Beiträge von Aurelia Narcissa

    Wie sie so über das Köpfchen des Neugeborenen streichelte, schien die Germanin für einen Augenblick vollkommen der Gegenwart zu entgleiten. Sie war vollkommen gefangen von dem kleinen Wunder, das in dem Körbchen lag und vor sich hin schlummerte. Die Szenerie hatte etwas sehr anrührendes. Lächelnd neigte Narcissa den Kopf zur Seite und beobachtete Mutter und Kind.


    „Ja, das ist richtig“, antwortete sie auf Sivs Frage und schien sich darüber zu freuen, dass man sie nicht mit ihrer Schwester verwechselte. Auf merkwürdige Weise schien es den Sklaven – im Falle der Germanin, den Freigelassenen – der Familie viel einfacher zu fallen, als ihren Verwandten. Verwandte, Familie...wer wohl die Familie dieses kleinen Menschenkindes war? „Ein hübsches Kind“, meinte sie ehrlich. „Ihr beide müsst sehr stolz sein...“ Auch wenn sie wusste, dass es nicht immer so sein musste, dass sich vor allem Sklaven oder Freigelassenen oft in äußerst prekären Situationen befanden, das naive, kindliche in ihr, war fest der Meinung, dass der Vater dieses Kindes, seinen Sohn anerkannt hatte, dass alles „gut“ war. Warum auch nicht, ihr Partner war bestimmt einer der anderen Sklaven gewesen. Sie zog einen Schemel heran, zögerte einen Moment und setzte sich dann doch dazu.
    „War es denn eine einfache Geburt?“ Sie legte das Kinn auf ihre Handfläche. Über ihrer erwachenden Neugierde, hatte sie ihren Hunger, der sie eigentlich erst hierher geführt hatte, vollkommen vergessen. Für sie kam ein Neugeborenes einem Wunder gleich. Schon wenn sich Zuhause in Terentum die Niederkunft einer der Stuten ankündigte, hatte sie die Nächte regelmäßig in den Ställen, zwischen warmen, duftenden Heu und wachsamer Spannung, verbracht. Bei den Menschen, die auf dem Landgut lebten, hatte es kaum Geburten gegeben. Lucilla, die Mutter der Zwillinge, war selbst zu alt, um noch Leben zu schenken und unter ihren Sklaven und Bediensteten hatte es die ältere Dame nie gern gesehen. Das störte nur. So hatten sich die Zwillinge ihre Spielkameraden auch eher in der Nachbarschaft gesucht.

    Als die Decima antwortete, fühlte sie sich auf merkwürdige Art und Weise dabei ertappt, wie sie den Raum abermals mit ihrem kritischen Blick durchquert hatte. Bei den Worten nun sah sie jedoch zurück zu der Inhaberin. Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht. „Das macht mir nichts...ganz im Gegenteil“, Sie machte nun ein paar Schritte weiter in den Raum. Es waren ganz schön viele Kisten. Die Buchhandlung in Alexandria musste ein beachtliche Größe gehabt haben. „eine Buchhandlung muss gemütlich sein und das schafft man nicht dadurch, dass alles perfekt akkurat ist“, meinte Narcissa freundlich und überging dabei einfach einmal die Tatsache, dass es hier wirklich noch einiges zu tun gab. Aber die Räumlichkeit schien ein gewisses Potential zu besitzen. „Mein Name ist Aurelia Narcissa“, stellte auch sie sich höflich vor.


    Alexandria. Sie hatte schon das eine oder andere von der Stadt gehört und gelesen. Hauptsächlich im Zusammenhang mit der großen Bibliothek und einem riesigen Leuchtturm, der den Schiffen des Nachtens den Weg wies. Alexandria, die Stadt des Wissens. Narcissa spürte, wie sich ihre Neugierde regte. Ihre Wege hatten sie bisher noch nie aus der Provinz Italia hinausgeführt, kaum war sie über die Stadtgrenzen Terentums herausgekommen. Alles was sie über die anderen Provinzen wusste, hatte sich die junge Aurelia entweder durch regelrechtes Durchlöchern mit Fragen und durch lesen angeeignet. Eine sehr theoretische Welt, in der sie sich bewegte. Vor ihr schien nun tatsächlich jemand zu stehen, der weit herum gekommen war – oder zumindest weiter als sie selbst. Es stimmte sie etwas wehmütig. Zu gern würde sie sich einfach auf den Rücken ihrer Epicharis schwingen, den Wind im Gesicht spüren und die Welt selbst erkunden – aber ihre Familie wäre davon ganz gewiss nicht begeistert. Hoffentlich waren diese Gedanken nicht auf ihren Zügen zu lesen, ging es ihr im nächsten Moment durch den Kopf. Decima Seiana vor ihr wartete nach wie vor freundlich auf eine Antwort. Vielleicht würde sich später noch die Gelegenheit ergeben ein paar Fragen zu stellen.


    „Ich frage mich, ob du vielleicht Abschriften aus der Bibliothek von Alexandria da hast...“

    "Er war furchtbar ungeduldig...", erwiderte Narcissa und warf dem Custodes einen strafenden Blick zu. Mit einer weiblichen Sklavin wäre das sicherlich nicht passiert. Schließlich kaufte jede Frau gern ein, Sklavinnen war da keine Ausnahme. Männer hingegen...Ihre Familie bestand jedoch darauf, ihnen stets mindestens einen männlichen Bewacher mitzuschicken. Im Grunde war das auch sinnvoll. Die beiden waren auffällig und zogen überall dort, wo sie hingingen, die Blicke auf sich. Und die Welt war schließlich voll von allerhand Strolchen.
    Ihrer Schwester hatte Narcissa im Gegensatz zu dem plumpen Bewacher schon längst verziehen. "Wir sollten das nächste Mal vielleicht Titus um seinen Cimon fragen...Du meintest, er sei ein rücksichtsvoller Sklave...", Sie hob die Hand und tauchte ihre Fingerspitzen andächtig in das dunkel Wasser des Brunnens, auf dessen Rand sie saß. Das Wasser war eisigkalt.
    Lysandra indess war immer noch in eine Unterhaltung vertieft.

    "Den Weg hinaus auf die Straße?", erwiderte Narcissa und ein Grinsen erhellte ihr Gesicht. Aus Mareis Mund klang alles so simpel und einfach. Kindlich. Nun, sie war mittlerweile in einem Alter in dem man nicht mehr darüber nachsann, wie man am besten über die Mauer klettern konnte...


    Die beiden waren bereits zur nächsten Truhe voran geschritten, als die Stimme ihrer Schwester sie sanft aber bestimmt ermahnte. Sie wandte den Blick über die Schulter, sich nun über den tadelnden Blick der Leibsklavin gewahr. Sie neigte leicht den Kopf, zum Einverständnis, die Wangen errötet. "Na komm Marei", Sie nahm das Kind bei der Hand, das gerade nich so ihre Puppe schnuppte und kehrte in würdevoller Haltung zu den beiden zurück. "Verzeih Germanicus Aculeo", meinte sie reserviert, "Ich wollte nicht unhöflich erscheinen", und entschuldigend setzte sie hinzu: "Die kleine Marei brauchte Hilfe"...Ihre Schwester hatte das Problem dagegen viel eleganter gelöst. Kaum hatte sie das Machtwort gesprochen, sprangen gleich zwei der anderen Sklaven zu den Kisten vor, um sich um die Tücher zu kümmern...

    "Das ist sehr freundlich von dir", erwiderte Narcissa sichtlich angetan von Septimas Angebot. "Wir beide", sie blickte rasch zu ihrer Zwillingsschwester "würden uns wirklich freuen!" Bisher hatte sie hauptsächlich die männlichen Mitglieder der Familie kennen gelernt und es wäre eine gute Gelegenheit, nun auch einmal den weiblichen Teil der Aurelia näher kennen zu lernen.


    Mit Interesse verfolgte sie die Hinweise, welche Marcus dem frisch vermählten Ehepaar zu schob und nahm sich nebenbei ein kleines Stück Brot, um ein wenig daran zu Kauen. Ihre Kopfschmerzen, oder vielmehr das unangenehme Pochen in ihren Schläfen ließ allmählich nach und ihr Appetit regte sich allmählich. Die kleine Marei betrat schließlich den Raum und sie lächelte ihr freundlich zu. Nur aus dem Augenwinkel heraus vernahm sie die Geschehnisse um Marcus´ Ehefrau, der sie bisher noch nicht persönlich vorgestellt worden war. Sie wies ihre Leibsklavin zurecht, die sich dann daran macht, die Haare des Sklavenmädchen zu bändigen. Das irritierte die junge Aurelia und sie kräuselte kritisch die Stirn. Was sollte das bloß?
    Im nächsten Augenblick biss sich Narcissa beinnahe auf die Zunge, als Celerina das kleine Mädchen Titus und Septima zum Geschenk machte, konnte ihre überraschte Reaktion - im Gegensatz zu Titus - jedoch noch kaschieren. Fast schon fassungslos, wie Celerina es fertig brachte, das kleine Mädchen einfach so zu verschenken, sah sie zu, wie Septima Marei zu sich rief. Natürlich war Marei ein Sklave - aber verschenken?
    Abermals tauschte sie einen Blick mit Flora. Was die wohl davon hielt?

    Es war zum Haareraufen. Schon den ganzen Morgen hatte Narcissa damit zugebracht, ihr cubiculum auf den Kopf zu stellen, um ES zu finden. Aber ES war einfach nicht auffindbar. Wo sie auch suchte: In ihren Truhen, unter ihrem Bett...nirgends war ES zu finden. Das kleine Kettchen mit ihrem Namenszug. Nirgends. Hilflos stand sie in der Mitte ihres Refugiums, die Wangen erhitzt, vorwitzige Strähnen im Gesicht. Wo war es nur? Ratlos blickte sie umher. Hatte sie es vielleicht im Zimmer ihrer Schwester verloren, als sie den vergangenen Morgen zu ihr unter die Decke gehuscht war?
    Zielstrebig schritt ise zu der Tür, welche die Zimmer der Schwestern miteinander verband und klopfte leise an. Einen Moment wartete sie ab und lugte dann in den Raum hinein. Leer. Sie wollte nicht Floras Zimmer betreten, so lang diese nicht da war. Dann erst einmal die anderen Räume, in denen sie sich des öfteren aufhielt...die exedra und die bibliotheca. Irgendwo musste es ja schließlich sein!


    Der orientalisch anmutende Aufenthaltsraum lag völlig verwaist da. Eine Ansammlung von gemütlichen Weidenstühlen um kleine, elegante Tische und Kohlebecken, die von den Sklaven blitzeblank gescheuert worden waren. Wo hatte sie doch noch gleich mit Marei gesessen und gelesen? Richtig, dort drüben. In der Nähe der Tür hinaus in den Säulengang der schließlich in den hortus hinaus führte. Es war derselbe Tisch, an welchem sie auch mit Titus und ihrer Schwester gefrühstückt hatte. Wenn sie ihr Kettchen hier verloren hatte, dann am wahrscheinlichsten in der Nähe dieses Tisches. Erwartungsgemäß lag auf dem Tisch selbst nichts und auch in den engen verschlungenen Weidenstöcken der Stühle war nichts hängen geblieben. Aufmerksam umrundete sie die Möbel, den Blick auf den Boden gerichtet. Nichts. Vielleicht war das Kettchen ja unter den Tisch oder die Körbe gefallen? Es gab nur eien einzigen Weg, das herauszufinden. Verstohlen sah sie sich um, ob auch ja niemand in der Nähe wäre, der ihr gewahr werden konnte und ließ sich dann rasch auf Knie und Hände herab, um unter den Möbeln nachzusehen. Doch auch da ließ sich nichts finden. Mit einem enttäuschten Seufzen richtete sie sich wieder auf und pustete sich dabei eine Locke aus der Stirn. Zu Schade, dann eben weiter. Narcissa beschloss den Weg durch den hortus einzuschlagen, um auf der anderen Seite der Villa dann Richtung der Bibliothek zu streben. Kühle Luft schlug ihr entgegen und warme Sonnenstrahlen kitzelten ihre Nase. Es war nicht kalt, aber doch etwas frisch. Erfrischend frisch, auch wenn sogleich eine Gänsehaut ihren Körper erschauern ließ. Ihre pala hatte sie nicht mitgenommen. Nach wie vor den Blick suchend auf den Boden gerichtet, schritt sie den Säulengang entlang und gelangte schließlich in den hortus mit Marcus überdeckten Beeten. Schon von weitem konnte sie Stimmen hören, die in ein Gespräch vertieft waren. Sie erkannte ihre Schwester sofort an ihrem Klang und beschleunigte ihre Schritte. Gerade noch hörte sie, wie Flora sagte "Du hast es verdient dass du anständig behandelt wirst" und sah die beiden schon, wie Cimon, der Nubier, ihr ergeben antwortete. Er nannte sie bei ihrem Namen. Narcissa erkannte sofort, dass ihr ausgesprochenes Talent, in Situationen einzudringen, in denen keine weiteren Zuhörer erwünscht waren, wieder einmal zugeschlagen hatte. Aber es war schon zu spät, um sich zurück zu ziehen. Flora hatte sie bereits bemerkt. Abermals überkam sie ein Schauer, nicht weil das Gesicht ihrer Schwester Ärger oder ähnliches zeigte, nein, sondern weil sie erstmals seit 17 Jahren den Ausdruck auf Floras Zügen nicht lesen konnte. "Salvete...", grüßte sie die beiden und verschränkte die Arme vor der Brust, weil sie nun doch etwas fröstelte. Ihr Blick traf kurz den Nubier und sie lächelte ihn freundlich an, ehe sie sich an ihren Zwilling wandte. "Schwester, hast du vielleicht mein Namenskettchen bei dir im Zimmer oder sonst irgendwo gesehen? Ich kann es nirgends finden...", erklärte sie betrübt...

    Nach wie vor glaubte Narcissa nicht daran, dass ihr Eindruck sie getäuscht hatte - aber sie wollte auch nicht stärker in ihre Schwester dringen, als die bereit war zu offenbaren. Da war noch irgendwas, auch wenn Flora fürs erste beruhigt zu sein schein. Dies galt es jetzt zu untermauern. Sie mussten unbedingt etwas tun, rauß hier aus der Villa. "Weißt du was?", fragte Narcissa, während sie sich, von der Euphorie gepackt, erhob. "Lass uns was unternehmen, ein wenig rauß an die frische Luft. Vielleicht könnten wir über den Markt schlendern oder in den Stall...was meinst du? Hmm" Sie strahlte Flora förmlich an.

    Ein herzliches Lachen brach über ihre Lippen. Bisher hatte sie nicht die Ehre gehabt, Brix oder Niki kennen zu lernen - Mareis Beschreibung folgend, konnte sie sich aber zumindest die Köchin leibhaft vorstellen. "Dann sind die beiden wohl die heimlichen Herrscher dieses Haushalts, hm?" meinte sie schelmisch grinsend. "Da draußen gibt es nur einer, der die Macht hat einfach "Basta" zu sagen - und das ist der Kaiser...Wie alt bist du denn Marei? Weißt du das?" erkundigte sie sich auf ihren Hinweis, sie sei noch so arg klein.


    "Rot und Gelb sind sehr schön Farben. Ich kann verstehen, dass du sie magst..." Wieder betrachtete sie das Sklavenmädchen für einen Moment nachdenklich. Sie schien zufrieden zu sein. Warum auch nicht? Wenn sie gut behandelt wurde? Was sie nicht kannte, konnte sie schließlich nicht vermissen. Falls man sie frei ließ - würde sie mit der ihr gegebenen Freiheit überhaupt zu recht kommen? Die Stimme des Kleinen brachte sie wieder zurück. "...Weil ich nicht reiten kann.", sagte sie und Narcissa musste über ihre Ehrfurcht angesichts der "großen Pferde" und der Freude in Mareis Gesicht lächeln. Sogar Puppe Nina tanzte. "Kein Sorge, meine Epicharis ist nicht so groß und zudem ganz zahm." Bei dem Gedanken an die Stute überkam sie ein schlechtes Gewissen. Schon längst hatte sie nach dem Tier schauen wollen. Es war vollkommen untypisch für sie, dem Stall so lange fort geblieben gewesen zu sein. Das musste sie auf jeden Fall schnell nachholen!
    "Oh?", Überrascht hob die junge Aurelia die Brauen. "Kein Zimmer? Nicht einmal eine Kammer?" Für sie war so etwas undenkbar! Es wäre schon absolut unvorstellbar das Zimmer mit jemandem anderes teilen zu müssen. Sie brauchte ihren Rückzugsraum. Sich unsicher, was sie darauf entgegnen sollte, ging sie liebendgern auf Mareis nächste Frage ein. "Ja, es sind Fabeln...von Aesop. Kennst du ihn? Er war Grieche..." Sie löste das Band, das die Schriftrolle zusammen hielt, während sie mit Marei sprach...

    Der Custodes, ein stämmiger germanischer Sklave aus dem Haushalt der Aurelia war an ganz anderer Stelle beschäftigt. "domina, ich glaube wir sollten gehen", meinte er an Narcissa gewandt, die mit dem Kopf immer noch in einem Bücherstand steckte. Der letzte Zipfel von Lysandras cremefarbenen Gewand verschwand gerade um die nächste Ecke. Es machte ihn etwas unruhig, dass sich die kleine Gruppe, bestehend aus den zwei Zwillingen, der Leibsklavin und ihm selbst so weit auseinander bewegte. Das war alles andere als optimal, um angemessen über die Damen wachen zu können. Und sie beide lagen schon wieder viel zu weit zurück.
    "Nur noch einen Augenblick, ja? Das hier ist wirklich interessant!", erklang die Stimme der junge Aurelia zwischen einigen Netzen hervor, in welche der Verkäufer zahlreiche Schriftrollen hineingestopft hatte.
    Warum musste dieses Mädchen auch nur so neugierig sein! War es nicht irgendein Bücherstand oder ein Laden für Schreibmaterialien, dann war es irgendein Gebäude, das ihr Interesse weckte, ein Schriftzug oder einfach ein Passant, der an ihnen vorbeischritt. Schlichtweg alles konnte die Neugier dieses Mädchens entflammen. Zu seinem Leidwesen. Der Mann seufzte und versuchte es erneut. "domina Narcissa, wir sollten wirklich - deine Schwester ist schon ein gutes Stück weiter..."
    "Wir werden sie schon wieder finden...", versetzte Narcissa leicht trotzig. Die Ungeduld des Sklaven übertrug sich auf sie und das mochte sie gar nicht. Bücher und Ungeduld - das passte nicht.
    "Ich habe dominus Orestes versprochen, dass...", setzte er verlegen an, kam aber nicht sonderlich weit.
    "Ist ja schon gut!", fauchte Narcissa jetzt, legte das Buch zurück. Ungestüm drängte sie sich an ihrem Bewacher vorbei und bedachte ihn dabei mit einem bösen Blick. Es war ein gemeines Foul gewesen ihren Bruder ins Feld zu führen. Und das wusste der Germane auch. Er wagte daher nicht, den Blick aus einem Paar sprühender grüner Augen zu erwidern und neigte stattdessen ergeben den Kopf. War es ihr nicht einmal vergönnt, einen Ausflug wirklich zu genießen, sich ihrer Neugier hinzugeben? Das schien mit den Sklaven, die ihnen ständig folgten unmöglich zu sein. Eiligen Schrittes erklomm sie nun die Straße, die hier leicht anstieg und gelangte auf einen kleinen Platz, der von einem Brunnen eingenommen wurde. Der Custodes folgte ihr wie ein Schatten. Flora hatte sich auf den Rand gesetzt und betrachtete ihr Spiegelbild. Noch immer recht ungehalten kam sie zu ihr herüber und strich sie ungestüm eine Locke zurück, die ihr vorwitzig bei ihrer kleinen Aufholjagd in die Stirn gerutscht war. Leise klirrten die Silberkettchen an ihrem rechten Handgelenk. Heute wäre es einfacher die beiden auseinander zu halten. Während Flora hellblau trug, hatte sie sich für eine pastellgelbe Pala entschieden. „Mensch...ihr habt es heute so eilig...“, beschwerte sie sich grummelnd.

    "Gerngeschehen...", erwiderte Narcissa ganz leise, angetan davon, dass das Mädchen sie beide hatte auseinder halten können, und dachte sich weiterhin nichts dabei, als sie die Tücher entgegen nahm, die ihr Marei reichte. Lysandras Blick ruhte auf ihr. Und nicht nur Lysandras. Auch die der anderen Sklaven. Hinter ihr, unterhielten sich ihre Schwester und der Germanicus leise. Oder besser gesagt, Flora, denn der junge Mann schien heute ungewohnt still zu sein. "Ja? Möchte sie das? Das können wir gern tun..." erwiderte sie ebenso leise und mit einem raschen Blick auf die beiden anderen, fügte sie verschwörerisch hinzu: "Hat Nina auch den Marmor im Garten entdeckt? Die Statuen?" Sie legte das Tuch in die Truhe und strich den weichen Stoff mit den Fingern glatt.

    Der Zauber zwischen ihnen hatte seine leisen Schwingen ausgebreitet und seine Kraft entfaltet. Flora lachte. Befreit, gelöst. Froh darüber beobachtete Narcissa wie sich das Gesicht der Schwester aufhellte, der dunkle, sorgenvolle Schatten von den Zügen wich. Jedoch nur für einen kurzen Augenblick. Etwas, das sie gesagt zu haben schien, brachte den nachdenklichen, nach innen gekehrten Ausdruck in ihre grünen Augen zurück. "Du machst dir doch nur Sorgen!", sagte sie und nickte zustimmend dabei. Es klang wie eine Ausrede, die sie, Narcissa, beruhigen - ablenken - sollte. "Ich glaube für unsere Ausflüge ist er der beste Begleiter...er ist da, aber nicht aufdringlich und sehr nett", fuhr Flora fort, machte aber den Eindruck mit ihren Gedanken wo ganz anders zu sein. Wieder war sie so ernst. So gar nicht sie. So bedrückt. Oder bildete sie sich das nur ein?
    "Flora!", sagte Narcissa sanft und wartete, bis Flora ihr ins Gesicht sah. "Du hast mir von deinen Vermutungen bezüglich Marcus erzählt und von diesem Vorfall bei deinem Ausflug...Aber du bist nach wie vor bedrückt - und ich frage mich, weshalb", Das ist doch nicht alles gewesen, schienen ihre Augen zu sagen. Das kann nicht alles gewesen sein. Sie sprach die Frage nich aus, es war jenes Abwarten, ob sie bereit wäre, von sich aus zu sprechen...

    Reichlich irritiert sah Narcissa den jungen Mann an, der zuvor noch mit Titus gesprochen hatte und bei dem sie sich ob der Vertrautheit nicht sicher gewesen war, ob er nun zur Familie gehörte oder lediglich ein Freund der Aurelia war. Jetzt hob sie kritisch die Brauen und musterte ihn. Dass er sie bei ihrem Namen ansprach ließ eigentlich nur einen Schluss zu: Familiennmitglied - aber welches? Sie suchte in ihrer Erinnerung...Auf einmal erhellte sich ihr Gesicht. "Imbrex!", strahlte sie. "Wie lange ist es her? Sechs Jahre vielleicht?" Herzlich erwiderte sie seine Begrüßungsumarmung. "Du hast dich von deinem Wesen her überhaupt nicht verändert", neckte sie ihn angesichts des Kompliments, das ihr einen leisen Hauch von Rot auf die Wangen gezaubert hatte. "Wahrscheinlich steckst du bis über beide Ohren in deiner Arbeit." Tatsächlich war der Sklavenmarkt der wohl am wenig geeignetste Ort für eine Familienzusammenführung. "Was hast du denn gemacht, all die Jahre? Warst du die ganze Zeit hier in Rom?", sprudelte es ungewohnt aufgeweckt aus ihr hervor. Bei anderen Familienmitgliedern war sie etwas zurückhaltender gewesen. Aber kein Wunder, schließlich waren sie damals ganz frisch nach Rom gekommen und hatten praktisch niemanden so richtig gekannt. Dementsprechend hatten sie auch nicht gewusst, was - oder wer - da auf sie zukommen würde. Imbrex dagegen hatte sie vor allem als sie noch Kinder waren, recht häufig besucht. Und Narcissa hatte ihn schon damals sehr gern gehabt. Sie versuchte Veränderungen an ihm festzustellen. Seine charmante Ader zumindest hatte er nicht verloren....


    "Salve Tiberia!", erwiderte Narcissa die Begrüßung mit einem Lächeln. "Nein, seine Rede war recht kurz...ein klarer, knapper Stil", antwortete sie. Sie bemerkte das auffallend strahlende Lächeln, dass sie Titus zeigte. Warum hatte sie sich zuvor nur versteckt? Was hatte sie sehen wollen? Sie sah kurz zu Titus empor. Vielleicht, ob Titus mitbieten würde? "Schade, dass wir nicht mehr haben hören können...",fuhr sie dann bedauernd fort. "Gibt es in nächster Zeit wieder Reden, die es lohnt sich anzuhören?" Sie stellte die Frage an niemanden direkt.

    "Ja, Domina Narcissa, ich habe Domina Flora kennnenlernen dürfen.", sagte der Nubier und etwas an der Art, wie er es sagte, ließ die junge Patrizierin aufhorchen. Dabei klang seine Stimme doch, als würde von etwas ganz belanglosem wie dem Wetter erzählen. Vielleicht war es dieses Lächeln...Unmerklich legte sie den Kopf etwas schief, ihn aufmerksam betrachtend. "Du bist sehr aufmerksam, Cimon", meinte sie schließlich lächelnd. "Nicht vielen gelingt es, meine Schwester und mich auseinander zu halten..." Sie dachte an Titus und seine felsenfeste Überzeugung richtig zu liegen - um sie dann doch zu verwechseln.
    Allmählich fing sie sich, ihre Mutter im Kopf nachklingend, die leise "Haltung" wisperte. Tatsächlich verhielt sie sich im Moment nicht wie eine Römerin und schon gar nicht ihrer Position entsprechend. Position!, schnaubte sie innerlich. Dazu gehörte eine schwangere Frau aufzuscheuchen und einen Sitzplatz für sich zu beanspruchen, obwohl sie ihn im Moment nicht benötigte. Ob sie nun das Recht dazu hatte oder nicht...aber vielleicht war es ja ganz gut, dass diese Szene keiner ihrer Verwandten mitbekam. Die würden sie für ihr Verhalten sicherlich rüge...
    Siv schien überrascht, als Narcissa sich mit einer so persönlichen Frage, an sie wandte. Andererseits, in diesen Tagen wurde dieser Frage der jungen Frau wohl häufig gestellt.
    "Das ist ja schon recht bald", antwortete sie. "Bist du denn aufgeregt?",


    Es schien Cimon auf merkwürdige Art und Weise Selbstsicherheit zu geben, indem er sie hofierte. Im ersten Moment war sie versucht, zu vereinen. Sie hatte mit ihrem unrömischen Verhalten eindeutig die Ordnung aus den Fugen gebracht und Cimon schien sich damit ganz und gar nicht wohl zu fühlen. Deshalb stimmte sie nun doch nickend zu. "Du könntest einen der Weidenstühle aus der exedra holen und dich dazu setzen. Ich möchte zwar nicht allzu lange hier bleiben - aber dich nun so lange stehen zu lassen, wäre in meinen Augen sehr unsinnig..."

    „Tausenderlei Stimmen umsurren dich, während du in der Menge aufgehst, zu einem Teil der Massen wirst. Dort gibt es keine Zeit mehr, nur noch Bewegung und Stillstand. Gehen. Nach links, nach rechts. Stehen bleiben. Nach Vorn. Zurück. Gesichter huschen an dir vorbei. Junge, alte. Engelsgleich, verhärmt, ernst und fröhlich. Ein Blick, ein Lidschlag und sie sind vorbei...Farben, Gerüche umwirbeln...
    Entschlossen strich Narcissa die letzten Worte, die sie so eben auf den Bogen Papyrus geschrieben hatte. Sie versuchte es zumindest. Die Feder war jedoch erschöpft, so tauchte sie sie ein weiteres Mal in das kleine Tintenfässchen, dass neben ihr auf einem kleinen Beistelltischchen stand und versuchte es erneut. Leider hatte sie jedoch dieses Mal zu viel Tinte erwischte und hässlicher, schwarzer Fleck saugte sich in den Papyrus ein. „Ach verdammt...“, murmelte sie ärgerlich – und sah sich im nächsten Moment vorsichtshalber um, um sich sicher zu gehen, dass niemand diesen Fluch gehört hatte. Schließlich schickte es sich nicht. Sie beobachtete wie der Tintenfleck heller wurde, als er trocknete und an Intensität verlor. Der schöne Papyrus!, ging es ihr bedauernd durch den Kopf. Schreibmaterialien waren teuer und dieser Fleck sah wirklich nicht gerade schön aus.
    Seufzend legte sie Bogen und Feder neben das Fass auf den Tisch und erhob sich aus dem Weidenkorb, in welchem sie gesessen hatte. Genüsslich reckte und streckte sie ihre Gliedmaßen, dehnte ihren Rücken und hob das Gesicht mit geschlossenen Augen der Sonne entgegen. Es war ein schöner Tag. Die Luft war frisch und klar, aber nicht kalt. Und die Sonne! Die Sonne! Narcissa atmete tief und sog die Wärme ganz und gar ein. Schon kurz nachdem sie aufgewacht war, was an diesem Morgen überraschenderweise reichlich früh gewesen war, hatte sie den hortus aufgesucht, um dort in aller Ruhe, jene Bilder niederzuschreiben, die seit einiger Zeit in ihren Gedanken herum gegeistert waren. Sie erhob sich auf die Zehenspitzen und tat anmutig ein paar tänzerischer Schritte zwischen die Beete, in denen sich die ersten kleinen scheuen Pflänzchen zeigten. Es waren Frühjahrsgewächse, die frisches Klima vertrugen. Narcissa selbst hatte recht wenig Ahnung von Pflanzen. Ihre Schwester hatte ihr da einiges voraus. Doch auch sie mochte die Natur, liebte es das Grün zu sehen und sich zu bewegen. Sie hielt in ihren Schritten inne und drehte sich um sich um sich selbst mit ausgebreiteten Armen. Wie schön es doch hier war! Sie fühlte sich vollkommen frei, so unbeobachtet. Noch nicht einmal ein Sklave war da, um sie zu überwachen. Abermals machte sie einige Tanzschritte vorwärts und begann gedankenverloren eines ihrer Lieblingsgedicht zu rezitieren. Nicht, weil es im Moment irgendeine tiefer Bedeutung für sie hatte, sondern einfach weil es ihr in den Sinn kam:


    Odi et amo Quare id faciam, fortasse requiris. Nescio, sed fieri sentio et excrucior*


    Die Sonne, die Ruhe, die Freiheit sie ganz selbst zu sein – konnte es nicht immer so weiter gehen?


    Sim-Off:

    *Ich hasse und ich liebe, Warum ich dies tue, fragst du vielleicht. Ich weiß es nicht, aber das es geschieht fühle ich und verzweifle [Catull] Wer möchte ist herzlich eingeladen dazu zu stoßen;)

    „Tollpatschig...“, wiederholte Narcissa. Tollpatschig waren Kinder, kleine Welpe mit großen zotteligen Pfoten – aber keine aurelischen Töchter. „Immerhin wird es uns nie langweilig...“, bemerkte sie mit einem spitzbübigen Grinsen.


    Auch Höflichkeit konnte in gewissem Maße aufdringlich sein. Allerdings erschien es Narcissa recht abwegig zur Villa der Tiberia zu marschieren, an die Pforte klopfen zu lassen und „nach der Verlobten unserer Bruders Manius Aurelius Orestes“ zu verlangen. Bestimmt hatte er ihr von den zwei Schwestern erzählt, die von der unliebsamen Mutter zu ihm nach Rom geschickt worden waren. „Was glaubst du, hat er von uns erzählt?“, Bei allem was sie zum Thema Heirat gesagt hatte, sie war dennoch neugierig auf die Tiberia und hoffte, in ihr so etwas wie eine Freundin finden zu können. Vielleicht.
    Natürlich war auch ihr bewusst, dass es für sie eigentlich keine Alternative gab. Sie wollte nicht allein sein. Und wie sollte sie sich denn auch in der großen weiten Welt zurecht finden? Den Namen ablegen, ein plebejisches Leben beginnen, mit den Händen arbeiten? Nein, dafür war sie nicht geschaffen. Dafür hing sie viel zu sehr an all den Annehmlichkeiten, wie sie sich selbst nur beschämt eingestehen konnte. Ihr blieb also gar nichts anderes übrig. Es akzeptieren. Ja. Eigentlich hatte sie es längst akzeptiert, auch wenn ihre Emotionen zuweilen noch aufwallten. Der Familie mit einer Heirat zu dienen war nicht unbedingt das schlechteste. Es gab schlimmeres, dass se sich vorstellen konnte. Zum Beispiel Vestalin werden zu müssen. Das bedeutet noch weniger Freiheit. Bei einer Heirat würde sie zumindest noch ein klein wenig mitreden können, glaubte sie doch nicht, dass Orestes sie an jemanden verheiraten würde, den sie absolut nicht ausstehen konnte. Und dann gab es da ja auch noch die Fluchtmöglichkeiten: Lesen, Schreiben – Reiten!


    Sofort ergriff Narcissa das schlechte gewissen, als ihre Schwester den Kopf einzog. Sie konnte förmlich Floras Gedanken lesen, die ihr quer übers Gesicht geschrieben standen: „Du klingst ganz und gar wie Mutter! Es war merkwürdig, aber dieser Satz genügte, um zu verschrecken und die anderen zurück zuholen. Natürlich mochten sie ihre Mutter – aber keine der beiden wollte so wie sie sein! „Verzeih, Flora! Ich wollte nicht - “ Sie brach ab und strich ihrer Schwester abermals besänftigend über das Haar. „Ich wollte nur sagen dass...“ es wirklich gefährlich war? Bei den Göttern, das wusste Flora doch selbst gut genug! „Ich bin froh, dass es dir gut geht!“, setzte sie zu einem neuerlichen Versuch an und umarmte sie dann. „Cimon hat gut auf dich aufgepasst...!“

    Narcissa folgte dem Hinweis ihrer Schwester, während sie beiläufig mit einem Ohr den Ausführungen des Mannes neben Marcus folgte. Hier gab es etwas Neues zu lernen!
    Tatsächlich entdeckte sie vor einigen Verkaufsständen auch einen großen Germanen. Auf den ersten Blick war sein Anblick nichts besonderes, ein Sklave, der wohl für seinen Herrn einige Besorgungen machte. Auf den zweiten, war seine Haltung jedoch irgendwie merkwürdig. Tiberia entdeckte sie jedoch erst, als diese ganz bewusst hervortrat. „Na nu? Warum kommt sie denn nicht zu uns herüber?“, wisperte sie ihrer Schwester unauffällig zu.
    Lysandra war in der Tat wenig angetan von der Idee, jemand anderes in der Nähe der Zwillinge zu dulden, die sie nun schon seit deren Geburt umhegt und gepflegt hatte. Sie kannte die beiden mit all ihren Stärken und Schwächen und betrachtete sie als ihre Zöglinge. Nur ungern gestand sie sich ein, dass die Zwillinge Recht hatten, was ihre Überforderung betraf. Schließlich war sie auch nicht mehr die Jüngste und die zwei Schwestern dann und wann regelrechte Wildfänge. Auch schmerzten zuweilen ihre Knochen und Gelenke. Dennoch, eine andere Sklavin wollte sie nicht so recht neben sich dulden!
    Narcissa blieb äußerlich ruhig, während sie sich innerlich darüber freute, dass der Zuschlag an Marcus gegangen war – und was für eine Summe! Nach allem was sie bisher im Hause Aurelia beobachten hatte können, waren die Verhältnisse zwischen Herren und Sklaven zumeist gut und die Untergebenen wurden ordentlich behandelt. In ihren Augen war es für die junge Sklavin also ein regelrechter Glückstreffer von Marcus erstanden worden zu sein...

    So langsam füllte sich der Platz um sie herum. Immer mehr Menschen traten hinzu. Aus dem Pulk an Männern, der Marcus gefolgt war, löste sich einer hervor, trat aus der namenlosen Menge hervor und wisperte dem Senator etwas zu. An seinem Äußeren konnte Narissa erkennen, dass es kein Sklave war, vielleicht einer von Marcus´ Angestellten.


    Als ihre Schwester zu winken begann, folgte sie mit den Augen Floras Geste, konnte aber niemanden, denn sie kannte, entdecken. Tiberia Septima hielt sich geschickt verborgen. Dafür bemerkte sie aber etwas ganz anderes. Der stolze Nubier, der sich alle Mühe gab, die Gruppe aus Aureliern zu schützen, schüttelte fast unmerklich den Kopf in Floras Richtung. Einen Moment lang blickte sie ihn mit gehobenen Augenbrauen an, maß dieser Geste dann aber keinerlei weitere Bedeutung zu und wandte sich stattdessen an Flora, um ihren Gedanken zu eläutern: "Ich glaube, sie wäre eine gute Unterstützung für Lysandra...", Dabei sprach sie laut genug, dass auch die anderen Familienmitglieder es hören konnten.


    Mit der Auktion ging es nun rasch voran. Der Preis für die junge Sklavin hatte sich inzwischen schon verdoppelt.

    Sim-Off:

    Ich würde gerne=)


    Wieder waren die Tage verstrichen, waren zu einem gewissen Einerlei zusammen geschmolzen. Es war seltsam, dass Narcissa so empfand, obschon sie erst seit so kurzer Zeit hier in Rom war. Vielleicht verbrachte sie zu viel Zeit im Haus,lesend, während ihre jüngere Schwester ihre Zeit außerhalb der vier Wände verbrachte. Flora hatte all das, was ihr fehlte - das, was sie glaubte nicht zu besitzen, diese Unbefangenkeit und Wildheit. Was hatte ihre Mutter einst gesagt? Ja, richtig: Gräme dich nicht - vieles steckt in dir, von dem du nicht weißt. Es war das einzige Mal gewesen, dass sie sie ermutigt hatte, damals als sie so bitterlich geweint hatte, weil sie es einfach nicht fertig gebracht hatte ihre Schwester bei einem Wettreiten zu Übertrumpfen. Sonst hatte Lucilla sie immer dazu angehalten, mehr Flora nach zu eifern - zumindest was ihre Offenheit und ihren Elan betraf. Mit diesen Gedanken im Kopf war sie auf der Suche nach der Küche. Sie hatte Hunger, schrecklichen Hunger. Aber anstatt es sich einfach zu machen, irgendeinen Sklaven zu sich zu rufen und sich Essen bringen zu lassen, hatte sie sich selbst auf den Weg gemacht. Immerhin hatte sie dieses Haus auch noch nicht gänzlich erforscht und sie war neugierig darauf, was es noch alles zu entdecken galt. Sie hatte auch tatsächlich das Gefühl auf der richtigen Spur zu sein, als sie den Gang entlang auf eine Tür zur schritt. Aus der Ferne konnte sie so etwas wie eine Arbeitsfläche erkennen. Sie ging weiter darauf zu und betrat schließlich tatsächlich jenen Raum, den sie gesucht hatte. Sie blieb stehen, als sie Siv bemerkte. Als sie die Freigelassene vor einigen Tagen zum ersten Mal getroffen hatte, da war ihr Bauch noch kugelrund gewesen. "Oh Salve!", sagte sie und bemerkte erst jetzt, dass die junge Frau ganz und gar in den Anblick eines Korbes versunken war und an einem Stück Brot knabberte. Die Geburt war vollkommen an ihr vorbei gegangen. Wie schon bei ihrem letzten Zusammentreffen fühlte sie sich dieses Mal deplatziert. Scheinbar schien sie ein gewisses Talent dafür zu beitzen in ungünstigen Augenblicken aufzutauchen...Sie überspielte ihr Unbehagen mit einem leisen Lächeln. "Dein Kind ist da? Wie schön!", meinte sie ehrlich und näherte sich auf ein paar Schritte. Der Säugling schlief in seinem Körbchen und nur ein paar Zentimeter Haut waren zu sehen...

    „Dann frage ich mich für was diese Strafe sein soll – schließlich waren wir immer...na sagen wir „meistens“ brav und artig“, entgegnete Narcissa und schürzte gespielt empört die sinnlichen Lippen. Natürlich achtete sie die Götter, wie jeder anständige Römer es tat, allerdings gehörte sie nicht zu den aller gläubigsten. So meinte sie auch das eben Gesagte nicht wirklich ernst.


    Auch Narcissa klangen die Worte der Mutter noch heute nach...Insgeheim hatte die junge Patrizierin diese Standpauke immer die „Grundsatzrede der Lucilla“ genannt. Sie sagte all das aus, was man von ihnen erwartete – und sie hatten sich daran gehalten...meistens. Sie hatten viele Freiheiten gehabt, die Freiheit eines Kindes, aber das war nur die eine Seite gewesen. Ihre Mutter hatte streng auf ihr Benehmen geachtet und Vergehen hart bestraft. Manchmal, dann wenn die kleine Narcissa eingesperrt in ihrem Zimmer neben ihrer Schwester gesessen hatte – es war nur selten geschehen, dass die Mutter die Zwillinge getrennt hatte und das war dann wohl auch die schlimmste Strafe gewesen – da hatte sie sich durchaus insgeheim gewünscht lieber als Junge geboren worden zu sein. Die waren viel freier, durften weitestgehend tun was sie wollten: reiten, reden, sich bemerkbar machen – eine Meinung haben. Das waren all jene Dinge, die dem kleinen Mädchen als erstrebenswert vorgekommen waren. Doch so war es eben nun mal nicht, sie war eine Aurelia – kein Aurelius...Aber gab es nicht auch Gegenbeispiele? Nicht alle Frauen waren das, was sie zu sein hatten. Ihre Verwandte Prisca etwa war eine sehr willensstarke junge Frau. Obschon sie nun schon so lange hier in Rom war, war sie immer noch nicht verheiratet. Weil sie nicht wollte....
    Andererseits, sie hatten so viel Glück gehabt, als eine Aurelia geboren worden zu sein...war es da nicht ein kleiner Preis, den sie dafür zahlen mussten?
    „Aufbegehren? Wie willst du aufbegehren? Wirst du ihnen zu aufsässig schicken sie dich auf irgendeine abgelegene Insel, von der aus du kein Unheil mehr anrichten kannst. Aber was ist diese Einsamkeit für ein Leben?“, sie schüttelte den Kopf. In der Geschichte hatte es auch dafür schon unzählige Beispiele gegeben.
    „Gewiss!“, sagte sie und fügte noch ein wenig entschlossener hinzu: „Wir werden ihr natürlich helfen...! Sie soll sich hier ja schließlich wohl fühlen.“ Aus eigener Erfahrung wussten sie schließlich wie wichtig es war, jemanden zu haben, der einem wohl gesonnen war, der sich um einen kümmerte, wenn man ins Unbekannte aufbrach und umgeben war von lauter fremden Menschen. „Vielleicht sollten wir sogar einmal auf sie zugehen, und sie spontan besuchen gehen. Was meinst du? Wäre das zu aufdringlich?“ In der Regel war es schließlich üblich, dass man einander vorgestellt wurde,
    Auf ihr Eingeständnis hin lächelte sie ihr liebevoll zu. Während Flora nach vorne flüchtete, zog sich Narcissa oft in ganz andere Welten zurück. Das war ihre Art der Flucht – zumindest konnte sie davon keinen Ärger erwarten.


    „Das kann wirklich nur dir passieren Flora!“, neckte sie ihre Schwester abermals amüsiert, wurde dann aber sogleich ernster, als sie fortfuhr: „Ich brauche dir wohl nicht zu sagen, dass das ziemlich gefährlich war. Du verträgst zwar viel, aber kaltes Bachwasser im Winter ist selbst für deine robuste Gesundheit nicht gut...“ Natürlich musste sie Flora zumindest etwas tadeln – schließlich war Narcissa die ältere Schwester und es gehörte zu ihren Pflichten- „Das kann ich mir vorstellen! Schließlich war er ja für dich verantwortlich. Stell dir vor, dir wäre etwas geschehen. Gar nicht auszudenken, was Titus mit ihm angestellt hätte...Er hat dich also aus dem Bach gerettet?“