Beiträge von Flavia Nigrina

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    Grundsätzlich klang das schon mal positiv, was der Procurator von sich gab. Sogar die Gladiatorengattung, die seine Tochter sich wünschte, war möglich. Aetius musterte sein Gegenüber. „Nun, der Kerl soll auch Custos Corporis meiner Tochter werden. Das heißt, er würde nicht vollständig hier bleiben, sondern nur ein paar Tage pro Woche... sagen wir mal vier oder fünf, je nachdem, was deine Doctores sagen. Wohnen wird er in der Villa Flavia, sei aber versichert, dass er stets pünktlich hier sein wird. Ist das machbar?“ Das war etwas, worauf sowohl Nigrina als auch er Wert legten... dass der Parther auch jetzt schon begann, sich an seine Pflichten als Sklave zu gewöhnen, und nicht nur das Leben eines Gladiators führte. „Was sein Können angeht...“ Aetius machte eine auffordernde Handbewegung. „Du kannst in gern in die Arena schicken und einen Übungskampf absolvieren lassen. Da fällt mir ein...“ Ein Grinsen zeigte sich auf seinem Gesicht. Vielleicht ließ sich hier noch ein Vorteil für ihn herausschlagen. Und wenn schon nicht das, so konnte er doch immerhin dem Lanista des Ludus Dacicus eins auswischen für seine Unverschämtheit. „Falls du auf der Suche nach Gladitaoren oder Doctores bist: meine Tochter erzählte, im Ludus Dacicus gebe es wohl gute, und manche gehören nicht dem Ludus, sondern ebenfalls Privatpersonen, die sie dort nur trainieren lassen. Der Parther wird dir mehr darüber erzählen können.“

    Zitat

    Original von Sextus Aurelius Lupus und Manius Tiberius Durus


    Nigrina musterte ihren Frischverlobten noch einen Augenblick lang, aber es war ihr unmöglich, in seiner Miene zu lesen, was er wohl gerade denken mochte. Und nach einem weiteren Augenblick trat auch schon ihr Vater heran und gratulierte ihnen, nicht ohne einen etwas kryptischen Hinweis auf ihr Geschenk zu geben – welches er ihr später geben würde –, bevor er das Feld anderen Gratulanten überließ.


    Der erste, der zu ihnen kam, war Tiberius Durus. Nigrina kannte bei weitem nicht alle Gäste. Der Begleiter der Vinicia beispielsweise sagte ihr gar nichts. Und sie hatte sich natürlich auch nicht die Mühe gemacht, sich zu allen Namen auf der Gästeliste mit Hilfe von Sklaven ein Gesicht einzuprägen. Aber die wichtigsten kannte sie natürlich – wenn nicht bereits seit ihrer Ankunft in Rom, wo sie die ersten Tage und Wochen dazu genutzt hatte, sich kundig zu machen über die Mächtigen der Stadt, dann spätestens seit den Vorbereitungen zu dieser Feier. Und sie wusste ebenso, dass der Mann vor ihr seit kurzem der Patron ihres Verlobten war. „Ich danke dir für deine Glückwünsche, Tiberius“, lächelte sie ihn an, während sie sich nichts davon anmerken ließ, dass sie die bloße Anwesenheit des Tiberiers eigentlich nicht für ein ausreichendes Geschenk hielt :D

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    Mit einem aufgeräumt wirkenden Lächeln ließ Aetius sich nieder, als der Procurator ihm einen Platz anbot. „Er kann“, bestätigte er dann die Frage nach dem Waffenkönnen des Sklaven. „Ein Kriegsgefangener des Parthienfeldzugs, seinen Worten nach. Zunächst war er offenbar einige Zeit lang Sklave eines Römers, der in der Nähe zur Grenze lebte, bevor dieser gestorben ist und er von Händlern nach Rom gebracht wurde.“ Eine kurze Pause folgte, während der Aetius nach hinten deutete, in Shayans Richtung, der schweigend – wie es sich gehörte für einen Sklaven – dort stand. „In erster Linie beherrscht er den Bogen, allerdings möchte ich, dass er zu einem Dimachaerus ausgebildet wird.“ Nigrina in jedem Fall wollte das, und diese Entscheidung überließ Aetius ihr auch. Was er ihr nicht überließ, war die Wahl des Ausbildungsorts. Als er die Verträge gesehen hatte, die der Lanista geschickt hatte, hatte er kurzerhand beschlossen, den Ludus Magnus aufzusuchen und dort nachzufragen. Seine Tochter mochte Luxus gewöhnt sein, und er mochte durchaus das Vermögen haben, ihr allerhand zu finanzieren – aber das hieß nicht, dass man deshalb das Geld zum Fenster hinaus schmeißen musste. Und das Angebot des Lanista des Ludus Dacicus war einfach unverschämt gewesen. „Die Grundlagen dafür besitzt er sicherlich. Wenn du möchtest, kannst du dich gerne selbst von seinem Können überzeugen.“

    Und wieder stand der Wahlkampf an. Über Nacht war etwas Neues erschienen, das alte Werbung und Ankündigungen gleichermaßen überdeckte:


    „Wissen und Tatkraft – ein Mann für Rom.
    Die Buchbinder empfehlen Sextus Aurelius Lupus zur Wahl.“

    Für einen Moment verharrten sie, als der Ring an ihrem Finger saß, dann trat der Aurelier noch näher zu ihr. Es war nicht so, dass Nigrina von diesem speziellen Part der Verlobungszeremonie sonderlich viel erwartet hätte. Auch wenn Lupus es durchaus bereits verstanden hatte, gewisse Erwartungen in ihr zu wecken durch die Art, die er im Theater an den Tag gelegt hatte, war das hier immer noch ein offizieller Kuss vor einer Menge Menschen, die alle zusahen, und der züchtig auszufallen hatte. Was in einem gewissen Widerspruch stand zu irgendwelchen Erwartungen, die sie hätte entwickeln können, hätte sie das zugelassen. Gerade deshalb jedoch überraschte sie der Kuss, den er ihr gab. Positiv. Sie hatte mit weniger gerechnet, vor allem mit weniger... weniger... Versprechen, das darin zu liegen schien, sowohl in dem kurzen Kuss und als auch in dem sachten Griff seiner Hände. Unwillkürlich verzogen sich ihre Lippen zu einem leichten, aber nichtsdestotrotz erwartungsvollen Lächeln, während sie seinen Kuss erwiderte, so gut ihr das in diesem Rahmen möglich war, und als sie sich gleich darauf wieder lösten und er sie ansah, war dieses Lächeln immer noch sichtbar. Ganz kurz fuhr ihre Zungenspitze über ihre Lippen, fast als wollte sie dem Geschmack nachspüren, den er darauf hinterlassen hatte mit den seinen, während sie ihm immer noch in die Augen sah. Oh, sie wusste, dass sie wohl eher die verschämte Braut hätte geben sollen. Das wäre das gewesen, was sich geziemt hätte. Sie hatte ja keine Ahnung, worauf ihr Zukünftiger wirklich Wert legte. Und allein der Rahmen, in dem sie sich hier befanden, forderte von ihr eigentlich, sich entsprechend zu verhalten. Aber so gut Nigrina auch war im Schauspielern, wenn es etwas Bestimmtes gab, was sie erreichen wollte – so wenig hatte sie Lust darauf, sich zu verstellen, wenn sie hatte was sie wollte. Und so senkte sie ihren Blick erst, als Lupus wieder das Wort ergriff, in einer gekonnten Mischung aus Verlegenheit und Freude. Nur ihre Wangen hatten mal wieder nicht den Anstand zu erröten, was es perfekt gemacht hätte. Ohne dazu passende Röte auf ihren Wangen also, dafür nun aber wieder mit einem Lächeln, das angemessen war, ließ sie sich das Geschenk reichen, das er ihr mitgebracht hatte. Wieder Gold, wie sie sah, was einen weiteren Pluspunkt bedeutete für ihn. Ein Centaur mit einem Bogen, bis ins kleinste Detail so fein gearbeitet, dass er fast lebendig wirkte. Im allerersten Moment war Nigrina sich nicht so ganz klar darüber, was ihn zu diesem Motiv bewogen hatte, aber als sie erneut seine Stimme hörte, diesmal deutlich leiser, zuckten ihre Mundwinkel in einem ebenso verstehenden wie amüsierten Lächeln. „Wenn du mir derartige Unterstützung an die Seite stellst, scheint es fast so, als wolltest du deinen Kopf tatsächlich verlieren.“ Ihre Stimme war ebenso leise wie die seine, bevor sie sich gemeinsam mit ihm wieder den anderen zuwandte.



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    Aetius, den Lupus angesprochen hatte, stimmte in das Lachen einiger Gäste mit ein und nickte ihm jovial zu zum Zeichen des Einverständnisses. „Es sei dir vergönnt, Lupus.“ Ein Grinsen, anschließend ein unauffälliger Wink in Richtung der Sklaven, während Aetius, an alle Gäste gewandt, fortfuhr: „Nachdem der offizielle Teil nun abgeschlossen ist: genießt mit uns die Feier!“ Die Sklaven unterdessen begannen nun, das Menü aufzutischen, das in den Tagen und Wochen zuvor ebenso penibelst geprüft und aufgestellt worden war wie die gesamte Organisation der Feier.

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    Aetius überging gekonnt die Peinlichkeit des Moments. Auf Nigrina wirkte Piso etwas unbeholfen, und unentschlossen – was sie selbst in diesem Augenblick unsicher werden ließ, wie sie sich verhalten sollte. Sie liebte ihren Vater, so wie er war, und in ihren Augen war er genau richtig. Ein Römer, wie es sich gehörte, ein Römer, der keine Schwäche zeigte. Dass Piso gar so sehr auf Krawall gebürstet war ihrem gemeinsamen Vater gegenüber verstand sie einfach nicht. Daran war nur Pisos Weichherzigkeit schuld, das war ihr schon klar, und sie vermutete auch, dass das an seiner Mutter lag, irgendetwas musste er von der ja wohl auch geerbt haben... Aber das hieß nicht, dass sie es tatsächlich verstand. Piso müsste froh sein, einen solchen Vater zu haben, gerade jetzt, wo es sich endlich auszahlte für ihn. Nigrina war überzeugt davon, dass er seine bisherigen Karriereschritte ihrem Vater zu verdanken hatte, schon allein weil er ihm nichts von seiner Weichheit hatte durchgehen lassen. Weil er versucht hatte, Piso das so gut wie möglich auszutreiben, was natürlich nicht wirklich gelungen war, aber wer wusste schon, wie Piso geworden wäre, hätte er einen Vater gehabt dem das egal gewesen wäre? Oder, noch schlimmer, der ihn in diesen Flausen sogar noch unterstützt hätte? Gar nicht auszudenken.


    Aetius indes überging Pisos nicht wirklich herzlich zu nennende Begrüßung, indem er einfach ignorierte, was ihm nicht in den Kram passte. Was vorgefallen war, als Piso ihn das letzte Mal besucht hatte, hatte er bereits seit längerem schon sich so geformt, wie es für ihn genehm war – endlich wurde aus dem Jungen mal ein Mann, dazu gehörte auch, sich gegen seinen Vater aufzulehnen, natürlich. Andere durchliefen diese Phase deutlich früher, aber gut, war sein Sohn eben ein Spätzünder. Besser spät als nie, so hieß es doch, und das fand Aetius in der Tat sehr passend, so weit es Piso betraf. „Ich freue mich, dass ich es zur Beerdigung noch geschafft habe.“ Und dann, bevor er noch etwas anfügen konnte, betrat der Mann den Raum, den er trotz der verwandtschaftlichen Beziehungen am liebsten eigenhändig erwürgt hätte – eine makabre Ehre, derer er sich nicht entsinnen konnte, wann er sie zuletzt jemandem hatte zuteil werden lassen. Was mit Leontia geschehen war, hatte er ihm nie verziehen, weder dass er mit ihr das Bett geteilt hatte, noch dass sie verschwunden war. Tot, wenn es nach Meinung der meisten ging, tot wenn es auch nach ihm ging, war Aetius doch Realist – und doch hatte er darauf verzichtet, der Totenfeier seiner Ältesten beizuwohnen, ohne genauer zu ergründen, warum, nicht einmal sich selbst gegenüber. Vera hatte ihm nie so nahe gestanden wie Leontia, aber dennoch war ihr Tod nun in gewisser Hinsicht ein willkommener Vorwand, alten Groll wieder aufzuwärmen. „Gracchus, mein Neffe...“ Senator oder nicht, er war der Neffe. Aetius zeigte seine Zähne in etwas, das mehr einem Blecken glich denn einem Lächeln und darüber hinaus etwas Lauerndes zu haben schien. „Bedauerlich ist der Umstand in der Tat, dass ich nun eine weitere Tochter verloren habe.“ Er sparte es sich darauf hinzuweisen, dass Vera in der Obhut der Familie in Rom gewesen war – und damit auch in Gracchus' Obhut. Ebenso sparte er es sich darauf hinzuweisen, dass er noch eine Tochter in eben diese Obhut gegeben hatte, legte Nigrina nur eine Hand auf die Schulter. Und er sparte es sich, für eine Gastfreundschaft zu danken, die ohnehin selbstverständlich war ihm gegenüber, wie er fand. „Wie ist es denn um deine Gesundheit bestellt?“ Der leichte Sprachfehler war ihm nicht entgangen, und natürlich wusste er um Gracchus' Krankheit, die ihn heimgesucht, die ihn sogar nach Griechenland getrieben hatte, trotz aller Pflichten, die er in Rom gehabt hatte. Und Aetius lächelte immer noch.

    Noch immer war Nigrina ein wenig... nun ja, verblüfft über die Großzügigkeit ihres Bruders. Nicht dass sie fand, sie hätte das nicht verdient, aber es kam doch ein wenig überraschend, gerade angesichts der Umstände. Der Körper Veras verbrannte in ihrer Nähe, das Feuer loderte, der Geruch wollte Nigrina dazu treiben, die Nase zu rümpfen – was sie sich verkniff –, und die Flammen prasselten und ließen das Holz knacken. Und ihr gehörte nun ein waschechter Parther. Piso hatte gesagt, er hätte ihm bereits gute Dienste geleistet. Also gehörte er ihm schon einige Zeit lang. Nigrina überlegte kurz, ob sie sich eines Parthers entsann, aber sie konnte sich nicht daran erinnern, und sie verschwendete auch nicht sonderlich viele Gedanken daran. Auch wenn dieser Sklave schon allein aufgrund seiner Volkszugehörigkeit ein besonderes Sammlerstück darstellte, war er letztlich doch nicht mehr als das: ein Sklave. Obwohl sie nun durchaus gespannt war auf ihr Geschenk.


    Nigrina lächelte ihren Bruder noch einmal andeutungsweise zu, bevor sie wieder auf die Flammen starrte, sagte aber nichts weiter dazu. Ihre Hand blieb locker in der seinen, löste sich nicht aktiv von ihm, hielt aber auch nicht so fest, dass klar geworden wäre, dass sie den Halt brauchte. Schweigend sah sie dem Feuer dabei zu, wie es das Holz und Veras sterbliche Überreste verzehrte, und selbst, als es nahezu herunter gebrannt war, selbst als die Glut mit Wein gelöscht wurde, regte sie sich noch nicht – obwohl ihr zu diesem Zeitpunkt längst die Unruhe in die Glieder gefahren war, obwohl sie längst schon wieder so weit war, dass sie hätte schreien können vor lauter Frust über die Untätigkeit, zu der sie hier verdammt war. Stunden um Stunden des Lebens für eine Tote vergeudet, der das vermutlich herzlich egal war – jedenfalls gemessen an dem, was sie zu Lebzeiten verbunden hatte. Pisos Anteilnahme war Vera sicher nicht egal, aber Nigrina hatte mit ihrer Schwester kein allzu enges Verhältnis gehabt. Es hatte nicht einmal wirklich Spaß gemacht, sie zu ärgern, weil sie so kränklich gewesen war. Nigrina unterdrückte ein Seufzen und sah der letzten Wartezeit entgegen, die noch ausstand, bis die Asche in die Urne gefüllt war.

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    Fließend, ohne sichtbares Zeichen und doch gewollt übergab Aetius das Wort an seinen zukünftigen Schwiegersohn. Mit einem Schmunzeln hatte er zur Kenntnis genommen, wie Lupus sich die Zeit nahm, die Verträge noch ein weiteres Mal zu überfliegen – er war ganz sicher ein Mann, der keine Skrupel hatte eine solche Schwäche bei anderen auszunutzen, aber abgesehen davon, dass der Aurelier nicht wie ein Mann auf ihn gewirkt hatte, der allzu vertrauensselig schien, war das hier ein anderer Rahmen. Aetius wollte ja, dass diese Ehe funktionierte, lange genug immerhin, dass er und seine Gens einen Vorteil davon hatten. Ein übervorteilter Bräutigam brachte niemandem etwas – ließ er es mit sich machen, standen die Chancen schlecht, dass er eine Position erreichte, die nützlich war, ließ er es nicht mit sich machen... nun, dann war die Verbindung dahin.



    Ein leichtes Nicken noch, bevor Aetius ebenso wie Lupus nach der Feder griffen und die Verträge nacheinander unterzeichneten. Nigrina unterdessen wartete, ein wenig näher bei dem Aurelier denn bei ihrem Vater, hatte der sie schließlich doch bereits an die Seite des Mannes gestellt, der bald der ihre sein würde. Es wäre gelogen gewesen zu behaupten, dass sie nicht aufgeregt war. Sie war es. Und sie genoss das Gefühl. Nach wie vor machte sie sich keinerlei Gedanken darüber, dass das hier letztlich hieß, dass sich ihr Leben nur allzu bald doch deutlich ändern würde, angefangen von der neuen Familie, in der sie leben, bis hin zu den Pflichten, die sie als Ehefrau haben würde. Das hier war das, was sie wollte, womit sie ihrem Vater seit gut zwei Jahren nun in den Ohren gelegen hatte. Verheiratet zu sein gab ihr schlicht einen völlig anderen Status als den, den sie jetzt hatte, davon war Nigrina überzeugt, und ebenso überzeugt war sie davon, dass ihr Vater einen Mann ausgesucht hatte für sie, der Potential hatte. Potential, viel zu erreichen. Sie konnte durchaus unterstützen als Ehefrau, und das hatte sie auch vor, aber er war derjenige, auf den es ankam, das wusste sie, das wusste ihr Vater. So oder so: je mehr ihr Mann erreichte, desto höher würde auch ihr Status sein. Sie ließ die Worte an sich vorbei plätschern, die seichten Versicherungen der Freundschaft, und lächelte dann, mit einem Hauch von Siegesgewissheit, der jedoch gleich darauf wieder verschwand, als die Verträge endlich unterschrieben wurden. Erst im Anschluss daran wandte sich Lupus nun ihr zu. Bereitwillig ließ Nigrina zu, dass er ihre Hände ergriff, und musterte ihn schweigend, während er sprach. Sie lenkte ihren Blick erst ab, als Lupus nach dem Ring griff, den ein Sklave gebracht hatte, und nutzte die Gelegenheit, die er ihr bot. Der Ring war schön und zeugte von Geschmack, und was sie besonders anerkannte war die Tatsache, dass er aus Gold gefertigt war und nicht aus Eisen. Sie legte Wert auf diese Art von Luxus, und dass ihr Zukünftiger an dieser Stelle wenigstens ebenso dachte – oder sie beeindrucken wollte, oder was auch immer –, gefiel ihr. Als sie jedoch die Inschrift las, wölbte sich die flavische Augenbraue ein wenig nach oben, und ein Blick traf den des Aureliers. Für einen kurzen Moment blitzte fast so etwas wie Spott in ihren Augen auf, während ihre linke Braue immer noch ein wenig hochgezogen war. Der Spruch war... süß. Nigrina kannte den Aurelier noch nicht gut genug, um sagen zu können, ob es zu ihm passte, oder welche Beweggründe ihn dazu gebracht haben mochten, den Ring mit diesem Spruch gravieren zu lassen – aber sie selbst fand es irgendwie amüsant. In jedem Fall war es ein weiteres Detail, das den Ring besonders machte. „Ich bin einverstanden“, lächelte sie und bewegte leicht ihren Kopf in der Andeutung eines Nickens, bevor der Aurelier ihr langsam den Ring ansteckte und damit die Verlobung nach der Unterschrift ein weiteres Mal besiegelte.

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    Nachdem sie der Wegbeschreibung gefolgt waren, die dem Sklaven an der Porta gegeben worden war, kamen sie zum genannten Officium – wo es wieder eben jener Sklave war, der knapp, aber deutlich klopfte. Nach der entsprechenden Aufforderung öffnete er, sagte diesmal jedoch nicht selbst ein Sprüchlein auf, sondern hielt die Tür für seinen Herrn auf, der eintrat und den Mann in dem Raum mit einem jovialen Lächeln begrüßte. „Procurator Hadrianus? Ich grüße dich.“ Aetius näherte sich, während er den anderen begrüßte, bevor er gleich zur Sache kam. „Ich bin Cnaeus Flavius Aetius, und wie du dir sicher denken kannst: ich hätte da einen Sklaven an der Hand, der brauchbares Material für einen Gladiator darstellt. Wie sieht es bei dir aus mit Ausbildung und dergleichen?“

    Ebenso wenig wie ihr Vater kam Nigrina dazu, zu antworten, als Piso schon etwas von sich gab. Was Aetius dachte in diesem Moment, blieb für Nigrina schleierhaft. Wenn ihr Vater wollte, war er ein Meister der Beherrschung, er wollte nur häufig nicht, sah es nicht ein, sah keinen Grund dazu. Diesmal sah er es offenbar. Nigrina selbst hingegen war für einen Moment sprachlos – was ihr selten geschah. Dann baute sich Druck in ihr auf, ein Druck, der nach einem Ventil suchte. Ihre Augen begannen gefährlich zu glitzern, die Brauen zogen sich bedrohlich zusammen, und ihre Nasenflügel bebten leicht. Oh ja, sie war kurz davor, in die Luft zu gehen. Nach allem, was Piso sich gegenüber dem Aurelier schon geleistet hatte – und Nigrina dachte tatsächlich so, schon allein angesichts des Eklats im Theater –, und nachdem er heute, auf IHRER Verlobungsfeier, in TRAUER erschien, als sei das hier ein trauriger Anlass, wollte er nun auch noch einen Gast hinauswerfen lassen? Sie kannte diesen Duccius Vala nicht, hatte nicht die geringste Ahnung, wer das sein mochte, aber das tat in diesem Moment nichts zur Sache. Das war ihre Feier – und ein wenig noch die des Aureliers, so viel gestand sie ihrem zukünftigen Ehemann dann doch zu –, und Piso hatte nichts, aber auch GAR NICHTS zu melden.


    Aber auch jetzt kam sie nicht dazu, etwas zu sagen. Oder gar zu tun, was ihr durchaus auch als Alternative möglich schien. Piso war immerhin ihr Bruder, da gab es ein gewaltiges Repertoire an kleinen und größeren Racheaktionen, die ihr auf Anhieb in den Sinn kamen... Aber dazu kam es nicht. Denn Lupus begann zu lachen. Und DAS machte sie für einen weiteren Moment sprachlos, denn auf die Idee wäre sie nie gekommen. Einfach zu lachen. Und mit ein paar einfachen Worten darüber hinweg gehen, was Piso gesagt hatte. Sicherlich, das war Nigrina auch klar, war das frech, und wäre ihr das passiert, sie wäre höchst beleidigt gewesen – und einem Teil von ihr war auch klar, dass ihr das passieren konnte und wohl irgendwann würde, immerhin würde sie diesen Mann heiraten –, aber jetzt, in diesem Augenblick, war das wohl die beste Reaktion. Alles andere hätte nur zu einem Eklat auf der Feier geführt, und DAS war etwas, was sie um jeden Preis vermeiden wollte – aber genau durch ihre eigene, erste Reaktion wohl provoziert hätte. So aber schwieg sie, schwieg auch noch, als Piso antwortete, schon allein weil sie sich nicht ganz sicher war, ob sie sich unter Kontrolle hatte. Erst als Lupus ihre Hand nahm und ihr einen sachten Kuss darauf gab, zwang sie sich zu einem leichten Lächeln. „Spätestens wenn deine Gäste dir ihre Begeisterung ausdrücken, wirst du sehen, dass auch die Feste selbst es wert sind“, antwortete sie, scheinbar leichthin, während der Klang ihrer Stimme unterschwellig noch etwas von dem reizbaren Geschöpf verriet, das sie ebenso sein konnte. Das nächste Lächeln, dass sie ihrem baldigen Verlobten jedoch schenkte, hatte schon wieder ihre typische, hintergründige Note.


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    Und das war der Moment, in dem Aetius vortrat. „Dann schreiten wir mal zur Tat, nicht?“ Er drehte sich zu den Anwesenden um. „Verehrte Gäste, darf ich um eure Aufmerksamkeit bitten! Ich danke euch allen für euer Kommen zu diesem Anlass, der ein freudiger ist, sowohl für die beiden Gentes als auch für die beiden jungen Menschen, die heute hier im Mittelpunkt stehen... Amore, more, ore, re, iunguntur amicitiae* hat das Brautpaar in die Einladung geschrieben, und ganz diesen Worten gemäß wollen wir nun dafür sorgen, dass zwischen den Familien der Aurelier und der Flavier ein weiteres, starkes Band geknüpft wird.“ Als Aetius begonnen hatte zu reden, hatten zwei Sklaven das als den Hinweis verstanden, der es – für sie – war, und hatten auf dem dafür vorbereiteten Pult die Verträge ausgebreitet, zu dem Aetius nun schritt.



    Sim-Off:

    Durch Liebe, Sitte, Wort und Gegenstand, schließt sich der Freundschaft festes Band.


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    Aetius lachte leicht, als der Tiberier von einem vortrefflichen Schwiegersohn sprach. Mit Sicherheit zu sagen wusste er das freilich noch nicht, aber immerhin, der erste Eindruck, den der Aurelier bei ihm hinterlassen hatte, war ganz sicher kein schlechter. Blieb nur noch abzuwarten, ob er den Erwartungen gerecht werden würde, die ein Ehemann einer Flavia zu erfüllen hatte. „Tiberia Arvinia.“ Aetius neigte angemessen den Kopf in einer Begrüßung. „Ich freue mich außerordentlich, eine so bezaubernde Frau wie dich zu diesem Anlass begrüßen zu dürfen. Meine Tochter weilt noch nicht allzu lange in Rom – hattet ihr dennoch schon Gelegenheit, euch bekannt zu machen?“


    Dann wandte er sich wieder dem Senator zu. „Ich danke dir für dein Beileid, Tiberius. Fürwahr ist es nie einfach, wenn ein Vater sein Kind zu Grabe tragen muss.“ Er machte eine angemessen ernste Miene. „Gerade in Anbetracht dieses Ereignisses ist es aber umso wichtiger für die Familie, auch positive Dinge zu feiern.“ Er nickte beiden Tiberiern noch einmal zu. „Ohne unhöflich erscheinen zu wollen… ich muss noch weitere Gäste begrüßen. Vielleicht ergibt sich ja später noch die Gelegenheit eines Gesprächs.“ Aetius lächelte so glatt wie entschuldigend.

    „Sag mal MUSST du Trauer tragen? HEUTE?“ hatte Nigrina gezischt, als sie den ersten wirklichen Wermutstropfen gesehen hatte: Pisos Aufzug. Veras Tod und Begräbnis lag genug zurück, dass er darauf auch guten Gewissens hätte verzichten können, und das hier war IHRE Sponsalia. Was fiel ihm denn ein, in Trauer herumzulaufen? Sie hätte gute Lust gehabt, ihrem Bruder zuerst den Kopf abzureißen und dann einfach allein das Tablinium zu betreten. Das hier war ein positiver Anlass, ein schöner Anlass, da hätte er doch WIRKLICH auf Trauerkleidung verzichten können! Die leise, aber nichtsdestoweniger heftig geführte Diskussion war jedoch recht rasch wieder vorbei. Piso bestand darauf und hatte ohnehin nicht die Zeit, sich jetzt noch einmal umzuziehen, und Nigrina – nun, Nigrina war beleidigt.


    Was sie sich allerdings in keinster Weise anmerken ließ, als sie schließlich das Tablinum betraten. Ganz im Gegenteil. Fast genauso viel Zeit, wie sie für die Organisation der Feier, für Planung, Dekoration und alles weitere verbracht hatte – oder besser: hatte verbringen lassen –, hatte sie dafür verwendet wie sie aussehen würde. Nun muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass Nigrina unter einer Schreiberin litt, die kein ausgeprägtes Talent dafür besitzt, derartige Äußerlichkeiten zu beschreiben. Daher sei an dieser Stelle nur gesagt: in ihrem blauen Kleid – das die Farbe ihrer Augen noch unterstrich und hervorragend mit ihren dunklen Haaren und der für Römer vergleichsweise hellen Haut kontrastierte – aus feinster Seide, kombiniert mit Silberschmuck und allem, was den Auftritt einer Frau noch so atemberaubend macht, sah Nigrina einfach umwerfend aus. Und das wusste sie auch. Entsprechend selbstbewusst war ihr Auftreten. Sie ließ sich von ihrem Bruder in den Raum führen, sah Gäste an, lächelte ebenso wie Piso, wenn sie jemanden erkannte, bis hin zu ihrem Vater, der seinen Begrüßungsgang unterbrach und ihnen entgegen kam. „Nigrina. Aulus. In der Tat, heute ist ein Tag der Freude.“ Ein kurzer Blick Aetius' streifte die schwarze Toga, während dieser einen Sklaven fortschickte, aber für heute hielt er sich zurück. „Ah, zuerst wollen wir mal die zukünftige Braut zu ihrem Bräutigam bringen.“ Aetius lächelte und bot Nigrina seinen Arm an, bevor er sie zu dem Aurelier führte, der gerade bei zwei Gästen stand. Zwei Gäste, die, obwohl Nigrina scheinbar nur einen flüchtigen Blick für sie übrig hatte, durchaus ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen. Da war Vinicia Sabina, die die FRECHHEIT besaß, ebenso umzuwerfend auszusehen wie sie selbst. Nein, nicht ganz. Niemals ganz, Nigrina war fest davon überzeugt, dass das gar nicht möglich war. Aber fast, und das war auch schon eine Frechheit. Aber auch davon ließ sie sich nichts anmerken, immerhin war das etwas, womit sie gerechnet hatte – sie selbst würde es nicht anders machen, wäre sie irgendwo eingeladen. Und dann war da noch ein Mann, an der Seite der Vinicia, der aussah als gehörte er auf ein Krankenlager, aber nicht auf eine Feier, und schon gar nicht auf IHRE Sponsalia. „Aurelius. Verzeih die Störung“, hörte sie indes die Stimme ihres Vaters bereits, der auch die beiden Gäste grüßte, und der allzu flüchtige Moment der Musterung verging, während sie zu ihrem Vater sah und dem Mann, den sie heiraten sollte. Und nein: der hatte auch nichts eingebüßt von seinem Aussehen, seit jenem Theaterabend, als sie sich das erste Mal gesehen hatten. „Lass mich dir deine baldige Verlobte zur Seite stellen. Das hier ist euer Tag.“ Nigrina lächelte, ihr typisches Lächeln – fein, ein wenig hintergründig, ein wenig undurchschaubar. „So sehen wir uns also wieder, Aurelius.“

    Nicht schon wieder. Nicht schon wieder. Als Nigrina von den Todesfällen gehört hatte, war das so ungefähr das gewesen, was sie gedacht hatte – nicht weil es ihr so zu Herzen ging, sondern weil sie alles, was mit einem Todesfall zusammenhing, nicht leiden konnte. Die Trauer, die bedrückende Atmosphäre, die Gegenwart des Todes, all das, was es ihr schon so schwer gemacht hatte Veras Ableben zu ertragen. Und jetzt, wo das endlich halbwegs vorbei war, wo sie sich wieder auf das Leben konzentrieren und es genießen konnte, musste das nächste Familienmitglied abkratzen. Noch dazu unter Umständen, die mehr als merkwürdig waren und der flavischen Gens mit Sicherheit nicht dienlich sein konnten. Es gab Gerede. Natürlich gab es das. Dass dieser unsägliche Skandal mit einer Flavia in Verbindung gebracht wurde, war einfach unmöglich – ganz egal welche Gerüchte nun stimmten oder nicht, Celerina war eine Flavia. Das enthob sie per Definition jeglicher Schuld. Natürlich hatten Flavier immer und überall die Verpflichtung, ihrer Gens gerecht zu werden, aber was darunter zu verstehen war, war für Nigrina recht dehnbar – immerhin hatte sie nicht das geringste Problem mit dem, was ihr Vater so trieb. Celerina war stolz gewesen, was eine der wichtigsten Eigenschaften war für eine Flavia, alles andere war doch nur nebensächlich. Aber nein, jetzt war sie tot, hatte sich selbst über den Styx geschickt, und ihr Mann war ihr hinterher gedackelt wie ein Schaf dem Leithammel folgt. Und was hieß das alles zusammen genommen? Sie stand wieder da, in ihrer Trauerkleidung (die immer noch so exklusiv und exquisit aussah wie an dem Tag, an dem sie sie – vor kurzem erst – für ein Heidengeld sich hatte schneidern lassen), musste sich am Riemen reißen, um der Traueratmosphäre nicht schlicht und ergreifend zu entfliehen, musste gute – oder eher gefasst-traurige – Miene zum bösen Spiel machen und das alles über sich ergehen lassen.


    Und als wäre das noch nicht genug, hatte Piso Händchen halten wollen. Er hatte gar nicht gefragt, er hatte ihre Hand einfach genommen. Irgendwie hatte Nigrina das Gefühl, dass er seit Veras Tod noch anhänglicher geworden war. Und manchmal wurde ihr das schlicht zu viel. Was sie für Piso empfand, war ambivalent. Er war ihr Bruder, sie war mit ihm aufgewachsen, hatte lange Jahre ihres Lebens mit ihm verbracht. So etwas prägte. Und trotz ihrer Streitereien war Piso ja doch immer irgendwie da gewesen, wenn sie als kleines Mädchen etwas gebraucht hatte, und er hatte sich auch immer so schön ärgern lassen von ihr. So etwas verband. Andererseits wusste sie sehr genau, wie er war, und sie hielt von seiner Art nicht allzu viel. Wäre er nicht ihr Bruder, sie hätte kaum etwas mit ihm zu tun. Aber er war es nun mal... und auch er biss sich irgendwie durch. Er machte Karriere, in Rom. Wenn Händchen halten also dazu beitrug, dass sie irgendwann nicht nur die Schwester eines Senators, irgendwann womöglich Consuls, sondern dessen Vertraute war, weil ihre geschwisterliche Bindung so eng war – dann riss sie sich eben zusammen, jedenfalls in Momenten wie diesen, wo es ohnehin angebracht war Einigkeit zu zeigen, und wo... nun ja... ihr Bruder das zu brauchen schien.


    Als sie im Atrium angekommen waren, blieben sie kurz stehen – und dann, plötzlich, löste Piso sich doch von ihr. Und verabschiedete sich. „Tu das“, murmelte sie leise und verzog kurz ihre Lippen in Erwiderung des Lächelns, das er ihr zeigte, auch wenn ihr nicht danach war, bevor ihre Gesichtszüge wieder die regungslose Maske annahmen, die sie zuvor schon gehabt hatten.. Jetzt ließ er sie hier auch noch alleine. In einer Familie, die bald zu ihrer werden würde, in einem Haus, in dem sie bald leben würde – und in einem Moment, in dem sie sich so fehl am Platz fühlte wie selten. Was sollte sie überhaupt hier? Tod und Trauer waren einfach nichts für sie. War Celerina eben gestorben, sie hatte sie kaum gekannt, sie war nicht einmal wirklich nah mit ihr verwandt gewesen. Und mit dem Aurelier hatte sie schon gleich gar nichts verbunden, sie war sich nicht einmal sicher, ob sie ihn je gesehen hatte – bis zu diesem Tag. Sie blickte Piso einen Moment lang hinterher, bevor sie ihren Blick durch das Atrium schweifen ließ, während sie zunächst blieb, wo sie war.

    Wie stets in den letzten Tagen, war Nigrina auch nun an der Seite ihres Bruders. Ihr Vater war inzwischen angekommen und begleitete sie, aber Piso brauchte sie mehr, jedenfalls hatte sie das Gefühl, und so blieb sie bei ihm, während ihr Vater sich zurückhielt – und seinem Sohn es überließ, seine Schwester zu Grabe zu tragen, so wie Piso sich schon seit Veras Tod um alles gekümmert hatte. Auch die Rede überließ er ihm, was Nigrina sehr anständig fand. Auf den Gedanken, Aetius könne es fast lieber sein, kam sie nicht wirklich, auch wenn ihr durchaus bewusst war, dass er solchen... Veranstaltungen... genauso wenig etwas abgewinnen konnte wie sie. Sie blieb bei Piso, während sie dem Trauerzug folgten, und sie blieb bei ihm, als sie schließlich ihr Ziel erreichten. Ihr Gesicht war eine blasse Maske, ihre Kleidung schwarz – der einzige Farbpunkt, der herausstach, waren ihre blauen Augen, die umso leuchteten, als sie ihr sonst jegliche Farbe abzugehen schien. Keine Miene verzog sie, kein Muskel regte sich, während Piso seine Rede hielt – nicht einmal beim Schluss, als er Vera auf eine Art beschrieb, wie sie sie niemals gesehen hatte. Unirdische Schönheit? Pah. Allerdings, so waren Begräbnisse – und so war Piso.


    Nigrina in jedem Fall lauschte schweigend seiner Rede und rührte sich selbst dann nicht, als ihr Bruder dann Scheiterhaufen plötzlich aufflammen ließ. Erst als er zu ihr trat, sie ansah, auf diese Art, die sie kannte – die sie vor allem hier in Rom wieder kennen gelernt hatte, nachdem sie sich doch einige Zeit lang nicht gesehen gehabt hatten –, und sie machte sich schon auf das Unvermeidliche gefasst. Seit Veras Tod hatte sie noch öfter Umarmungen von Piso abbekommen als sowieso schon, jedenfalls kam es ihr so vor, aber das mochte auch daran liegen, weil es, seit Veras Tod, in dieser Phase der Trauer, die vor allem Piso so sichtbar schwer fiel, ihr wiederum wesentlich schwerer fiel, ihm etwas abzuschlagen, was ihm half. Er war ihr Bruder. Auch wenn er manchmal ein komischer Kerl war, mit dem sie unter anderen Umständen wohl nicht allzu viel tun gehabt hätte... Er war ihr Bruder. Der sie in genau diesem Moment überraschte. Er... entschuldigte sich? Für ihren Streit nach diesem Theaterabend? Ihre Augen weiteten sich ein wenig, während die unvermeidliche flavische Augenbraue sich ihren Weg nach oben suchte. Sie konnte es in diesem Moment einfach nicht verhindern, auch wenn sie sich vor dem Begräbniszug FEST vorgenommen hatte, keine Miene zu verziehen. Es ging nicht. Sie hätte einfach nicht damit gerechnet, dass Piso sich überhaupt entschuldigte dafür, es wäre auch nicht wirklich nötig gewesen – wie oft hatten sie sich denn früher gestritten, teils sogar noch heftiger? Und Nigrina selbst war noch nah genug an dieser Phase ihrer Kindheit und Jugend, dass sie da noch keinen allzu großen Unterschied sah. Veras Tod musste ihn wirklich getroffen haben. Nicht nur seine künstlerisch-empfindsam-empfindliche Ader, sondern WIRKLICH. „Aulus...“ Sie wusste nicht so recht, was sie sagen sollte, aber das war auch nicht wichtig, weil Piso gleich weiter sprach. Und... bitte was? Einen Parther schenkte? „Das... Aulus... das ist...“ Sie sah zu dem flackernden Schein des Feuers, das nach und nach den Körper ihrer Schwester verzehrte. War das hierfür der richtige Zeitpunkt? Andererseits... warum nicht? Wann bekam man denn schon einen Parther geschenkt? Die waren selten geworden in letzter Zeit... Und ihrem Bruder schien es wirklich ein Anliegen zu sein. Wirklich. Kein Wunder wenn man bedachte, was er davor gesagt hatte, oder wie sehr ihn Veras Tod mitnahm. Spontan griff sie nach seiner Hand. „Danke. Bruder.“ Ihre Mundwinkel verzogen sich zu der Andeutung eines Lächelns. Sie drückte seine Finger leicht. „Ich werd dir schon erhalten bleiben.“

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    „Ich bin mir sicher, meine Tochter wird dies auch selbst noch tun, aber lass mich dir in ihrem Namen bereits Dank aussprechen für deine Aufmerksamkeit“, lächelte Aetius dem Claudier charmant zu, bevor er sich zunächst den weiteren Gästen widmete. Später würde noch mehr Zeit sein, sich mit einzelnen zu unterhalten, gegebenenfalls neue Kontakte zu knüpfen... Für den Moment wollten erst einmal alle begrüßt werden, und der Purgitier war der nächste. Bei dem Lob, dass der Senator für seinen Sohn aussprach, zuckte Aetius' Augenbraue, ganz in flavischer Manier, ein wenig nach oben, während er zugleich jedoch sein Lächeln nicht aufgab. Das war nun etwas, was er ganz sicher nicht erwartet hätte, dass ein gestandener Senator derart von Aulus sprach... was entweder hieß, er kannte ihn nicht wie er seinen Sohn kannte, oder... nun... vielleicht tat das Leben in Rom Aulus ja tatsächlich gut. Machte ihn etwas härter, vor allem härter im Nehmen, das hatte der Junge wahrhaftig nötig. „In den Senat... Es freut mich aufrichtig zu hören, dass du so denkst, Purgitius. Welcher Vater vernimmt nicht gern solche Worte über seinen Sohn.“ War da ein wenig Sarkasmus zu hören in den ersten Worten? In jedem Fall war der zweite Satz völlig ernst gemeint. Jetzt musste Piso nur noch beweisen, dass dem tatsächlich so war. „Verzeih mir bitte, Senator... es wäre mir eine Freude, später noch weiter über meinen Sohn und seine Karriere mit dir sprechen zu können, aber für den Moment muss ich mich um die Gäste kümmern.“


    Noch während Aetius einen weiteren Mann begrüßte – diesmal erneut ein Geschäftsfreund von ihm –, betrat eine Frau den Raum, die sofort sein Augenmerk auf sie lenkte. Noch sehr jung, keine zwanzig, schätzte er, aber doch eine Art Rasseweib, jedenfalls wenn man davon ausging, wie sie hergerichtet war. Unwillkürlich zuckte seine Augenbraue nach oben, während er in Gedanken bereits das Liebchen abschob, das zuhause in Ravenna auf ihn wartete. Derer war er eigentlich sowieso schon überdrüssig, und selbst wenn nicht, was sprach gegen ein bisschen Spaß in Rom? … Dagegen sprach, im Augenblick zumindest, dass diese Frau ganz sicher nicht zu den Gästen gehörte, die sofort begrüßt werden mussten – sonst hätte er ihren Namen gewusst oder ein Sklave würde ihn darauf aufmerksam machen –, während stetig mehr eintrudelten, die seine Aufmerksamkeit erforderten. Nicht die weiteren hübschen Frauen, die ankamen, nein, Manius Durus von den Tiberiern war es, der nun sein Augenmerk auf sich lenkte. Während er irgendwo aus dem Augenwinkel bemerkte, dass Gracchus und seine Familie ebenfalls auftauchte – den er ebenso gekonnt ignorierte wie dieser ihn –, steuerte er auf den Tiberier zu, der, wie er erfahren hatte, seit kurzem der Patron seines zukünftigen Schwiegersohns war. „Manius Tiberius Durus.“ Sein übliches Lächeln zeigte sich. „Es ist mir eine Ehre, auch dich im Haus der Flavier begrüßen zu dürfen, noch dazu zu diesem Anlass. Mein zukünftiger Schwiegersohn beweist Geschick in der Wahl derer, die er um Unterstützung bittet.“

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    Seine eigenen Sklaven waren es, die Aetius begleiteten, wie stets, wenn er dieser Tage in Rom unterwegs war. Er hatte einige mitgebracht aus Ravenna, als er hierher gekommen war, immerhin gab es auch beim Sklavenvolk einen gewissen Standard zu beachten, der eingehalten werden wollte. Und so loyal die flavischen Sklaven auch allesamt waren – immerhin stammten die meisten aus der eigenen Zucht –, so war es dennoch etwas anderes, wenn man sie bereits seit Jahren um sich hatte und nicht erst seit Tagen, ganz gleich, wie lange sie der Familie schon treu dienten. Seine eigenen also, bis auf einen: den Parther, den sein Sohn vor kurzem gekauft hatte und der seit noch kürzerem seiner Tochter gehörte.


    Ein Sklave war es also, der nun auf die beiden Wachen zutrat. „Mein Herr, Cnaeus Flavius Aetius, wünscht den Procurator Familiarum Gladiatoriarum zu sprechen“, kündigte er an. „Er möchte mit ihm die Möglichkeiten erörtern, einen Sklaven zum Gladiator ausbilden zu lassen, und diesbezüglich das Angebot des Ludus Magnus in Augenschein nehmen. Ist er zugegen?“

    Unsportlich fand die Iunia es also. Nigrina deutete ein flüchtiges Achselzucken an. Unsportlichkeit war kein Aspekt, der für sie bei Spielen großartig zählte, obwohl es natürlich weit interessanter war, wenn tatsächlich ein Kampf zu sehen war und kein hirnloses Abschlachten. Dennoch konnte Nigrina durchaus auch daran Gefallen finden, den Raubtieren zuzusehen... was allerdings mehr an den Tieren lag denn an den Menschen, die ihnen vorgeworfen wurden. Dann warf Nigrina der Iunia einen Blick zu. „Du bist sicher stolz auf sie“, entgegnete sie. Immerhin, das war auch in Nigrina verankert: ohne die Legionen wäre das Imperium nicht das, was es heute war. Würde ihr ein einfacher Soldat gegenüber stehen, würde sie ihm deswegen trotzdem nicht wesentlich mehr Achtung entgegen bringen als jedem anderen Plebejer, aber immerhin. Die römischen Legionen waren siegreich, und das war etwas, womit Nigrina sich doch sehr identifizieren konnte. Und sie meinte auch, was sie sagte – natürlich konnte die Iunia stolz darauf sein. Ihre Verwandten waren für das Imperium gestorben, was konnte es denn besseres für einen Soldaten geben? Im Grunde war das doch irgendwie der einzige Sinn und Zweck von Soldaten. Zu kämpfen für das Reich, und zu sterben das Reich, wenn es sein musste. „Ja...“, machte sie dann nachdenklich, als Axilla weiter sprach. Von der Perspektive hatte sie das noch nicht so wirklich betrachtet, musste sie ehrlicherweise zugeben. Eine Investition. Wie ein Zuchthengst, bei dem man ja auch nicht wollte, dass er sich das Bein brach. Mit dem Vergleich konnte sie etwas anfangen, und die Iunia hatte irgendwie Recht damit, gestand sie ihr zu. Sie wusste nicht genau, wie viel ihr Bruder geblecht hatte für den Parther, aber es war sicher deutlich mehr gewesen als für einen simplen Haussklaven – und wenn er erst mal hier ausgebildet worden war, würde er noch mehr wert sein. Dass sich Axillas Familie um sie kümmerte, war in Nigrinas Weltanschauung hingegen so selbstverständlich, dass sie die Versicherung kommentarlos hinnahm. Die bloße Annahme des Gegenteils hatte sie vorhin überrascht, und nun ja, der Fakt dass die Iunia eigene Betriebe besaß, hatte sie nun mal zu diesem Schluss kommen lassen. Aber scheinbar gehörte sie zu denen, die das offenbar unbedingt wollten. Nigrina fand das unverständlich... nun, eine Zucht zu besitzen mit edlen Tieren... Pferde... Oder eine Art Garten, außerhalb Roms, mit exotischen Tieren, einfach nur so zum Spaß... das konnte sie sich schon vorstellen, so etwas eines Tages zu besitzen. Und selbst dann würde sie sich nicht selbst die Arbeit machen, sondern höchstens als Besitzerin auf dem Papier fungieren. Sie sah überhaupt nicht ein, sich anzustrengen für so etwas. „Ja, da hast du wohl Recht. Sicherlich ist es lohnender, wenn der Gladiator überlebt. Ganz abgesehen davon, dass es befriedigender ist, wenn er in der Arena gewinnt.“ Ein feines Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, während sie der Iunia wieder lauschte und dann antwortete. „Ja, doch, ich würde nun gehen. Schön dass du mitkommen möchtest.“ Mit einer fließenden Bewegung erhob sie sich und machte sich auf den Weg zum Ausgang. „Nein, ich stamme aus Ravenna. Mein Vater besitzt dort Ländereien, und abgesehen von Besuchen bei Freundinnen habe ich nahezu mein gesamtes Leben dort verbracht. In Rom bin ich noch nicht allzu lange.“

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    Aurelius.“ Der markante Klang von Aetius' Stimme erklang, als sein zukünftiger Schwiegersohn das Tablinum betrat, und er kam ihm einige Schritte entgegen. „Dein Lob freut mich durchaus, aber es trifft den falschen. Meine Tochter war federführend bei den Vorbereitungen.“ Die Sklaven, die eigentlich die Hauptarbeit geleistet hatten, zählten für Aetius genauso wenig wie sie es für Nigrina taten – und eben jene Sklaven waren es nun, die dem Aurelier und jedem weiteren eintreffenden Gast unauffällig Getränke anboten. „Darf ich dir einen alten Bekannten vorstellen? Decimus Tarpeius Dorso. Solltest du jemals in die Lage kommen einen zusätzlichen Finanzier zu brauchen, wende dich vertrauensvoll an ihn.“ Geld war nicht das geringste Problem für den Tarpeier, der im Lauf der Jahre ein Handelsvermögen angehäuft hatte, das seinesgleichen suchte. Während dieser nun Lupus begrüßte, trafen bereits die nächsten Gäste ein, und Aetius wandte sich dem ersten zu. Auch er hatte sich vorbereitet und wusste entsprechend, wer ihm gegenüber stand. Claudius Menecrates. Welch Freude, dich endlich kennen lernen zu dürfen, da unsere Familien so verknüpft sind.“ Durch zwei Hochzeiten in diesen Zeiten, wenn Aetius sich nicht irrte – der Lümmel Furianus hatte seine Heirat ja so ziemlich unter den Teppich gekehrt. Nicht dass Aetius gekommen wäre, aber dass es nicht einmal die Möglichkeit gegeben hatte, fand er dann doch etwas bescheiden. Ungeachtet dessen begrüßte er auch dessen Begleitung*. „Bitte, bedient euch.“ Ein Wink ließ einen weiteren Sklaven herbei huschen, der die gewünschten Getränke brachte, und Aetius wandte sich den nächsten Gästen zu. Purgitius Macer und seine liebreizende Gattin. Seid mir gegrüßt.“ Der obligatorische Sklave machte auch hier so unauffällig wie möglich auf sich aufmerksam, um Getränkewünsche erfüllen zu können. „Mein Sohn ist äußerst zufrieden, dich seinen Patron nennen zu dürfen, Purgitius.“



    Sim-Off:

    *leider noch anonym :D