Beiträge von Flavia Nigrina

    Seit Tagen schien es in der Villa Flavia schier zu summen vor Aufregung. Kaum hatte der Termin für die Verlobungsfeier festgestanden, waren schon die ersten Vorbereitungen in Gang gekommen, und je mehr Zeit verging, je näher der Tag rückte, desto mehr hatten sie an Intensität gewonnen – und desto mehr Stress, Arbeit und Aufregung hatten sie für die Sklaven der Villa bedeutet. Auch Nigrina war, selbstverständlich, aufgeregt. Wer wäre das nicht, angesichts solcher lebensverändernden Umstände, die ihr bevorstanden. Und so sehr sie sich auch darauf freute, dass sie endlich verheiratet wurde, konnte sie doch nicht leugnen, dass sie damit endgültig ihr bisheriges Leben hinter sich lassen würde, das, was sie gekannt hatte. Sie zweifelte nicht daran, dass sie zurecht kommen würde, aber dennoch war es eine einschneidende Änderung. Allerdings: davon ließ sie sich herzlich wenig anmerken. Das fehlte gerade noch, dass irgendjemand – am besten noch Sklaven – bemerkten, dass sie aufgeregt war. Dass sie sich freute, ja. Dass es ein wichtiges Ereignis war, selbstverständlich. Dass es ihr WICHTIG war, auf jeden Fall. Aber dass sie aufgeregt war? Nein. Es reichte wenn die Sklaven wussten, was ihnen blühte, wenn sie diese Feier nicht perfekt organisiert bekamen, und das wussten sie, dafür hatten sowohl Nigrina als auch ihr Vater, unabhängig voneinander, gesorgt. Und so vergingen die Tage vor der Feier mit verschiedenen Proben für das Menü, das gereicht werden würde, Getränke, Dekoration, Planungen für den Ablauf, Erstellung der Einladungen, und immer wieder ein Umschmeißen sämtlicher bisherig getroffenen Entscheidungen. Die Sklaven verfluchten ihre Herrin in diesen Tagen, war Nigrina doch wahrlich nicht einfach, selbst für ihre Verhältnisse nicht. Im Grunde lief es so ab: die Flavia sagte schlicht: macht mal. Die Sklaven machten, dachten, überlegten, entwarfen, stellten zusammen – und stellten vor. Die Flavia begutachtete – und sortierte sämtliche Details aus, die ihr nicht zusagten, nur um zu sagen: macht noch mal. Ohne dabei sonderlich viele Hinweise darauf zu geben, wie es ihr womöglich besser gefallen könnte. Die erste signifikante Änderung in diesem Ablauf ergab sich dadurch, dass – je näher der Termin rückte – Nigrina jede weitere Ablehnung mit einem stetig wachsendem Temperamentsausbruch begleitete, Beschimpfungen und fliegende Gegenstände eingeschlossen. Immerhin war das ihre Feier. Sie sollte perfekt sein, das war nicht zu viel verlangt, fand sie. Und die Sklavin, die es gewagt hatte etwas davon zu murmeln, dass sie ja furchtbar aufgeregt sein müsse, hatte es bitter bereut, nicht gewartet zu haben mit diesen Worten, bis sie sicher außer Hörweite der Flavia gewesen war. Dass sie zugleich von diesem Moment an von sämtlichen Vorbereitungen ausgeschlossen war, konnte nur ein schwacher Trost gewesen sein für sie. Erst als irgendwann ihr Vater bei einer dieser Gegebenheiten dazu kam – sie ahnte nicht, dass es der Parther gewesen war, der Aetius dazu gebracht hatte zu kommen –, wendete sich das Blatt ein weiteres Mal. Was die Sklaven nicht wagen durften – nämlich Fragen zu stellen –, war für ihren Vater kein Thema, und während sie sich mit ihm unterhielt, erhielten die Sklaven um sie herum zugleich Hinweise darauf, was sie tatsächlich zu ändern hatten. Nicht, dass beim nächsten Anlauf dann bereits alles stimmte – aber von diesem Moment an ging es aufwärts.


    Und so war an diesem Tag tatsächlich alles perfekt. Nigrina hatte sich zuvor noch einmal alles angesehen, und nicht nur die Sklaven hatten kollektiv erleichtert aufgeatmet, auch ihr Vater war es gewesen, als sie sich begeistert gezeigt hatte. Aetius wusste besser als jeder andere, dass die Feier in einer Katastrophe hätte enden können, wäre Nigrina nicht zufrieden gewesen. Er hatte sich bereits darauf vorbereitet, ein Machtwort zu sprechen, damit sie sich zusammenriss und zufrieden gab mit dem, was vorbereitet worden war, damit sie sich nicht aufführte wie das verwöhnte Gör, das sie – das sah er durchaus – letztlich war. Sie war eine Flavia, sie war seine Tochter, sie hatte auch das Recht darauf, anspruchsvoll zu sein, gerade an einem Tag wie diesem. Nur: irgendwann musste Schluss sein, und dieser Moment war unter anderem dann gekommen, wenn Nigrinas Ansprüche drohten, eine politische Verbindung zu gefährden. Im Vorfeld hatte er ihr alle Freiheiten gelassen – an diesem Tag war aber Schluss damit. Und Nigrina wusste das auch. Möglicherweise spielte dieses Wissen mit hinein in die gezeigte Begeisterung darüber, wie die Villa nun hergerichtet war, jedenfalls vermutete Aetius das. Seine Tochter konnte auch durchaus vernünftig sein, und ihr war klar, dass diese Hochzeit in allererster Linie ein politisches Bündnis war, ein Mittel zum Zweck, um für beide Familien Vorteile zu schaffen. In jedem Fall wusste sie, dass ihr, hätte sie an diesem Tag noch stänkern wollen, jede Unterstützung von Aetius gefehlt hätte. Und dennoch war er erleichtert, dass sie sich von selbst zufrieden zeigte, und nicht erst auf ein entsprechendes Machtwort seinerseits hin.


    Aetius war es nun, der – entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten – sich bereits im Tablinum eingefunden hatte, um die Gäste begrüßen zu können. Ein alter Geschäftsfreund war bereits eingetroffen, mit dem er sich unterhielt, während Nigrina noch auf sich warten ließ.



    Sim-Off:

    Gäste der Verlobungsfeier können gerne direkt hier posten, ohne Umweg über die Porta :)

    Es war ein recht schöner Herbsttag, als die flavische Sänfte vor den Toren der Castra Praetoria hielt und Nigrina ihr entstieg. Haare, Kleid, Schmuck und Schminke – es passte einfach alles. Und sie war die Trauerkleidung endlich los, dieses elendige Schwarz. Auch wenn es ihr gestanden hatte, es drückte auf Dauer einfach zu sehr aufs Gemüt, ständig in Schwarz gekleidet herumlaufen zu müssen. Sie genoss es, endlich wieder auf andere Farben zurückgreifen zu können, und heute trug sie ein Kleid aus einem feinen, dunkelblauen Stoff, der ihre ebenso blauen Augen betonte und nur umso mehr strahlen ließ. Feine Silberfäden durchwirkten den Stoff am Saum und verzierten ihn so, ebenso feiner Silberschmuck vollendete ihre Erscheinung.


    Noch während Nigrina der Sänfte entstieg, ging ein Sklave bereits vor zur Wache, die am Tor stand. „Salve, Miles“, grüßte er ihn in respektvollem Tonfall. „Meine Herrin, Flavia Nigrina, wünscht den Praefectus Urbi zu sprechen. Sie hat keinen Termin, hofft jedoch, dass er eingedenk ihres Treffens im Theater kürzlich vielleicht dennoch Zeit für sie erübrigen kann...“

    Auch Nigrina war... nun, nicht unbedingt begeistert, als der Praefectus Urbi ihre Worte als Einladung begriff, sich zwischen sie zu drängen. Aber der Mann hatte Macht... und Nigrina spielte ihre Rolle als unschuldig-naives Mädchen vom Land – was sie ja auch eigentlich war – weiterhin perfekt. Sie war nicht so dumm nicht zu begreifen, was sich hier für Chancen auftaten – und für Risiken, wenn sie den Mann nun vor den Kopf stießen. Sie hatte nicht vergessen, was ihr Bruder über ihn erzählt hatte, auch wenn Nigrina fand, dass es ja ein Gefallen gewesen war, dass Piso aus der kaiserlichen Kanzlei geschmissen worden war. Ein Flavier als Beamter, wo kämen sie denn da hin... So oder so war sich Nigrina durchaus im Klaren darüber, dass neben ihr ein Mann saß, der, so er denn als Freund zu gewinnen war, einiges bot – den man aber ganz sicher nicht zum Feind haben sollte. Ganz gleich, was man über ihn denken mochte.


    Celerina indes erntete einen kurzen Blick, als sie sich vorstellte – Nigrina hatte sich genug unter Kontrolle, um ihre Überraschung nicht zu zeigen, sondern stattdessen nur zu lächeln, aber sie fragte sich dennoch, warum sie nicht ihren eigentlichen Namen sagte. Und warum sie die Familie verschwieg. Sie selbst sah darin keinen Sinn, nicht den geringsten, schon allein deshalb nicht, weil sie vorhatte, in der Gesellschaft Roms schnell genug weit genug nach oben zu steigen, dass sie auch den Praefectus Urbi mehr als einmal sehen würde. „Nigrina“, sprang sie ein, als es um ihren Namen ging, und nach der Frage des Vesculariers lächelte sie nur noch lieblicher. Sie wusste nicht, welches Spiel Celerina hier spielte – aber sie war nicht gewillt, nach Regeln zu spielen, die sie selbst nicht kannte. Nein, da legte sie schon lieber ihre eigenen fest. „Flavia.“ Ihr Lächeln blieb süß. Hatte Celerina vorhin erwähnt, dass sie verwandt waren? So genau konnte sie sich nicht mehr erinnern, es mochte sein, aber falls nicht, hatte sie nun immer noch die Chance, ihr eigenes Spiel weiter zu verfolgen und ihren Gensnamen nicht zu verraten.

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    „Ich hab dich auch vermisst, Kleines.“ Aetius klang ganz und gar nicht sentimental dabei, in seiner Stimme schwang eher ein Grinsen mit, aber nichtsdestotrotz meinte er es ehrlich. „Aber du willst ja unbedingt verheiratet werden.“ Mit einer Kopfbewegung bedeutete er ihr, sich zu setzen, aber noch bevor sie sich niederlassen konnten, tauchte Piso auf. Nigrina blieb an der Seite ihres Vaters und grinste ihrem Bruder entgegen – sie wusste zwar, dass er ein völlig anderes Verhältnis zu Aetius hatte, aber sie war nun mal glücklich, ihren Vater zu sehen. Aetius selbst indes hatte… ebenfalls… gemischte Gefühle, auch wenn er sich diese nicht wirklich eingestand und schon gar nicht zur Schau trug. Dennoch: er konnte sich noch zu gut an das letzte Aufeinandertreffen mit seinem Sohn erinnern. Daran, wie er sich hatte gehen lassen. Gut, er hatte getrunken, eindeutig zu viel, aber der Junge hatte sich auch wirklich daneben benommen, und er hatte es gewagt, ihm die Stirn zu bieten, was… nun, einfach unmöglich war. Die Tatsache an sich hätte Aetius eher gefreut, zeigte sich doch darin in seinen Augen, dass Piso nicht gänzlich nach seiner Mutter schlug, sondern auch etwas von ihm hatte, etwas vom flavischen Blut. Aber der Grund. Der Grund! Was hatte der Junge nur mit seiner Mutter! Gut, die Frau war etwas Besonderes gewesen, sonst hätte er sie kaum lange genug an seiner Seite geduldet, um gleich zwei Kinder zu zeugen… Und sie hatte ihm einen Sohn geschenkt, seinen einzigen. Aber dass der sich so entwickelte, war nicht so wirklich geplant gewesen.


    Piso starrte ihn nur an, und Aetius starrte zurück. Und dann Aetius das, was er häufig tat, und worin er gut war: er ignorierte einfach, was er nicht wahrhaben wollte. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Aulus!“ Seine Stimme dröhnte durch das Atrium, erst danach dämpfte er sowohl sie als auch sein Lächeln, eingedenk Veras. „Die Reise war akzeptabel, dafür dass sie so schnell gehen musste, danke der Nachfrage.“ Er ging auf Piso zu, zog ihn kurz in seine Arme, einen eventuellen Protest ignorierend, und klopfte ihm kräftig auf die Schulter. „Ein trauriger Anlass, dass wir uns wiedersehen…“

    Gracchus reagierte… gar nicht. Und Nigrina konnte ein enttäuschtes Zucken ihrer Mundwinkel nicht wirklich verbergen. Hätte er nicht irgendetwas zeigen können? Aber nein, hier stand die Gravitas in Person. Furchtbar. Einfach nur furchtbar. Und zugleich so furchtbar angemessen für den Anlass, dass Nigrina ihn fast schon wieder bewunderte und sich wünschte, sie könnte das auch. Denn dass Gracchus wirklich so sehr um Vera trauerte, glaubte sie nicht so ganz. Vera war nicht Leontia, und nach allem was sie wusste, hatte Gracchus zu Vera ein ähnliches Verhältnis – nämlich im Grunde gar keins – zu Vera gehabt wie zu ihr. Ganz im Gegensatz zu ihrer ältesten Schwester. Sie nickte ihm leicht zu und begegnete seinem Blick, als der seine über sie streifte, konnte aber immer noch nicht ausmachen, was er wohl denken mochte – und beschloss, es für den Moment aufzugeben. So sehr es sie wurmte, aber Gracchus war zu gut, und das hier war eindeutig der falsche Rahmen um zu versuchen, etwas herauszukitzeln. Was wohl auch besser so war, wie sie sich – äußerst unwillig und nur ganz insgeheim – selbst eingestand. Vermutlich würde sie sich bei dem Versuch nur blamieren, während sie kläglich scheiterte, und darauf war sie nicht sonderlich erpicht.


    Während Celerina sich nun zu ihnen gesellte und Gracchus und sie sich begrüßten, betrat noch jemand das Atrium – Gracchus Minor, der Sohn des Alten. Diesmal schaffte Nigrina es, ihre erste Reaktion, ein Naserümpfen, zu unterdrücken, und einen unbewegten Gesichtsausdruck zu wahren. Sie hielt nicht viel von Kindern. Und sie war selbst noch jung genug, um auf solche Rotzblagen entsprechend zu reagieren, vor allem wenn sie ihr dumm kamen. Mit dem Kleinen hatte sie bislang ebenso wenig etwas zu tun gehabt wie mit dem Großen, daher konnte sie auch nicht recht beurteilen, wie nervig er nun war. Immerhin jedoch konnte sie ihm zugute halten, dass ihr die Anwesenheit eines Blags bisher nicht wirklich negativ aufgefallen war. Dennoch folgten ihre Augen ihm ein wenig misstrauisch, als er zu seinem Vater trat, der immer noch bei Piso und ihr stand – und der dem Bengel offenbar erst mal etwas flüstern musste, bevor der grüßte. Trotz dieser Gedanken zauberte Nigrina ein schwaches Lächeln auf ihre Züge, das ihre Augen zwar erreichte, in diesen jedoch einen leicht anderen Ausdruck hatte als auf ihren Lippen – einen, der irgendwie in Widerspruch zu stehen schien zu dem, was ein Lächeln normalerweise ausdrückte. Sie mochte. einfach. keine. Kinder. „Salve, Minor. Auch dir danke dafür, dass du gekommen bist.“

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    Aetius blieb zurückgelehnt und hörte sich in völliger Ruhe Lupus’ Antwort an. Ihm war es im Grunde genommen ziemlich gleich, oder um es mit seinen Worten zu sagen: wurscht, wann nun die Hochzeit stattfand, solange der Aurelier die Sache nicht tatsächlich bis zum letztmöglichen Zeitpunkt hinauszögerte. Er wusste, dass Nigrina das anders sah, aber das war nicht ihre Entscheidung, damit würde sie sich abfinden müssen – und es tat ihr vielleicht auch ganz gut, noch ein wenig im flavischen Heim zu bleiben, solange sie sich noch in Rom eingewöhnte, bevor sie auszog. Und was ihn betraf… nun, es gab schlechteres als jetzt, im Herbst, einige Zeit in der Hauptstadt zu verbringen. Er hatte keinerlei politische Ambitionen, aber es gab sicher die ein oder andere Geschäftsbeziehung, die er hier auffrischen konnte, die ein oder andere, die er beenden oder neu knüpfen konnte… Er würde die Zeit schon zu nutzen wissen. Und Aetius ging nicht davon aus, dass der Aurelier einen Rückzieher machen würde. Wollte er die Flavier nicht zum Feind haben auf seinem weiteren Weg, dann tat er besser daran, nicht zu kneifen. „Soll mir recht sein“, erklärte er daher aufgeräumt. „Drei Monate klingt auch nach einem guten Zeitraum, um die Feier vernünftig zu planen – ganz abgesehen von den Verwandten in anderen Provinzen, die wenigstens der Vollständigkeit halber eingeladen werden müssen. Selbst wenn sie beschließen auf die beschwerliche Reise zu verzichten, sollten sie doch ausreichend Zeit haben zu planen.“ Sonst fühlte sich der ein oder andere schnell vor den Kopf gestoßen. „Werden deine Eltern kommen?“


    Die Frage, ob Nigrinas Anwesenheit nun erforderlich war, fand schnell eine Antwort, eine, die Aetius nicht wirklich überraschte. Er kannte Lupus erst seit ein paar Stunden, aber nach dieser Zeit hatte er ihn bereits so eingeschätzt, dass der Mann nicht übermäßig gefühlsduselig war. Es ging hier ums Geschäft, nichts weiter. Wenn die zwei verheiratet waren, würden sie noch genug Zeit haben, sich kennen zu lernen, noch dazu weit besser als es in irgendeinem steifen Rahmen möglich war – was die einzige Möglichkeit darstellte, wie die zwei sich vorab treffen konnten. „Ah, nein, für sie ist das unnötig vor der Hochzeit. Ich wollte dir nur das Angebot gemacht haben. Gibt es aus deiner Sicht noch etwas zu klären?“

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    Mit einem einigermaßen zufriedenen Nicken hatte Aetius die Antwort des Aureliers bezüglich der Haruspices kommentiert, aber nichts mehr darauf gesagt. Sogar ihm war klar, dass er bei gewissen Dingen nicht mehr der Tür ins Haus fallen konnte, und so musste das reichen, was Lupus andeutete, oder besser: was er glaubte zwischen seinen Worten und in seinem Tonfall herauszuhören. Stattdessen beschloss er nun das einzuleiten, weswegen sie eigentlich hier waren. Und er stellte schon bald fest, dass es vermutlich in mehr als nur einer Hinsicht ein Glücksfall gewesen war, dass sein Sohn doch nicht zum Zug gekommen war... und nun, dieser hatte noch die Mitgiftverhandlungen seiner eigenen Hochzeit vor sich, bei denen er beweisen konnte, was er drauf hatte. Hier jedoch, bei diesem Aurelier, das war zumindest Aetius' Einschätzung, war es doch besser, dass er selbst die Verhandlungen führte. Denn, das musste Aetius – wenn auch nur insgeheim – zugeben: der Aurelier erwies sich als zäher Verhandlungspartner. Nicht so zäh, dass er nicht dagegen ankommen würde, aber doch zäher... als er im Vorfeld spekuliert hatte. Wenn er danach ging, war Lupus wohl tatsächlich würdig, eine Flavia seine Frau zu nennen.


    Als sie sich dann schließlich einig waren, grinste Aetius schon wieder. So etwas war ganz nach seinem Geschmack. Geschäfte zu machen, das konnte er – irgendwoher musste ja auch sein Reichtum kommen, der sich ganz sicher nicht auf seinem Einfluss in Rom oder irgendwelchen wichtigen Posten gründete, auf die er immer verzichtet hatte. Er genoss das Leben viel zu sehr, um sich selbst mit Arbeit zu zu schaufeln, nur um Karriere in Rom zu machen. Die er – hier allerdings hätte Aetius selbst vehement Einspruch eingelegt – wohl auch kaum gemacht hätte, selbst wenn er es versucht hätte. Aetius war nicht der Typ von Mann, der geeignet war für so etwas. Fürs Geschäfte machen jedweder Art dafür umso mehr, und es machte ihm Spaß, sowohl die Gelegenheiten, wo er seinen Geschäfts- oder Verhandlungspartner über den Tisch ziehen konnte, als auch Verhandlungen wie diese, die nach einem zähen Ringen zu einem Ergebnis führten, mit dem beide durchaus zufrieden sein konnten. Aetius lehnte sich zurück. „Nun, ich überlege gleich bis zur Hochzeit hier zu bleiben. Ich gehe davon aus, dass du diese ebenfalls bald angehen willst?“ Aetius wusste, dass das Nigrina am liebsten wäre, aber das war Lupus' Entscheidung, damit würde sie sich abfinden müssen. „Es macht wenig Sinn, nach Ravenna zurückzukehren, nur um in wenigen Wochen wieder aufbrechen zu müssen.“ Er leerte den Becher und stellte ihn auf den Tisch. „Deine Zukünftige hast du ja schon kennen gelernt. Möchtest du sie jetzt trotzdem noch einmal treffen, oder reicht es dir, wenn du sie bei der Verlobungsfeier, sagen wir, offiziell kennen lernst?“

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    „Sicher ist er das...“ Aetius grinste ein wenig hinterhältig. „Die Ehe ist immer noch kinderlos, wie ich höre?“ Was nun in der Tat einen Nachteil für seine Verwandte darstellte, und wäre die Gens Flavia nicht so einflussreich und mächtig, wie sie nun einmal war, dann hätte es auch einen Nachteil für deren Familie bedeutet. Aber nun, die Flavia – die Gens, wohlgemerkt – war nun einmal einflussreich und mächtig. Und nur für den Fall, dass Celerina sich als unfruchtbar erwies – oder besser: lange genug kein Kind trug, dass ihr Mann sich von ihr trennte –, käme es den Aureliern sehr zugute, dann schon eine zweite Verbindung zu den Flaviern zu haben. Die idealerweise bereits einen Nachkommen vorweisen konnte, vorzugsweise einen männlichen, aber ein weiblicher tat's auch, um zu beweisen, dass Nigrina in der Lage war Kinder zu bekommen.


    Als es um seinen Sohn ging, meinte Aetius fast so etwas wie Genugtuung im Gesicht des Aureliers zu lesen, allerdings hielt dieser wohlweislich die Klappe, und nun, das war etwas, was er seinem Gegenüber durchaus anrechnete. So wie sich der Auftakt zu den Verhandlungen gestaltete, glaubte Aetius nicht daran, dass Lupus den Vorfall aus Schwäche überging – auch wenn ihm dieser Gedanke durchaus kam und er es bei den meisten Leuten für Schwäche gehalten hätte, genauer gesagt bei allen, die einfach zu lieb waren. Genau diesen Eindruck machte der Aurelier nämlich nicht auf ihn. Lupus mochte vieles ein, aber zumindest in einer Verhandlung war er nicht lieb. Respektive schwach. Und genau das stellte er auch wieder unter Beweis, als es um das Thema Haruspex ging. Langsam lehnte Aetius sich wieder zurück und trank einen Schluck von seinem verdünnten Wein, während er den Aurelier taxierte. Auch wenn die Haruspices nicht unbedingt den besten Ruf genossen, hielt Aetius diese Wahl nicht für schlecht, ganz im Gegenteil. Gerade weil die Haruspices nicht den besten Ruf genossen, hielt er es für keine schlechte Wahl. Wieder galt: er wollte kein Weichei. Weder für sich als Schwiegersohn, noch für seine Tochter als Ehemann. Zu all den anderen Gründen dazu fand Aetius, dass sie jemanden verdient hatte, der ihr gleichauf war. Andernfalls würde ihr nur allzu schnell langweilig werden. Deswegen wollte er letztlich wissen, warum Lupus sich das Collegium Haruspicium ausgesucht hatte, und nicht etwa eine andere Position im religiösen Spektrum. Nur: die Antwort des Aureliers war reichlich oberflächlich. Und dennoch meinte Aetius, auch hier zwischen den Zeilen lesen zu können... Dem Volk Roms die Richtung zu weisen... Diese Worte konnten durchaus verraten, dass dem Aurelier bewusst war, was er mit einer solchen Position alles anstellen konnte, und dass er auch gewillt war, es zu tun. „Nun, ich hoffe, dass du dem Ruf der Haruspices Ehre machen wirst. Ohne dabei den deinen aus den Augen zu verlieren.“ Wieder ein Lächeln. Das war die Kunst eines wirklich guten Haruspex: diesen Drahtseilakt zu leisten zwischen dem Nutzen der Macht auf der einen Seite und dem Verhindern, dass etwas davon an die Öffentlichkeit drang. „Aber genug geplaudert, meinst du nicht auch? Lass uns zum Wesentlichen kommen...“, fuhr Aetius fort. Und begann, Nigrinas Mitgift auszuhandeln.

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    Einen selbstsicheren Eindruck machte der Kerl, und das war ganz sicher nicht das Schlechteste, wie Aetius fand, im Gegenteil. Für Nigrina selbst hätte ein Weichei wohl auch etwas für sich, aber so sehr sie auch nach ihm schlug, sie war nun einmal eine Frau – und davon abgesehen wollte Aetius nicht, auch nicht über seine Tochter, mit einem Kerl verbandelt sein, der ein Schlappschwanz war. Er neigte den Kopf leicht in Erwiderung des Lobs über den Wein. Es war ihm nicht sonderlich schwer gefallen, ihn anzubieten, war es doch nicht seiner – aber natürlich würde er einen entsprechenden Obolus hier lassen dafür. „Freut mich, dass er dir schmeckt.“ Aetius trank einen Schluck, während der Aurelier nun auf seine Frage antwortete – und was er sagte und vor allem wie, ließ ein weiteres, breites Lächeln auf seinen Lippen erscheinen. Ehrgeiz: ein weiterer Punkt auf der Liste, die Aetius erfüllt sehen wollte in seinem zukünftigen Schwiegersohn. Und ganz nebenbei eine rasche Auffassungsgabe, weil er gar nicht erst anfing mit irgendwelchem Geseiere über Rom, das Aetius ohnehin nicht hören wollte – sondern seine Frage so verstanden hatte, wie sie gemeint gewesen war. Aetius lehnte sich ein wenig zurück. „Das ist gut zu hören. Die Aurelier haben derzeit durchaus einiges an Einfluss in Rom, das kann dir bis zu einem gewissen Grad sicher behilflich sein.“


    Die erste Runde, wenn man es so nennen wollte. Geplänkel, wie es auf unbeteiligte Zuhörer wirken mochte, aber wer zwischen den Zeilen zu lesen verstand, wusste, dass sie bereits in die Verhandlung eingestiegen waren, zunächst die Positionen absteckten. Dass der Aurelier das ebenfalls begriffen hatte, zeigte spätestens seine nächste Nachfrage, die allzu harmlos schien. Hätte Nigrina ihn nicht aufgeklärt über das, was vorgefallen war, Aetius hätte sich bei dieser Frage tatsächlich nur wenig gedacht. So aber war ihm klar, dass Lupus wusste, wovon er sprach. Ein weiteres breites Lächeln zeigte sich. „Sollte er auch. Aber es scheint, dass mein Sohn derzeit zu sehr mit... seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt ist, um sich adäquat um die Verlobung meiner Tochter kümmern zu können. Und da ich aus gegebenem Anlass ohnehin in Rom weile, hat es sich angeboten, nun doch selbst einzugreifen.“ Diesmal bekam sein Lächeln eine Note, das – trotz der äußerlichen Unterschiede – dem Nigrinas verblüffend ähnlich war. Fein wäre bei ihm ganz sicher der falsche Ausdruck, aber es war nicht ganz so breit, nicht ganz so jovial, dafür weit hintergründiger, und irgendwo in den Augenwinkeln versteckte sich dazu ein Zwinkern. Angemessen ernst wurde seine Miene jedoch gleich darauf, als Lupus sein Beileid aussprach. „Ich danke dir dafür. Keine leichte Zeit... aber das Leben geht weiter, nicht wahr?“ Jetzt neigte Aetius sich ein Stück nach vorn, bevor er unvermittelt das Thema wechselte – oder besser, zurückkam zu einem, das schon angeschnitten war. „Warum Haruspex?“

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    Und Aetius kam. Nachdem ihm der Sklavenjunge Bescheid gegeben hatte, dass sein Gast eingetroffen war – pünktlich, wie er zufrieden feststellte –, hatte Aetius sich noch ein wenig Zeit gelassen – es konnte nie schaden, einen Besucher ein wenig warten zu lassen, es durfte nur nie zu lange werden –, und machte sich auf den Weg ins Tablinum, dass er für diesen Zweck an diesem Tag für sich in Beschlag genommen hatte. Es war fraglich, ob ein Officium für das bevorstehende Gespräch nicht passender gewesen wäre... allerdings wäre es vielleicht auch wieder zu förmlich gewesen, zu sehr auf Distanz. Aetius hätte kein Problem damit gehabt, das Officium seines Sohns für sich zu beanspruchen, aber in Anbetracht der Tatsache, dass es bei den Verhandlungen um eine Hochzeit ging und der andere sein zukünftiger Schwiegersohn werden sollte, nicht sein Klient oder ein Angestellter oder sonst etwas, fand Aetius es passender, sich mit ihm im Tablinum zu treffen. Nicht zu förmlich, aber auch nicht zu locker, dafür symbolisierte es, dass Aetius zumindest gewillt war, seinem Gegenüber die Chance einzuräumen sich als gleichwertig zu erweisen. Und diese Chance ergriff der Mann besser, anderenfalls würde er ihm nicht seine Tochter anvertrauen.


    Der Flavier betrat also den Raum, und selbst wenn er sich nicht durch die üblichen Geräusche angekündigt hätte, wäre es für aufmerksame Gemüter spürbar gewesen, konnte Aetius doch eine Präsenz sein eigen nennen, die einen Raum zu erfüllen schien. Mit einem Lächeln, das ein wenig jovial war, bewegte er sich auf seinen Gast zu. „Aurelius“, grüßte er ihn, und auch in seiner Stimme schwang etwas Joviales mit, Freundlichkeit, Aufgeschlossenheit. Warum nicht ein wenig davon an den Tag legen, so war Aetius nun mal – die Menschen um ihn herum, die, die ihn noch nicht kannten, merkten früh genug, dass er in der Sache dennoch hart war. „Ich bin Aetius. Es freut mich, dass du gekommen bist. Alles zu deiner Zufriedenheit?“ Aetius wies auf den Becher in der Hand des Aureliers, ließ sich von einem Sklaven selbst einen reichen – innerhalb einer Stunde nach seiner Ankunft hatten die Sklaven des Hauses gewusst, was er bevorzugte –, und ließ sich ebenfalls nieder. „Wie hast du dich in Rom bisher eingelebt?“

    Nigrina erwiderte das Grinsen der Iunia. „Ja, das muss man wohl“, erwiderte sie und zuckte andeutungsweise die Achseln. „Letztlich sind diese Spinner aber nicht einmal die Aufmerksamkeit wert, die wir ihnen gerade schenken… Solang sie nicht gerade selbst in der Arena stehen.“ Ein weiteres Achselzucken, dann ein Lächeln und ein aufmerksamer Blick, als ihr Parther herein kam und die Iunia ebenfalls zu ihm sah. „Nun… wenn der Lanista deinem Iudaeer vertraut und er ihn schon länger hat…“ Nigrina würde ihm wohl selbst dann noch nicht vertrauen, nicht nach nur ein paar Wochen, aber meine Güte, das war nicht ihr Problem. Generell schien die Iunia in dieser Hinsicht aber etwas… nun ja… anders als sie selbst, um es mal so auszudrücken. Sie vertraute diesem Sklaven nach kurzer Zeit, sie legte Wert auf seine Meinung, und sie wollte ihn nicht kämpfen lassen, obwohl er Gladiator war. Nigrina legte den Kopf ein wenig auf die Seite und hörte sich Axillas Erklärung an, und sie musste immerhin eingestehen, dass diese durchaus logisch wirkte, setzte man in diesem Modell voraus, dass es um jemanden ging, der fast schon an der Grenze zur Armut kratzte. Und wenn eine Frau wie die Iunia sogar darauf angewiesen war, eigene Betriebe führen zu müssen – was in Nigrinas Augen für Frauen ein absolutes Unding war! –, um sich den Lebensunterhalt zu sichern oder einen Leibwächter leisten zu können… nun, eine solche Frau kratzte für ihr Verständnis an der Grenze zur Armut. Und dann machte es auch Sinn, dass sie mit ihrem Eigentum ein wenig vorsichtiger umging. Selten gab Nigrina zu, dass sie sich glücklich schätzen konnte um ihre Familie und deren Stellung und Reichtum, aber dies war so einer dieser Momente. Sie war ganz eindeutig froh darum, dass sie all die Privilegien in Anspruch nehmen konnte, die einer Frau ihrer Meinung nach auch zustanden im Gegenzug dafür, dass die Männer sich einbilden konnten das Sagen zu haben. „In der Tat… Tragisch, wenn dein Mann vor seinem Tod nicht dafür gesorgt hat, dass du ausreichend versorgt bist.“ Ob sie mit diesem Kommentar womöglich einen Finger in eine offene Wunde legte, fiel Nigrina gar nicht so wirklich auf. „Allerdings sollten sich nun ja wohl wieder die Männer deiner Familie verantwortlich fühlen. Dein Vater, Brüder, Onkel, Cousins…“


    „Oh ja, die Kondolenten… furchtbar.“ Nigrina nickte leicht und sah ein weiteres Mal in die Arena hinunter, angeregt durch Axillas Kommentar, bevor sie flüchtig den iunischen Sklaven abschätzig musterte, nur um sich dann wieder seiner Besitzerin zuzuwenden. „Dann heißt das im Grunde, dass du jetzt auch verschwindest? Sollen wir ein paar Schritte gemeinsam gehen?“ bot sie an. „Oh, du hast in Alexandria sogar gewohnt? Du bist aber nicht dort geboren, oder?“ Dann wäre sie ja fast schon eine Peregrina… Aber der Kommentar gerade hatte nicht so gewirkt. „Hört sich spannend an, muss ich sagen. Vielleicht komme ich ja tatsächlich auch einmal dorthin, wer weiß…“

    [Blockierte Grafik: http://img232.imageshack.us/img232/9697/acanthusmj4.jpgAcanthus


    Acanthus war, wie so häufig, reichlich griesgrämig. Dieser Tag schien jedoch auch nicht der seine zu sein, es waren ein paar Besucher gekommen, die er hatte abwimmeln müssen – nicht, dass er ein Problem damit hatte, Besucher abzuwimmeln. Aber es gefiel ihm nicht, wenn sie so schwer von Begriff waren und darauf bestanden, diesen oder jenen der Flavier zu sehen, völlig gleich ob diese im Haus waren oder nicht oder ob sie, also die Besucher, überhaupt einen triftigen Grund hatten, vorgelassen zu werden.


    Entsprechend mürrisch war sein Gesichtsausdruck, als er die Tür diesmal öffnete. Vor sich sah er einen Sklaven, dahinter aber, den Herrn, den erkannte er, war er doch häufiger hier im Haus zu Gast. „Was willst du?“ sagte er dennoch zu dem Sklaven, wie es sich gehörte, immerhin war dieser vorgeschickt worden, und nach kurzer Musterung der Einladung stellte er fest, dass der Aurelier dieses Mal tatsächlich nicht zu Furianus wollte. „Phoebus wird deinen Herrn hinein geleiten.“ Und dem Flavier Bescheid geben, dass sein Gast eingetroffen war.