Natürlich verstand Sextus die Bedenken des Tiberiers bezüglich seiner Anwesenheit in Rom. Es hatte schon einen seltsamen Beigeschmack, dass der junge Mann hier in dem Haus weiterhin gewohnt hatte, in dem der Rest seiner Familie regelrecht niedergemetzelt worden war. Genaues wusste ja keiner, aber die Gerüchte gingen von einem einfachen Selbstmord der in der Villa Anwesenden zum damaligen Zeitpunkt bis hin zu einem wilden Gefecht mit Salinators Skythen, die selbst eine junge Tiberia, deren Namen Sextus schon lange wieder vergessen hatte, zerhackstückelt und ins Impluvium geworfen haben sollen. Die Wahrheit lag vermutlich irgendwo dazwischen.
“Ich meinte nicht, dass du dich rechtfertigen sollst. Das sicher nicht. Aber gar nichts zu dem Thema zu sagen bedeutet gleichfalls auch, dass die Senatoren sich ihren Teil darüber denken.
An deiner reinen Anwesenheit ist aber nichts verwerfliches zu finden, sofern du es auch gut verkaufst. Du könntest beispielsweise sagen...“ Sextus überlegte einen Moment, wie man derlei am besten in weiche Worte verpackte, die niemand zu anstößig finden würde. “Trotz der Gewalt und es Terrors des Usurpators verblieb ich in Rom, wo ich gemeinsam mit so vielen anderen die Schrecken des Bürgerkrieges, der hoffentlich bald vergessen sein wird, erlebt habe. Dabei sah ich es als meine Pflicht als Patrizier, nicht nur den Namen und das Ansehen meiner Familie zu bewahren, sondern in diesen schweren Zeiten dem Volk als Vorbild zu dienen und es in Zeiten der Entbehrung durch Brotspenden und andere meinem Stand angemessene Wohltätigkeiten zu unterstützen. … Vielleicht nicht ganz so voluminös vorgetragen. Aber ich denke, du verstehst den Kern des Vorschlages.“
Natürlich konnte der Tiberier den Vorschlag auch ignorieren und das tun, was er für das Beste hielt. Immerhin war es auch er, der gewählt werden wollte. An einem Satz mehr oder weniger würde die Wahl vermutlich ohnehin nicht hängen. Allerdings fand Sextus die Variante mit ein paar Worten über erlittene Entbehrungen und geteiltes Leid nicht gänzlich fehl am Platz.
Als das Gespräch auf die Flavier schließlich kam, nickte Sextus bedächtig. “Ich muss mit Senator Flavius ohnehin zeitnah selbst ein Gespräch suchen. Wie du vielleicht weißt, hat sich meine Frau Flavia Nigrina zu der Zeit, in der ich unter er Proskription des Usurpators stand, von mir scheiden lassen. Vor einer erneuten Eheschließung meinerseits werde ich also evenuelle Missverständnisse hier noch ausräumen, um die langjährigen guten Beziehungen unserer beider Gentes fortzuführen.“ Sextus war nicht wütend auf Nigrina und auch nicht auf die Flavier. Sie hatte getan, was sie für das beste hielt – auch wenn das Sextus zweitem Sohn (und er war überzeugt, das Kind wäre ein solcher geworden) das Leben gekostet hatte, ehe jenes angefangen hatte. Jetzt aber musste Nigrina mit den Konsequenzen ihres Handelns leben. Fernab von Rom und dem Luxus, den sie so geschätzt hatte. Und Sextus hatte Kapazitäten für friedlichen Machtgewinn durch Heirat gewonnen. Nun mussten also lediglich die Flavier davon überzeugt werden, dass er tatsächlich nicht grollte und die guten Beziehungen mit lebendem Ankerpunkt in seinem Sohn Lucius aufrecht zu erhalten gedachte. Das, und die kleine Sache der Rückzahlung der Mitgift.
“Daher kann ich ihm dein Kommen ankündigen und dir dahingehend den Weg etwas auch ebnen. Dabei fällt mir aber ein: Für welches Amt bei den Vigintiviren hast du dich denn im Speziellen beworben?“