Und von einem Moment auf den anderen war das Chaos in ihrem Kopf wie weggefegt. Da war nichts mehr von all den Gedanken und Fragen und Überlegungen. Es gab, für sie zumindest, kaum ein besseres Ventil für Frust, Ärger oder sonst etwas, was sie aufregte, als sich mit ihrem Mann zu vereinigen, auf genau die animalische Art, die jetzt aus ihnen herausbrach und für nichts mehr Raum ließ außer Leidenschaft. Das einzige was blieb war die Lust, das Feuer, das Sextus in ihr entfachte, der heiß lodernde Wunsch nach Rache und das noch heißer lodernde Begehren nach ihm. Ihr war völlig gleich, dass sie sich im Atrium befanden. In diesem Augenblick hätten sie sich sonst wo befinden können, und sie hätte sich trotzdem bereitwillig von ihm nehmen lassen. Ohne Rücksicht auf Verluste zerrte sie an seiner Kleidung, genügte doch auch ihr nicht das bisschen freie Haut, das sein Hals bot, umschlang ihn mit ihren Beinen, kaum dass er das möglich gemacht hatte, trieb ihn an, mit unartikulierten Geräuschen, Berührungen, Bewegungen. Und sie zerbarst in Flammen unter seinen Forderungen, seiner Rohheit, jedenfalls hatte sie das Gefühl, während sie alles gab und alles nahm.
Sie hielt ihn immer noch umklammert, während sie langsam wieder zu Atem kam, genoss die fortdauernde Nähe, die abklingende Hitze, sogar den vagen Schmerz, der in Teilen ihres Körpers aufgeblüht war bei der groben Behandlung... was sie auch dann nicht bereit war aufzugeben, als ein Räuspern erklang und anzeigte, dass sie nicht mehr allein waren – und keineswegs irgendwelche Sklaven da waren, die es mit Sicherheit nicht gewagt hätten, sie jetzt zu stören. Die einzige Reaktion allerdings, die von Nigrina kam, war ein leichtes Drehen ihres Kopfes, der an Sextus' Schulter ruhte, so dass sie den Störenfried betrachten konnte. Bei der Gelegenheit fiel ihr auf, dass ihr Mann rote Abdrücke auf seiner Schulter hatte... oh. Musste sie ihn wohl im Eifer des Gefechts gebissen haben, ohne es überhaupt zu merken. Während ihr Blick immer noch auf dem Kerl haftete, seine Reaktion, seinen Blick in sich aufsog, senkte sie ihren Mund auf das Mal und liebkoste das Stück Haut mit Lippen und Zunge. Sie stellte fest, dass ihr der Gedanke beinahe gefiel, dass der Störenfried möglicherweise schon länger da gewesen war... und gesehen hatte, was er nicht bekommen würde. Erst als der Fremde ging und ihr Mann sich nun ihrer Haut widmete, ließ sie ab von ihm, lehnte ihren Kopf an die Säule und streckte ihren Hals.
Was ihr Mann dann von sich gab, drang nur langsam in ihr Bewusstsein vor, aber als es das tat, war es durchaus dazu angetan, einen Teil dieser herrlich satten Zufriedenheit verfliegen zu lassen. Da war ja noch was. Tarquinia. Sie wollte nicht nach Tarquinia. Jetzt noch viel weniger, wo ihr gerade erst massiv vor Augen geführt worden war, auf was sie verzichten musste, wenn sie von Sextus getrennt wurde – und das womöglich für lange, lange Zeit. Sie wollte einfach nicht! Sie stöhnte leise auf, als Sextus sie ein letztes Mal gegen die Säule presste, lustvoll, aber auch ein wenig schmerzerfüllt, weil ihr Rücken protestierte gegen die neuerliche harte Behandlung. Als er sie dann hinunter ließ, blieb sie dennoch an ihn gelehnt weiter da stehen, ohne sich um ihre Blöße zu scheren, die durch das zerrissene Oberteil ihres Kleids zustande kam, das nur noch von dem schmalen Gürtel gehalten wurde. Mit jetzt wieder zärtlichen Fingern strich sie an einem Riss in seiner Tunika entlang, schob den Stoff beiseite und presste ihre Lippen auf die Haut darunter, knabberte daran. „Nimm mich mit. Nach Mantua.“ Ihre Stimme klang nicht nach einer Frage, obwohl es im Grunde eine war – selbst wenn er zuließ, dass sie ihre eigene Entscheidung über ihren Aufenthaltsort traf, hieß das noch lange nicht, dass er zuließ, dass sie ihn begleitete. Noch ein Kuss, dann sah sie auf zu ihm. „Mit Ursus als Teil eurer Verschwörung haben wir in Mantua die ganze Legio I um uns herum. Klingt für mich sicherer als Tarquinia... jedenfalls für mich.“ Der Fratz konnte gern zu den Cilnii geschickt werden. Irgendwann würde er sowieso dahin kommen, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass sich irgendjemand für ein Kleinkind interessieren würde. Darüber hinaus... „Für Lucius wäre es auch sicherer. Wenn nur er nach Tarquinia gebracht wird, kann dein Lehrer mit etwas Glück ganz verschleiern, wem er Unterschlupf gewährt. Bin ich dabei, dürfte das schwer werden.“ Schon allein, weil sie gar nicht einsehen würde, sich für jemand anderen auszugeben als sie war. Und wem wollte sie schon etwas vormachen? Sie war eine Flavia. Sie stammte von Kaisern ab! Blut wie dieses ließ sich einfach nicht verleugnen! Und auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering sein mochte, dass der Vescularius sich auf den Weg nach Tarquinia machte, um sich zwei wertvolle Geiseln zu krallen, die er bei gleich zwei Familien als Druckmittel einsetzen konnte... ganz von der Hand zu weisen war es eben doch nicht, dass er das tat. Nein, je länger sie darüber nachdachte, desto besser fand sie eigentlich ihre Idee. Auch wenn die zunächst nur daraus geboren worden war, dass sie nicht nach Tarquinia wollte. „Und wenn es in Mantua zu gefährlich wird, steht mir der Weg nach Tarquinia oder an einen anderen Ort immer noch offen.“