Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    Ehrlosigkeit war ein lustiges Wort in Bezug auf weibliche Gefühlswallungen und deren Auswüchse. “Ich kenne deine Schwester nicht, aber sie wäre nicht die erste, die ihre Unschuld durch Duccius verliert. Und diese Mädchen wurden sicher auch als ehrbar betrachtet.“ Sextus zuckte die Schultern. Im Grunde war das ein eher unwichtiges Detail.


    Bei dem Einwurf des Senates runzelte Sextus dann aber doch die Stirn. Es klang beinahe so, als wolle Lepidus ihn irgendwie zurechtweisen. Wobei Sextus nicht wusste, was an seiner Einschätzung der Situation so etwas hervorgerufen haben sollte. Noch dazu von einem Klienten. “Natürlich hat der Senat darüber zu befinden. Aber Duccius wäre ein Narr, würde er sich nicht vor seinem nächsten Antrag – welcher Art auch immer – hierfür vor dem Senat vernünftig erklären. Und entschuldigen.“
    Irgendwie machte das Verhalten des Tiberius für Sextus recht wenig Sinn. Vermutlich war ihm irgendeine Information entgangen, die den Zusammenhang erschließen würde. Aber in Absenz eben jener konnte Sextus eben das nicht.
    Ohnehin lenkte sein Gegenüber das Gesprächsthema wieder – diesmal gänzlich unsubtil – auf die Grundstücksfrage. “Noch ist deine Amtszeit nicht vorüber, daher bleibt noch Zeit. Ich werde darüber nachdenken“, schloss er dieses Thema damit für sich ab.

    Ah ja, sehr subtil...
    “Oder vielleicht hat er sie geschwängert und sie ist nun der Wahnvorstellung verfallen, dass sie ihn heiraten müsse und nicht irgendwo heimlich das Kind bekommen könnte, um hinterher standesgemäß zu heiraten. Oder trotzdem vernünftig verheiratet zu werden, immerhin ist eine Schwangerschaft kein Hinderungsgrund.“ Sextus zuckte mit den Schultern. Auch das lag erfahrungsgemäß sehr im Bereich des Möglichen.
    “Und man merkt, dass du noch nie verheiratet warst, wenn du denkst, dass irgendeine Frau dieser Welt irgendwann einmal zur Vernunft kommen wird. In jedem Fall, vor allem, wenn deine Schwester hier renitent ist, solltest du mit Duccius reden, um klare Verhältnisse zu schaffen. Dann allein weißt du, woran du bist und ob an dieser Heiratssache etwas dran ist oder nicht. Und kannst entsprechende Maßnahmen ergreifen. Zu warten, bis sich alles von allein löst, ist nie eine gute Wahl, da die meisten Dinge einem eben diesen Gefallen nicht tun.“


    Bei dem zweiten Einschub glaubte Sextus dann schon fast, dass eine solche Ehe dem Tiberius gar nicht so unrecht wäre. Immerhin verteidigte er hier jetzt noch den Mann, der zu einem Zwist in seiner engsten Familie geführt hatte. Und höchstwahrscheinlich seine Schwester verführt hatte. Welchen anderen Grund sollte dieses Zurückrudern haben, obwohl die Sachlage an sich eigentlich einen gerechten Zorn auslösen müsste?
    “Und was deinen Gerichtsfall angeht, kommst du so oder so um eine Neuverhandlung dann nicht drum herum. Wenn der Duccius verhindert war, hätte er den Fall weitergeben müssen. Irgendwo im Codex Iuridicales gibt es dazu einen Paragraphen, den ich nachschlagen müsste.
    Und jetzt, nach all dieser Zeit und diesen Verwicklungen mit deiner Schwester, ist er als Iudex auszuschließen, da er entweder mit dir bald verschwägert sein wird oder selbiges plant, oder aber irgend etwas mit deiner Schwester angestellt hat, dass sie selbiges denkt. In jedem Falle ist er persönlich in deine familiäre Lage involviert, damit nicht neutral und unbefangen und damit als Richter auszuschließen. Abgesehen davon, dass seine Amtszeit noch vor deiner stattgefunden hat und nach dieser langen Zeit eine Wiederaufnahme durch ihn selbst wohl glatt als Amtsanmaßung durchgehen könnte. Er ist schon eine geschlagene Wahlperiode nicht mehr Prätor. Schlimm genug, dass er sich an seinen eigenen Gesetzesvorschlag nicht gehalten hat und wenigstens einen Bericht über seine Tätigkeit dem Senat bislang vorgelegt hat.
    Von daher musst du den Fall erneut vorlegen, wenn du hier noch etwas erreichen willst, ob kurzfristig oder langfristig. Wenn du jemals hoffen willst, Zugriff auf das Erbe von Tiberius Durus zu erlangen, führt kein Weg an einem neuerlichen Anlauf vorbei.“

    “Moment“, brauchte Sextus jetzt doch einen Augenblick, um diese Information zu ordnen und zu verarbeiten. Der Emporkömmling Duccius heiratete die Schwester seines Klienten entgegen dessen Willen, verschleppte das Erbe der Tiberii, und Tiberius Lepidus war nicht einmal eingefallen, seinen Patron über diese haarsträubenden Umstände zu informieren? Und er erfuhr das jetzt so nebenbei, weil besagter Tiberius um ein Grundstück bettelte?
    “Tiberius, ich fürchte, ich muss dir mitteilen, dass es mich schwer enttäuscht, erst jetzt und in diesem Zusammenhang von diesen Vorgängen zu erfahren“, machte er seinem Ärger doch einmal – wenn gleich kühl gesprochen – Luft. Diese Art der Informationszurückhaltung war nichts, was zwischen Patron und Klient stattfinden sollte.
    Das 'ich hab's dir ja gleich gesagt' ersparte Sextus sich. Die Verbalisierung der Enttäuschung sollte hoffentlich genug der Schelte sein, so dass wohl kein Grund bestand, den Tiberier noch weiter zu erniedrigen.


    “Hast du Duccius schon klar gemacht, dass er aus dieser Verbindung keine weiteren Vorteile ziehen wird und deine Schwester bei solch einer Heirat gegen deinen Willen sämtlicher Erbschaftsansprüche und Familienloyalitäten verlustig geht und ebenfalls keine Dos erhalten wird?“ So etwas war die logische Folge einer Heirat entgegen des Willens eines Tutors und Familienoberhauptes, weshalb Sextus nicht ganz nachvollziehen konnte, weshalb offenbar die Tiberia als auch der Duccius an dieser Ehe festhielten. Im Endeffekt hätte er damit eine Frau ohne jeglichen Mehrnutzen, da selbst ihre patrizische Abstammung ohne die Unterstützung der entsprechenden Familie absolut nichts wert war und noch nicht einmal seinen Kindern den weg zu höheren Ämtern ebnete. Er konnte da genausogut eine Peregrina heiraten. Eben deshalb war ja das Einverständnis der jeweiligen Familie so immens wichtig, da eine Enterbung so weitreichende Folgen hatte und eine Frau ohne Verbindungen und Dos praktisch wertlos war. Und über eben jene entschied nun einmal der Tutor besagter Frau.
    Über so einen Schmonzens wie Animositäten beim Enterben einer Schwester dachte Sextus nicht einmal nach. Hätte eine seiner Schwestern so etwas gemacht, sie wäre enterbt gewesen, noch ehe sie ihre 'Nachricht' zuende verkündet hätte.


    “Über diese Verschleppung und die damit einhergehende Verletzung der Amtspflicht werde ich definitiv mit dem Kaiser sprechen. Ich habe die Hoffnung, dass er den Fall dann vom amtierenden Prätor erneut aufrollen lässt. Wobei... als Quaestor Principis könntest du ihn auch selbst hiernach fragen, vermutlich siehst du ihn momentan öfter als ich.
    In jedem Fall stellt dieses Vorgehen eine Misswirtschaft und ein Unkönnen dar, das dem Urteil der Öffentlichkeit dargereicht werden sollte. So ein Verhalten ist für einen Amtsträger unwürdig.“


    Über die eigentliche Sache mit dem Grundstück wollte Sextus noch nicht sofort eingehen. Erst galt es hier noch ein paar Dinge zu klären, die in den letzten Monaten schon hätten geklärt werden sollen.

    Sextus' Stirn legte sich ein wenig in Falten. Sein Klient berichtete ihm monatelang nicht das geringste, lud ihn auch nicht zum Essen ein oder bedankte sich wenigstens für die Aufwendungen, die Sextus seiner Familie zugunsten unternommen hatte. Und jetzt wollte er aus heiterem Himmel ein grundstück von ihm kaufen?
    Prinzipiell hatte Sextus kein Problem damit, im Zuge einer vernünftigen Klientenbindung auch so etwas in Erwägung zu ziehen. Nur weil einige der Familien auf mehr Landbesitz kleben blieben, als sie zu ihren Lebzeiten je brauchen könnten oder jemals vererben könnten, hieß das nicht, dass er selbst so gelagert war. Allerdings doch bitte bei Klienten, die wenigstens nicht nur dann mit einem sprachen, wenn sie dringend etwas wollten, und sich ansonsten in Schweigen hüllten über sämtliche Absichten und Zukunftspläne!
    “Nun, ich kenne auch niemanden, der sich dauerhaft von einem Grundstück trennen möchte.


    Allerdings – und ich zitiere das Recht äußerst ungerne – ist dies ja auch gar nicht nötig. Im Gegensatz zum Ritterstand hat der Senatorenstand keinen andauernden Census zu erfüllen, sondern lediglich bei der Erhebung in den Senatorenstand. Dem Paragraphen 16 fehlt eben jener Zusatz 'und zu jedem beliebigen Zeitpunkt eines vom Imperator Caesar Augustus angeordneten Census', wie er in Nummer 15 vorhanden ist. Daher sehe ich dein Dilemma weit weniger dramatisch.
    Was ist mit deinen Verwandten? Hat deine Schwester nicht ebenso ein Landstück, dass sie dir kurzerhand nur für die Erhebung in den Senatorenstand leihen kann und welches du ihr nach eben jenem wieder zurücküberschreibst? Oder dein Vetter Tiberius Ahala? Soweit mir bekannt ist, hat auch er Landbesitz. Sogar mehr als ich selbst. Eine kurzfristige Überlassung sollte doch unter Verwandten ein geringes Problem darstellen?
    Oder aber, wenn du ohnehin eine Erhebung in den Senatorenstand anpeilst, könntest du heiraten und mit der Familie der Braut eine entsprechende Dos vereinbaren. Eine Heirat ist ohnehin dem Stand förderlich.
    Selbstverständlich könnten wir kurzfristig einen ähnlichen Vertrag mit Übergabe und fest vereinbarter Rückübergabe aufsetzen, aber ich sehe nicht die Notwendigkeit, warum du dies außerhalb deiner Familie regeln musst?“

    Der Retiarius gab sein Bestes. Dankenswerterweise blieb einer der Secutoren bei der Brücke, um die Rückeroberung durch den flinkeren Dreizackkämpfer zu verhindern, so dass er sich nur dem anderen Secutor direkt stellen musste. Dies machte die Aufgabe aber auch nicht einfacher.
    Auch wenn er schneller war und durchaus fähig, fand er mit seiner Waffe kein Durchkommen durch die dicke Panzerung seines Gegenübers. Mehrere Angriffe auf Kopf und Beine wurden vom Secutor kurzerhand geblockt und der Retiarius hatte seine liebe Not, der immer direkt folgenden Riposte verletzungsfrei zu entgehen.
    Ohne Netz, mit dem er seinen Kontrahenten hätte einfangen können oder zumindest ins Straucheln zu bringen, war es allerdings ein recht fruchtloses Unterfangen. Der Retiarius fintierte, tänzelte, täuschte, attackierte, aber ohne größeren Erfolg. Dennoch blieb ihm nichts anderes übrig, als eben dies zu versuchen. Der secutor würde kaum wegen Hitzschlag tot umfallen.
    Und auch, wenn er leichter gerüstet war, machte sich doch nach einer Weile die Erschöpfung bemerkbar. Wieder attackierte er, der dreizack prallte auf das eckige Schild, aber dieses Mal bekam er seine Waffe nicht schnell genug wieder zurückgezogen. Mit einem harten Schlag traf das Gladius des Secutors auf den Dreizack, und der Retiarius verlor die Waffe aus der Hand. Und schlimmer noch, während der Schwung ihn nach vorne riss, bekam der Retiarius auch gleich noch das Knie des Secutores recht unsanft gegen den Kopf.
    Der Kopf des Kämpfers ruckte zurück, deutlich war der Blutstrom zu sehen, der aus der – vormals – hübschen Nase floss, und nur wenige Augenblicke später war es auch schon vorbei. Der Secutor schnappte mit seiner Schildhand noch den Arm des Retiarius, der nach dem kleinen Dolch, der letzten Waffe in dessen Arsenal, greifen wollte. Und nur einen Herzschlag später ergab sich der Retiarius.


    Sim-Off:

    Entschuldigt das abrupte Ende, aber meine Kreativität macht irgendwo ohne mich Urlaub... :fad:

    'Versehen' war ein schönes Wort für einen ganz offensichtlichen, gravierenden Fehler und ein wundervolles Beispiel von Inkompetenz. Ja, Sextus war nach wie vor sehr verärgert! Und hoffte, selbst ein paar Takte zu besagtem Verantwortlichen bei Gelegenheit sagen zu können.
    Aber jetzt und hier war dafür weder der Ort, noch der Zeitpunkt. Noch der passende Ansprechpartner, da der kleine Hansel, der die kaiserliche Loge betreten hatte, wohl kaum irgendeine Entschiedungnskompetenz hatte.


    “Verzeih mir, mein Kaiser. Aber diese Spiele sind zu Ehren von Consular Manius Tiberius Durus, nicht zu Ehren von Senator Sextus Aurelius Lupus. Wenn also für die Verteilung dieser Nahrungsmittel unbedingt irgendein Name ausgerufen werden muss, dann der seine, und nicht der meine.“
    Sextus war zwar etwas beschwichtigt, dass der Kaiser ihn nun nach diesem... Fauxpas ehren wollte, aber dennoch war er gewillt, den Ruhm dieses Tages der Familie des Tiberius Durus zu überlassen. So ehrbesessen war er nicht, dass er seinen Namen aus tausend Kehlen erschallen hören musste.

    Zu behaupten, dass Sextus irritiert war, traf den Kern der Dinge wohl nicht ganz. Warum in aller Welt stürmten auf einmal staatliche Sklaven private Totenspiele, und das, obwohl er selbst Sklaven noch und nöcher aus eigener Tasche bezahlt hatten, und verteilten im Namen seines Patrones hier etwas zu essen, obwohl dies kein Feiertag, sondern ein Trauertag war? Und das, ohne dass irgendjemanden ihn, der diese ganzen Spiele aus eigener Tasche bezahlte, auch nur informiert hatte?


    “Mein Kaiser, verzeih mir die Frage, aber... was genau machen diese Sklaven da?“ fragte Sextus also nach und bemühte sich nicht darum, nicht ärgerlich zu klingen. Er war verärgert. Und er hatte auch jedes Recht und allen Grund dazu. Das hier war in etwa eine gleichbedeutende Beleidigung, wie wenn er in den kaiserlichen Palast zum Essen eingeladen wäre und eigene Speisen für alle Gäste des Kaisers mitbringen würde, um damit zu implizieren, der Gastgeber könne ohnehin nichts essbares auf den Tisch bringen. So etwas war eine äußerst grobe Unhöflichkeit, und Sextus hoffte sehr, dass sein Patron nun eine gute Begründung bei der Hand hatte, warum er seinen eigenen Klienten hier in der Öffentlichkeit so zu beleidigen gedachte – und das bei Spielen, die er selbst besuchte.

    Vor dem heftigen, wenngleich übermütigen Angriff wich der so attackierte Secutor zurück. Der Retiarius nahm dies als Triumph und jubelte lautstark, jedoch nur einen Moment. Sein Dreizack hatte den Schild des Secutor kaum berührt, und dennoch war dieser zurückgegangen. Und der Retiarius war der Bewegung erst einmal instinktiv gefolgt, ehe er die Falle bemerkte. Schon stand er auf der Schräge zum Abgang, ehe er hinter sich den zweiten Secutor noch über seinen Schulterschutz hinweg bemerkte. Dieser war nicht wie bislang langsam den Aufgang hinaufgekommen, sondern war trotz des Gewichtes seiner Rüstung geradezu hinaufgestürmt. Auch wenn er nun am oberen Ende hierdurch schnaufte wie ein von Vulcanus geschmiedeter Metallbulle, er hatte die Brücke erstürmt und war nun auf gleicher Höhe mit dem Retiarius.
    Für diesen eine äußerst ungünstige Situation. Solange er den höheren Stand hatte, war es kein Problem, die beiden Secutoren im Griff zu behalten. Auf gleicher Höhe aber war der Kampf eines Secutoren mit einem Retiarius schon sehr ausgewogen. Gegen zwei, selbst wenn einer noch tiefer stand, hatte er so keine Chance.


    Es blieb nicht viel Zeit, zu taktieren. Der Retiarius nutzte die einzige Chance, die er hatte, und sprang wagemutig von der Brückenkonstruktion herunter, ehe die Schwerter der beiden Angreifer in in ihrer Mitte einfingen. Auf dem Sandboden waren seine Chancen gegen zwei Secutores zu bestehen zwar sehr gering, aber er hatte immerhin den Platz, ihnen auszuweichen und vielleicht mit etwas Glück wieder auf die Brücke zu gelangen. Wäre er dort geblieben, hätte er gar keine Möglichkeit mehr gehabt.

    Die Gazelle versuchte, ihrem Instinkt zu folgen und zu flüchten. Aber die Arena war begrenzt und es gab keinen Punkt, an dem sie vor den großen Raubkatzen in Sicherheit wäre. Dennoch zwang die Angst das Tier dazu, die Flucht zu versuchen.


    Die Löwen wiederum folgten ihren Instinkten. Mit tiefem Grollen bedeuteten sie dem jeweils anderen, angemessenen Abstand zu halten, und näherten sich geduckt und nah am Boden. Immer dann, wenn die Gazelle drohte, seitlich an den beiden zur anderen Seite der Arena auszuweichen, machte eine der Katzen einen kleinen Satz, um ihr den Weg abzuschneiden, so dass die Gazelle wieder panikerfüllt einen Haken schlug und wieder zurück in den immer kleiner werdenden Raum auf ihrer Seite der Arena eilte.
    Schließlich waren die Löwen so nah heran, dass es für die Gazelle wohl keinen Ausweg mehr gab. Bevor die Löwen zum Sprung ansetzten, rannte sie in einem verzweifelten Ausbruchsversuch los. Wieder versuchte der nächstgelegene Löwe, ihr den Weg abzuschneiden, aber diesmal war die Verzweiflung wohl größer. Schnell rannte die Gazelle weiter, sprang hoch, als der Löwe ihr nahe kam, und war mit diesem verzweifelten Satz dann an der Raubkatze vorbei.
    Und die Jagd begann.


    Sofort setzte der so ausgetrickste Löwe nach, drehte sich so schnell um, dass er Arenasand dabei aufwirbelte und versuchte, aus dem Stand loszusprinten.
    Der zweite Löwe war aber schon der Gazelle auf den Fersen. Von seinem weiter entfernten Standort aus hatte er die Flucht sehen können und rannte so, dass er der Gazelle den Weg abschneiden konnte.
    Diese jedoch war des anderen Jägers durchaus gewahr und lief einen Haken. Allerdings gab es hier kein offenes Feld, auf welches sie flüchten konnte und war gezwungen, wieder in Richtung einer Wand zu laufen. Der erste Löwe war noch ein gutes Stück entfernt, aber der zweite machte den Richtungswechsel mit und holte mit großen Sätzen auf die Gazelle auf. Diese rannte immer weiter, immer weiter auf die Mauer zu. Schon versuchte der Löwe, sie mit seinen krallenbewehrten Pfoten zu berühren, und dennoch rannte sie weiter.
    Erst im allerletzten Moment schlug sie erneut einen Haken, so schnell in der Geschwindigkeit, dass der erste Sprung gegen die Wand der Arena ging und erst dann auf den Sand.
    Der Löwe allerdings war nicht so schnell in seiner Bewegung. Von seiner Stärke und Kraft war er behäbiger in seinen Bewegungen, so dass er diesen schnellen Richtungswechsel nicht mitmachen konnte. Hart prallte er gegen die Steinmauer und ging in einer Wolke von Sand erst einmal zu Boden.


    Dennoch konnte die Gazelle nicht aufatmen. Denn nun war auch der erste Löwe schon heran und während sein Kollege Bekanntschaft mit der Mauer schloss, setzte er der Gazelle nach und vollendete, was der andere begonnen hatte. Im Lauf fischte eine Pfote immer wieder nach den Hinterläufen der flüchtigen Gazelle, bis diese schließlich stürzte und die kräftige Raubkatze damit über ihr war. Dann war es nur noch ein schneller, blutiger Biss, und diese Jagd hatte ihr Ende gefunden.


    Die letzte Runde! Nun galt es!


    Amasis hatte nun endgültig genug von dem rücksichtslosen Neuling neben sich. Er hatte sich taktisch klug neben ihm positioniert und zeigte ihm nun, wie man einen anderen richtig abdrängte! Er zwang seine Pferde näher an Tancos Gespann, so dass sich die Wagenräder der beiden berührten. Funken stoben aus, als die eisenbeschlagenen Radkappen aneinander rieben. Die Pferde schnappten nacheinander. Und doch drängte Amasis sein Gespann weiter gegen das von Tanco. Weitere Funken stoben, als auch die andere Seite nun die Felsmauer berührte. Verzweifelt peitschte Tanco auf seinen Kontrahenten ein, aber dieser ließ sich nicht beeindrucken und hielt weiter dagegen. Schließlich passierte das, was Amasis angepeilt hatte, und mit einem infernalischen Krachen brach eines der Räder. Teile des Holzrades flogen wild durch die Gegend und Tanco konnte sich nur noch panisch am Rand seines Wagens festklammern und die Pferde zügeln. Wenn er aus dem Wagen fiel, würden die nachfolgenden Gespanne ihn einfach überrollen, und er wäre schwer verletzt oder tot.


    Lusorix wich den Radteilen geschickt aus. Sein Wagen machte nur einen kleinen Hüpfer, dann war er aber auch an der gefährlichen Stelle vorbei. Phytocles allerdings erwischte es nicht ganz so gut. Auch wenn er sich sehr bemühte, nun konnte er Hamiris nicht mehr hinter sich halten! Der blaue Wagen schoss an dem goldenen vorbei und Hamiris gab seinem Gespann die Peitsche! Mit großen, ausgreifenden Bewegungen holten seine Tiere auf.


    Wenig überraschend fuhr Proteneas als erstes über die Ziellinie. Hinter ihm folgte Sotion souverän und beständig. Auch wenn sein Wagen einige Kratzer nun abbekommen hatte, blieb Amasis auf dem dritten Platz, nur knapp vor Lusorix und Hamiris, die zeitgleich ins Ziel kamen. Dahinter folgte dann der wenig glückliche Phytocles, der lediglich noch den bislang unbekannten Oxtaius noch besiegen konnte. Tanco war auf der Strecke stehen geblieben und verfluchte die Götter und die Welt, so kurz vor einem veritablen, dritten Platz ganz ausgeschieden und nun als Letzter angekommen zu sein.


    Auch wenn Proteneas der Sieger war, deutlich am meisten feiern und jubeln tat der junge Lusorix, der dem geteilten vierten Platz mit Hamiris offensichtlich mehr Freude zuteilte als so manch anderer dem ersten. Und für sein erstes Rennen hatte er sich durchaus wacker geschlagen.

    '“Der Retiarius ist von einem freien Lanista aus Massilia. Er nennt sich selbst Gnosidicus Gallus, ein unangenehmer Zeitgenosse. Aber hervorragende Gladiatoren. Dieser dort trägt den Namen Eros, wobei ich nicht denke, dass er ursprünglich diesen Namen trug. Das soll wohl eher für die geneigte Damenwelt – oder auch Männerwelt – ein Ansporn sein.“ Der Kaiser würde schon verstehen, worin dieser Ansporn wohl bestand.
    “Die beiden Secutoren hier wiederum sind aus dem Ludus Magnus.“


    ~~~


    Der verletzte Secutor zog sich vom Pons zurück und kurz unterbrach der summa rudis den Kampf, was alle Beteiligten dazu nutzten, kurz durchzuatmen. Der Retiarius nutzte die Gelegenheit zudem, um sich in Siegerpose vom Publikum bejubeln zu lassen. Ein Arenahelfer kam herbei mit einer Leinenbandage, die kurzerhand fest um den Schenkel gebunden wurde, um die Blutung zu stoppen. Immerhin wollte das Publikum einen Kampf sehen und keine hinkenden Gladiatoren, die vor Blutverlust tot zur Seite kippten. Das hier war ein Sport und kein wildes Gemetzel.


    Als der Kampf wieder freigegeben wurde, nickten die beiden Secutoren einander kurz zu und gingen dann wieder in Richtung Angriff. Der Retiarius hatte sich schon wieder eine der Stienkugeln geschnappt und warf sie mit einer Hand kurz hoch, bevor er sie wieder auffing. Offensichtlich machte es ihm Spaß, seine momentane Überlegenheit auszukosten. Kaum kamen die Secutoren näher, warf er schon wieder gezielt nach dem unverletzten Secutor, eine zweite Kugel gleich hinterher, ehe er sich seinen Dreizack schnappte. Mit einem wilden Brüllen, halb ein Lachen, griff er nun diesen Secutor an und schob ihn fast vor sich her.


    Das Rennen näherte sich seinem Ende. Auch die sechste Runde führte Proteneas sicher an und beendete sie mit noch immer gefälligem Abstand vor dem Rest des Feldes.


    Amasis kam wieder dicht an Tanco heran. Der wilde Außenseiter tat sein Möglichstes, um den zweiten roten Wagen davon abzuhalten, schaffte es aber nicht, ihm den Platz zu versperren. So waren beide Wagen dicht hinter Sotion; Tanco auf der inneren Bahn, Amasis direkt neben ihm, als sie über die Ziellinie fuhren.
    Und direkt neben ihnen, sehr zur Überraschung des gesamten Publikums, fuhr Lusorix! Der Jüngste des gesamten Rennfeldes hatte geschickt eine Lücke genutzt und sich so nach vorne gebracht. Während hinter ihm Hamiris und Oxtaius gegeneinander gekämpft hatten und darum gerungen hatten, den verzweifelten Phytocles zu überholen, hatte Lusorix sich herausgehalten und gewartet. Als es dann soweit war und Phytocles den beiden Wagen dahinter die Rennbahn so versperrt hatte, dass sie nicht vernünftig vorbeigekommen waren, hatte Lusorix seine Tiere heftigst angetrieben. An allen drei Wagen war er auf der Außenbahn vorbeigerauscht und befand sich nun auf Augenhöhe mit Amasis und Tanco, die bislang nur zu zweit um den dritten Platz gekämpft hatten, mit der Aussicht auf den zweiten.
    Allerdings konnten ihm weder Hamiris noch Oxtaius dahin folgen. Beide hingen nach wie vor hinter Phytocles fest.

    Während der linke Secutor sich wieder mühsam aufrappelte (immerhin war es verboten, ihn in dieser Lage weiter anzugreifen. Wo bliebe da die Spannung?), befand sich der rechte Secutor nun im direkten Kampf mit dem Retiarius. Der leichte Kämpfer konnte seine erhöhte Position zu einer ganzen Reihe von Attacken nutzen. Der Dreizack tanzte geradezu durch die Luft, biss nach dem Secutor, glitt über dessen Schild. Ein ums andere Mal riss der Secutor den Schild hoch, um seinen Kopf vor dem Angriff zu schützen.


    Und kam keinen Schritt weiter voran, um dem Retiarius dem Vorteil so zu nehmen.


    Der zweite Secutor stand schon wieder, als es dann doch passierte. Der Retiarius deutete erneut einen Angriff an, der rechte Secutor wollte den Schlag abwehren und hob wieder seinen Schild. Doch dieses Mal hatte der Retiarius nicht auf den Kopf gezielt. Er führte den Schlag tiefer, so dass der Dreizack unter dem Schild des Secutors hinwegtauchte und ihm in den Oberschenkel eindrang.
    Sofort zog der Retiarius seine Waffe wieder heraus und zog sich ein Stück vom verletzten Secutor zurück. Blut floss aus der Wunde und tropfte auf den Arenaboden. Es war ein sehr ordentlicher Treffer.

    Sextus erhob sich. Immerhin hatte er dem Consular Decimus eine Auflistung des Regelfalles versprochen.


    “Werte Senatoren. Wie schon bei der Kandidatur des Tiberius Lepidus stimme ich außerordentlich mit Pontifex Flavius darüber überein, dass Tiberius Lepidus in jedem Falle in Rom als Quästor bleiben muss. Jedem Patrizier obliegt in besonderer Tradition die Wahrung des göttlichen Friedens. Der Senatorenschaft ebenfalls, weshalb viele der Ämter in römischen Collegien aus diesem stand besetzt werden sollen.
    Tiberius Lepidus ist also diesem Bereich zweifach verpflichtet. Und ihm sollte es möglich sein, diese Pflicht auch zu erfüllen. In der Vergangenheit hat Rom diesen Pflichten auch immer Rechnung getragen.


    Das Amt des Quaestor Consulum wurde besetzt von Männern wie Aurelius Avianus, Aurelius Ursus, oder Tiberius Durus. Die Flavii taten sich im Amt des Quaestor Principis besonders hervor mit Flavius Piso, Flavius Gracchus und Flavius Furianus. Als Quaestor Urbanus dienten Rom wiederum Aurelius Orestes, Flavius Aquilius, Aurelius Corvinus, Claudius Menecrates und ich selbst.
    Der einzigen patrizischen Quaestor Provincialis, den ich überhaupt gefunden habe, war ebenfalls Claudius Menecrates. Und dies in seinem zweiten Quästorat und VOR seinem Beitritt zu den Saliern und damit VOR jeder religiösen Verpflichtung. Und vor allem noch zu einer Zeit, als in diesen Hallen noch Frauen sprachen und Gesetze bestimmten.


    Würde all diesen, in Rom dienenden Quästoren die Befähigung zur Statthalterschaft nun aberkannt werden? Wohl kaum. Es ist seit Jahrzehnten feste Tradition und entspricht der Sitte der Vorfahren.
    Darüber hinaus hat Tiberius Lepidus den expliziten Wunsch geäußert, dem Kaiser direkt zu dienen als Quaestor Principis, und in seiner Person ist wohl kaum ein Fehler festzustellen, der ihm diesen Posten verbieten würde. In der Tat ist er der wohl vielversprechendste Jungpolitiker seit langer Zeit, und nachdem wir ihm schon seinen letzten Wunsch versagten, sollten wir ihm nun die Dankbarkeit des Senates auch beweisen, und ihm den Posten zugestehen, für den er sich ausgesprochen hatte.


    Und wenn dies allein nicht als Grund ausreicht, dann hoffentlich das direkte Veto des Pontifex pro magistro, der auf einem Verbleib von Tiberius Lepidus in Rom besteht.“