek gezeigt habe, weißt du noch?" Nachdem sie den Gallischen Krieg vorsichtig wieder an Ort und Stelle zurückgelegt hatte, kehrte Serrana wieder zur Tür zurück, an der Sedulus stehen geblieben war.


    "War hier auch schonmal jemand richtig wichtiges drin?"

    Es kann sein, dass es gar nicht so lang dauert? Nein, wenn sich das bewahrheitete, was Serrana bereits seit einigen Tagen befürchtete, dann würde es wahrlich nicht allzu lange dauern. Noch klammerte sie sich an die Hoffnung, es könnte auch eine andere Erklärung geben, schließlich konnte es nach nur so kurzer Zeit doch unmöglich schon passiert sein! Dass sie es im Grunde besser wusste, und sowohl ihrer Cousine als auch deren Ehemann bereits flammende Vorträge über dieses Thema gehalten hatte, blendete sie bei ihren Grübeleien gekonnt aus.
    Serrana sah Axillas irritierten Gesichtsausdruck und rang mit sich. Das Bedürfnis mit einer anderen Frau über diese Sache zu reden war groß, aber die irrationale Angst, dass es dann endgültig real werden würde, ließ sie ihren bereits geöffneten Mund wieder schließen. Und was sollte sie auch erzählen? Dass sie Angst vor einem der natürlichsten Vorgänge auf der Welt hatte, der zudem auch ihre wichtigste Pflicht als Ehefrau war? Serrana brauchte niemanden, der ihr erzählte, wie armselig und verachtenswert das war, denn das war ihr selbst nur allzu bewusst. Und dass sie genau wusste, wie sehr Sedulus sich weitere Kinder wünschte, machte die Sache nur noch schlimmer, den dadurch schien ihr Widerwillen schon fast einem Verrat an ihm gleichzukommen. Eine Weile drehte sie einfach nur den Kelch in ihren Händen hin und her, dann entschied sie sich für einen winzig kleinen Vorstoß, der ihr vielleicht zu etwas mehr Klarheit verhelfen würde, ohne allzu viel von ihrem so beschämenden Gemütszustand preiszugeben.


    "Hm, ja, mag sein." antwortete Serrana, sah weiterhin den Kelch an und bemühte sich um einen möglichst unbeteiligten Tonfall. "Was meinst du, wie schnell könnte man es merken, wenn man schwanger wäre?"


    Während sie auf die Antwort ihrer Cousine wartete, machte der Kelch noch einige Umdrehungen mehr, und Serrana warf kurz einen Blick zu Axilla hinüber. Wo war nur die Leichtigkeit und Unbeschwertheit geblieben, mit denen sie am Anfang miteinander umgegangen waren? Irgendwie schienen sie sich nur noch in sicherer Entfernung umeinander herumzuhangeln, um weiteren Streitereien aus dem Weg zu gehen. Und das, wo von ihrer Gens ohnehin so gut wie niemand mehr übrig war. Serrana rang ein weiteres Mal, in diesem Fall mit ihrem Stolz und nickte schließlich.


    "Ja, das war es. Ich bin wirklich froh, dass du gekommen bist, auch weil....naja, nicht nur deshalb."

    "He, was ist denn das für ein unfeines Benehmen, ich bin doch keine Schankmagd." Wieder übte sich Serrana in gespielter Empörung und wieder gelang ihr das nur mit mäßigem Erfolg. Denn diese Unbekümmertheit, mit der Sedulus das aussprach oder sogar tat, wonach ihm gerade war, war schließlich eine der Eigenschaften, die die ewig zaudernde und zögernde Serrana so anzogen. Sie versetzte ihrem Mann noch einen spielerischen Tritt auf den Fuß und stolzierte dann würdevoll an ihm vorbei aus der Bibliothek.


    "Na, dann zeig mir mal dein Officium, ich bin schon sehr gespannt."

    "Ja, das wäre schön. Ich vermisse sie jetzt schon, und dabei ist sie gerade mal seit ein paar Tage weg." Serrana schluckte, doch wieder war der Unwillen, sich noch einmal in Axillas Gegenwart derart gehen zu lassen wie damals kurz vor ihrer Hochzeit, stark genug um einen einigermaßen unbeteiligten Gesichtsausdruck beizubehalten. Schlimm genug, dass sie sich zur Zeit wie ein weinerliches Kind fühlte, es musste ihr ja nicht auch noch jeder ansehen. Glücklicherweise ging ihre Cousine nicht weiter auf diese Sache ein, sondern schwenkte erneut auf das Kinder-Thema um, doch auch das trug nicht gerade zu Serranas guter Laune bei. Schweigend hörte sie sich die entsprechenden Erklärungen an, und es dauerte nicht lange, bis sich ihr schlechtes Gewissen zu Wort meldete. Ja, Axilla mochte ein wenig extrem und damit anstrengend ihrem ständigen und hartnäckigen Beharren auf der Ehre und dem guten Namen der Familie sein, aber sie, Serrana, hatte sich im Gegenzug bislang überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, ob irgendein Erbe ihrem Vater einmal opfern würde. Mittlerweile konnte sie sich auch nicht mehr in irgendeine moralische Entrüstung flüchten, weil ihr Vater sie als Kind einfach zurückgelassen hatte, denn diese jahrelange Überzeugung hatte sich spätestens durch den einiger Zeit aufgetauchten Brief ihres Großvaters als weitgehend falsch erwiesen. Nein, Serrana hatte schlicht und einfach nicht daran gedacht, weil es in ihrem Leben in der letzten Zeit so viele Dinge und Ereignisse gegeben hatte, denen sie mehr Aufmerksamkeit geschenkt hatte und die ihr wichtiger gewesen waren, und diese Erkenntnis war schon reichlich unbequem und peinlich.
    "Ich denke, dagegen hätte Quintus sicher nichts einzuwenden." sagte sie schnell und ärgerte sich noch zusätzlich, weil sie Axillas Vorschlag so offensichtlich missverstanden hatte. "Aber das hat ja auch noch ein wenig Zeit,nicht wahr? Wer weiß schließlich schon, ob und wann es jemals so weit sein wird." Mittlerweile hielt sie wieder einen frischgefüllten Weinkelch in der Hand. Ob sie wirklich noch etwas trinken sollte? Irgendwie schien das anfängliche so entspannende Wohlgefühl allmählich einem leicht schwummrigen Gefühl zu weichen.

    Als die Tür vor ihrer Nase plötzlich wieder zuschlug, zuckte Serrana unwillkürlich zusammen und wich ein kleines Stück zurück. Ein wenig seltsam war das ja schon, aber wenn die alte Vestalin schon so aussah und redete wie Germanica Laevina, wie konnte man da Höflichkeit von ihr erwarten?
    Und was jetzt? Serrana trat von einem Fuß auf den anderen, zupfte erneut an ihrer Kleidung herum und sah erfreut auf, als sich die Porta ein zweites Mal öffnete und diesmal Romana höchstpersönlich vor ihr stand. Die Begrüßung der jungen Vestalin fiel ein wenig unterkühlter aus, als Serrana es bislang von ihr gewöhnt war, aber das lag vielleicht daran, dass sie ohne eine Verabredung oder gar eine Einladung hierher gekommen war und Romana mehr oder weniger überfallen hatte.


    "Salve, Romana. Wie schön, dass du ein wenig Zeit für mich hast. Ich hoffe, ich komme nicht allzu ungelegen..." Doch, vermutlich tat sie genau das, denn der Gesichtsausdruck der Claudia wirkte im Gegensatz zu sonst eher höflich als aufrichtig erfreut. Serrana, die sich ohnehin ständig Gedanken darüber machte, ob sie es auch allen recht machte, und niemandem auf die Nerven ging, entschied sich, erstmal mit dem einfacheren Grund ihres Besuchs zu beginnen, in der Hoffnung, dass sich dann auch ihre Nervosität ein wenig legen würde. Mit etwas Glück würde Romana auftauen, wenn es um ihre gemeinsame Freundin Calvena ging, denn sonst würde sie niemals über das andere Thema mit ihr sprechen können.
    "Ich..ähm...Calvena hat mich gebeten, hier vorbei zu kommen und dir zu sagen, dass sie war furchtbar unglücklich war, weil sie sich nicht mehr persönlich von dir verabschieden konnte. Und dass sie dir so bald wie möglich schreiben wird." So, damit war ihre offizielle Mission eigentlich beendet, wenn sie Pech hatte, verabschiedete Romana sich mit einem höflichen danke schön bei ihr und die Tür war wieder zu. Serrana spürte, wie sie bei der Vorstellung, ihre rettende Gesprächspartnerin direkt wieder zu verlieren, ein wenig panisch wurde. Hoffentlich sah man ihr das nicht allzu sehr an, schließlich wollte sie ja nicht wie eine verschreckte Bittstellerin vor dem Atrium Vestae stehen.

    Einfach nicht daran denken? Das sagte sich so einfach... Und selbst wenn ihr das heute gelang, wo sie mit Sedulus allein war, spätestens bei Ankunft der ersten hochkarätigen Gäste in diesem Haus oder bei der ersten Abendgesellschaft ausserhalb würde sie ihre neue Rolle wieder einholen.


    "Naja, ich werd mein Bestes geben." sagte sie schnell, um sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Was ihre Großmutter betraf, so ging Serrana stark davon aus, dass diese sich in erster Linie für sich selbst freute. Aber so lange sie selbst dann von weiteren Erziehungs- und Optimierungsmaßnahmen verschont blieb, gönnte sie Laevina alle Freude dieser Erde.


    "Was meinst du denn mit: du bist mir ja Eine?" Fast wäre ihr der Ausdruck erstaunter Unschuld perfekt gelungen, doch dann zuckten ihre Mundwinkel leider doch und Serrana begann zu grinsen. "Also, dein Onkel Avarus möchte bestimmt nicht, dass wir einfach so in seinem Büro herumlaufen, und zu Großmutter will ich auch nicht. Dann bleibt wohl nur noch dein Büro, oder hast du etwa keins?"

    Serrana, die aus irgendeiner romantischen Vorstellung heraus erwartet hatte, von einer jungen und schönen Vestalin mit gütigem Gesichtsausdruck empfangen zu werden, sah ihr Gegenüber überrascht und auch ein wenig erschrocken an. Ja, eine Vestalin war das zweifellos, aber jung war sie ganz sicher nicht. Eher im Alter ihrer Großmutter, falls das überhaupt im Bereich des Möglichen lag. Und auch der leicht schnarrende Tonfall weckte deutliche Erinnerungen an Germanica Laevina...
    Nicht gerade ein ermutigender Anfang, aber da musste sie jetzt wohl durch.


    "Salve, ehrwürdige Priesterin der Vesta. Mein Name ist Iunia Serrana, und ich würde gern Claudia Romana besuchen, falls diese einen Augenblick Zeit für mich erübrigen kann."


    Zwar war sie jetzt noch nervöser als vorher, aber immerhin blieb das freundliche wenn auch ein wenig verzagte Lächeln auf Serrana Lippen, während sie auf die Antwort der Vestalin wartete.