Beiträge von Demetrios Bagaeos

    Die Reaktion der Tribuns fiel heftig aus. Heftiger noch, als es Bagaeos ohnehin erwarten musste und eigentlich auch beabsichtigt hatte. Hätte einer dieser Romäer den Leumund eines erdachten persischen Großkönigs oder eines alten Ptolemäerherrschers in den Dreck gezogen, hätte der Gefangene wohl nur müde gelächelt. Doch der Tribun schien das Wort Patriotismus und seinen Eid auf den Kaiser augenscheinlich sehr ernst zu nehmen.


    Dann holte dessen Untergebener auch schon zum Schlag aus, und obwohl 'der Perser' die Hand anfliegen sah, wurde er von der Wucht der Schläge doch so überrascht, dass er schon vom ersten beinahe vom Stuhl gekippt wäre. Nach dem zweiten Schlag schmeckte er Blut und spätestens nach dem dritten hatte er entschieden, dass er seine bisherige Strategie nicht weiter würde verfolgen können.
    Es musste viele Jahre zurückliegen, dass er zuletzt Opfer solch extremer Gewaltanwendung geworden war. Wenn überhaupt. Er gab sich zwar gerne widerstandsfähig und robust, doch ernsthaften Foltermethoden würde der Stadtmensch Demetrios Bagaeos gewiss nicht lange standhalten. Das wusste er und gestand es sich nun auch selbst notgedrungen ein.


    "Menecles war es. Dieser Schuft Menecles!" Seine Worte hallten auf ungewohnte Weise in seinen Ohren, so dass er sich für einen Moment nicht sicher sein konnte, ob sie auch tatsächlich aus seinem Mund stammten.
    "Ich wurde auf einer Feierlichkeit der vornehmen Gesellschaft angesprochen. Ob ich nicht jemanden kenne, der wüsste, wie man mit einem Störenfried fertig wird...


    Und da habe ich den Kontakt zu diesem Menecles hergestellt. Aber von einem Mord war nie die Rede."
    Genaugenommen war das nicht einmal gelogen. Das Wort Mord hatte damals tatsächlich niemand in den Mund genommen, auch wenn es genau darum gegangen war.


    "Ich dachte, es geht vielleicht um einen säumigen Schuldner." Er versuchte, noch eingeschüchteter zu klingen, als er es tatsächlich war. Und natürlich immer nur das zuzugeben, was nurmehr schwer zu leugnen war.

    Wenn ein Victimarius den Hammer oder ein Beil auf den Kopf eines Opfertieres krachen ließ, um es zu betäuben, durfte das ungefähr die gleiche Wirkung erzielen, wie es die letzten Worte des Tribunen bei dem obskuren Perser taten. Von einem Moment auf den anderen sah er seine Felle davonschwimmen.
    Eine Zeit lang sagte er nichts, starrte nur reglos vor sich hin, ehe er scheinbar zusammenhangslos antwortete: "Ich habe schon in meiner Kindheit meine Altersgenossen überragt."
    Was sollte er auch sagen! Natürlich kannte er den Wortlaut. Wer außer diesem Dummkopf Menecles würde so einen Unfug schon schreiben.
    Dass er auch diese Nachricht hätte vernichten sollen, das war nichts, worüber sich Bagaeos nun Vorwürfe machte. Klar, jetzt bereute er es, doch es war nun einmal stets eine schwere Entscheidung, welche Briefe man vernichtete und welche man besser bewahrte, weil sie einem später noch von Nutzen sein mochten.


    Er blickte den Römer nun wieder direkt an und sprach ruhig, fast zutraulich:
    "Was wirfst du mir genau vor? Ich habe niemanden ermordet? Warum auch? ... Oder liegt es an meiner Herkunft? Bin ich ein Sündenbock für euren toten Basileos und seinen missglückten Feldzug?" Es war vermutlich ein letzter verzweifelter Ausbruch aus der Defensive, ein sinnloser Versuch, die Schlinge, die sich immer enger um ihn zog, noch zu überwinden; und dabei seiner kaltblütigen Beherrschtheit, seiner zielsicheren Redegabe, auf die er sich doch früher immer so viel eingebildet hatte, im Grunde unwürdig.

    Bagaeos verzichtete darauf, seinen Wunsch nach Wasser statt Wein zu wiederholen. Es hätte ihm wohl auch nichts gebracht. Er ließ den Becher eine Zeit lang nicht aus den Augen, fast so als handle es bei dem Trinkgefäß um ein gefährliches Tier, das nur auf einen Moment der Unachtsamkeit wartete, um ihn, Demetrios Bagaeos, anzufallen.
    Schließlich griff er doch danach, führte den Becher auch zum Mund, doch noch bevor er einen Schluck zu sich genommen hatte, stellte er, scheinbar empört ob der Anschuldigung des Tribunen, den Becher mit einer hastigen Bewegung wieder zurück auf den Tisch. Einige Tropfen schwappten über den Rand und benetzten seine Hand, als er - lauter als bisher - zur Antwort ansetzte:
    "Wer behauptet das? Vertraut man bei euch Romäern etwa auf die Aussagen irgendeines Laufburschen? Und was sollte das bitte mit dem Mord zu tun haben? Was mischt ihr euch überhaupt in ..."
    Er unterbrach sich selbst und seine Stimme war wieder deutlich leiser, als er den Kopf schüttelte und in versöhnlichem Tonfall hinzufügte:
    "Das ist sicher ein Missverständnis. Ganz sicher!"

    Das unangenehme Gefühl, nicht zu wissen, wieviel der Andere wusste oder zu wissen glaubte, wurde stärker. Irgendwie wünschte sich der Gefangene jenen Optio zurück, dem er am Tag seiner Festnahme gegenübergestanden hatte. Denn dem hatte sich Bagaeos ohne Zweifel gewachsen gefühlt.
    Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und entfernte dabei den unerwünschten Schweiß von derselben.
    "So wichtig bin ich nun leider nicht. Und meine Geschäfte ebensowenig. Alexandria mag groß sein, aber der Kreis der wirklich einflussreichen Personen ist klein und nur wenig dringt darüber nach außen.
    Nicht, dass ich allzuviel darüber wüsste!"


    Er versuchte ein Lächeln, doch seine Fähigkeiten, andere Menschen für sich einzunehmen, wirkten selbst für den Perser unter den gegebenen Umständen ein wenig fehl am Platz.
    "Gelegentlich schenkt einer dieser Menschen auch einem einfachen Mann der Stadt einen Moment seiner Aufmerksamkeit. Ich glaube, ich bin der Archontin einmal bei einem Empfang einer Handwerksvereinigung begegnet und sie hat sich die Zeit genommen, ein paar belanglose Worte mit mir zu wechseln. So genau weiß ich das leider auch nicht mehr."


    Seine Zunge lechzte nach dem Wein, den ihm der Tribun anbot, doch schließlich siegte sein Verstand über den Körper und er fragte nach einer Alternative: "Ein Schluck Wasser vielleicht?!"


    Dem Gefangenen konnte nicht gefallen, was er in dem Zimmer, in dem ihn die beiden 'Leibwächter' ablieferten, zu sehen bekam. Sowohl die vorhandenen Gerätschaften als auch die anwesenden Personen mussten einem geradezu Angst einjagen.
    Er konnte zudem schwer einschätzen, warum er nun einem Tribunen und nicht mehr dem schon bekannten Optio gegenübersaß. War das ein gutes oder eher ein schlechtes Zeichen für ihn?


    Bagaeos versuchte zwanghaft, den Blick geradeaus zu richten und suchte den im Gegenlicht schwer auszumachenden Blick des Tribunen. Er entschloss ich in die Offensive zu gehen:
    "Es ist mir eine Ehre, Tribun." Er deutete mit dem Kopf eine leichte Verbeugung an. "Vielleicht kannst du mir erklären, weswegen ich nun seit Wochen widerrechtlich in diesem Tierkäfig festgehalten werde."


    Mit jedem Wort wurde der Klang seiner Stimme kräftiger. Er hatte genug Zeit gehabt, sich zu überlegen, wie er auf die Frage nach der Iunierin reagieren könnte und so war er damit nicht leicht in Verlegenheit zu bringen: "Iunia Urgulania!? Wie alle aufmerksamen Beobachter des Stadtgeschehens ist mir ihr Name natürlich seit längerem bekannt. Ich meine, wann gab es das schon: Eine Frau - und zusätzlich eine Römerin - besteigt überaus erfolgreich die Stufen alexandrinischer Politik.
    Und wie alle aufrechten Bewohner dieser Stadt bedauere ich ihren Verlust zutiefst."


    Bei seinen letzten Worten musste er dem Blick des Tribunen für einen Moment ausweichen, doch er überspielte den kurzen Moment seiner Unsicherheit, indem er sich die Hand vors Gesicht führte und vorgab, er schütze sich vor dem ihn blendenden Licht.
    Die Sache war aber auch zu grotesk. Noch immer hatte Bagaeos doch im Grunde selbst nicht so ganz begriffen, was da eigentlich genau abgelaufen war, ob seine eigene Rolle nun mehr der eines Täters, Werkzeuges oder gar Opfers entsprach. Er schob schließlich seine Hand wieder vom Gesicht weg und wartete auf die Erwiderung des Offiziers.

    Bagaeos Gefühlsregungen schwankten zwischen Erleichterung - darüber, dass endlich etwas passierte - und Angst - davor, was nun alles geschehen konnte. Seine Zuversicht, dass aus gewichtigen Kreisen Alexandrias um seine Freilassung ersucht werden könnte (und sei es nur aus Angst vor der Aufdeckung eigener, zwielichtiger Geschäfte), war längst einer gewissen Resignation gewichen.
    Körperlich war er mindestens angeschlagen. Seine Haare klebten ihm in unangenehmer Weise am Kopf und von dem zuvor robusten und kraftvollen Zustand seines Körpers war wenig geblieben.


    Doch sein Geist war noch immer hellwach und so besann sich der Perser auf das, was in all den vergangenen Jahren sein größtes Kapital gewesen war, seine Schlagfertigkeit und rasche Auffassungsgabe. Fürs Erste gab es für ihn also nichts anderes zu tun, als sich von den beiden Soldaten fesseln und abführen zu lassen, was er widerstands- und kommentarlos ertrug.

    Die Tage wurden heißer und gerade für diejenigen Unglücklichen, die das Pech hatten, ihren Aufenthaltsort nicht frei wählen zu können, zunehmend unangenehmer.
    Bagaeos saß in seiner Zelle, sprach nicht viel, aß und trank das Wenige, was man ihm brachte, und begegnete im Übrigen seinen Wächtern mit einer Mischung aus Sturheit und Geringschätzung.
    Doch auch der robuste Körper dieses Mannes würde den Entbehrungen nicht auf ewig Tribut zollen können.


    "Wache!" meldete sich 'der Perser' schließlich mit heiserer Stimme zu Wort, während er sich zeitgleich von seiner Pritsche erhob, um besser sehen zu können, ob auf seinen Ruf reagiert wurde.

    Bagaeos rümpfte die Nase und bedachte den Raum mit einem angewiderten Blick. In dieser düsteren und schmutzigen Gefängniszelle wollte er wahrlich nicht lange ausharren. Die Frage, die dem Perser auf der Zunge lag, und deren Inhalt die Rechtmäßigkeit seines Gewahrsams anzweifelte, schluckte er herunter. Momentan schien es ihm das Vernünftigste zu sein, seine Bewacher nicht weiter herauszufordern. Gelegenheit, dies zu tun, würde sich zweifelsohne noch ergeben. So dachte und hoffte Demetrios Bagaeos zumindest.

    Wo war er da nur hineingeraten. Bagaeos konnte nicht fassen, dass er die Fallstricke dieser Geschichte nicht gleich zu Beginn erkannt hatte. Seine Gier und Kurzsichtigkeit hatten ihn in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht.
    "Ich vermittle oft zwischen Geschäftspartnern", begann er stockend, "und vielleicht hatte ich irgendwann auch mal mit besagter Person zu tun, doch..."
    Er brach ab. Erst jetzt glaubte er zu verstehen, was der Optio eigentlich gesagt hatte. "Du meinst", begann er erneut und klang dabei beinahe triumphierend, "ihr beruft euch auf die Aussagen eines Sklaven?!"
    Demetrios Bagaeos spürte förmlich, wie sich der Wind drehte, wie sich eine Hintertür für ihn geöffnet hatte, die seine Aussichten von einem Schlag auf den anderen deutlich verbessern konnten.

    Bagaeos zwang sich zu dem strahlendsten Lächeln, das er in dieser Situation zuwege bringen konnte. Zudem wurden die folgenden Erklärungen von weit ausholenden Gesten begleitet, und sei es nur, weil er nicht so recht wusste, wohin mit seinen Händen.
    "Ihr wisst doch, wie das ist. Eben noch lag man geruhsam in seinem Bett, und auf einmal stehen bewaffnete, kampferprobte Männer vor einem. Da können dir vor lauter Schrecken schon einmal die Gäule durchgehen; zumal deine Männer" - er wies mit der Hand auf Eprius Graeceius - "ja zudem in ziviler Kleidung unterwegs sind."
    Diese Tatsache hatte er als ersten Ansatzpunkt ausgemacht, anhand dessen er seine weiteren apologetischen Reden orientieren wollte.

    Schweigsam war Demetrios Bagaeos gewesen, während ihn die Romäer zur Agora 'begleitet' hatten. Er hatte keine Gedanken an einen weiteren Fluchtversuch verschwendet, sondern fieberhaft überlegt, wie er aus der ganzen Geschichte noch möglichst schadlos würde entkommen können.


    Als sie die Bürostube erreichten, die für die Romäer offensichtlich erst kürzlich eingerichtet worden war, hob Bagaeos zum ersten Mal seit langen Minuten wieder seinen Kopf. In seinem Blick lag nun nichts Resignierendes mehr, sein Kampfgeist und seine Lebensgeister waren wieder geweckt.

    Die Hoffnungen des Flüchtenden zerstoben schnell, als er wahrnahm, dass zumindest einer der Römer die Verfolgung schwimmend forsetzte. Dass die beiden anderen Legionäre ihm zudem den Weg abschnitten, falls er am anderen Ufer das Rennen wieder aufnehmen sollte, nahm er nicht wahr. Es spielte im Grunde aber auch keine Rolle mehr.
    Der Perser strampelte nun noch schneller und wilder um sich, musste jedoch einsehen, dass seine Kräfte nicht mehr ausreichten, um den Fluchtversuch fortzuführen. Mit letzter Kraft klammerte er sich schließlich an die Begrenzungsmauer des Kanals - es gelang ihm gerade noch, sich an dieser hinaufzuhieven, ehe er völlig erschöpft und schwer atmend zu liegen kam.
    "Ich gebe mich geschlagen", krächzte Bagaeos, wobei ihm langsam immer deutlicher wurde, wie ungeschickt er sich in der letzten halben Stunde vom Erscheinen der Soldaten in seiner Wohnung an verhalten hatte.

    Und Bagaeos rannte weiter. Etwas anderes blieb ihm nun auch gar nicht mehr übrig, hatte er sich durch seine plötzliche Flucht wohl erst recht verdächtig gemacht. Doch ein weiterer Blick zurück ließ den Perser offenbar werden, dass er den Verfolgern - immerhin allesamt Soldaten in bestem Alter - an Ausdauer nicht gewachsen war.
    Stoßweise sog er nun die Luft ein, seine Beine begannen schwer zu werden, während seine Lungenflügel um den notwendigen Sauerstoff rangen. Die Menschen auf den Straßen erschwerten ihm dabei zusätzlich das Vorankommen, ein Problem, mit dem seine Verfolger aber wohl ebenso zu kämpfen hatten.


    Als er schließlich sein vorläufiges Ziel vor seinen Augen ausmachen konnte, verlangsamte Bagaeos seine Schritte ein wenig, um sich ein bisschen zu erholen und Kraft zu sammeln für den vielleicht letzten Versuch, seinen Häschern doch noch zu entkommen. Einige tiefe Atemzüge erlaubte er sich, dann ließ er sich in den Kanal fallen, der den großen Hafen mit dem Lacus Mareotis südlich der Stadt verband.
    Mit einem Klatschen tauchte sein Körper in das dunkle Nass ein. Dabei schluckte der Mann eine Menge von dem brackigen, salzigen Wasser, wodurch er für einen Moment die Orientierung verlor und kostbare Zeit verlor. Immerhin konnte er schwimmen, eine Fähigkeit, die ihm nun zu einem Vorteil gereichen konnte. An seine Vefolger verschwendete er gegenwärtig keine Gedanken. Er drehte sich in die gewünschte Richtung und schwamm kraftvoll los...

    Auch Bagaeos wurde nun schlagartig wieder ernst. Er wischte sich erste sichtbar werdende Schweißperlen von der Stirn und lächelte neuerdings mehr gezwungen als von wahrer Freude bestimmt.
    "Ah, lasst mich nachsehen ..."
    Erneut wandte er sich in Richtung des Regals, scheinbar um ein weiteres Manuskript hervorzuholen.
    Doch dann änderte der Perser seine Richtung abrupt. Mit einem Satz war er an den Romäern vorbei, mit einem weiteren durch die Tür ... und dann nahm der Mann die Beine in die Hand und rannte, was sein durchaus nicht unerprobter Körper hergab.

    Den Passanten, die zu dieser Stunde durch die Straßen der Südstadt wandelten, bot sich ein ungewohntes Bild. Da rannte ein in einen blauen, halblangen Chiton gehüllter Mann wie vom Blitz getroffen durch die Straßen, fegte über die Via Argeus hinweg in Richtung des Kanals, der den großen Seehafen mit dem Lacus Mareotis verband.
    Dabei blickte sich Demetrios Bagaeos regelmäßig nach möglichen Verfolgern um, sich vergewissernd, dass diese nicht zu dicht an ihn herankämen.
    Sein wohl einziger Vorteil bestand darin, dass er mit der Gegend bestens vertraut war, jeden Straßenzug, jeden Hinterhof, jedes noch so kleine Versteck kannte. Ansonsten sprach vermutlich fast alles gegen ihn. In einer anderen Stadt mit eng verwinkelten Gassen wären seine Chancen sicher besser gewesen; doch hier, in der Reißbrettstadt Alexandria, musste er sich ganz auf seine schnellen Füße und seine Ortskenntnisse verlassen.

    Bagaeos blinzelte überrascht. Er musste seine Verwunderung gar nicht erst vortäuschen, entwickelte sich ihr Gespräch doch scheinbar in eine ganz andere Richtung, als es der Perser beim Anblick der Romäer befürchtet hatte.


    "Ich verleihe öfter mal Geld. Kleinere Summen meist, gerne auch an Frauen. Bei denen ist die Wahrscheinlichkeit größer, mein Geld auch wieder zu sehen", fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu.
    Eleganten, beinahe federnden Schrittes durchquerte der Mann den Raum, holte aus einem dem unwissenden Auge verborgenen Fach hinter einem Regal ein Manuskript hervor und kehrte mit diesem zu den Besuchern zurück.


    "Hier! Eine Auflistung sämtlicher ausstehender Darlehen: - 1400 Drachmen an Timotheos Cophen. Wir kennen uns bereits seit Kindertagen. Er hat sich kürzlich von seiner Frau getrennt und nun fordert sie von dem alten Trottel ihre Mitgift zurück. Die er natürlich längst ausgegeben hat.
    - Dann... 200 Drachmen an den Schriftsteller Arimazes. Ich mag einfach seine spöttischen Gedichte. - Ah, sowie 72 Drachmen und 4 Oboloi an Kija, eine Gemüsebäuerin aus dem Süden. Wir hatten mal was miteinander. Seitdem unterstütze ich sie gelegentlich, wenn sie ihr fauliges Gemüse nicht an den Mann bringt.
    Aber sie ist keine Bürgerin der Stadt. Und groß würde ich die Summe auch nicht gerade nennen. Naja, vielleicht für römische Legionäre, hahahaha..."

    "Chairete, junge Männer! Der bin ich in der Tat."


    'Der Perser' trug nur einen langen, dunkelblauen Chiton, der beide Schultern bedeckte und bis zu den Oberschenkeln reichte - vielleicht ein Zeichen dafür, dass er sein Bett erst vor Kurzem verlassen hatte. Sein Blick blieb für den Bruchteil einer Sekunde auf den Gladii der Männer haften und ein aufmerksamer Beobachter mochte vielleicht einen kurzen Anflug von Unsicherheit darin erkennen, doch schnell hatte sich Bagaeos wieder im Griff.
    Sein Gesicht zierte sein einnehmendes Lächeln, als er fortfuhr:


    "Wollt ihr Zutritt zu den vordersten Plätzen bei den anstehenden Feierlichkeiten zur Gründung Alexandrias? Oder soll ich euch einige Amphoren des besten persischen Weines aus den Zagrosbergen verschaffen? Ihr seht aus, als könntet ihr starken Wein vertragen. HAHAHAHAHA...."

    Etwas abseits der Hauptverkehrswege, am Rande eines Wohnhäuserblocks der alexandrinischen Mittelschicht, steht ein Altbau mit frisch renovierter Fassade. Hier hat Demetrios Bagaeos (ursprünglich wohl Bagoas), von seinen Nachbarn schlicht "Der Perser" genannt, eine großzügige Erdgeschosswohnung angemietet. In den Straßen des Viertels ist er nur selten zu sehen, doch begegnet man ihm doch einmal, lernt man ihn als einen humorvollen Mann kennen, der sehr auf gute Umgangsformen bedacht ist.


    Vor allem aber ist Bagaeos stadtviertelübergreifend für Folgendes bekannt: Egal, mit welchem Problem man zu ihm kommt, "der Perser" findet eine Lösung - vorausgesetzt die Bezahlung stimmt.