Beiträge von Germanica Sabina

    Sabina schniefte und ihre Augen wirkten verdächtig feucht. Faustus hatte zwar erreicht, dass er sich nicht eines heimatlosen Welpens annehmen musste, dafür hatte er aber Sabina ganz schön verschreckt. Immer noch wischte sie sich hektisch übers Gesicht, während ihr Freund sie wieder in Richtung Hauptsraße zog. Der Hund folgte ihnen auf den Fersen, winselte dabei und wedelte immer noch mit dem Schwanz. Er wollte mit kommen. Er überholte die beiden Kindern, setzte sich auf seine Hinterbeine und bellte einmal freundlich. Er strafte Faustus Vermutung Lügen. Tollwut hatte er mit Sicherheit nicht.

    Bedeppert und wie der begossene Pudel höchst persönlich stand sie nun da und starrte ihren Freund entgeistert aus großen Augen an. Faustus hatte recht durch und durch. Ihr Blick wanderte von ihrem besten Freund zu dem Welpen und dann wieder zurück zu Milo. „Wuuähhhh“, gab sie von sich, setzte den Hund ab und rieb sich hektisch mit dem Ärmel ihrer Tunika über das Gesicht. Sabina war kurz davor in Tränen auszubrechen. Der Welpe zu ihren Füßen, wedelte immer noch heftig mit dem Schwanz, der ganze Hund vibrierte und winselte sogar ein bisschen. Die Germanica hatte aber gerade andere Sorgen, sie war von Kopf bis Fuß schmutzig und wenn sie Pech hatte, hatte sie nun die Tollwut. „Das ist so eklig“, jammerte sie. Mit dieser Reaktion hatte ihr Freund wohl nun nicht gerechnet. "Ich will nach Haus", verlangte sie.

    Dass Sabina ihrem Freund mit ihrer Art gerade auf die Nerven ging, bemerkte sie nicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf den kleinen Hund, welcher ihr nun schwanzwedelnd das Gesicht ableckte. Auf ihrer Tunika waren bereits jede Menge Pfotenabdrücke verewigt. Doch dann hielt sie Inne, als aus Faustus mal wieder die Rolle der Stimme der Vernunft annahm. Ein bisschen erschrocken hielt sie den Welpen auf Armeslänge von sich weg. Ganz leicht zeichnete sich Panik auf ihren Zügen ab. „Glaubst du wirklich er hat Tollwut?“ fragte sie ängstlich und betrachtete kritisch die großen schwarzen Augen. Der Hund schien sich zu freuen, dass jemand ihn gern hatte. Aber ob er krank war, konnte sie nicht genau sagen. Milo hatte ihr sicherlich keien Angst machen wollen, aber er hatte ja recht.

    Milo war ihr zum Glück nicht lange Gram. Sie hätte es auch nur schwer verkraftet, wenn er nun wegen dieser Sache wütend auf sie wäre. Es war nur eine Neckerei, außerdem lachte er auch oft genug über ihre Missgeschicke, selbst wenn er dies nicht zugeben würde. Aber sie kannte ihn besser.


    Das war wirklich unheimlich. Sie hatte es sich nicht eingebildet, auch wenn sie dies für einen Moment geglaubt hatte. Sie befürchtete ein wenig, dass die ganzen Geschichten von finsteren Gestalten auf einmal wahr wurden. Schatten die Kinder verschlangen, Ungeheuer mit unzähligen Armen und wilden Fratzen. Ihre kindliche Fantasie überschlug sich glatt vor gruseligen Gestalten. Von daher quickte sie ein wenig erschrocken, als sich Faustus aus ihrem Griff befreite um nachzusehen, welches Ungeheuer sich im Müllberg verbarg. Bei Bestie stellten sich ihre Nackenhaare auf und der Drang, einfach weg zu laufen, war gar nicht so leicht zu unterdrücken. Dass er vielleicht nur sich gerade einen Spaß erlaubte kam ihr gar nicht in den Sinn. Stattdessen sah sie sich gehetzt um, doch die Gasse war leer.
    Als Milo sie dann angrinste und ihr einen schmutzigen Welpen unter die Nase hielt und ihr erklärte, dies sei das Ungeheuer, welches ihr solche Angst eingejagt hatte, musste sie erst lachen und anschließend quietschte sie begeistert auf. „Ohhhhhhhhhhhhhhh der ist aber niedlich!“ Sofort hob sie den Hund hoch, und obwohl er furchtbar stank und total schmutzig war, knuddelte sie das Tier. Das ihr Vater dagegen war, einen Hund anzuschaffen, wusste sie, aber verdrängte es einfach.

    Als er sie so grimmig ansah, verging ihr das Grinsen schnell und sie schaute ihn entschuldigend an. Sie hatte ihn nicht auslachen wollen, aber irgendwie war es schon ein bisschen witzig gewesen. "Entschuldige", sagte sie ehrlich, denn sie wollte nicht, dass er ihr Gram war. Wie gut das er ihr schnell verzieh. Mutig ging er voran, während sie ihm ein wenig ängstlich und unsicher folgte. Sie fand ihren Ausflug nicht mehr ganz so toll. Und bezweifelte mittlerweile, dass es eine so gute Idee gewesen war.
    "Neeeein.... überhaupt nicht", flunkerte sie schlecht, als er fragte, ob sie Angst hatte. Es war nur furchtbar gruselig. Anscheinend hatte er das Geräusch nicht gehört. Ängstlich drehte sie den Kopf von eine Richtung in die Andere. "Da war so ein Geräusch", erklärte sie ihm und klammerte sich weiterhin an seinen Arm. "Da war es wieder", sagte sie und deutete dann in den tiefen Schatten eines Mühlhaufen. Bildete sie es sich ein, oder aber bewegte sich etwa der Müll? Sie starrte das Ding an. Vermutlich bildete sie sich das nur ein.

    Ein leises Kichern entwich ihr, als sie bemerkte wie ihr Freund, mitten in eine dieser Pfützen trat. Ein kleines schadenfrohes Grinsen zeigte sich auf ihren Zügen. „Du solltest schon hinschauen wohin du läufst“, meinte sie lachend und war froh nicht in seiner Haut zu stecken. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, aus was diese Pfütze bestand. Kurz sah sie sich um stellte fest, dass sie irgendwie ganz allein in dieser Gasse waren. Das Grinsen verging ihr, denn sie fand es plötzlich ziemlich unheimlich hier. Der Lärm von der belebten Straße drang nur schwach zu ihnen herüber und das Tageslicht wurde durch die Häuserwände geschluckt. „Vielleicht sollten wir zurück gehen“, schlug sie vor. Quickend flitzte eine Ratte an ihnen vorbei. „Wuäääh“, gab sie erschrocken von sich. Irgendwo hinter ihnen raschelte es plötzlich. Weg war ihre Tapferkeit, stattdessen klammerte sich an Faustus' Arm.

    Mit einigen Dingen konnte man Sabina nun einmal locken. Wie alle Kinder war sie bestechlich und Gadatas hatte bereits heraus gefunden, wie er sie zur Mitarbeiter bringen konnte. Aber ganz so leicht machte sie es ihm meistens nicht. Zumal sie jede Gelegenheit wahr nahm um seinem Eifer, sie unterrichten zu wollen, zuvor zu kommen. Leider hatten sich Bia und Gadatas miteinander verschworen und sie kam meist erst dann aus dem Haus raus, wenn der Unterricht vorbei war. Das war verdammt unfair, dass die Erwachsenen sich gegen sie verbündeten.
    Aber wenn ihr Geschwisterchen auf der Welt war, dann würde sich die Aufmerksamkeit der Beiden hoffentlich auf andere Dinge richten.


    Es ging quer durch das Castell hin zu den Stallungen. Vor Begeisterung und Staunen bekam sie ganz große Augen. Sie reichte den Pferden nicht einmal bis zur Schulter. Dennoch strecke sie mutig die Hand aus streichelte einem der Tiere über die Flanke. Ob wohl einer der Soldaten sie einfach mal mitnehmen würde?
    "Papa hat mir ein Pferd versprochen!" erzählte sie. Etwas das sie Gadatas bestimmt schon hundertmal erzählt hatte.

    Sabina zeigte ein etwas unsicheres Lächeln, sie hatte das Gefühl, dass sie auf einem Pulverfass saß, denn sie fürchtete, dass die gute Laune ihrer Stiefmutter plötzlich einfach kippen konnte. Dennoch stimmte sie in das Kichern der Iunia mit ein. Denn die Vorstellung, dass diese einen Becher auf ihren Bauch abstellen konnte, fand sie witzig. „Du bekommst doch auch ein Kind, da wird man doch dick“, versuchte sie es mit einer diplomatischen Antwort. Doch was sie zu dem nächsten Kommentar sagen sollte, wusste sie nicht. Sie hatte so überhaupt keine Ahnung, wie so eine Geburt von statten ging und wie das Kind aus dem Bauch heraus kommen sollte. Manche Dinge blieben ihr dann doch noch verborgen. Außerdem, welches Kind wollte schon wissen, was hinter der verschlossenen Tür des elterlichen Schlafzimmers vor sich ging.
    Ganz leicht runzelte sie auf die Frage hin, ob sie einen Bruder oder eine Schwester wollte die Stirn. Darüber hatte sie sich keine Gedanken gemacht, einfach weil sie sich nicht vorstellen konnte, ihren Vater noch mehr teilen zu müssen. „Ich weiß nicht…“, antwortete sie ähnlich. „Iuno entscheidet doch ob es ein Mädchen oder ein Junge wird, oder nicht?“ fragte sie und betrachtete dann erst einmal lieber eine Falte ihrer Tunika. Plötzlich war die Falte furchtbar interessant. Was ihr lieber wäre? „Eine Schwester wäre toll!“

    Ein bisschen eklig und unheimlich war die Gasse schon. Sabina machte einen großen Bogen um eine braune Pfütze. Leicht zog sie die Nase kraus, als der Gestank der Müllhaufen an ihre Nase drang, sie war angewidert. Es gab nichts zu den Feststellungen ihres Freundes zu sagen. Er hatte ausgesprochen, was ihr durch den Kopf ging. Nun verstand sie ein bisschen besser, was Bia ihr hatte erzählen wollen. „Bia findet es nicht schlimm, wenn ich ein bisschen schmutzig werde. Schließlich kann Wäsche gewaschen werde“, sie sagte es mit der Selbstverständlichkeit eines Kindes, das alles bekam, was es sich wünschte. Ganz leicht schubste sie ihn ein bisschen. „Wenn du in einer Pfütze landest, dann können wir einfach in einen Brunnen springen“, schlug sie scherzend vor. Vermutlich würde niemand begeistert sein, wenn sie Beide einfach in einen Brunnen sprangen.
    Ein Lächeln zeigte sich auf ihren Zügen, als er versprach, er würde auf sie aufpassen. Sofort fühlte sie sich ein bisschen sicherer und hatte auch gar keine Angst mehr. Aber ein mulmiges Gefühl hatte sie dennoch. Sie verstieß gerade bewusst gegen die Regeln.

    Sabina drehte den Kopf einmal in die eine Richtung, dann in die andere. Es gab unzählige Garküchen, aus jeder drang ein anderer appetitlicher Duft ich ihre Nase. Es gab es auch Stände mit einfacher Tonware, guter Kleidung und auch den ein oder anderen Handwerker. Ein Bildhauer bearbeitete einen Marmorblock, aber es war noch nicht zu erkennen, welches Abbild er formte.
    Ein spitzbübisches Lächeln zeigte sich auf ihren Zügen. Kurzerhand zog sie Faustus in eine Seitengasse. „Komm wir schauen uns mal die anderen Straßen an“, erklärte sie. Es war der Nervenkitzeln der sie dazu verleitete. Die Gasse war eng und lag in tiefen Schatten. „Bia will sicherlich nur das Beste für uns. Und hat Angst dass mir etwas zustößt. Aber ich bin doch kein Kleinkind mehr. Ich kann doch auf mich aufpassen. Außerdem hab ich dich ja noch! Du wirst mich doch sicherlich beschützen, oder?“ Sie sah ihn aus großen Augen lachend an. Ein bisschen war Faustus für sie so etwas wie ein Held. Er war tapfer und mutig. Er hatte sich mal wegen ihr geprügelt. Ein paar andere Jungs hatten sie mal fürchterlich geärgert, ihr die Puppe weg genommen und in den Dreck geworfen. Wie der strahlende Ritter in der glänzenden Rüstung war er ihr dann zur Hilf gekommen. Hatte aber gegen die älteren Jungs böse einstecken müssen.

    Sabina hielt sich selbst für genauso mutig wie die Jungs mit denen sie spielte. Aus diesem Grund wollte sie nun auch nicht, dass Faustus sie für einen Feigling hielt, weil sie den vielen gruseligen Geschichten Glauben schenkte, die Bia ihr erzählt hatte. Sie verbarg ihre Unsicherheit hinter einem breiten zustimmenden Grinsen und ließ sich von dem jungen Helvetier durch die Straßen ziehen. Bedenken und Ermahnungen wurden einfach verdrängt, stattdessen wollte sie sich dieses Abenteuer nicht entgehen lassen.
    Von daher war sie etwas enttäuscht, dass die Subura, gar nicht so anders war, wie andere Teile der Stadt. Die Straßen waren nur etwas enger und die vielen Mietskasernen mit den kleinen Geschäften standen dicht an dicht. Keine finsteren Gestalten und keine unheimlichen Finsterlinge, nur ganz normale Menschen in einfacher Kleidung. So hatte sie sich dieses Viertel aber gar nicht vorgestellt. Zwar entdeckte sie den ein oder anderen Bettler und auch eine grellgeschminkte Lupa in einem Hauseingang, aber ansonsten konnte sie rein gar nichts Unheimliches entdecken. Leicht schürzte sie die Lippen, warum erzählte Bia ihr solche Märchen? Sabina hasste es, wie ein kleines Kind behandelt zu werden.
    Nun war sie es, die entschlossenen Schrittes voran ging. „So hab ich es mir aber gar nicht vorgestellt. Bia hat mir erzählt, dass hier alles verkommen ist!“ Sie ließ ihren Blick über die Fassaden der Häuser gleiten. Der Putz war grau und bröckelte an einigen Stellen, aber die Häuser würden nicht jeden Augenblick zusammen brechen. „Warum erzählen uns die Erwachsenen immer solche Märchen? Wir sind doch schon groß!“ beschwerte sie sich. Sie würde nicht mehr alles Glauben, was Bia ihr erzählte.

    Als Faustus seinen Vorschlag machte, blieb sie etwas erschrocken stehen. Damit sie allein herum streifen durfte, gab es strikte Regeln, an die sie sich halten musste. Eine davon war, sich von der Subura fern zu halten. Dies war kein Ort für Kinder. Bia hatte ihr jede Menge unheimliche Geschichten erzählt, damit sie sich ja fern hielt von diesem Ort. Doch das abenteuerlustige Funkeln in den Augen ihres Freundes, ließ sie glatt vergessen, was sie versprochen hatte. Sabina würde Bia von diesem Ausflug einfach gar nicht erzählen. Was ihr Kindermädchen nicht wusste, würde auch keine Konsequenzen nach sich ziehen. Dennoch ein bisschen fürchtete sie sich schon davor, einfach gegen die Regeln zu verstoßen. Da war es gut, dass sie einen Freund an ihrer Seite hatte.
    Kurz zögerte sie, ehe sie dann zustimmend nickte. „Lass uns gehen“, grinste sie breit. „Aber das darf keiner wissen, sonst bekommen wir jede Menge Ärger!“ rief sie sich und ihm in Erinnerung.

    Als Kind aus gutem Hause hatte man es nicht leicht, was nütze schönes Spielzeug, wenn man damit nicht ein wenig spielen konnte, weil der Lärm ja die Erwachsenen stören konnte. Sie kam sich oftmals wie ein kleiner Störenfried vor, besonders seit dem Laevina in der Casa lebte und sich ununterbrochen darüber beschwerte, dass Sabina kein Benehmen hatte. Würde es nach der Großtante gehen, müsste sie den ganzen Tag still in einer Ecke sitzen. Etwas das Sabina nicht wirklich konnte, sie wollte rennen, sie wollte lachen und sie wollte auch hin und wieder Lärm machen. Sie war schließlich keine Puppe. Wie gut, dass es noch andere Kinder gab, denen es ähnlich ging. Die meiste Zeit des Jahres verbrachten sie damit draußen auf den Straßen zu spielen. Mal schlichen sie dabei durch dunkle unheimliche Gassen, ein anderes Mal saßen sie auf einer Brücke und warfen kleine Steine in den Tiber. Jeden Tag ein neues Abenteuer. In Rom gab es viel zu entdecken. Meistens hatten sie nicht einmal genau Pläne.
    So wie heute, weg vom Haus, um eine Ecke, die Straße entlang und schon wusste Sabina nicht mehr, wo genau sie waren. „Wir könnten ja zum Mercatus!“ schlug sie vor und lief neben Faustus her. „Oder zum Horti Luculliani!“

    Je älter Sabina wurde, desto lästiger war es ihr, wenn Bia ihr auf Schritt und Tritt folgte und immer mit Argus Augen auf sie achtete. Von daher nutzte sie jede Gelegenheit um den aufmerksamen Blicken der wachsamen Sklavin zu entkommen. Ein paar ihrer Freunde durfte sie besuchen ohne, dass Bia sie begleitete. Diese Gelegenheit nutzte sie dann immer aus. Am liebsten traf sie sich dann mit Faustus. Die meisten Jungs in ihrem Alter fand sie ja schrecklich doof. Jungs machten immer so seltsame Witze oder fanden es lustig sie mit Spinnen zu ärgern. Frösche fand sie ja nicht wirklich eklig, aber vor Spinnen gruselte sie sich. Faustus ärgerte sie mit diesen Krabbeltierchen nicht, deshalb mochte sie ihn ein bisschen mehr, wie ihre anderen Freunde. Den Weg von der Casa Germanica zur Villa Helvetia kannte sie auswendig, immer die Mahnungen von Bia, ihrer Stiefmutter und ihrem Vater in den Ohren: Nicht mit Fremden reden oder mitgehen, wenn sich ihr jemand in den Weg stellte, dann schreien und weglaufen. Auf dem Rückweg würde sie dann einer der Sklaven aus dem Haushalt der Helvetier begleiten, weil sie beim Spielen meistens die Zeit vergaß.


    Wo gehen wir eigentlich hin?“ fragte sie Faustus, während sie durch die Straßen streifte. Faustus hatte sie, kaum dass sie angekommen war, an die Hand genommen und in das Gewühl der Stadt gezogen. Scheinbar ohne Ziel und er hatte ihr auch bisher nicht veraten wollen, welche Pläne er hatte.

    Noch war Sabina ein bisschen unschlüssig. Es war schwer die Stimmung ihrer Stiefmutter einzuschätzen. Sie hatte ein bisschen Angst vor ihr, deren Launen waren unberechenbar und sie wollte nicht den Zorn einer Schwangeren auf sich ziehen. Serrana war fürchterlich dick geworden. Sie sah aus wie ein Fass. Aber das sprach die kleine Germanica nicht aus. Bia, ihr Kindermädchen, hatte ihr nämlich genau erklärt, dass man zu einer Frau, die ein Kind erwartet, immer nett sein musste. Und man musste sich rücksichtsvoll verhalten. Die letzten Monate war sie um ihre Stiefmutter auf Zehenspitzen herum geschlichen und hatte sich alle Mühe gegeben sie nicht zu verärgern.


    Eilig rückte Sabina dann ein Stück höher und setzte sich so hin, dass sich Serrana ganz bequem mit ihr unterhalten konnte. „So dick bist du doch gar nicht“, flunkerte sie schlecht und lächelte aber aufrichtig. Natürlich war Serrana dick, richtig dick, aber das hörte keine Frau gern, selbst wenn sie schwanger war. Also flunkerte man lieber.

    Vorsichtig warf die kleine Germanica einen Blick zum bett und befürchtete schon, dass ein Donnerwetter über sie herein brechen. Ihre Stiefmutter lag im Bett und wirkte irgendwie ein bisschen angeschlagen. Wenn sie in diesem Moment zwischen zwei Übeln hätte wählen können, hätte sie sich glatt für einen Nachmittag mit Großtante Laevina entschieden. Bei der wusste sie zumindest was auf sie zukam, während Serrana irgendwie unberechenbar war. Erst war diese heiter, dann brach sie aus heiterem Himmel in Tränen aus (etwas dass eigentlich nur Sabina konnte, nämlich auf Kommando heulen) und dann war sie furchtbar wütend, nur um im nächsten Augenblick dann schon fast in hysterisches Gelächter auszubrechen. Ein Verhalten, dass sie ziemlich merkwürdig fand. Seltsam das ihr Vater das duldete, wenn sie sich so aufführte wurde sie sofort auf ihr Zimmer geschickt. Es gab eben einen unterschied zwischen Tochter und Stiefmutter. Ein bisschen ungerecht war das schon. Zumindest in ihren Augen.


    „Geht’s dir gut?“ fragte sie und machte einen unsicheren Schritt ins Zimmer rein. Schließlich gab sie sich einen Ruck und setzte sich auf die Bettkante.

    Sabina wusste ganz genau, dass ihr Vater nicht da war. Sie hatte auch darauf geachtet, denn sie wollte mit Serrana alleine reden. Sie wusste nämlich, wenn sie ihren Vater nervte, dann würde er sein Versprechen, dass er ihr gegeben hatte, nie einhalten. Dafür aber wollte sie versuchen, Serrana für sich einzunehmen. Fest klopfte sie an und steckte dann den Kopf durch die Tür.


    „Serrana?“ fragte sie vorsichtig. Ganz leicht zog sie den Kopf zwischen die Schulter, sie wusste nie, in welcher Laune ihre Stiefmutter war. Seit dem diese Schwanger war, konnte sie sogar ziemlich ungehalten sein. Serrana war zwar nie böse mit ihr, aber sie wollte diese dennoch nicht reizen.

    Auch wenn man es kaum glauben wollte, Sabina wurde doch ein bisschen vernünftig. Nicht immer bekam sie das was sie wollte, wenn sie heulte, schrie oder zeterte. Schmollen war manchmal effektiver oder aber, wenn sie sich einfach den Tatsachen fügte.
    Aber einfach war es nicht wirklich für sie, sie kam sich oftmals ein wenig Fehl am Platz vor. Serrana war zwar nett und bemühte sich um sie, aber es fiel ihr nicht leicht, ihren Vater einfach zu teilen. Er hatte ja nie wirklich viel Zeit, immerzu war er beschäftigt und nun gab es außer ihr, eben auch noch ihre Stiefmutter. Oftmals vermisste sie ihre Mutter. Und sie vermisste ihre Cousine, mit ihr hatte sie reden können, wenn sie Kummer hatte. Aber die war ja leider weit weg.
    Im Augenblick hatte sie nur Gadatas und der war doof. Der wollte nur, dass sie immerzu lernte. Das machte nicht wirklich Spaß. Auch wenn er sich alle Mühe gab, das ganze etwas spannender zu gestalten.


    Bei dem Wort Pferde horchte sie auf. Wenn es etwas gab womit man sie begeistern konnte, dann waren es Pferde. Eigentlich hatte ihr Vater ihr ja noch ein eigenes versprochen. Denn einen Hund wollte er ja nicht im Haus haben, oder ne Katze. Sofort hellte sich ihre Miene auf.


    „Ich würde sehr gern die Pferde sehen!“ Da war sie wieder die quirlige Sabina. Der kleine Sonnenschein.

    Sabina wusste wie sie bekam, was sie wollte. Es war ihr ja schließlich ein leichtes ihren Vater um den Finger zu wickeln und wenn er dann doch mal Nein sagte, dann flossen wie aufs Stichwort einfach einmal die Tränen. Oder aber sie bekam einen kleinen Tobsuchtsanfall. Je nach dem was die Situation erforderte.


    Als Gadatas ihr dann erklärte, dass man nicht einfach so sich den Legionsadler ansehen konnte, zog sie einen Schmollmund. Er verdarb ihr aber auch immer den Spaß. Ihr Blick wurde grimmiger, als er meinte, dass man sie so wie sie gerade war, nämlich von Kopf bis Fuß Schlamm bespritzt, sicherlich nicht zu dem Heiligtum durchlassen würde. Warum bestand alle Welt darauf, dass sie sich wie eine Dame benahm? Es war langweilig als Dame, man durfte sich dann nicht schmutzig machen oder herum rennen oder auf Bäume klettern. Immer nur still sein machte keinen Spaß.


    Schmollend verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Na schön!“ brummte sie unzufrieden. Ihr war der Spaß vergangen.

    Nach dem langen still sitzen war es für Sabina eine Wohltat wieder rennen zu können. Dass sie sich dabei schmutzig machte, war ihr völlig schnuppe. Kleider konnten gewaschen werden und Bia würde sie dann einfach ins Bad stecken. So einfach war das. Gadatas ergab sich seinem Schicksal und dackelte ihr erst einmal hinter her. Der Versuch sie zu unterrichten, war fehlgeschlagen. Sie hatte ihm ja überhaupt nicht zugehört. Auch weil sie den Sklaven ärgern wollte. Zu ihrem Glück fragte er nun, was sie sehen wollte.


    „Ich will den Legionsadler sehen“, erklärte sie ihm. Dies Castellum war ein ganz neuer Ort für sie, voller Abenteuer. „Bitte!“ fügte sie noch hinzu und grinste breit.