Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    Aha. Also hatte er nicht nur nichts von den Valerii gehört, weil er ein schlechtes Gedächtnis hatte und es sich nicht gemerkt hatte, sondern er hatte tatsächlich nichts von den Verwandten dieses jungen Mannes gehört, was es wert wäre, dass er es sich merkte. Sextus lehnte sich bequem in seinen Stuhl zurück und hörte weiter zu, während er den jungen Mann vor sich musterte. Ein echter homo novus, wie man so schön sagte, ohne nennenswerte Verbindungen. Sextus hatte schon einmal den Fehler begangen, solch einen Menschen nicht nur zu unterstützen, sondern auch zu unterschätzen. Wenngleich dieser Mann hier zumindest ein echter Römer war und kein halbwilder Barbar, der sich nur für einen ausgab.
    Die Schmeichelei in dessen Worten indes verfehlte ihr Ziel. Ja, Sextus war gebildet als Haruspex, ja, er bildete sich auch viel darauf ein. Aber Sextus wusste genau um seinen Ruf, und der bezog sich eher darauf, was die weniger gebildeten unter Roms Senatorenschaft von ihm hielten. Und diese waren bei weitem nicht so beeindruckt von seinem Wissen und seinen Kenntnissen, sondern hatten, so war es sein Eindruck, eher Angst davor, da sein Wissen deren Dummheit eher unterstrich und offensichtlich machte. Etwas, das gerade die feinere Gesellschaft nicht ertragen konnte.


    Alles in allem war Sextus also fast eher geneigt, abzulehnen. Allerdings gab es momentan wirklich ein Problem, bei dem ein junger Mann, der so dringend Anerkennung und Verbindungen brauchte wie dieser hier, ihm tatsächlich behilflich sein konnte und Arbeit abnehmen konnte. Sextus überlegte also kurz und ließ den Valerius so lange schmoren, ehe er die Fingerspitzen aneinanderlegte und schließlich antwortete.
    “Du sagst, dir hat das Studium des Rechts gefallen. Wie du vielleicht gehört hast, plane ich eine grundsätzliche Umgestaltung unseres momentanen Marktrechtes. Wenn du diese Aufgabe vor dir hättest, welche Dinge würdest du ändern?“ Es war erst einmal eine offene Frage. Vielleicht hatte der junge Mann ja sogar nützliche Ideen, die ihm selbst noch nicht gekommen waren. Oder aber, er fand das momentane Marktrecht sakrosant und nicht veränderungsfähig, dann wäre eine Zusammenarbeit hierbei wohl auch eher hinfällig. Im gesamten Bereich dazwischen könnte man es sich durchaus überlegen.

    Nachdem Sextus das Gefühl hatte, dass das Spektakel langsam beginnen sollte, begab er sich nach vorne, um von allen gesehen zu werden. Hier am Rand der Loge des Editors war er sich sicher, dass seine Stimme weit tragen und wohl von den meisten Besuchern auf den Rängen gehört werden würde. Immerhin war dieses Theater extra auf diese akustischen Eigenschaften hin so gebaut worden. Und einfach anzufangen, ohne einige Worte zu sprechen, wäre auch unziemlich gewesen.


    So stand er dann da, gemessen an den Umständen geradezu auffällig unauffällig gekleidet, und hob die Arme in Rednerposition.
    “Menschen der Urbs Aeterna!“ Immerhin waren heute nicht alles Römer, erst recht nicht Quiriten, und gerade diejenigen, die dies nicht waren, galt es heute anzusprechen. Immerhin war dieser Tag insbesondere für diese etwas besonderes! “Ich heiße euch herzlich willkommen zu diesen fröhlichen Spielen! Io Saturnalia! Vivat Saturn! Vivat Lua Mater!
    Heute sind wir alle gleich! Heute sind wir alle Brüder und Schwestern des goldenen Zeitalters, einer Zeit des Überflusses und des Segens, des Friedens unter den Menschen! Keine Verbrechen, keine Gewalt, die friedliche Erde gab jedem Nahrung und Trinken im Überfluss, so dass ein Wort wie Hunger oder Mangel unbekannt war. So soll es auch hier für uns sein! Esst, trinkt, feiert!“


    Auf diese Einladung hin kamen einige Diener aus den Treppenbereichen des Theaters in die Ränge, jeder beladen mit einem Holztablett vor dem Bauch voller Leckereien: belegte Brote, gegrillte Fleischspieße, Kannen voll Wein und Becher, um diesen auszuschenken, Obst und Käse. Nur heute nahmen sie für diese Leckereien, die sie sonst verkauften, kein Geld, sondern teilten nach hierhin und dahin einfach aus. Wenn sie alles verschenkt hatten, gingen sie zurück und kehrten kurze Zeit später wieder, um weiter zu machen. Jeder, der wollte, würde wohl die eine oder andere, kleine Leckerei bekommen können.


    “Aber nun will ich euch nicht weiter warten lassen und fasse mich daher kurz: Zu Ehren der Lua Mater sollen alle benutzten Waffen im Anschluss an die Tierhetzen verbrannt werden. Aber bis es so weit ist, mögen die Spiele beginnen!“


    Und auf dieses Zeichen hin öffneten in der Arena einige Helfergroße Vogelkäfige, woraufhin sechzig schneeweiße Tauben davonstoben und hier und da eine feine, weiße Daunenfeder zurück zur Erde sank. Im selben Augenblick öffneten sich dann auch die Tore der Arena, und von einigen Treibern herausgescheucht stoben drei Dutzend Gazellen in den Sand und beeindruckten das Publikum mit ihren Sprungkünsten, während sie versuchten, dem großen Rund zu entkommen.
    Die Jäger ließen die Tiere einen Moment allein in der Arena wirken, sich orientieren, einfach laufen. Die beiden Männer warteten auch weiterhin am Rand, als mit einem Mal die Biga mit den beiden Amazonen anfuhr und dabei den Staub unten aufwirbelte. Eine Amazone lenkte den Wagen geschickt in einer komplizierten Schlangenlinie quer durch die Arena, während die andere einen gewaltigen Bogen spannte. Die Gazellen sahen die Gefahr und stoben auseinander, doch mit einem Sirren verließ da auch schon der erste Pfeil den Bogen und fand sein Ziel im Herz eines springenden Bockes, der sogleich niedergestreckt liegen blieb. Die Jagd war eröffnet.

    Nun, einen Teil seiner Verwandtschaft dürfte Saturn gerne auch auffressen, wenn es nach Sextus ging. Da der Gott ihm diesen Wunsch aber wohl ohnehin nicht erfüllen würde und es auch ein wenig seltsam anmuten würde, solcherlei zu antworten, quittierte Sextus den frommen Wunsch nur mit einem huldvollen Nicken.
    Was hernach folgte, war eine etwas ungewöhnliche Einlassung. Der junge Mann kam also aus Athen – welch Zufall, lebten Sextus' Eltern doch ebenfalls dort – und wollte nun in Rom seine Laufbahn beginnen, indem er ein Tirocinium Fori ableistete. Durchaus ähnlich hatte Sextus es seinerzeit ja auch gehalten, als er bei Flavius Furianus das seinige ableistete. Wenn also durchaus aufgrund jener Parallelen eine gewisse positive Grundstimmung vorherrschte, waren die Informationen für Sextus aber in ihrer Gesamtheit noch ein wenig dürftig. “Ein tirocinium fori ist durchaus ein löblicher Schritt im Leben eines jungen Mannes. Aber bevor ich dazu ja oder nein sage, wüsste ich gerne ein wenig mehr. Erzähl mir etwas über deine Familie, und ebenso, was sind deine Ziele, wo willst du einmal hin? Und gibt es einen Grund, warum du gerade mich darum bittest und keinen der anderen Magistrate?“
    Sextus hatte ein phänomenal schlechtes Gedächtnis bisweilen, so dass es nichts heißen musste, dass er noch von keinem Valerier auf irgend einem wichtigen Posten gehört hatte. Dennoch wollte er sich lieber rückversichern und erfragen, wer dieser junge Kerl vor ihm eigentlich war.

    Reunan sah den jungen Mann noch einmal etwas abschätzend an. Eigentlich hatte sein Herr so viele Sklaven, dass er keine Angestellten in dem Sinne brauchte. Aber es waren Saturnalia, der Herr war ohnehin zugegen und empfing gerade noch Bittsteller und Reunan durfte sowieso nichts entscheiden. Also nahm er das ganze auch nicht schwer und öffnete die Tür noch ein wenig weiter.
    “Dann folge mir bitte ins Tablinum

    Als Aedil war Sextus natürlich nicht nur in der Basilica anzutreffen. Genau genommen war er dort nur zu ausgesuchten Zeiten anzutreffen, einen Teil des Tages ging er anderen Verpflichtungen nach, und schließlich und endlich gab es einen Teil des Tages, zu dem er zuhause war und tatsächlich hier Besuch empfing. Heute war so ein Tag und dieser Augenblick auch so eine Zeit. Sextus hatte also mehr oder weniger seine morgendliche Salutatio zu einer vormittäglichen Sprechstunde erweitert und saß noch immer im Tablinum. Anlässlich der Saturnalien nicht in Toga, sondern einfach gekleidet. Dennoch gingen seine Sklaven selbstverständlich ihren Pflichten nach, wenngleich der Maiordomus sie etwas großzügiger eingeteilt und so jedem Sklaven am einen oder anderen Tag sehr viel Freizeit beschert hatte.


    Der Strom schien gerade wieder vorüber zu sein, als der Ianitor doch noch einen jungen Mann anschleppte und als Valerius Flaccus vorstellte.
    “Io Saturnalia, Valerius. Was kann ich für dich tun?“ fragte Sextus freundlich. Mittlerweile war er zwar etwas erschöpft von dem ewigen Blabla der verschiedenen Personen, allerdings wurde man nicht Senator, wenn man nicht gewohnt war, zermürbend lange Reden mit anzuhören – insbesondere, wenn Gegenredner durch Dauerreden versuchten, eine Abstimmung zu verhindern und einfach solange weiter faselten, bis es gewitterte, so dass die Senatssitzung abgebrochen werden musste.

    Io Saturnalia!


    So hallte es nicht nur durch die Straßen, sondern auch allerorten in den langen Schlangen vor dem Theatrum Flavium, wo sich die Massen Einlass erbeten wollten. Auch wenn allen noch die Ereignisse der letzten, größeren Spiele noch in den Knochen steckten, heute an den Saturnalien wollte niemand so recht daran denken und einfach fröhlich sein. Und überhaupt war für viele Menschen heute ein ganz besonderer Tag, denn anders als zu allen anderen Zeiten des Jahres, zu denen nur Römer Zutritt zu den Spielen hatten, waren in diesen Tagen all jene Grenzen aufgehoben und sie alle waren freie Menschen im goldenen Zeitalter des Saturn, einander in Freundschaft zugetan. Und das wiederum bedeutete, dass heute ausnahmsweise auch Peregrini und sogar Sklaven einen Platz ergattern konnten und sich genau wie freie Römer unterhalten lassen konnten.


    Natürlich war aber auch für die Sicherheit gesorgt. Sextus hatte alle Einheiten, die die Urbaner hierfür abstellen konnten, angefordert, den Frieden der Veranstaltung aufrecht zu erhalten und Unruhestifter sofort auszusortieren. Darüber hinaus hatte er auch eigene Leute bezahlt, um die Urbaner zu unterstützen. Und schließlich und endlich war auch die Cohorte der Segelraffer der Classis zugegen, die jetzt im Winter wohl weniger Segel zu raffen hätten.


    So aber nahm Sextus in der Loge des Editors Platz und wartete, dass sich die Reihen füllten, während in der Arena sich schon einmal die Jäger präsentierten: Es waren zwei Männer, einer bewaffnet mit einem Speer, der andere mit einem Bogen, und ebenso zwei nubische Amazonen in Leopardenfell, ebenso ausgerüstet und zudem in einer wundervoll anzusehenden Biga fahrend. Fröhlich winkten sie den Menschen auf den Reihen zu.
    Auch dort war heute alles lockerer, da an den Saturnalien niemand Standesabzeichen trug. Da schummelte sich schon einmal ein Plebejer zu den Patriziern und ein Ritter zu den Senatoren. Heute würde das wohl niemand allzu genau nehmen, solange man sein Gegenüber nur freundlich grüßte und auf die goldenen Zeiten anstieß.

    Es klopfte, und Reunan öffnete die Tür. Der hünenhafte Pikte hatte mittlerweile seine Stelle als Ianitor behaupten können, und gelegentlich erinnerte sich sein Herr sogar an ihn. Er nannte ihn zwar nur den Ianitor, aber immerhin, ein Fortschritt.


    Der rothaarige Riese öffnete also die Tür und sah auf den Klopfenden... oh, so weit runter musste er nicht schauen. Reunan korrigierte also seinen schon gewohnten Blick ein wenig nach oben, ehe er seine Version eines freundlichen Lächelns präsentierte. Da sein Herr nun Aedil war, sollte er wohl besonders freundlich sein. “Ja, bitte?“

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    ~~~ Die Aediles Curulis geben bekannt! ~~~


    Einwohner Roms!


    Anlässlich der Saturnalien sind am Feiertag der Lua Saturni (ANTE DIEM XIV KAL IAN DCCCLXVIII A.U.C. (19.12.2017/114 n.Chr.) Tierhetzen im Theatrum Flavianum zu bewundern!
    Werdet Zeuge von der Jagdkunst der besten Jäger des Reiches, wie sie Gazellen und Löwen erlegen! Bestaunt den Kampf eines großen, roten Stieres gegen gleich 3 Hunde!


    Zur Feier des goldenen Zeitalters ist es auch Peregrinen und Sklaven gestattet, auf den hinteren Reihen Platz zu nehmen und dem Spektakel beizuwohnen


    ~~~ Die Aediles Curulis geben bekannt! ~~~



    Sim-Off:

    Ab morgen gibt es dann auch einen entsprechenden Thread und Angebote in der WiSim. ;)

    Zwar hatte er als Aedil auch eine Präsenz in der Basilica Iulia, wo man ihn oder seinen plebeischen Amtskollegen zu aushängenden Sprechzeiten antreffen konnte, doch arbeitete Sextus die meiste Zeit natürlich zuhause in seinem Officium. Hier hatte er es weitaus bequemer als mitten in der Stadt, und vor allen Dingen hatte er hier auch die Ruhe, sich um die vielen Kleinigkeiten auch mit entsprechender Konzentration zu kümmern. Insbesondere seiner Pläne zur Änderung der Marktgesetze kam dies zu gute, aber auch andere Dinge vom Tag pflegte Sextus in den ruhigen Abendstunden noch schnell aufzuarbeiten, ehe sie noch aus dem Gedächtnis schwanden.


    Zur Arbeitserleichterung hatte er sich auch eine Vorlage geschaffen, die er nur nach den jeweiligen Gegebenheiten abändern musste. Nun, ehrlicherweise war diese Vorlage von anderen Aediles geschaffen worden, aber wie dem auch sei: Sie war nützlich:


    EDICTUM AEDILIS CURULIS
    DATUM
    (Datum)


    Wegen Verstoßes gegen § 5 (X) der Lex Mercatus durch VERSTOSS erhebe ich gemäß § 8 (1) der Lex Mercatus eine Geldstrafe von XX Sesterzen von YY.
    Die Strafe ist binnen einer Frist von zwei Wochen ab Verkündung des Edikts zu zahlen.


    Beschwerde oder Einspruch ist an den amtierenden Consul zu richten.


    Edikte


    S.d.A. - Stornierung des Angebots | A.d.B. - Abgabe/Auflösung des Betriebs | k.R. - keine Reaktion | VASG - Vorgang abgeschlossen und/oder Strafe gezahlt



    Betriebseröffnungen



    Namensänderung Betriebe



    Eigentümer- oder Besitzerwechsel Betriebe


    Eingetragene Angestellte



    Betriebsschließungen

    Kurz war Sextus durchaus verwirrt von der dermaßen ignoranten Antwort des Claudius. Das hatte man offenbar davon, wenn man ernsthaft gutgemeinte Ratschläge erteilte. Sextus fand es eigentlich nicht schwer zu verstehen, einer friedlichen Gottheit mit einem friedlichen Fest zu huldigen. Aber wenn der Claudius darauf bestand, die Göttin des Miteinanders mit einem Wettkampf des Gegeneinanders zu ehren, konnte er ihn wohl nicht aufhalten. Sollte die Göttin deswegen aber zürnen und ein Opfer ablehnen, konnte der Claudier nicht behaupten, man habe es ihm ja nicht vorher gesagt.
    “Ich werde es dich dann zeitnah wissen lassen“, antwortete Sextus nur innerlich kopfschüttelnd und zog sich dann zurück.


    Bei der direkt an ihn gerichteten Frage allerdings hob er die Augenbraue. War das ein Test um sein religiöses Wissen? “Da es sich um ein Agonium handelt, wird der Rex Sacrorum in der Regia einen weißen Widder opfern“, stellte er schlicht fest. So war das bei jedem Agonium, es gab keine Abweichungen vom Protokoll in diesen Dingen.


    Dass auch der Kaiser sich engagieren wollte, nahm Sextus zum Anlass, selbst einen Vorschlag zu bringen. Vermutlich würde der Claudier auch hier wieder alles anders machen wollen, dennoch war Sextus nicht gewillt, diese ohnehin etwas langweilige Senatssitzung nicht zumindest mit Fachwissen zu füllen.
    “Die Consualia am Circus Maximus werden von den Pontifices ausgerichtet. Als Pontifex Maximus böte sich eine Teilnahme regelrecht an.“

    Dass er sich versprochen hatte, merkte Sextus erst, als der Claudier ihn berichtigte. Er hatte auch die Ludi Palatini im Frühjahr gemeint, nicht die Ludi Plebeii im Spätherbst. War aber auch jetzt gleichgültig, dieses Detail war nicht so wichtig, als dass er sich jetzt korrigieren musste. Also ließ er den Teil stehen, ignorierte das Rumgeeiere, dass sie beide Wagenrennen veranstalten könnten, und konzentrierte sich aufs Wesentliche.
    “Als der ranghöhere Magistrat steht es dir natürlich zu, den Vorrang zu erhalten, wie auch immer du dies wünscht. Wenn mir als Haruspex allerdings die Anmerkung erlaubt ist:
    Concordia ist die Göttin der Eintracht, des friedlichen Miteinanders und des Friedens, die vor allen Dingen die Zusammenarbeit in uns Menschen erwecken soll. Ich bezweifle, dass sie besonders viel Gefallen an einem Wettkampf hat, bei dem es darum geht, den Gegner abzudrängen, einen Sieger zu ermitteln und hin und wieder einer der Kontrahenten unter lautem Jubel stirbt. Eine friedlichere Veranstaltung wäre wohl eher im Sinne der Göttin.
    Hingegen darf das Volk zu den Equirria durchaus auf dem Marsfeld Wettrennen erwarten, wie es die Tradition verlangt. Wie gesagt würde ich dir, Claudius, da auch den Vorrang überlassen, wenn du dies wünscht, oder eben eine Zweiteilung zu den Ludi Palatini und den Equirria, ganz zu deinem Belieben.“


    Damit war dieser Punkt wohl geklärt und alle konnten sich auf die weiteren Punkte wie die anstehenden Tiberinalia konzentrieren.

    Gänzlich sicher, wie der neue Consul seine Frage meinte, war sich Sextus nicht. Unter Umständen meinte er nur den religiösen Teil diverser Feiertage, doch hatten etliche Feiertage ja auch Anteile, die über das eigentliche Opfer hinaus gingen. Doch auch diese gehörten natürlich ebenso zu den kultischen Verpflichtungen, und auch hier wären Dopplungen zu vermeiden. Und insbesondere wollte Sextus höchstselbst auch vermeiden, sich eine Menge Arbeit zu machen, die umsonst wäre, da Consul Claudius eigene Pläne hatte und als ranghöherer Magistrat den Vorzug einforderte.
    Wenngleich seine Antwort also vielleicht, vielleicht aber auch nicht den Kern der Frage trafen, erhob sich Sextus, um seine Planungen für dieses Amtsjahr vorzustellen und so mögliche Dopplungen zu vermeiden.
    “Patres Conscripti, werter Consul. Meine Planungen für meine Amtszeit umfassen vor allen Dingen drei öffentliche Festlichkeiten. Ich plane, zu den Saturnalien Tierhetzen zu veranstalten, und zu den Equirria im Februarius natürlich Wagenrennen. Da Consul Claudius bereits in seiner Kandidaturrede darauf verwiesen hat, selbst an den Ludi Plebei tätig zu werden anstatt deren Ausrichtung den Aediles zu überlassen, sieht meine bisherige Planung vor, sofern nichts dagegen spricht, an den Compitalia im Januarius Gladiatorenspiele zu veranstalten. Jeweiliges ist natürlich eingebunden in den üblichen Festablauf jedes Festes, bei den Compitalia insbesondere mit der Societas Germanitas Quadrivi.“
    Seine weiteren Planungen für diese Amtszeit waren eher gesetzgebender oder kontrollierender Natur und mussten an dieser Stelle wohl nicht erörtert werden, insbesondere, da hierbei auch keinerlei Konkurrenz zu befürchten war.

    Es war eine Weile her, seitdem Sextus zum letzten Mal hier gestanden hatte und einen Amtseid aufgesagt hatte. Und heute war er auch ein wenig früher an der Reihe als beim letzten Mal, so dass ihm weniger Zeit blieb, die Worte im Geiste noch einmal zu wiederholen. Allerdings wusste er auch, dass – wie bei jeder religiösen Zeremonie – eine Schriftrolle mit dem einzuhaltenden Wortlaut bereitliegen würde, so dass eigentlich nichts schiefgehen konnte.
    Als er an der Reihe war, löste er sich also aus der Gruppe anderer Senatoren und nahm seinen Platz ein, um zu schwören:


    “Ego, Sextus Aurelius Lupus, hac re ipsa decus imperii romani me defensurum, et semper pro populo senatuque imperatoreque imperii romani acturum esse sollemnitter iuro. Ego, Sextus Aurelius Lupus, officio aedilis curulis imperii romani accepto, deos deasque imperatoremque romae in omnibus meae vitae publicae temporibus me culturum, et virtutes romanas publica privataque vita me persecuturum esse iuro.
    Ego, Sextus Aurelius Lupus, religioni romanae me fauturum et eam defensurum, et numquam contra eius statum publicum me acturum esse, ne quid detrimenti capiat iuro.
    Ego, Sextus Aurelius Lupus, officiis muneris aedilis curulis me quam optime functurum esse praeterea iuro. Meo civis imperii romani honore, coram deis deabusque populi romani, et voluntate favoreque eorum, ego munus aedilis curulis una cum iuribus, privilegiis, muneribus et officiis comitantibus accipio.“


    Und damit war er eingeschworener Aedil.

    Der in etwa einer Woche frisch gebackene Aedil saß an seinem Schreibtisch, vor sich einige Wachstafeln, die meisten noch unbeschrieben, und eine Abschrift der aktuellen Lex Mercatus, und grübelte. Ein neues Gesetz zu schreiben war gar nicht so einfach, wie es sich manchmal anhörte. Sextus wollte um jeden Preis die Fehler, die bei der alten Lex Mercatus gemacht worden waren, nicht wiederholen und eindeutige, leicht verständliche Formulierungen finden, die hoffentlich bei keinem der anderen Senatoren Anstoß nehmen würden, so dass am Ende tatsächlich eine neue Lex auf den Weg gebracht werden konnte. Aber so wirklich weit war Sextus noch nicht damit, seine Gedanken in eben solche Worte zu fassen.
    Auf einer Wachstafel war zu finden:

    Eigentum und Besitz
    1. Eigentümer einer Sache ist derjenige, der die rechtliche Gewalt über diese Sache ausübt. Eigentümer einer Sache kann nur ein freier Mensch sein.
    2. Der Eigentümer einer Sache ist grundsätzlich berechtigt, mit dieser Sache zu verfahren, wie er es möchte, sofern er dadurch nicht die Rechte Dritter verletzt, andere gefährdet oder andere Rechte dieses Recht im Einzelfall einschränken.
    3. Der Eigentümer kann eine Sache einer Dritten Person zum zeitweiligen oder dauerhaften Besitz überlassen. Hierdurch verliert er nicht sein Eigentum an besagter Sache.


    Fehlt noch: Enteignung? Ersitzung? Kein gutgläubiger Erwerb von Hehlerware (vgl. Cod. Iur?)? Miete? Leihe? Recht auf Herausgabe?
    Eventuell wäre ein eigenes Eigentumsrecht empfehlenswert?


    Auf einer anderen Tafel fand man verschiedene Gedankenfetzen:

    Betriebsbeschränkung für CD und ER raus
    Betriebe 4 -> 5
    Beschränkung Anzahl gleicher Betriebe raus
    Recht, Erbschaften zu verkaufen -> unbegrenzt?
    Städte Erbschaften verkaufen
    Preisbeschränkungen anpassen auf durchschnittliche Preise
    Verkauf von nicht erhältlicher Ware durch Staat
    Strafbefreiung durch Selbstanzeige!


    Und vor Sextus war eine weitere Tafel, die darauf harrte, nun beschrieben zu werden mit etwas, das man einen sinnigen Paragraphen nennen konnte. Doch auch nach einigen Minuten intensiven Starrens stand dort nichts. Und just in diesem sehr frustrierenden Moment klopfte es an der Tür.
    “Intra“ rief Sextus, der einerseits sich über die gestörte Konzentration ärgerte, andererseits aber götterfroh war, aus eben jener gerissen worden zu sein, ehe sich zur Frustration noch obendrein Kopfschmerz gesellen konnte.
    Als die Tür sich öffnete, erblickte er auch den jüngeren der Tiberier-Brüder. “Ah, Tiberius Merula! Komm herein. Was führt dich zu mir?“ Die leere Tafel wanderte schnell und beiläufig wieder auf den Stapel zu ihren jungfräulichen Schwestern, während Sextus sich erhob, um seinem Gast entgegenzukommen.

    Wenn es nach Sextus gegangen wäre, hätte er dem jungen Flavius das Schicksal erspart, Wasserträger des Claudius zu werden. Er hätte ihn durchaus auch für das prestigeträchtigere Amt des Quaestor Principis vorgeschlagen, so dass der Flavius dem Augustus dienen könnte.
    Allerdings hatte sich der junge Mann ja mehr oder minder genau das gewünscht. Und es wäre widersinnig, Gracchus Minor erst nach seinen Wünschen zu fragen, und eben jene hernach zu ignorieren. In der Hoffnung, im Sinne seines Freundes Gracchus Senior zu handeln, erhob sich Sextus also.
    “Ich sehe keinen Grund, warum man dem jungen Flavius seinen Wunsch verwehren sollte. Da der Senat ihm mit so großer Mehrheit sein Vertrauen ausgesprochen hat, das Amt eines Quaestors erfüllen zu können, und das in dem Wissen, welchen Posten er genau präferierte, sollten wir meiner Meinung nach auch das Vertrauen in ihn im gleichen Maße haben, zu wissen, was er sich wünschte. Daher bin ich dafür, Flavius Gracchus Minor seinen Wunsch zu erfüllen und ihn zum Quastor Consulum zu ernennen.“

    Sextus schenkte dem Tiberier ebenfalls einen Becher des guten Roten ein – selbstverständlich verdünnt, nur Barbaren tranken puren Wein. Allerdings nur mit moderatem Wasseranteil, zur Feier des Tages. Noch immer lächelnd übergab Sextus den Becher an seinen griesgrämigen Gast. Kurz überlegte er, ob er den Mann darüber aufklären sollte, dass einem Lügen eher geglaubt wurden, wenn man dabei lächelte. Und dass der Tiberier hier unbedingt und von Herzen gratulieren wollte, glaubte Sextus einfach nicht. Das hier hatte mehr etwas von einem Pflichtbesuch, einer Sache, die eben erledigt werden musste, ehe man sich spaßigerem zuwenden konnte.
    Wobei in diesem speziellen Fall 'spaßiger' wohl das falsche Wort war. Sextus war sich nicht einmal sicher, ob Tiberius Verus lächeln konnte, selbst wenn er wollte. Was wohl mit der Hauptgrund war, warum Sextus auf lehrerhafte Belehrungen verzichtet. Das, und die Tatsache, dass wohl gutgemeinte Ratschläge bei diesem Mann verschwendet wären. Würde er solche annehmen, wäre er als Patrizier nicht popeliger Centurio, sondern wenn schon beim Militär, dann doch Tribun oder Legat.


    So aber stieß Sextus nur mit dem Tiberius einmal an und nahm dann einen weiteren Schluck. “Ich danke dir sehr. Ich gebe zu, nicht mit einem derart eindeutigem Ergebnis gerechnet zu haben, was diesen Tag durchaus zu etwas besonderem macht. Meine Erwartungen werden nur höchst selten übertroffen. Was allerdings auch im Umkehrschluss bedeutet, dass ich nun auch halten muss, was ich versprochen habe. Hast du irgendwelche Anregungen für meine Amtszeit als Aedil?“
    Sextus glaubte zwar nicht, dass es so war. Aber es wäre unhöflich gewesen, nicht wenigstens zu fragen.

    Als er die Worte von Tiberia Corvina hörte, sah er sich genötigt, erneut Bescheidenheit angesichts anderer Leute Dankbarkeit zu zeigen. Da erarbeitete man sich jahrelang den Ruf, ein unausstehlicher Großkotz zu sein, und dann machte man einmal etwas großzügiges, und alle überhäuften einen mit Dankbarkeit! Das war... ungewohnt. Normalerweise wurde er angegiftet und angeblafft.
    “Es gibt nichts wichtigeres, als seinen Freunden in der Not beizustehen, Tiberia. Und ich sagte es bereits und wiederhole es gerne noch einhundert Mal: Die Freude deiner liebreizenden Gesellschaft ist mir Dank genug.“


    Ein wenig fühlte Sextus sich gerade wie der Hahn im Korb, umringt von seinen weiblichen Verwandten, die Kaiserin am Arm und Tiberia Corvina direkt vor sich. Da war es nicht leicht, das richtige maß an Charme jeder der Damen zukommen zu lassen und keine zurückzusetzen, auf das hoffentlich keine Eifesüchteleien aufkamen. Wenngleich es wohl sowohl schmeichelnd wie auch unrealistisch erschien, dass die Damen seinetwegen aufeinander eifersüchtig sein könnten.
    “Insbesondere, wo doch alle Damen hier diesem Fest erst den richtigen Glanz verleihen. Dies wäre doch eine furchtbar langweilige Veranstaltung ohne euer aller Anwesenheit hier“, verteilte er also noch ein Kompliment an alle Damen gleichermaßen und hoffte, damit den richtigen Ton getroffen zu haben.

    Und da war sie dann auch wieder weg. Sextus sah ihr noch einmal kurz nach und zuckte dann die Schultern. So war das einfach, wenn Gäste ihre Sklaven mitbrachten und alle sich bemühten, harmonisch zusammenzuleben: Jeder machte es so, wie er es bisher kannte, und Unterschiede fielen schneller auf. Sextus war weit entfernt davon, irgend etwas davon als Problem zu betrachten.


    Er widmete sich also gerade weiter seinem Wein, als es erneut anklopfte. (Heute war hier aber auch ein Verkehr!) “Intra“ rief Sextus noch immer fröhlich. Als die Tür sich also öffnete, sah er auch gleich schon den im Gegensatz zu ihm immer sauertöpfisch dreinblickenden Tiberius Verus. Von irgendwelchen Antipathien nichts wissend und viel zu gut gelaunt, um sich von einem Gesichtsausdruck davon abbringen zu lassen, grüßte Sextus also fröhlich den etwas unpatrizischen Patrizier. “Ah, Tiberius! Möchtest du mit einem Wein auf diesen wundervollen Tag mit mir anstoßen?“