Beiträge von Iunia Serrana

    Sie sollte Silanus einen Brief schreiben und ihn um Geld bitten? Serrana sah Narcissa mit wachsendem Entsetzen an.
    Sie konnte ihren entfernten Verwandten doch unmöglich schon wieder etwas bitten, schließlich hatte er ihr schon großzügigerweise erlaubt, in der Casa Iunia zu wohnen, und das, ohne sie überhaupt zu kennen. Was sollte er denn bloß von ihr denken, wenn sie ihn jetzt auch noch dazu aufforderte, ihre Cena zu finanzieren? Es wunderte sie allerdings schon ein bisschen, dass Narcissa sie bat, ihren Namen nicht zu erwähnen. Warum sollte Silanus ihr denn kein Geld geben wollen? Diese Frage machte Serrana ziemlich neugierig, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie Narcissa unauffällig darauf ansprechen sollte.


    "Ja, ist gut..."murmelte sie leise und ziemlich bedrückt. Ablehnen konnte sie die Bitte ihrer Cousine nicht, schließlich hatte die heute schon so viel für sie getan, da konnte sie keinesfalls so undankbar sein.


    Die beiden jungen Frauen gingen hinüber in die bereits hergerichtete Sitzgruppe und nahmen Platz. Serrana wurde zunehmend nervös, als die beiden Sklavinnen begannen zu ihren Füßen herumzuwuseln. Sie war es nicht gewöhnt, dass man ihretwegen so einen Aufwand betrieb, auch wenn es sich nur ums Hauspersonal handelte.


    Beim nächsten Thema, das Narcissa ansprach, blühte sie allerdings wieder auf. Wie gut sich ihre Cousine doch mit all diesen Dingen auskannte....Kein Wunder, dass sie immer perfekt gekleidet und frisiert war, selbst hier im Haus... dachte Serrana ein bisschen neidisch. Aber vielleicht würde sie selbst auch davon profitieren und sich bald auch ein bisschen stilvoller kleiden können.


    "Ja, rosa hört sich schön an." sagte sie lächelnd. Der Gedanke gefiel ihr immer besser und sie sich bereits ein entsprechendes Kleid vorzustellen. Ob Calvena wohl etwas in dieser Farbe hatte? Sie würde sie bei nächster Gelegenheit direkt fragen.
    Bei dem Gedanken, dass irgendein Mann auf sie aufmerksam werden könnte, wurde sie mal wieder rot. Das konnte sie sich nun wirklich nicht vorstellen, vor allem, wenn all die schönen Frauen aus der Therme dabei waren, aber man wusste ja nie...


    "Und ich wäre dir wirklich dankbar, wenn eine deiner Sklavinnen mir mit den Haaren helfen könnte. Ich bin sehr froh, dass Adula bei mir ist, und ich nicht allein durch Rom laufen muss, aber als Ornatrix ist sie wirklich eine Katastrophe. Im Grunde kann sie mir nur die Haare bürsten, alles andere mache ich allein, und so sehe ich ja leider auch aus..." seufzte sie betrübt und warf einen sehnsüchtigen Blick auf Narcissas wundervoll gelegtes Haar.

    Serrana überflog Narcissas Liste und wurde allmählich auch von deren Vorfreude angesteckt.


    "Das hört sich wirklich alles ganz wundervoll an, die Cena wird sicher ein Erfolg!" rief sie aus, dann schoss jedoch ein unerfreulicher Gedanke durch ihren Kopf, den sie bislang immer erfolgreich ausgeblendet hatte.


    "Aber all diese Dinge sind sicher furchtbar teuer...wer soll das denn bezahlen?" sie sah ihre Cousine zerknirscht an. "Mein Geld ist schon fast verbraucht, und Großmutter Laevina brauche ich wohl kaum zu fragen. Bevor die Geld für die Casa Iunia ausgibt, steckt sie das Haus vermutlich in Brand..."
    Sie dachte an das höchst schmerzhafte letzte Gespräch mit ihrer Großmutter und schauderte unwillkürlich.


    Narcissas Frage nach ihrer geplanten Garderobe war da schon erfreulicher. Zwar hatte sie dafür auch kein Geld, aber Calvena hatte ihr dankeswerterweise angeboten ihr etwas für den Anlass zu leihen.


    "Bislang habe ich noch nicht entschieden, was ich anziehen soll." sagte sie dann. "Ich möchte endlich mal in meinem Leben wirklich elegant und schön aussehen, aber ich bin mir nicht mal sicher, welche Farbe mir am besten stehen würde...."

    Bislang war Serrana noch gar nicht auf die Idee gekommen, über ihre eigenen Wünsche nachzudenken, und hatte bislang nur überlegt, wie sie die ganze Angelegenheit einigermaßen würdevoll überstehen konnte.
    Sie dachte eine Weile nach.


    "Hm...naja, ich mag Tambourine sehr gern, da klingt der Rhythmus so schön...und es wäre wundervoll, wenn die Tänzer vielleicht ein mythologisches Thema hätten, dafür habe ich mich immer schon sehr interessiert." Sie dachte kurz über das Essen nach und ihr Gesicht erhellte sich. "Oh, und Muscheln wären toll, die esse ich furchtbar gern. Und was die Getränke angeht..." Für einen kurzen Moment erschienen ein paar Becher Wein und ein geheimnisvolles Kohlebecken vor ihrem inneren Auge und sie schüttelte sich unwillkürlich bei der Erinnerung an die noch nicht allzu lange überstandene stundenlange Übelkeit.


    "Daheim aus der Campania kenne ich einige ganz hervorragende Weine, aber ich werde an dem Abend wohl lieber beim Wasser bleiben..." Ob das jetzt wohl schon zu viele Wünsche gewesen waren? Schließlich sollte Narcissa sie ja nicht für selbstsüchtig halten.

    Serrana glaubte im ersten Moment sich verhört oder etwas missverstanden zu haben, als Celerina plötzlich leise das Wort an sie richtete. Aber nein, die Flavierin hatte sie tatsächlich angesprochen und ihr Rat war offenbar wirklich gutgemeint.


    "Vielen Dank, das werde ich ausprobieren, sobald ich zu Hause bin" antwortete sie ebenso leise und bedachte Celerina mit einem deutlich netteren Blick als noch vor wenigen Minuten. Dann erhob sich diese zur Massage und Serrana sah ihr, immer noch ein wenig überrascht, nach. Wer hätte das gedacht....


    Dann schaute sie wieder ihre Cousine an, die strahlend und offensichtlich bestens gelaunt neben ihr im Becken saß. An was auch immer sie gerade denken musste, ganz zweifellos machte sie sich keine Sorgen um die gelungene Organisation oder den reibungslosen Ablauf der Cena...

    Serrana fiel ein großer Stein vom Herzen, als sich Narcissa für die Organisation der Cena anbot, und das ganz offensichtlich auch noch gern...


    "Ich danke dir, das ist wirklich sehr großzügig" sagte sie erleichtert. "Und bei der Planung bin ich selbstverständlich dabei, ich möchte ja schließlich lernen, wie man so etwas am besten macht. Das mit dem Essen hört sich auf jeden Fall schon mal gut an" sie strahlte und hakte sich bei Narcissa ein. Und das mit den männlichen Tänzern auch, dachte sie insgeheim und kicherte, als sie an Calvenas neuen und höchst ansehnlichen Leibwächter Simplex dachte. Den würde sie wirklich gern mal tanzen sehen....

    Serrana sah Arvinia neugierig an, als diese von ihrer baldigen Verheiratung sprach. Sie selbst war diesen Schicksal ja gerade erst um Haaresbreite entronnen und genoss die Tatsache, nicht mehr Gegenstand derartiger Überlegungen zu sein. Aber schließlich gab ja auch noch angenehmere Kandidaten, als den, den ihre Großmutter seinerzeit für sie ausgesucht hatte.


    "Das klingt ja aufregend" antwortete sie Arvinia mit einem Lächeln. "Weißt du denn schon, wer es sein wird?" Sie hatte die junge Tiberia auf Anhieb sehr gern gehabt und wünschte ihr von Herzen einen netten Ehemann.

    Narcissa reagierte ausgesprochen gelassen auf Serranas Warnung und diese beneidete sie wieder einmal um ihr scheinbar unerschütterliches Selbstvertrauen. Vermutlich wirkte es auf die meisten Menschen albern, wenn eine erwachsene junge Frau derartige Angst vor ihrer Großmutter hatte, aber Serrana hatte in dieser Hinsicht niemals wirklich eine Chance gehabt.Vor dem Tod ihrer Mutter hatte sie mit Laevina nicht wirklich viel zu tun gehabt, und danach, als sie ein bisschen Trost und liebevolle Zuwendung gebraucht hätte, hatte ihre Großmutter sofort ihr gnadenloses Erziehungsprogramm begonnen.Ständige Zurechtweisungen und auch die eine oder andere körperliche Züchtigung waren von da an ihre täglichen Begleiter gewesen, und Serrana konnte sich nicht daran erinnern, dass Laevina sie jemals in den Arm genommen hätte. Kein Wunder, dass der Anblick ihrer Großmutter immer nur Angst und das Gefühl etwas falsch zu machen bei ihr auslöste...


    "Ihr vollständiger Name ist Germanica Laevina" beantwortete sie dann Narcissas Frage. " Ich konnte Calvena erst heute erzählen, was sie sich da für eine Spinne ins Haus geholt haben, wenn sie will, kann sich meine Großmutter nämlich hervorragend verstellen. Ich hoffe, sie macht den Germanicern das Leben nicht allzu schwer..."


    Als ihre Cousine von dem geplanten Treffen in der Casa Iunia erzählte, begannen ihre Augen zu leuchten und Serrana musste unwillkürlich auch lächeln, obwohl sich ihre eigene Begeisterung immer noch ziemlich in Grenzen hielt.


    "Ich habe schon ein wenig darüber nachgedacht, aber ich wäre wirklich sehr froh, wenn wir das gemeinsam organisieren könnten. Ich habe so ein gesellschaftliches Ereignis noch nie geplant und stelle mir ständig nur vor, was alles schiefgehen könnte....Und ich will ja schließlich den Namen unserer Familie nicht blamieren." Sie seufzte und sah Narcissa hoffnungsvoll an.

    Gespannt folgte Serrana ihrer Cousine zum ersten Wandgemälde, um sich die Casa Decima zeigen zu lassen Von Säulen oder Gemälden hatte sie keine besondere Ahnung, aber sie schaute sich gern schöne Dinge an und war neugierig, endlich mal wieder etwas neues zu sehen.
    Als Narcissa ihr vorschlug die Casa Iunia umzudekorieren, zuckte sie innerlich zusammen. Auf eine derartige Idee wäre sie nie gekommen, schließlich war sie dort nur Gast und konnte sich doch kaum erdreisten, dort irgendetwas zu verändern....


    Die nächste Bemerkung, oder besser gesagt der nächste Ausruf übertraf dann allerdings alles, was sie in der Zeit ihrer kurzen Bekanntschaft bislang aus Narcissas Mund gehört hatte, und das war ja immerhin nicht wenig gewesen...
    Was hatte sie da gerade gesagt????
    Serrana war direkt nach ihrem Besuch beim Pontifex Durus zur Casa Decima geeilt und die Aussicht auf ihre bald beginnende Ausbildung im Cultus Deorum bescherte ihr nach wie vor ein ungeheures Hochgefühl. Den ganzen Tag schon fühlte sie sich so beflügelt, als hätte sie ihr Wohnlager bereits auf dem Olymp zwischen all den erhabenen Göttern aufgestellt und jetzt so etwas....
    Serrana spürte, wie sie ausnahmsweise mal nicht rot sondern blass wurde und sah Narcissas entgeistert an. Erst als ihre Cousine auch nach einer kleinen Weile immer noch von keinem Blitz getroffen worden war, entspannte sie sich wieder ein bisschen.


    Dann dachte sie an ihre Großmutter und ihre Verlegenheit wandelte sich in Wut und eine gehörige Portion Angst.


    "Sie wohnt jetzt in der Casa Germanica, zu dieser Gens gehört sie nämlich eigentlich..." begann sie dann zu erzählen. "Ich bin ja wirklich froh, dass sie wenigstens in einem anderen Haus wohnt, aber sie hat mir ehrlich gesagt furchtbare Angst gemacht und mir mit schrecklichen Dingen gedroht, wenn ich mich nicht so verhalte, wie sie das gerne möchte. Von jetzt an werde ich wieder bei jeder Bewegung Angst haben, das sie mich beobachtet, und ich hatte so gehofft, dass das endlich hinter mir liegen würde."..Serrana spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen, aber es gelang ihr noch sie zurückzudrängen. Narcissa hatte sie schon oft genug als dummes Mäuschen erlebt, damit musste jetzt allmählich mal Schluss sein.


    "Aber das ist auch ein Grund, warum ich heute direkt hergekommen bin" sagte sie dann in eindringlichem Ton und sah ihre Cousine ernst an. "Ich wollte dich warnen, auf der Hut vor ihr zu sein. Meine Großmutter hasst die Iunier bis aufs Blut, und wenn sie irgendeine eine Möglichkeit sieht, ihnen zu schaden, dann wird sie das auch tun."

    Der Pontifex schien es auf einmal ziemlich eilig zu haben, den Raum zu verlassen und Serrana erhob sich schnell, um sich mit dem nötigen Respekt zu verabschieden. Zwar hatte er ihnen schon den Rücken zugekehrt, aber so ganz ohne Gruß konnten sie ihn ja nicht ziehen lassen, das wäre zweifellos sehr unhöflich gewesen.


    "Vale, Tiberius Durus, und noch einmal vielen Dank für deine Hilfe" sagte sie schnell, bevor er ganz aus dem Raum verschwunden war.


    Vermutlich hatte er deutlich interessantere Dinge zu tun, als sich mit zwei angehenden Schülerinnen des Cultus Deorum zu unterhalten. Und immerhin hatten Calvena und sie jetzt auch die Möglichkeit, noch ein Weilchen mit Arvinia zu plaudern.

    Eine Zeitlang hatte Serrana tatsächlich darüber nachgedacht, Vestalin zu werden und sich intensiver mit diesem Thema auseinandergesetzt, aber der Wunsch nach einer eigenen Familie war letztendlich doch zu stark gewesen. Auf Durmius' Frage hin holte sie kurz Luft und konzentrierte sich dann, um keinen Unsinn zu erzählen.


    "Insgesamt gibt es 6 Priesterinnen der Vesta" begann sie dann noch ein bisschen zögerlich. "Die Grundvoraussetzung für eine Vestalin ist absolute Keuschheit, deshalb müssen die Bewerberinnen natürlich Jungfrauen sein und sind meistens noch sehr jung. Sie verpflichten sich für dreissig Jahre, dürfen nach Ablauf dieser Zeit aber heiraten, falls sie das wünschen. In den ersten zehn Jahren lernen sie, dann dienen sie zehn Jahre als Priesterinnen und in der letzten Phase lernen sie die neuen Vestalinnen an."


    Dreissig Jahre...wie lang sich das anhörte, schliesslich war sie selbst gerade mal halb so alt. Dann fiel ihr ein, dass der Priester sie auch nach den Aufgaben der Vestalinnen gefragt hatte.


    "Und ihre Aufgaben, nun ja... sie hüten vor allem das Herdfeuer im Tempel der Vesta und holen das Wasser aus der heiligen Quelle der Egeria" Serrana stockte und sah ihren Lehrer an. War er mit ihrer Antwort zufrieden oder sollte sie lieber noch etwas mehr erzählen?

    Ihr Lehrer hätte ihnen vermutlich auch etwas über den Aufbau der städtischen Abwässerkanäle erzählen können, und Serrana hätte es trotzdem spannend gefunden ihm zuzuhören, so begierig war sie darauf endlich etwas neues zu lernen.
    Sie versuchte all die vielen neuen Informationen zu notieren und hoffte inständig, dass ihr dabei nichts verloren ging.


    Bei Durmius' Frage nach dem für sie zuständigen Semptemvir war sie einen Augenblick lang irritiert, nickte dann aber zustimmend, als Calvena von ihrem gemeinsamen Besuch bei Tiberius Durus erzählte.

    Die anderen Damen im Becken schienen sich mittlerweile auf die Casa Iunia als Treffpunkt geeinigt zu haben, und Serrana akzeptierte innerlich seufzend, dass ihr Schicksal nun ganz offensichtlich besiegelt war.
    Nun sah sie allerdings auch die aufmunternden Blicke von Calvena und Cara und schöpfte neuen Mut. Die beiden würden ihr sicher bei der Bewältigung dieser Aufgabe helfen und verhindern, dass die geplante Cena in einem Fiasko endete. Ihre Cousine Narcissa kannte sie zwar erst seit einigen Stunden, aber sie war sich sicher, dass auch diese dazu beitragen würde, dass das Treffen ein voller Erfolg werden würde. Sie wirkte gesellschaftlich deutlich gewandter als Serrana und kannte sich in der Casa Iunia mit Sicherheit genauso gut aus.
    Serrana beantwortete Caras stumme Frage mit einem Nicken und lächelte sie und Calvena dann dankbar an.
    Mit etwas Glück würden die Planungen bald abgeschlossen sein und sie konnte endlich an die frische Luft und dann direkt in ihr Bett...


    Gleichgültig ob Theater, Gladiatorenkämpfe oder Wagenrennen; Serrana würde all diese Dinge für ihr Leben gern sehen, solange es nicht gerade am heutigen Tage war.

    Serrana sah mit wachsendem Mitgefühl, dass ihrem nicht mehr jungen Lehrer viele Bewegungen offenbar Schmerzen zu bereiten schienen. Sie wäre ihm gern irgendwie zu Hilfe geeilt, wollte aber auch nicht takt-oder respektlos erscheinen und hielt sich deshalb zurück.
    Im Unterrichtsraum nahm sie Platz, nachdem er sich hingesetzt hatte und lächelte dankbar, als Calvena ihr Schreibtafel und Griffel aushändigte.
    Sie nahm den Griffel zur Hand und beugte sich dann gespannt vor, um kein Wort des Priesters zu verpassen. Serrana hatte bereits einmal in ihrem Leben das Glück gehabt, von einem weisen und gütigen Lehrer unterrichtet zu werden und freute sich sehr, dass ihr das nun offenbar auch ein zweites Mal vergönnt sein würde.


    "Ich freue mich schon sehr auf alles, was du uns zu erzählen hast" sagte sie strahlend.

    Als der alte Priester sie mit seinen intelligenten und gütigen Augen ansah, musste Serrana sofort an ihren Großvater denken. Der hatte ihr in den vergangenen Jahren alles beigebracht was sie wusste, und daher war sie sich sicher, dass sie bei Durmius Verus in guten Händen sein würde.


    "Ich komme aus Nola" beantwortete dann auch sie seine Frage. "Die alten Schriften über die Götter und die vergangenen Zeiten sind mir immer schon sehr wichtig gewesen. Zuerst hat sie mir mein Großvater vorgelesen und später konnte ich sie dann selbst studieren. Ich kann nicht wirklich erklären, warum die Göttin Minerva so wichtig für mich ist, ich spüre einfach eine unglaubliche Verbundenheit mit ihr und möchte mich dafür gern dankbar erweisen."

    Einige Augenblicke später traf auch Serrana im Tempel der Iuno Moneta ein. Seit ihr der Pontifex Tiberius Durus seine Zusage für ihre Ausbildung als Sacerdos gegeben hatte, schwebte sie wie auf Wolken und fühlte sich unglaublich leicht und glücklich.. Sie hatte das sichere Gefühl, dass ihr Leben nun eine entscheidende Wendung nehmen würde und brannte darauf, endlich mit dem Lernen anzufangen.
    Sie näherte sich mit großer Ehrfurcht der Statue der obersten Göttin und senkte ihr Haupt zum Gebet.


    "Große Göttin, ich hoffe du verzeihst mir, dass ich vor allem deiner Tochter dienen möchte, aber ich verspreche dir alles zu tun, um auch deiner gerecht zu werden."


    Sie hob den Kopf und ließ den Blick durch den Tempel schweifen, bis er an Calvena hängen blieb, die bei einem älteren respekteinflössenden Priester stand. Eilig lief sie zu den beiden hin.


    "Salve" begrüßte sie, wie es sich gehörte, zuerst den Priester. "Mein Name ist Iunia Serrana, ích hoffe, ich komme nicht zu spät."Dann lächelte sie Calvena an. "Jetzt sind wir tatsächlich im Tempel, ist das nicht wundervoll?"

    Serrana fiel ein Stein vom Herzen. Wieder einmal hatte Minerva ihr geholfen und würde zweifellos auch dafür sorgen, dass sie ihr irgendwann voll und ganz würde dienen können.


    Sie lächelte Durus dankbar an. "Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen und mit uns geredet hast. Wir werden dein Vertrauen sicherlich nicht entäuschen." Sie war fest davon überzeugt, dass sie damit auch in Calvenas Sinne sprach, denn ihre Freundin war von der Richtigkeit ihrer Entscheidung ebenso überzeugt wie sie selbst.

    Täuschte sie sich, oder wirkte der Pontifex plötzlich etwas verstimmt, als Calvena über ihren Onkel und Großonkel sprach?
    Mochte er die beiden etwa nicht, oder hatte es was mit den Germanicern im allgemeinen zu tun? Ihr entsetzliche Großmutter konnte er kaum schon kennengelernt haben, dass hätte zweifellos jegliche Abneigung erklärt...


    Jetzt machte Arvinia eine Bemerkung über ein Zusammentreffen auf dem Sklavenmarkt, und Serrana stellte erfreut fest, dass die junge Tiberia schon wieder für eine von ihnen in die Bresche sprang.


    Erst als Durus' Sekretär den Raum betrat, bekam ihr neues Hochgefühl einen Dämpfer. Kein Sacerdos der Minerva?
    Natürlich war Iuno die höchste aller Göttinnen, und Serrana verehrte sie sehr, aber ihre Hingabe für Minerva war schon etwas Besonderes.


    "Bedeutet das, dass ich nicht Priesterin der Minerva werden kann?" fragte sie mit Entäuschung in der Stimme.

    Den Göttern sei Dank, der Pontifex schien ihr ihre unbedachte Bemerkung nicht übel zu nehmen, oder er ließ es sich zumindest nicht anmerken. Sie hatte gar nicht gerechnet, dass er noch einmal nachhaken würde, und war hocherfreut, dass ihr auf seine Frage direkt eine diesmal unverfängliche Antwort einfiel.


    "Ja, das ist richtig" sagte sie lächelnd. "Nola liegt auf halbem Weg zwischen Capua und Nuceria Alfaterna. Der göttliche Augustus ist dort gestorben, deshalb gibt es einen ziemlich berühmten Tempel zu seinen Ehren."


    Es gab nur wenige Gebiete auf denen sich Serrana wirklich auskannte und sicher fühlte, aber Geschichte gehörte auf jeden Fall dazu. Diese Leidenschaft hatte sie von klein auf mit ihrem Großvater geteilt.

    Als Serrana im Peristylium die mittlerweile vertraute Gestalt ihrer Cousine sah, ließ ihre Nervosität direkt nach und sie freute sich sehr über deren Umarmung. Offenbar schien sich auch Narcissa tatsächlich zu freuen, sie zu sehen, oder ihr Besuch war ihr zumindest nicht unangenehm.


    "Salve Narcissa, vielen Dank, dass du mich empfängst. Ich hoffe, mein Besuch kommt nicht ungelegen" sagte sie erleichtert. Mit großer Faszination beobachtete sie, wie ihre Cousine die Sklavinnen ihrer Gastfamilie durch die Gegend scheuchte. Und die schienen ihr ganz offensichtlich bedingungslos zu gehorchen, denn sie sprangen sofort los, um Narcissas Befehle auszuführen. In der Casa Iunia ging alles viel ruhiger und friedlicher zu, und Serrana hatte manchmal den Verdacht, dass die dortigen Sklaven ihr nur deshalb jeden Wunsch von den Augen ablasen, weil sie im Grunde Mitleid mit ihr hatten.


    Jetzt hatte sie Mühe, alle die Fragen ihrer Cousine schnell zu beantworten.


    "Ja, ich habe es ganz leicht gefunden, die Casa Iunia ist ja kaum einen Katzensprung entfernt. Und die Wandgemälde würde ich auch sehr gerne sehen" sagte sie lächelnd.


    Dann dachte sie über die Frage nach den Neuigkeiten nach und ihr Gesicht verdüsterte sich sofort. Oja, Neuigkeiten gab es einige, und nicht alle waren gut. Das war vermutlich auch ein Grund, warum es sie direkt zu ihrer Cousine gezogen hatte, obwohl sie eigentlich gar keinen festen Besuchstermin ausgemacht hatten.


    "Meine Großmutter ist auch nach Rom gezogen" sagte sie dann mit finsterer Miene. "Sie hat mich gestern in der Casa Iunia besucht".