Beiträge von Gaius Eprius Graeceius

    Gaius hatte sich den anderen römischen Soldaten angeschlossen und sein Pilum ebenso energisch in die Menge der anstürmenden Barbaren gewuchtet. Wie Tiere, die seit Wochen nichts mehr zu fressen bekamen, stürzten sich die Feinde brüllend und krächzend auf die römische Formation, sodass es beinahe unmöglich war diese zu halten. Der Feind trieb die Legionäre auseinander, weswegen sich auch der junge Eprius schnell in einem Nahkampf wiederfand. Mit einem beisspiellosen Eifer führte er seine Klinge von einem Barbar zum anderen, wenngleich seine Gedanken sich stets im Kreise drehten. Angreifen, schützen, angreifen, schützen...Das Klirren der Schilde und Schwerter in diesem blutigen Gefecht machte deutlich, dass dieser Kreislauf nicht allzu schnell ein Ende nehmen würde - zumindest nicht für die große Masse. Für den Einzelnen konnte dies alles schnell beendet sein, wenn man unachtsam war, geschweige denn einen Schritt in die falsche Richtung machte.


    Umso länger die Verwirrung des Gefechtes anhielt, umso mehr spürte Graeceius die Erschöpfung, die sich allmählich in ihm breit machte. Obwohl er bei weitem nicht all seine Kraftreserven verbraucht hatte, wusste er, dass die römische Armee ohne Formation untergehen würde. Er selbst war ein guter Nahkämpfer, allerdings konnte er ohne die anderen Römer, die ihr Hauptaugenmerk auf eine ordentliche Formation legten, keine Schlacht gewinnen.
    Gaius atmete kurz auf, als der Befehl des Tribuns durch die Reihe ging. "Formation wiederherstellen! Vorrücken" Der Legionarius erhob sein Schild schützend vor den Körper und reihte sich ein, woraufhin er, seinen Gladius schwingend, vorrückte.

    Es waren Gaius' erste Tage in der Wüste und gleichsam seine ersten Tage im Felde, seit er sich für den freiwilligen Militärdienst bei der 22. Legion gemeldet hatte. Während seiner Ausbildung und all der Trainingsstunden in Nikopolis schien es immer so einfach mit einem Schwert umzugehen, einen Kampf zu gewinnen. Doch nun, wo er Hades direkt ins Auge blickte, war die Anspannung unerträglich. Graeceius war bei weitem kein Feigling, doch er konnte seine Emotionen in einer solch gefährlichen Situation auch nicht völlig unterbinden - dazu fehlte ihm schlichtweg die Erfahrung. Dennoch versuchte er seine Nervosität nach außen hin mit aller Kraft zu verbergen, was ihm trotz seiner zittrigen Hände auch größtenteils gelang. Er umklammerte sein Pilum mit seiner starken, rechten Hand und war jederzeit dazu bereit, einem der Barbaren diese Wurfwaffe durch den Leib zu rammen.


    Die Nachricht vom Tode seines Vaters war glücklicherweise noch lange nicht zu Gaius vorgedrungen, sodass er sich in den letzten Wochen vollends auf seine Fertigkeiten im Umgang mit dem Gladius konzentrieren konnte. Umso glücklicher würde der Grieche auch sein, wenn er das Pilum erst einmal abgeworfen hatte.


    Graeceius meidete einen Schwenk nach links oder rechts, da die Anspannung förmlich zu spüren war und ein Blick in die regungslosen Gesichter seiner Kameraden somit überflüssig war. "Immer den Blick nach vorne richten", rief er sich die Worte des dicken Posca in Erinnerung, der ihm als Ausbilder zugeteilt worden war und harrte der Dinge, die da auf ihn warteten.

    Graeceius führte den Perser in die Zelle und war froh ihn endlich in Gefangenschaft zu wissen. Die Verfolgungsjagd hatte zwar nicht allzu viel Zeit in Anspruch genommen, war allerdings sehr kräfteaufreibend. Immerhin hätten die Römer keinerlei Anhaltspunkt mehr gehabt, wäre Bagaeos erfolgreich geflüchtet und untergetaucht.

    Graeceius zog sich ebenfalls erschöpft an der Mauer des Kanals hoch und atmete tief durch, während er seine Hände auf den Oberschenkeln abstützte. Schnell - und wahrscheinlich auch schneller als der Perser - konnte sich der Grieche allerdings wiederholen und war bereit seine Pflicht zu tun. Auch seine beiden Kollegen waren bereits wieder beim Geschehen, war Bagaeos zugegebenermaßen nicht allzu weit gekommen. "Das hättest du dich schon vorher sollen. Aufgrund des dringenden Verdachts im Mordfall Iunia Urgulania verwickelt zu sein, werden wir dich in unsere Ermittlungsbüro befragen." Der Legionarius deutete den beiden anderen den Perser festzunehmen, woraufhin dieser zu Optio Palaemon geführt wurde.

    Nach der unerwarteten Verfolgungsjagd durch das Bürgerviertel hatten die Legionäre den Perser festnehmen und zum Büro des Optios führen können. Nun würde sich herausstellen, ob Bagaeos im Mordfall Urgulania Informationen liefern konnte oder gar selbst darin verwickelt war. Auf jeden Fall handelte es sich hierbei um einen kleinen Teilerfolg, der die römische Abordnung in Alexandria vielleicht weiterbringen würde.

    Natürlich konnte auch Graeceius nach dieser Distanz nicht mehr leugnen, dass seine Beine allmählich schwerer wurden und sein Atem schneller. Doch er hatte genügend Kraftreserven, um die gleiche Distanz ein zweites Mal hinter sich zu lassen. Er rannte und rannte und verlor Bagaeos dabei immer nur kurzzeitig aus den Augen, wenn wieder einmal einer der Passanten den Weg blockierte - bis zuletzt. Dann hatte es der Perser geschafft etwas länger zu entschwinden, wurde dann von Graeceius aber wieder beim Kanal gesichtet. Bei diesem fanden sich auch die Legionäre wieder zusammen und der Eprier deutete seinen Begleitern den Perser auf dem Festland zu verfolgen, um ihm unter Umständen den Weg abzuschneiden. Gaius selbst sprang eifrig ins Wasser und schwomm dann ebenfalls mit aller Kraft hinterher. Das Schwimmen wurde den Legionären in der Grundausbildung gelehrt, war aber sowieso eine Fähigkeit, die Gaius schon in Griechenland zu verbessern pflegte. Zusätzlich zu seinen Beinen wurden nun auch noch seine Arme belastet, was Bagaeos' Kräften allerdings sicher genauso schaden würde.

    Es dauerte einige Sekunden, bis die Legionäre gerafft hatten, was vor ihren Augen geschehen war. "Dieser Bastard!", dachte sich Graeceius, während er seine Beine in die Hände nahm und so schnell hinterherlief wie möglich. "Dieser Bagaeos hatte also doch Dreck am stecken", war der zweite Gedanke des Eprius, während er alles aus seinem Körper herausholte und gleichzeitig versuchte den Perser in den beengten Gassen nicht aus den Augen zu verlieren. Wo seine beiden Kameraden waren war ihm im Moment völlig egal, denn nun galt es erst einmal den Verbrecher dingfest zu machen. Straßenzug um Straßenzug eilte der Legionär dem vermeintlichen Mittäter hinterher. Was genau der Perser zu verbergen hatte konnte Gaius nur erahnen, musste aber so schnell wie möglich festgestellt werden. Würde er ihn jetzt verlieren, würde Bagaeos vermutlich flüchten. Weit weg flüchten. Er musste ihn fassen, um die Ermittlungen voranzutreiben, weswegen Graeceius noch einmal im Tempo zulegte. Obgleich er bereits eine stattliche Strecke zurückgelegt und auf seiner Höchstgeschwindigkeit angekommen war, war doch deutlich zu erkennen, dass der Grieche trainiert und geübt im Sprinten war.

    Demetrios auffälliger Humer war nicht nur störend für die Soldaten, sondern konnte auch viel über die wahren Absichten des Persers verraten, wenn man sich darauf einschoss. Der Gesichtsausdruck der Legionäre blieb ernst und Gaius führte das bisher sehr ruhig verlaufene 'Verhör' weiter fort. "Ich spreche nicht nur von ausstehenden Darlehen, sondern auch von bereits zurückbezahlten. Vielleicht in Verbindung mit dem Namen Iunia?"

    Von der auffällig ungewöhnlichen Kleidung des Persers ließ sich Graeceius nicht weiter irritieren. Militärisch konsequent hielt er auch bei Bagaeos' Gelächter inne und sparte sich eine aussagekräftige Gesichtsregung. "Weder noch, Bürger. Ich habe Informationen und brauche nun zusätzlich einige von dir. Aus einer sicheren Quelle habe ich erfahren, dass du in deinem Namen Geld verliehen hast. Eine größere Summe, an eine gewisse Bürgerin Alexandrias. Ist das korrekt?" Sollte der Perser nicht direkt darauf eingehen - was Legionarius Eprius erwartete - würde er schon noch Namen nennen. Zumindest Familiennamen. Mit dem Mord und dem Namen Urgulania wollte Graeceius dieses Gespräch allerdings nicht in Verbindung bringen, schon allein aufgrund der Anweisungen des Optio Palaemon.

    Es war nicht schwer für die Legionäre das Domizil des Persers aufzufinden, kannte ihn doch im Südteil der Stadt fast jeder. Offensichtlich war dieser Bagaeos ein vielwissender Mann, der allerlei Informationen in diesem Fall beitragen konnte. Doch bedenken musste Graeceius dabei natürlich auch die deutlichen Instruktionen des Optios: Der Name Urgulania sollte zunächst nicht fallen. Wie er ohne den Namen auf die Geldsummen kommen sollte, die zwischen Bagaeos und der Iunia angeblich im Umlauf waren, wusste der Legionarius noch nicht. Dies würde er allerdings spontan entscheiden, wenn er einen groben Überblick über den Perser hatte und eine erste Einschätzung treffen konnte.
    Genauso wie seine beiden Begleitlegionäre war Graeceius leicht gekleidet, um nicht unnötig Aufsehen zu erregen. Natürlich trug er seinen Gladius bei sich und war eindeutig als Soldat zu erkennen, als römischer aber nicht unbedingt. Davon abgesehen war er trotz römisches Bürgerrecht griechischer Abstammung, was seine Tarnung natürlich zusätzlich unterstrich.


    Die Wohnung des Persers zu betreten sollte für die Legionäre kein größeres Problem darstellen. Als Graeceius dann in der Wohnung angekommen war, stand er einem Mann gegenüber. Einem Mann, bei dem es sich womöglich um die gesuchte Person handeln konnte. "Chaire", grüßte der Eprius in der Sprache der Einheimischen beziehungsweise. in seiner eigenen Sprache. "Bist du Demetrios Bagaeos?"

    "Ich verstehe", entgegnete Gaius diskret. Der Art und Weise nach zu urteilen, wie der Optio gestikulierte, war der Auftrag nicht unbedingt für jedermanns Ohr bestimmt. Allgemein war Graeceius sowieso noch etwas misstrauisch gegenüber den heimischen Ägyptern. Die Griechen waren ihm so gesehen doch lieber. "Ich werde mich darum kümmern, Optio. Sobald ich neue Informationen gesammelt habe, wende ich mich wieder an dich." Dass Palaemon ihm solcherlei Dinge anvertraute, sprach wohl für die Kompetenz des Eprius. Graeceius wartete ab, ob der Septimius noch etwas zu sagen hatte, ansonsten würde er sich direkt in den Südteil der Stadt aufmachen.

    Dass nun endlich ein vorübergehender Sitz innerhalb der Stadt bereitgestellt wurde, kam den Männern der Legio zugute. So musste die Distanz zwischen Nikopolis und Alexandria nicht andauernd, sondern nur noch vereinzelt zurückgelegt werden. Zudem würden die Ermittlungen sicherlich schneller von statten gehen, wenn man direkt vor Ort Informationen sammeln und auswerten konnte.
    Graeceius war gerade vor dem Büro zur Wache eingeteilt und war nicht allzu überrascht, als sein ehemaliger Ausbilder ihn in den Raum rief. Immerhin hatte sich der Eprier in den letzten Tagen zu einer Art persönlicher Sekretär für Palaemon entwickelt. Eine Tatsache, der der ehrgeizige Legionarius nicht unbedingt negativ gegenüberstand. Es würde sicherlich nützlich sein sich mit zukünftigen Führungsoffizieren gut zu stellen, um eines Tages selbst in deren Reihen aufgenommen zu werden.


    "Ja, Optio?", waren die Worte des Legionärs, nachdem er eingetreten war.

    Ohne Umschweife nahm Gaius die Befehle entgegen und verließ mit einem "Ja, Optio." das Tychaion. Draußen würde er sich also nun darum kümmern die Männer zu organisieren, bis die römischen Soldaten einen Sitz in der Stadt zugeteilt bekommen würden, von dem sie dann weiter ermitteln und agieren konnten. Graeceius selbst verharrte mit Teilen der Stadtwache und Teilen der Legio vor dem Tychaion, um in den nächsten Minuten, oder auch Stunden, weitere Befehle entgegenzunehmen.

    Es stellte sich als schwierig für Graeceius heraus ins Tychaion durchgelassen zu werden, waren doch die Instruktionen des Strategos an seine Stadtwachen klar: Keine Soldaten bei der Aufbahrung. Dennoch, Gaius hatte wichtige Informationen, die dem Optio als Ermittler im Fall Iunia Urgulania ohne Umwege überbracht werden mussten. So ebnete sich der Legionarius einen Weg durch die Wachen, nachdem er Unterstützung von seinen Kameraden erhielt, die ebenfalls vor dem Tychaion stationiert waren. Innen angekommen machte der Eprius Palaemon aus und eilte zu seinem Vorgesetzten. "Optio, Legionarius Graeceius meldet sich zurück. Ich konnte die gewünschte Liste zusammenstellen, Optio." Gaius holte das Schriftstück hervor und reichte es dem Septimier.


    Cnaeus Lurius
    Lucius Laetorius Paululus
    Servius Cascellius Turbo
    Appius Papius Thermus
    Lucius Salienus Tlepolemus
    Marcus Vinius Alexandrinus
    Publius Tedius Cato
    Marcus Antonius Thyrsus
    [...]



    Es war wirklich einfacher als erwartet die Informationen vom Scriba zu bekommen. Gaius musste nicht einmal Überzeugungsarbeit leisten, denn der Scriba kam von selbst zur Vernunft. Zufrieden nickte der Legionarius, als er die Liste ausgehändigt bekam. "Vielen Dank, Centurio. Ich denke der Optio wird zufrieden sein." Es folgte ein leichtes Nicken zur Verabschiedung, ehe Graeceius das Officium des Praefectus verließ. Für ihn war die Sache hier erledigt und er wollte so schnell wie möglich nach Alexandria zurückkehren, um Palaemon die Informationen zu überbringen.