Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    Also gab es keine Gründe, die für eine solche Hochzeit sprachen. Leute gab es, die gab es gar nicht. Ganz offensichtlich war der Helvetius schwer gekränkt, nichts anderes ließ seine Wortwahl oder sein Benehmen als Schlussfolgerung zu. Aber gut, er war offenbar noch sehr jung und reichlich unerfahren darin, wie man sich selbst verkaufte. Sextus war heute in großmütiger Stimmung und ging daher über das Trotzverhalten hinweg.


    “Nun, wenn ich eines gelernt habe, dann, mich bei keiner Hochzeit in die Gästeliste der Braut einzumischen. Wenn sie dich einläd, wirst du selbstverständlich willkommen sein.“
    Sextus erhob sich, seinen Wein noch in den Händen haltend, um seinen hitzköpfigen Gast zu verabschieden. “Ich würde zwar nicht so weit gehen, ein Gespräch jedweder Art als Zeitverschwendung zu betiteln, allerdings möchte ich dich auch nicht unnötig aufhalten. Wenn du also an weiterer Konversation nicht interessiert bist, danke ich dir für deinen Besuch. Mein Sklave wird dich gerne nach draußen begleiten.“ Nicht, dass der Kerl in seiner Wut noch randalierte. Oder sich verlief – wenngleich rechts aus der Türe hinaus und dann immer geradeaus bis zur Porta nun so schwer nicht zu finden war. Aber man wusste ja nie.


    Sextus drehte sich schon wieder halb zur Seite, als dann doch der Lehrer in ihm sich rührte und dem Burschen noch einen gutgemeinten Rat mit auf den Weg geben wollte.
    “Achja... nur für den Fall, dass du eine politische Karriere einer militärischen vorziehst: Es zeugt von Schwäche, auf Fragen nicht mit Argumenten, sondern mit Angriffen zu antworten. Ein geübter Redner wird darin immer den Hinweis erkennen, dass dem Gegenüber sachliche Argumente fehlen. Du solltest dich darin üben, zu überzeugen, nicht zu verhandeln. Und dies möglichst auf Augenhöhe.“
    Vermutlich würde das in dem hitzigen Gemüt nur zu einem noch größeren Wutanfall führen. Auch wenn das nicht Sextus' Intention war. Aber vielleicht sickerte irgendwann in dem jungen Geist die Erkenntnis durch, dass er sich ein wenig mehr um Diplomatie bemühen musste, wenn er jemals die Chance auf eine andere Antwort bezüglich eines Heiratsantrages hoffen wollte.

    Irgendwie wanderte der Schluck Wein, den Sextus in diesem Moment zu sich nehmen wollte, weniger in seinen Magen als in seine Nase, was zu einem mittelprächtigen Hustenanfall führte. Und auch, nachdem sich selbiger gelegt hatte, musste Sextus sich mehrfach räuspern, ehe er zu einer Antwort ansetzen konnte.
    Er sah noch einmal den Helvetier vor sich von oben bis unten an, dann noch einmal, ehe er Luft holte und versuchte, seinen Gast so wenig wie nur irgend möglich zu beleidigen. Auch, wenn das in diesem speziellen Kontext mehr als schwer war.


    “Nun, Helvetius, wie dir unlängst bekannt sein sollte, gehört Aurelia Prisca wohl zu den zehn wohlhabendsten Frauen des Imperiums. Sie ist den Lebensstil als Patricia gewohnt und verdient auch schlicht nichts anderes. Natürlich wird sie wieder heiraten.
    Aber wie kommst du darauf, dass sie irgend jemanden heiraten würde, der gleich mehrere Stufen unter ihr steht? Ein Plebejer, der nicht einmal der Nobilitas angehört, oder in absehbarer Zeit dazu gehören wird? Noch dazu, und da verzeih mir die offenen Worte, nachdem er selbst noch nicht einmal als Vigintivir in Erscheinung getreten ist, so dass es absehbar ist, dass er noch mehrere Jahre benötigen wird, um auch nur Senator zu sein?
    Welchen offensichtlichen Vorteil einer solchen Verbindung habe ich also übersehen, nachdem es eigentlich genügend Junggesellen patrizischer Abstammung gibt, die meiner Cousine ein angemessenes Ansehen durch die Eheschließung bringen – abgesehen von einem herausgehobenen Lebensstil?“

    Ein Bote brachte eine sehr schlichte Wachstafel zu den Tiberiern und sagte nur kurz, sie sei für Tiberius Lepidus.



    Senator Aurelius Lupus Tiberio Lepido s.d.


    Ich entlasse dich aus meinem Patronat. Fühle dich frei, dir einen neuen Patron zu suchen, der dir besseren Rat geben kann.


    Einen ähnlichen Gedankengang hatte Sextus auch schon gehabt, allerdings wollte er nicht voreilig handeln. Zum einen hatte er prinzipiell ja durchaus vor, die Verbindung zur Gens seines Klienten aufrecht zu erhalten, aber speziell zu diesem seinen Klienten schien das zunehmend ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Sextus konnte niemanden respektieren, der im Gegenzug ihm nicht den nötigen Respekt entgegenbrachte.
    “Um ehrlich zu sein, ist das Verhältnis wohl eher so, dass bereits meine vergangenen Gefallen überaus unerwidert blieben... Ich denke, dass du recht hast und es unter diesen Umständen wohl das gesündeste wäre, das Verhältnis schlicht aufzukündigen. Zumindest für meine Nerven. Ich danke dir für deinen Rat in dieser Sache.“
    Er würde das 'wieso und weshalb' wahrscheinlich gar nicht direkt klären, zumal Sextus auch nicht glaubte, dass sein Noch-Klient darauf großen Wert legen würde. Auch das würde seine Nerven schonen.
    “Bevor ich bei dir noch ähnlichen Ärger wecke“, scherzte Sextus nach diesem ernsten Thema leicht, “hast du noch Wünsche an meine Person?“

    'Erbe' war für Sextus ein sehr gewagtes Wort. Außer, man bezog sich darauf, dass man im Grunde genommen kein weitreichendes Vermögen oder Einfluss oder dergleichen meinte, sondern schlicht und ergreifend... nichts.
    Sextus setzte sich also auf eine der bequemen Liegen am Rand – in Erwartung, dass sein Gast wohl selber so klug wäre, sich hinzusetzen, wenn er es wollte, die akkuraten Falten seiner Toga weniger schätzte als seine Bequemlichkeit und nicht auf ein explizites Aussprechen wartete. Er nippte an seinem Wein und bemühte sich um eine diplomatische Formulierung. “Du hast die Namen in deinem Brief geschrieben. Dein Vater hat es wohl als Ritter weit gebracht, und dein Großvater war zumindest Ädil und Senator.“
    Aber all das war schon so lange her, dass es schon zu der Zeit, als Sextus selbst so alt gewesen war wie der Mann hier vor ihm, schon im Reich der Vergessenheit anzusiedeln war. Große Namen, die allerdings nichts hinterlassen hatten. Ähnlich seinem Großvater, der zu Urzeiten auch einmal Proconsul gewesen war. Sextus' eigener Einfluss aber begründete sich aber auf langer, harter Arbeit durch ihn selbst und seine Verwandten, lange aufrecht erhaltene Familienbande und geschickte Hochzeiten. Und einem nicht unerheblichem Familienvermögen. Und soweit Sextus informiert war – was er zugegebenermaßen nur äußerst rudimentär war – hatten die Helvetii im Moment mit nichts von alledem aufzuwarten.

    Einen kurzen Moment ließ sich Sextus Zeit, um seine Gedanken zu ordnen und auch um so deutlich zu machen, dass ihm das Thema unangenehm war, ehe er sein Problem auf den Punkt brachte.
    “Ich habe einen Klienten, dessen Unterstützung ich mir alles andere als sicher bin. In der Tat ist es so, dass besagter Klient mit Informationen über seine Pläne nicht nur zurückhaltend ist, sondern sie vielmehr gar nicht kommuniziert. Das wäre soweit zwar ärgerlich, aber noch akzeptabel. Nun musste ich aber feststellen, dass er mir – bei einer der seltenen Salutationes, zu denen er doch gekommen war – direkt ins Gesicht gelogen hat.“
    Bislang hatte Sextus die Informationen vage gehalten, weil er sich nicht sicher war, inwieweit er die Dinge tatsächlich beim Namen nennen wollte. Insbesondere, da er nicht mit dem Vorsatz hergekommen war, jemandem zu schaden. Auf der anderen Seite jedoch regte sich in ihm durchaus ein wenig Rachsucht ob dieses impertinenten Verhaltens.
    “Er wollte mir ein Grundstück aus der Tasche leiern, damit er zum Senator erhoben werden kann, und erzählte mir hanebüchene Geschichten, warum er dies nicht innerhalb seiner Familie organisieren konnte, die sehr wohl über genügend Landbesitz verfügt.“
    Nach dieser Information konnte sich der Kaiser wohl ohnehin denken, um wen es gehen konnte. Soviele Klienten, die kurz vor dem Senatorenstand waren, hatte Sextus ja nun auch nicht. Um genau zu sein war es nur ein einziger, der dem Kaiser auch noch persönlich bekannt war.
    “Zum einen meinte er, dass sein Vetter noch außerhalb Roms weilte und daher unabkömmlich sei, er sich mit seiner Schwester – ebenfalls mit Landbesitz begütert – zerstritten habe und zum dritten der damalige Praetor Duccius Vala den Prozess bezüglich der Erbschaft in besagter Familie verschleppt hätte und daher innerhalb der Familie die Grundstücke blockiert seien.
    Ich gab ihm selbstverständlich den Rat, bei einer derartigen Verschleppung von über einem Jahr den Prozess neu aufzurollen, ohne mich vorher mit den Gerichtsakten vertraut zu machen. Wie gesagt, wir waren mitten bei der Salutatio, und es warteten auch noch andere Bittsteller. Da es bis zum Ende seiner Amtszeit als Quaestor noch Zeit war, sah ich auch keinen Grund, übereilt eines der aurelischen Grunstücke an ihn zu überschreiben.“

    Jetzt musste Sextus doch einmal Luft holen – auch, um den Kaiser die bisherige Information verarbeiten lassen zu können – ehe er fortfuhr. “Nach dieser Sache allerdings musste ich folgende Dinge feststellen. Erstens: Der Gerichtsfall wurde überhaupt nicht verschleppt, sondern das Erbe wurde gänzlich freigegeben. Besagter Vetter ist auch der Haupterbe – zumal ich persönlich definitiv auf einen Rechtsstreit wegen etwaiger Ansprüche des Kindes meiner Cousine verzichten werde. Und wo kein Kläger, da auch kein Richter.
    Und besagter Vetter ist auch in Rom. Zudem besitzt jener auch ohne die Erbschaft genug Grund und Boden, um hier auszuhelfen für den nötigen Census zur Erhebung zum Senator.


    Dies sind also schon zwei dokumentierte Lügen direkt in mein Angesicht. Da ist die dritte Lüge, nämlich die Heirat besagter Schwester meines Klienten mit besagtem Praetorius Duccius, fast schon eine Lappalie.


    Dennoch fühle ich mich mehr als... veralbert von meinem Klienten und ich weiß um ehrlich zu sein nicht wirklich, wie ich mit soviel Dreistigkeit umgehen soll.“

    Innerlich seufzte Sextus bei den Anspruchsformulierungen seiner Cousine. Stellte sie da gerade wirklich wichtige Themen zusammen auf eine Stufe mit der Frage von illustren Stoffhändlern? “Irgendwie hege ich Zweifel daran, dass Flavius Gracchus daran besonders interessiert wäre“, entgegnete er nur trocken.
    Die Frage, ob es etwas wichtiges zu besprechen gab, ignorierte er dabei gekonnt. Es gab immer Dinge zu besprechen, die wohl wichtiger waren als das Angebot von verschiedenen Stoffarben oder -qualitäten. Das Wetter, beispielsweise... Allerdings hatte Sextus zwar durchaus einige Themen im Kopf, die er vielleicht anbringen konnte – und die er natürlich nicht mit Prisca zu diskutieren pflegte – jedoch war Gracchus derjenige gewesen, der sie eingeladen hatte. Und so gern sich Aurelier und Flavier wohl auch hatten, vermutete Sextus doch einen aktuellen Gesprächsanlass hinter der Einladung. Damit würde die Wahl der Themen wohl vornehmlich beim Gastgeber liegen, was die Chance für Marktplatzthemen wohl zusätzlich minimierte.
    “Aber versuch dein Glück ruhig“, feixte er ein wenig und lächelte seiner Cousine leicht zu. Zwar war das natürlich eine Herausforderung, die sie verlocken würde. Und bei allem, was Sextus über Frauen zu wissen glaubte, war so etwas wohl der sichere Weg, eine Frau zu einer Dummheit überreden zu können. Aber irgendwie hielt er seine Cousine doch nicht für dermaßen naiv und dumm, dass sie sich wirklich derart lächerlich machen würde.


    Dann waren sie aber auch schon am Triclinum angekommen, und Sextus merkte, dass er wohl ein wenig zu förmlich gekleidet war. Zwar war in der Einladung etwas von 'klein und gemütlich' gestanden, dennoch hatte Sextus vorsichtshalber sich eine Toga über seine feine, krappfarbene Wolltunika legen lassen. Beim Eintreten bemerkte er allerdings, dass es in diesem Fall keine höfliche Untertreibung gewesen war, sondern tatsächlich auf einen gänzlich informellen Abend deutete, an dem, wie es aussah, auch keine weiteren Teilnehmer zu erwarten waren.
    Allerdings war dies weniger ein Problem. Eine Toga war weitaus schneller ausgezogen, als angezogen. Kurzerhand hob Sextus die doppelten Stoffbahnen über seine Schulter und reichte den Stoffberg an einen herumstehenden Sklaven, ehe er sich aufmachte, den Gastgeber vernünftig zu begrüßen.
    “Flavius Gracchus, es ist eine Freude, dich wiederzusehen. Verzeih den Aufzug, ich hatte mit mehr Teilnehmern am Gastmahl gerechnet und wollte dich nicht durch eine unzulängliche Kleidung dann vor deinen Gästen in Verlegenheit bringen.
    Und das ist dein Sohn, nehme ich an?“
    Sextus war sich nicht sicher, ob er schon einmal den Sohn von Gracchus getroffen hatte, war sich aber sehr sicher, dass dieser zum einen Vater zweier Söhne war und zum zweiten er die Kinder wenn, dann vor längerer Zeit getroffen hatte. Ein Umstand, der seinem schlechten Namensgedächtnis sicher nicht unbedingt zugute kam.

    Die Entfernung sprach ganz klar hierbei für die Sache. Tarquinia war nur wenige Tagesreisen entfernt – wenngleich auch selbige unbequem genug waren, als dass Sextus auf häufiges Hin-und-Herreisen verzichten wollte. Und die Sache mit der zeitlichen Begrenzung gefiel ihm auch außerordentlich gut. So musste er sich dann von seinen Kollegen keine Argumente für das Dableiben oder Gehen anhören, sondern konnte die Entscheidung gänzlich auf einen kaiserlichen Auftrag abwälzen, der zudem ja wirklich einfach zu verlängern wäre. “Ich denke, eine solche Beschränkung wäre in der Tat hilfreich. Schon allein, um nicht in zu große Versuchung zu geraten, sich auf den erreichten Lorbeeren auszuruhen.“
    Der zweite Punkt war da schon etwas widerwilliger anzunehmen. Natürlich wollte sich Sextus in die aurelische Heiratspolitik von niemandem hereinreden lassen, auch nicht vom Kaiser. In einigen Fällen konnte das wohl durchaus hilfreich sein, aber Sextus wollte unter anderem Prisca nicht an einen unnützen Sesselpupser in der Provinz verschenken – und er war sich sicher, dass seine Cousine das auch nicht wollte, selbst wenn besagter Sesselpupser der Statthalter der Provinz wäre. Und Sextus hatte schon die ein oder andere Idee, die er auch ohne kaiserliche Fürsprache hoffentlich bewerkstelligen könnte.
    So fiel seine Antwort etwas diplomatischer aus. “Ich habe bereits ein oder zwei Herren aus der Nobilitas und dem Patriziat ins Auge gefasst, mit denen ich wohl demnächst Verbindung auch diesbezüglich aufnehmen wollte. Doch soweit ich weiß, gehören diese nicht zu deinem Klientenkreis.
    Aber selbstverständlich hätte ich sicher auch nichts gegen etwas... Interesse aus den Reihen deiner Klienten einzuwenden.“


    Beim Thema Klienten erinnerte sich Sextus ohnehin an einen anderen Punkt, den er mit dem Kaiser wohl gerne besprochen hätte. “Hierbei fällt mir ohnehin noch ein, dass ich dich um deinen Rat bitten wollte. Du hast sicherlich weit mehr Erfahrung mit dem Umgang mit Klienten als ich selbst, bist du doch weitaus länger schon in der Politik tätig als ich selbst. Und darüber hinaus besitzt du auch weit mehr Klienten als ich selbst.
    Darf ich dich daher um deinen Rat bitten in Bezug auf einen meiner Klienten?“

    “Nun, das ist der Teil, der die Entscheidung zusätzlich erschwert. Wenn es nach dem Collegium ginge, wäre diese Position wohl bis in alle Ewigkeit zu besetzen. Ich selbst dachte hierbei aber eher an den überschaubareren Zeitraum von einigen Jahren, längstenfalls fünf. In jedem Falle benötigte ich hierfür von dir aber dann ein entsprechendes Mandat, da es, wie du ja weißt, Senatoren verboten ist, ohne solches die Stadt für längere Zeit außerhalb der Senatsferien zu verlassen.“
    Und Sextus hatte definitiv nicht vor, seinen Senatorenstand aufzugeben, nur um Lehrer zu sein. Selbst wenn es ein Dozentenposten in Tarquinia war.
    “Allerdings würde meine Abreise auch in keinem sofort erfolgen. Es gibt einige Dinge, die zuvor von mir noch geregelt sein müssen, und auf einen Monat hin oder her kommt es hierbei sicherlich nicht an. Eines dieser Dinge ist beispielsweise, weibliche Mitglieder meiner Gens gut verlobt oder verheiratet zu wissen. Du kannst dir sicher vorstellen, dass ich diese hier in Rom nicht sich selbst überlassen will, ohne männlichen Vertreter vor Gericht, oder eben für diverse Vertragsabschlüsse. Daher bliebe ich dir auf jeden Fall noch eine Weile erhalten.
    Aber ich muss zugeben, dass ich sehr erleichtert bin, dass du meinen Plänen generell unterstützend gegenüberstehst.“

    Offenbar war sein Gast nicht gewillt, dieses Gespräch hier möglichst einfach und effizient zu gestalten. Plebejer waren doch immer wieder lustig, wenn es um deren Vorstellungen ging, was innerhalb eines patrizischen Hauses angemessen war. Sextus hingegen zweifelte ernsthaft daran, dass auch nur irgendein Mensch auf der Welt existierte, der sich in dieser Unmenge an Stoff wohlfühlte, die nichts außer einem kerzengeraden Stand ermöglichte und bei jeder noch so kleinen Gelegenheit drohte, von der Schulter zu rutschen. Noch dazu, dass man selbst dann alle zwei bis drei Stunden sich neu wickeln lassen musste, da die Falten sonst wirr und platt aussahen. Gäbe es die Vorschrift nicht, dass im Senat eine Toga verpflichtend war, so war Sextus sicher, innerhalb einer Woche würde weniger als eine Handvoll sie tragen.


    “Nun, wenn es um derart wichtige Angelegenheiten geht, sollten wir wohl schnell zum Punkt kommen.“ Sextus wandte sich an einen Sklaven am Rand, der mit Wein und Wasser bereit stand, schenkte sich einen Becher, großzügig verdünnt ein, und fragte seinen Gast mit einer wortlosen Geste in seine Richtung, ob er ihm auch etwas einschenken solle.

    Irgendwann musste Sextus sich die Zeit nehmen, sich doch einmal die Namen der Sklaven zu merken. Einzig und allein aus dem Grund, dass er später zuordnen konnte, welchen der Sklavenjungen er übers Knie legen musste, damit diese lernten, vernünftig Meldung zu machen. Es gab nichts schlimmeres, als peinliche Sklaven.
    Sextus schüttelte nur kurz den Kopf, als sein Gast eintrat und erst einmal schwieg. “Salve, Helvetius. Du hättest in deinem Brief vielleicht erwähnen sollen, dass es um Staatsangelegenheiten geht. Ich fühle mich irgendwie für unser Gespräch zu leger angezogen“, versuchte Sextus, den Beginn mit einem kleinen Scherz aufzulockern. Aber in der Tat trug er selbst lediglich eine bequeme Tunika, wenngleich aus feiner und teuer eingefärbter Wolle, und seine Hausschuhe. Wer sollte auch ahnen, dass man bei einer persönlichen Bitte besser das volle Amtsornat trug, inklusive Toga mit latus clavus und Purpurstiefeln?

    Sehr schön. Sextus holte gerade Luft, um also loszulegen, als er kurz doch fast jungenhaft Grinsen musste. “Nun, das erste Anliegen hat nun doch wieder etwas mit dem Collegium zu tun“, gestand er etwas ertappt und fuhr dann fort. “Die Nachwuchsproblematik habe ich ja bereits angesprochen. Aber ebenso, wie Schüler fehlen, fehlen auch qualifizierte Lehrer. Wie du vielleicht weißt, ist das Collegium der Haruspices zweigeteilt und hat nicht nur eine Zusammenkunft hier in Rom, sondern auch traditionell in Tarquinia. Mit unseren Brüdern stehen wir hier in Rom natürlich in reger Verbindung, und eben bei einem dieser Briefwechsel wurde nun das Angebot an mich herangetragen, in der Universität von Tarquinia zu unterrichten.
    Natürlich ist bekannt, dass ich im Moment das Amt des Haruspex Primus innehabe, weshalb dies auch zunächst einmal eine einfache Bitte an mich ist, ich möge mir dazu Gedanken machen. Natürlich ehrt mich diese Anfrage bereits, ist die Universität von Tarquinia doch die beste, was die Ausbildung zum Haruspex betrifft, und ihre Bibliothek ist eine der fünf größten der Welt.
    Hinzu kommt, dass ich ja momentan unverheiratet bin und mich mit dem Gedanken trage, mir eine Braut aus dem etruskischen Adel zu suchen, da Kinder aus solch einer Beziehung prädestiniert dafür wären, ebenfalls Haruspex zu werden. Mein Sohn aus der Ehe mit Flavia Nigrina hat zwar ebenfalls angefangen, hierauf zu lernen, allerdings ist er nur zu einem viertel mehr Etrusker und damit nicht unbedingt eine erste Wahl. Durch eine solche Ehe könnte ich ihn auf andere Aufgaben vorbereiten, vornehmlich solche in der Politik hier in Rom.
    Für die Brautsuche wäre es natürlich förderlich, wenn ich in Tarquinia persönlicheren Kontakt mit den dortigen Familien von Einfluss pflegen könnte.

    Er machte eine kurze Pause, in der Hoffnung, dass seine Ausführungen bis hierhin verstanden worden waren.
    “Allerdings wollte ich, bevor eine Entscheidung in egal welche Richtung getroffen wird, mit dir in jedem Fall darüber sprechen und auch deine Gedanken zu dem Thema anhören.“

    Als er dann an der Reihe war, freute sich Sextus, dass sein Patron offenbar ein paar Augenblicke mehr Zeit hatte und ihn sogleich auf das Collegium ansprach. Zumindest hoffte Sextus selbiges, es könnte auch sein, dass sein Patron nur gerade einen Abriss zu den Collegien haben wollte.
    “Ich würde sagen, es geht ihm wie immer: Es gibt zu wenig Nachwuchs, der in der disciplina etrusca ausgebildet ist, und wir ärgern uns über die Unaufgeklärtheit der breiten Bürgerschaft, die dazu führt, dass wieder einmal die Handleser und Scharlatane rund um den Circus Maximus immer dicker werden, das Proletariat aber immer noch ärmer. Vielleicht wäre es wieder einmal an der Zeit, sie alle aus Rom hinauszuwerfen. Also, die magi, nicht das Proletariat.“ Sextus zuckte die Schultern. Diese Maßnahme war in der Geschichte Roms schon einige Male angewandt worden. Der Erfolg hielt sich – wie sich auch nun wieder zeigte – zeitlich gesehen in Grenzen. Etwa zehn Jahre war hier Ruhe, aber dann war wieder alles beim alten.


    “Aber wenn du einen Augenblick Zeit hast, würde ich mit dir gerne über einige persönliche Anliegen mit dir sprechen, die ncihts mit dem Collegium zu tun haben. Sofern du zu ersterem keine weiteren Fragen oder ein Anliegen hast, versteht sich.“

    Wie üblich war die Salutatio des Kaisers gut besucht, als sich auch Sextus in die Reihe der wartenden stellte. Hier und da wurde ein freundliches Wort gewechselt, hier und da ein wenig Tratsch verbreitet. Irgendwie musste man die Zeit ja herumbringen, und untereinander kannten sich die Klienten des Kaisers natürlich auch. Setzen konnte man sich in den feierlichen Togen ohnehin nicht. Also lenkte man sich ab, indem man sich eben solange über andere, unverfängliche Dinge unterhielt, bis man an die Reihe kam.


    Senator S. Aur. Lupus Helv. Comm. s.d.


    Ich habe dir einen Termin am neunten Tag vor den Kalenden des Oktober zur siebenten Stunde* freigehalten. Sofern es kein zu komplizierter Vorgang ist, sollte eine Stunde als Gesprächszeit hierfür ausreichend sein.


    Vale


    Sim-Off:

    *Komm einfach, wie du Zeit hast. Thread steht schon.

    Auch wenn Sextus keine Ahnung hatte, was ein ihm völlig unbekannter Helvetier mit ihm zu schaffen hatte oder von ihm wollen könnte, hatte er in seinem Terminkalender ein Momentchen gefunden, die er mit derlei Kurzweil dann belegen konnte. Also hatte er eine entsprechende Nachricht verfasst und an die Helvetii geschickt und harrte an diesem Tag der Dinge, die da unbekannterweise kommen mochten.

    An einem frühen Morgen stand dann auch Sextus einmal mehr vor dem Eingang zum Palast. Heute hielt der Kaiser eine Salutatio, und als braver Klient, der ohnehin mehrere Dinge zu besprechen hatte, ging Sextus auch dort hin. Immerhin gab es demnächst einige anstehende Änderungen bei ihm persönlich, und er wollte seinen Patron ungern vor vollendete Tatsachen stellen, ohne ihn wenigstens informiert zu haben.
    Angetan in eine seiner besseren Togen näherte er sich also zielstrebig dem Tor und verkündete der Wache nur Kurz den Grund seines Hierseins – wenngleich diese es sich wohl denken konnte. “Senator Aurelius zur Salutatio des Kaisers. Ich kenne den Weg.“ Vermutlich würden auch noch fünfzig weitere Menschen zur Salutatio kommen, da war die Palastwache sicher dankbar, wenn sie nicht jedesmal Wegweiser spielen musste.


    Sim-Off:

    Ist mit dem Kaiser abgesprochen, dass er zur Salutatio keine schriftlichen Einladungen rausgibt, sondern seine Klienten „einfach so“ kommen sollen

    Haruspex Primus zu sein war langweiliger, als es üblicherweise so schien. Das Volk von Rom war offenbar sehr wenig an genaueren Zukunftsvoraussagen interessiert, so dass die Haruspices im Allgemeinen und Sextus im Speziellen wenig zu tun hatten. Es gab wenige Opfer, zu denen ihre Fachmeinung gefragt war, und natürlich gab es - wie zu jeder Zeit und immer – das Problem der vielen Wahr- und Quacksalber entlang der Straßen rund um den Circus Maximus. Die ärmeren Bevölkerungsschichten ließen sich lieber dort von einer Syrerin mit bemaltem Gesicht aus der Hand lesen, als einen Haruspex aufzusuchen. Was natürlich damit zusammenhängen mochte, dass besagte Handleserin dies für drei Asse tat, ein Haruspex da aber doch unwesentlich kostspieliger zu beauftragen war.


    Nichts desto trotz, das war eine Entziehung der Geschäftsgrundlage, über die heute in der Sitzung der Haruspices diskutiert wurde.
    “Haben wir irgendwelche Zahlen über die Stände dort? Oder gar über die Besucher dieser Betrüger?“ fragte Sextus, nachdem die Diskussion den ersten hitzigen Höhepunkt des Dort-sind-alles-Halsabschneider-werft-sie-aus-der-Stadt überschritten hatte und so langsam Ruhe einkehren konnte.
    “Wir können nur schätzen, denn wer an einem Tag hier an der Ecke sitzt und mit Hühnerknochen rasselt, um Wunderheilungen anzubieten, sitzt am nächsten Tag woanders mit bemaltem Gesicht und erstellt Horoskope!“
    Beim letzten Wort verzogen die meisten Haruspices angewidert das Gesicht. Dieser aus Parthien, Ägypten und Babylon herübergekommene Unsinn war Quacksalberei der schlimmsten Art. Nur leider war eben das sehr beliebt, und wer nicht gerade so dumm war, sich ein Horoskop für einen anderen (gar den Kaiser) ausstellen zu lassen, konnte strafrechtlich nur schwer belangt werden.
    “Mit anderen Worten, wir haben gar nichts?“
    Das anschließende Gemurmel ließ mehr oder weniger den Schluss zu, dass sie absolut gar nichts hatten. Wie sollte man so arbeiten.
    “Wir könnten ja die Stadtwache um Hilfe bitten, dass sie da mal die... schlimmsten Auswüchse schonmal entfernt und die Leute dort verhört?“
    Yiipieh... dachte Sextus. “Dafür bräuchten wir denke ich einen konkreten Anlass. Ich bezweifle, dass der Praefectus Urbi anordnen wird, drei Straßenzüge 'einfach nur so' durchsuchen zu lassen.“
    “Naja, aber man könnte doch mal fragen?“

    Da Sextus die meisten der hier zur Abstimmung gebrachten Personen nicht oder nur vom Hörensagen kannte, konnte er sich keine qualifizierte Meinung über deren besondere Leistungen im Dienste des Imperiums machen. Also meldete er sich nur zu den Personen, die er persönlich kennen gelernt hatte, und auch nur auf Grundlage dessen, was er von diesen persönlich mitgekriegt hatte. Also war sein Urteil recht einfach:


    Manius Tiberius Durus :dafuer:
    Marcus Vinicius Lucianus :dagegen:



    Beim Rest enthielt er sich. Die kannte er einfach nicht genug....