Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    Sehr schön. Eine Factio dabei, fehlten nur noch fünf andere. “Sobald ich den Termin genauer benennen kann, werde ich dich dann nochmals informieren, dann kannst du die Namen der Fahrer mitteilen. Du weißt schon, für die Plakate und die Ausrufer und das alles.“ Immerhin mussten die Leute ja auch wissen, wo ein Spectaculum stattfand, damit sie hingehen konnten, um es sich anzusehen.


    Und im Grunde war Sextus damit schon gleich mit zwei dringenden Geschäften hiermit zuende, so dass er sich von dem Sklaven den Wassereimer zum säubern reichen ließ und aufstand. So nett diese Latrinenplaudereien auch waren, brauchte Sextus dazu nicht unbedingt länger als nötig einen Sitzplatz. Er konnte sich nun auch im Stehen unterhalten.
    “Da Tiberius Durus mit dir verschwägert war, möchtest du dich vielleicht selbst auch mehr beteiligen, oder zumindest über meine bisherige Planung ins Bild gesetzt werden? Über die ein oder andere Anmerkung wäre ich sicherlich dankbar. Ich wollte auch noch das Bad besuchen, falls du auch noch länger in den Thermen zu bleiben gedachtest und dich etwas Gesellschaft nicht stört.“

    “Das wäre dann in der Tat ein Grund mehr, den Kaiser von deiner Eignung für das Collegium Pontificum zu überzeugen“ schloss Sextus also diesen Punkt. Bis diese sogenannte Agenda spruchreif wäre, würde wohl in der Tat noch einiges an Zeit ins Land ziehen. Da galt es zunächst naheliegendere Ziele zu erreichen.


    Welche sie allerdings auch nun fürs erste besprochen hatten. Zumindest gab es von Sextus' Seite aus nichts mehr, was er seinem Klienten unbedingt aufbürden wollte. Bezüglich seiner noch ausstehenden Gespräche mit den Flaviern wegen der Rückabwicklung von Nigrinas Mitgift musste der Tiberier nicht im Bilde sein. Und auch Sextus' Überlegungen über mögliche neue Eheallianzen war etwas, das er für sich selbst überlegen musste und ganz sicher nicht mit einem Klienten zu erörtern gedachte. Abgesehen davon, dass Lepidus ihm wohl weder bezüglich der Flavier noch bezüglich seiner Heiratsgedanken weiterhelfen könnte, selbst wenn er wohl wollte.


    “Von meiner Seite aus ist alles besprochen. Daher bleibt mir nur, dir für deinen Besuch zu danken und die Unterstützung bei den Factiones.“ Den meisten siener Klienten hatte Sextus zum Abschluss noch angeboten, ein paar Brotmarken mitzunehmen, alllerdings entfiel so eine Großzügigkeitsgeste bei einem anderen Patrizier wohl, da sie andernfalls wohl als Beleidigung aufgefasst werden könnte. “Vale bene, Tiberius.“

    Bei der Anspielung auf die Begebenheiten vor der Curia verzog Sextus kurz das Gesicht und tat bewusst schuldig für etwa zwei Sekunden, um sich dann ganz – oder zumindest fast ganz – auf das Gespräch zu konzentrieren.
    “Genau so ist es. Ich plane munera für Tiberius Durus, und da dieser ja auch dem Rennsport sehr anhing, kann ein Rennen dabei nicht fehlen. Ich hoffe, die Organisation noch vor den Kalenden des Oktobers bewerkstelligen zu können, und wollte dich daher fragen, ob die Russata da wohl teilnehmen würde.“

    Nachdem die tägliche Arbeit – sofern man das Leben als Senator so bezeichnen konnte – in den vormittäglichen Stunden erledigt war, stand der nachmittägliche Besuch in den Thermen auf dem Programm. Nicht nur aus Gründen der Körperpflege, welche ohne weiteres auch weitaus ruhiger in den heimischen Gefilden erfolgen konnte, sondern vor allen Dingen, um Kontakte zu pflegen und auch das neueste aus der Stadt zu erfahren. Nicht unbedingt die Neuigkeiten, bei welchem Bäcker die dicksten Ratten lebten, denn auch solcherlei Nachrichten wurden selbstverständlich ausgetauscht. Aber auch, wo eingebrochen worden war, wo es gebrannt hatte, ob jemand krank war, über neue Geliebte, neue Bündnisse und Eheschließungen, über Machtgewinnung einzelner Familien, über Geheimkulte... kurzum, alles, was in späteren Tagen in Zeitungen und Zeitschriften verschiedener Couleur zu finden wäre. Und einiges davon war durchaus interessant.


    Bevor er sich allerdings zum Baden selbst begab, besuchte Sextus zunächst die zur Badeanlage zugehörige Latrine, um sich zu erleichtern. Also betrat der Aurelier den am Rand der Badeanlage gelegenen Raum und sah sich einmal kurz grüßend um – und bemerkte einen Mann, mit dem er ohnehin in den nächsten Tagen noch sprechen wollte. Und neben dem auch gerade ein Platz frei wurde, den Sextus somit auch gleich in Beschlag nahm.
    “Consular Purgitius, welch angenehme Überraschung.“ Die Frage, ob er einen Moment Zeit hatte, ersparte Sextus ihnen beiden. Wer hier saß, sprang normalerweise nicht plötzlich auf und ging weg, weil er eben keine Zeit hatte. Und selbst, wenn der Purgitius sich nicht hätte unterhalten wollen, verhinderten gewisse Dinge üblicherweise eine Flucht.
    Sextus setzte sich also und tat, wozu er auch hergekommen war, während er kurz über einen schönen Spruch schmunzeln musste, den jemand hinter ihnen beiden an die Wand gekritzelt hatte: Oh Wand, ich bewundere dich, dass du noch nicht zusammengefallen bist bei all dem Scheiß, den du schon gesehen hast. Und das direkt neben diversen Liebeserklärungen.
    “Ich wollte mich ohnehin in den nächsten Tagen noch einmal mit dir in deiner Funktion als Factio-Leiter der Russata unterhalten.“

    Der Tiberier wollte also eine Statistik aufstellen und auf deren Grundlage dann Maßnahmen vorschlagen, um das kultische Interesse zu fördern. So zumindest verstand Sextus den groben Abriss seines Klienten, und an dem Gedanken war grundsätzlich auch nichts schlechtes. Im Gegenteil honorierte Sextus sogar das methodische Vorgehen, das hinter dem ganzen steckte. Lediglich ein paar kleine Schönheitsfehler hatte der Plan dann doch, auf die er als älterer mit mehr Erfahrung im kultischen Bereich auch anzuzeigen sich anschickte.
    “Dein Gedankengang klingt schon einmal sehr interessant und erfreulich methodisch. Viele Zeitgenossen treffen ihre Entscheidungen leider sehr absolut und voreilig, ohne sie zuvor genau zu prüfen, und beharren dann auf ihrer Idee, ohne Alternativen mitzuprüfen. Nicht nur im kultischen Bereich.
    Allerdings sehe ich eine Schwierigkeit bei der Datengewinnung: Der Großteil der Opfer und des Engagementes findet ja außerhalb des Tempelbetriebes statt an den heimischen Altären, den vielen kleinen Schreinen in der Stadt und nicht zuletzt auch in vielen Kulten, deren Riten bisweilen auch nur eingeweihten offen stehen. Daher lässt sich eine Beliebtheit bestimmter Gottheiten daraus wohl nur bedingt ableiten und nur in Bezug auf die Tempelopfer. Wobei sicherlich auch jene eine interessante Größe darstellen würden und bestimmt Anhaltspunkte für die Staatsopfer geben könnten, in welchen Bereichen vermehrt auch auf Anwesenheit des Kaisers beim Staatsopfer wert gelegt werden sollte und dergleichen.
    Daher freue ich mich schon auf die Ausarbeitung deiner Agenda und die Ergebnisse, die sie zutage fördert. Aber ohne deinen Elan bremsen zu wollen, hoffe ich, dass du nicht zu hohe Erwartungen damit verknüpfst. Es ist sicherlich ein guter und auch wichtiger Anfang. Der angestrebte Prozess könnte allerdings recht langwierig werden.“

    Ein Bote mit einer Nachricht kam nach Mantua und zum Legionslager, um einen Brief an die beiden Aurelierinnen, die nach wie vor in der Castra wohnten, zu überbringen.



    Ad
    Aureliam Priscam et Aureliam Lentidiam et Aureliam Floram



    Sextus Aurelius Lupus suae consanguineae s.d.


    Prisca, ich hoffe diese Nachricht trifft dich (und auch meine anderen beiden Cousinen) bei guter Gesundheit an. Leider habe ich seit meiner Letzten Nachricht, die ich an Ursus gesendet hatte und bei der ich um Weiterleitung an euch gebeten habe, ncihts neues mehr aus Mantua gehört, so dass ich davon ausgehen muss, dass die erste Nachricht wohl verloren ging.


    Falls die Nachrichten noch nicht wieder bis nach Mantua vorgedrungen sind, berichte ich dir nun in aller Kürze das wichtigste: Cornelius Palma ist der neue Kaiser und hat den Namen unserer Familie soweit als möglich in der Öffentlichkeit auch wieder reingewaschen. Nicht zuletzt durch eine Auszeichnung an mich und meine Aufnahme als sein Klient. Es besteht also keinerlei Grund mehr, Rom fern zu bleiben, und ich wäre froh und dankbar, euch alle wohlbehalten wieder in der Villa Aurelia begrüßen zu können.
    Ich hoffe, ihr könntet auch Ursus überzeugen, seinen Sohn mit euch mitzuschicken. Ein junger Mann seines Standes sollte in der Hauptstadt sein und hier die besten Lehrer erhalten, um ihn auf seine Rolle als Staatsmann vorzubereiten. Wirkt bitte auf Ursus oder auf Tiberia Septima diesbezüglich etwas ein, damit sie Aurelius Durus mit euch mitschicken.
    Und sendet bitte auch Nachricht über den Verbleib von Tiberius Ahala! Der Kaiser höchstselbst hat sich bereits mehrfach nach Tiberius' Durus' Sohn erkundigt und wünscht ihn zu sehen. Sollte dieser also noch nicht abgereist und bereits auf dem weg nach Rom sein, bringt ihn bitte mit,oder schickt zumindest Nachricht über seinen Verbleib, damit ich dem Kaiser Nachricht überbringen kann.


    Im Moment organisiere ich gerade Leichenspiele für Tiberius Durus. Vielleicht kommt ihr gerade rechtzeitig, um euch an diesen auch erfreuen zu können.
    In jedem Fall hoffe ich auf baldige Nachricht von euch und darauf, euch bald wieder in Rom begrüßen zu können.


    Sextus


    War Sextus wirklich interessiert daran, wie das Treffen zwischen seinem Klienten und Vala lief? Nicht unbedingt. Er nahm nun weder an, dass Vala ihm seinen Klienten abspenstig machen wollte – oder konnte – und auch nicht, dass der Germane den Tiberier mit seinen Flausen von der Zerschlagung der Schola Atheniensis vollquatschte, so dass wiederum er, Sextus, sich erneut diese abstruse Geschichte, dass das Gebäude den Staat zuviel Geld kosten würde, anhören musste.
    Andererseits wollte er den Tiberius nun auch nicht beleidigen, wenn dieser schon so freimütig Informationen anbot. Das nächste Mal bot er sie dann vielleicht nicht mehr an, wenn es um etwas ging, das Sextus dann wiederum durchaus interessieren würde. Also versuchte er sich an einer diplomatischen Antwort. “Du kannst mir gerne davon erzählen, wenn sich etwas Erwähnenswertes ereignet.“


    Da sein Klient das Gespräch mit dieser Agenda begonnen hatte und Sextus nach wie vor keine Ahnung hatte, was er damit eigentlich meinte, interessierte es ihn natürlich. Allerdings schob er dies erst einmal beiseite, da der Tiberier zunächst noch einen leicht erfüllbaren Wunsch äußerte. Zumindest zur Hälfte erfüllbar.
    “Ich kann dich bei der nächsten Sitzung den übrigen Salii zur Kooptation vorschlagen, woraufhin du dich ihnen vorstellen und ihre Fragen beantworten kannst.“ Und dies hoffentlich besser als der zuvor bereits erwähnte Tiberius mit seinen fremdländischen Kulten. Oder auch der Claudier damals, der nichts besseres zu tun gehabt hatte, als dem Collegium vorzuwerfen, es wisse ohnehin dort keiner über Religion auch nur annähernd bescheid und sie wären alle unfähig, weshalb er keine Fragen zu beantworten habe. “Wenn dies deinem Wunsch entspricht, informiere ich dich rechtzeitig über den Termin zum nächsten Treffen.“
    Da ja alle Salier darüber abstimmen mussten, konnte er mehr nicht versprechen.


    “Nun aber möchte ich in der Tat etwas über diese Agenda erfahren. Was genau planst du, zu erschaffen?“

    “Ah“, machte Sextus zu der Erklärung, warum Lepidus etwas über Vala wissen wollte. Natürlich hätte Sextus ihm nun etwas vorschwärmen können und den Duccier als freud preisen können. Die Wahrheit war aber: Sie waren keine Freunde, lediglich über einen gewissen Zeitraum hinweg Verbündete gewesen. Und Sextus hatte noch seit jeher das Gefühl gehabt, dass der einzige, der von all jenen Verbindungen profitierte, nur der homo novus war. Und jener auch jegliche Verpflichtungen seinerseits immer weit von sich schob, sobald es einmal nicht zu seinem persönlichen Vorteil gereichte. Das hatte schon früh angefangen, dass er seinen Ehrgeiz bewies, und auch, dass Sextus ihm weit mehr genützt hatte als umgekehrt. Er erinnerte sich noch daran, wie er den Kerl auf der Hochzeit seiner Cousine vor langer Zeit vor den Flaviern verteidigt hatte, jung wie Sextus damals gewesen war. Dass der Duccius aber dieses Vertrauen nicht Wert gewesen war, hatte sich spätestens bei den Besprechungen zu Kriegseintritt deutlichst gezeigt, als er keine Gelegenheit ausgelassen hatte, sich selbst über alle anderen Anwesenden zu stilisieren und die anderen – Sextus eingeschlossen – durch die Blume als unfähige Idioten darzustellen. Und nein, Sextus vergaß so etwas ganz sicher nicht. Erst recht nicht nach dem letzten Auftritt des Duccius, der im Grunde wieder dasselbe offenbart hatte: einen Menschen, der von niederem Stand war und dennoch gern auf alle anderen herabspuckte. Warum also sollte er seinem Klienten da eine überwiegend positive Einschätzung geben?


    “Der Mann ist ein homo novus in jeglichem Sinne des Wortes. Er wäre gerne ein Tullius Cicero, aber ich fürchte, außer dem Schicksal, früher oder später jemanden so zu beleidigen, dass dieser ihm die Hände abhackt und an die Senatstüren nageln lässt, haben sie nicht sehr viel gemein.
    Versteh mich nicht falsch. Der Mann ist nicht dumm. Er hat ein gewisses Talent darin, zu begeistern. Er kann charmant sein. Zur Frauenwelt wohl sehr besonders, zahlreiche Liebschaften sprechen dafür. Allerdings ist sein eigenes Fortkommen das einzige Ziel seines Ehrgeizes. Wie jeder homo novus will er seinen Namen auf dem Sockel einer Marmorstatue lesen, die die Zeit überdauert. Er hat keinen Sinn für unseren Stand und vor römischen Götterkulten wohl weder Respekt noch das nötige Verständnis dazu. Letzten Endes ist er ein Germane und wird auch stets einer bleiben. Und es würde mich nur wenig wundern, wenn er nicht alles daran setzen würde, wieder möglichst schnell in seine Heimat zurückzugelangen, sofern seine Machtgier dem nicht im Wege steht.“

    Sextus hatte das alles sehr sachlich und beinahe tonlos vorgetragen, fast so, als würde er über eine Pflanzengattung dozieren. Er war nicht wütend. Er sah nur keinen Sinn darin, seine Auffassung der Sachlage vor seinem Klienten jetzt zu verschleiern. Früher oder später würde der Duccius Lepidus ohnehin fragen, wer sein Patron sei, oder der Tiberier würde von sich aus darauf zu sprechen kommen. Da war es besser, wenn sein Klient die nötige Vorsicht auch walten ließ und weitestgehend bescheid wusste.
    “Daher rate ich dir einfach nur folgendes: Genieße die Zeit auf der Insel, aber lasse dich nicht auf größere Geschäfte ein. Oder solche, die nicht zu deinem eigenen Vorteil sind. Auf spätere Versprechen solltest du dich keinesfalls vertrösten lassen, und lass dich nicht von Worten einwickeln. Da du aber ein intelligenter junger Mann bist“ – hätte Sextus eine andere Auffassung, wäre der Tiberius wohl nicht sein Klient. Zumindest hätte Sextus sich nicht so lange mit ihm unterhalten in dem Fall – “ist dieser Ratschlag wohl ohnehin nichts, was du nicht schon wusstest.“

    Gut, wenn der Tiberier die Aurata gern übernehmen wollte, würde Sextus ihm sicher nicht im Wege stehen. Im Endeffekt ersparte ihm das sogar noch lästige Nachfragen, ob er die Familientradition in dieser Factio nicht fortsetzen wollte. Vielleicht würde er später auch beitreten, solange seine Mitgliedschaft keine weiteren Verpflichtungen einschloss, die seine Zeit ohnehin nicht zuließen.
    “Ich werde den Boten gleichfalls eine Nachricht an meinem Vetter mitgeben, da er sich ohnehin in der Nähe Mantuas aufhält. Gegebenenfalls erhältst du so noch vor den Spielen Zugang zur Aurata, wodurch ich in diesem Falle dich gleich ebenfalls bitten würde, die nötigen Fahrer und Pferde dann auszuwählen. Wie gesagt, unter der Prämisse einer baldigen Antwort meines Vetters, so dieser nicht selbst gleich Anweisungen diesbezüglich mitgibt.“


    Wieder ein Punkt weniger auf der Liste.


    Bezüglich der Hinrichtungen nickte Sextus nur bisweilen bei der kleinen Rede des Tiberiers. Im Grunde gab es dem nicht viel hinzuzufügen, denn anscheinend deckten sich ihrer beider Ansichten in dem Punkt zu großen Teilen.
    “Dann würde ich sagen, machen wir es so. Da ich dir bereits einen guten Teil der Koordination der Factiones nun abgetreten habe, werde ich hierzu selbst Erkundigungen einholen.“ Oder sie einholen lassen. Seine Tagesplanung sah nicht unbedingt einen Besuch im Carcer vor, um sich nach irgendwelchen Straftätern zu erkundigen.


    Nächster Punkt der Liste. Auf Sextus' Liste befanden sich somit keine Dinge mehr, die er mit seinem Klienten besprechen wollte. Allerdings hatte er nicht vergessen, dass jener zu Beginn der Gespräches etwas über eine religiöse Agenda – was immer das sein mochte – gesagt hatte. Und offenbar hatte der Mann auch noch weitere Anliegen zu besprechen.
    “Ja, er und ich sind uns schon seit langer Zeit bekannt. Wieso fragst du nach ihm?“

    Einen Moment ließ Sextus die These durch seinen Kopf gehen. Dass Patrizier auch ohne negativen Einfluss schlicht und ergreifend dumm sein konnten, war für ihn ein Faktum, so dass dieser Aspekt dabei außer Acht blieb. Allerdings war das Vorhaben an sich, eine Factio so zu beleben, dass nicht jeder dahergelaufene Fleischersohn Mitglied werden konnte, ein durchaus reizvoller Gedanke. Das würde die Mitgliedschaft in einer Factio auch unabhängig vom Interesse für den Rennsport attraktiv machen.
    “Nachdem mein Vetter Aurelius Ursus in der Schlacht bei Vicetia verletzt wurde, ist die Factio der Aurata sehr verwaist. Falls es deinem Interesse entspricht, eine Factio nach dieser deiner Vorstellung zu formen, kann ich ihm gleichfalls schreiben und ihn fragen, dich aufzunehmen und dir entsprechende Befugnisse auch zuzuteilen?“
    Sextus war sich nicht ganz sicher, wie hypothetisch das Vorhaben des Tiberius war, daher bot er es einfach einmal an. Der junge Mann konnte dann auch noch ja oder nein sagen.


    Bei der Frage bezüglich der Hinrichtungen allerdings passierte etwas, das äußerst selten geschah: Sextus Gesichtsausdruck wurde von einem zu seinem Cognomen passenden Lächeln beherrscht, wenngleich nur einen Augenblick lang. Aber auch das war mehr, als die meisten Menschen bei ihm hervorriefen. “Ich sehe, du denkst mit. Wobei ich die Finger von bekannten Namen und hohen Würdenträgern in jedem Fall lassen würde. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass dies nur ein Racheakt der Siegreichen über die Besiegten sei. Vielmehr ist mir durchaus daran gelegen, der Bevölkerung möglichst viel Solidarität und Verbundenheit mit ihnen unabhängig von dem Ort, an dem sie sich zwangsläufig aufhielten, zu zeigen. Immerhin konnte sich die einfache Bevölkerung Romas kaum aussuchen, nicht unter der Herrschaft des Usurpators zu stehen.“


    Die Freude über das ermöglichte Treffen nahm Sextus wohlwollend auf. Kaum anderes hatte er erwartet, denn welcher normale Mensch würde sich nicht freuen, dem Lenker und Herrscher des Reiches persönlich ein paar Vorschläge machen zu können?
    “Sobald der Termin feststeht, werde ich dir die Zeit zukommen lassen.“ Und dann konnte Sextus auch nur hoffen, dass sein Klient nichts Blamables anstellen würde, sonst würde er wohl eine Weile keine anderen – oder auch dieselben – Klienten erneut mitbringen dürfen.


    Sim-Off:

    Ich frag mal bei Palma an, damit wir das noch vor der nächsten Wahlperiode alles hinbekommen.

    Das gesellschaftliche Leben konnte mit genügend Kleingeld schon wieder auf Vordermann gebracht werden, darüber machte sich Sextus keine Sorgen. Uns Spiele dienten auch doch eher der Zerstreuung, für die gerade der Pöbel bemerkenswerter Weise immer Zeit fand.
    Dass der Tiberier auch keinen Sinn für Pferderennen hatte, konnte Sextus ihm ob seiner eigenen Abneigung gegen dieses Spektakel kaum verübeln. Bedauerlich war es nur insoweit, dass er so doch einen weiteren Gang vor sich hatte und den Tiberier nicht einfach bitten konnte, für ihn bei der Veneta nachzufragen, ob sie teilnehmen wollten und mit wem. Wobei...? Vielleicht sollte der Tiberier ruhig auch ein paar kleinere Gänge für ihn erledigen. Das würde schon dazu führen, dass dessen Bekanntenkreis wuchs, er ein Gesprächsthema hatte und so Kontakte unverbindlich knüpfen konnte. Das war für einen Einsteiger in die politische Laufbahn sicherlich nicht das schlechteste.
    “Angesichts der Tatsache, dass unsere beiden Gentes ebenfalls plebejische Wurzeln haben, dürfen wir hierbei vielleicht nicht allzu streng sein. Zumal es auch unter dem Patriziat einige kuriose Auswüchse gibt...“ Sextus erinnerte sich dunkel an eine Bewerbung bei den Saliern, bei der ein Anwärter verkündet hatte, es sei ja gänzlich römisch, sich irgendwelchen fremdländischen Kulten zu verschrieben... Moment! War besagter Schwachkopf damals nicht ein Tiberier gewesen? Jetzt beim darüber nachdenken... Aber Sextus wollte Lepidus nicht beleidigen, indem er an diesen vermutlichen Verwandten erinnerte. Anzunehmenderweise war der den Tiberiern bestenfalls peinlich.
    “Allerdings stimme ich mit dir insofern überein, dass zumindest auf ein gewisses Maß an Herkunft und Bildung geachtet werden sollte, wenn die Factiones etwas attraktiver erscheinen sollen und nicht als Ansammlung von... Gesindel ist ein hartes Wort. Sagen wir, als Ansammlung einfacher Gemüter, deren einzige Gemeinsamkeit im Vergnügen, Männern beim Im-Kreis-Herumfahren zuzusehen, besteht.


    Nichts desto trotz könntest du mir bei der Organisation der Rennen behilflich sein, indem du bei der Veneta in Hinblick auf die gemeinsame Vergangenheit von Tiberius Durus und der Factio anfragen könntest, ob und mit welchen Fahrern die Factio wohl antreten möchte. Sofern du darüber hinaus noch Zeit findest, böten sich solche Gespräche mit der Purpurea und der Praesina ebenfalls an. Russata und Aurata werde ich persönlich besprechen,“ wobei Sextus sich nicht sicher war, ob sein Vetter als Chef der Aurata denn antworten würde, “.. und wohl auch mit der Albata.


    Desweiteren habe ich bezüglich der mittäglichen Hinrichtungen bei den Spielen eine andere Idee. Vor einiger Zeit hatten Männer die Kornspeicher der Stadt angesteckt. Unabhängig vom Krieg und der Tatsache, dass dies wohl die Position Palmas letztendlich gestärkt hat, ist die Wut der Bevölkerung darüber natürlich groß. Bei Brandstiftern ohnehin. Weißt du, ob für diese Tat jemand verurteilt wurde, den man bei der Gelegenheit dann publikumseffektiv seinem Urteil zuführen könnte?“ DAS wäre definitiv prestigeträchtig.


    Die Inschrift für Tiberius Durus wäre natürlich ebenfalls ein Punkt, den man ausführen konnte. Auch wenn die nun nicht dazu verwendet werden konnte, sein eigenes Ansehen damit auch zu steigern. Aber einen wirklichen Hinderungsgrund dagegen sah Sextus nicht. Außerdem konnte er seine Antwort gleich mit der anderen positiven Nachricht für Lepidus verbinden.
    “Ich habe sogar eine bessere: Du kannst deinen Vorschlag dem Kaiser direkt unterbreiten und seine Reaktion dazu hören. Zu seinem seiner nächsten Termine hat er mir die Möglichkeit offeriert, dich mitzunehmen und vorzustellen. Dieser Vorschlag wäre denke ich eine gute Gelegenheit, ihn von deinem lauteren und fleißigen Charakter zu überzeugen, ebenso wie von deiner Eignung für das Collegium Pontificum. Ich habe ihn bereits um selbige bei Gelegenheit gebeten, ebenso wie um deine Erhebung in den Ordo senatorius. Daher wäre so ein Vorschlag wohl eine Gelegenheit, ihn von deiner Eignung für beides noch vollständig zu überzeugen.“

    Die erste Nachricht war schon einmal schlecht. Ein etwas widerwilliges “Hm“ entwich Sextus, als er die Worte aufnahm. So langsam machte er sich auch Gedanken um seine beiden Cousinen. Und nicht ausschließlich aufgrund des Umstandes, dass Prisca noch das gesamte Erbe von Marcus Aurelius Corvinus besaß und anzunehmenderweise kein Testament bislang verfasst hatte, das ihn und seine Seite der Gens auch berücksichtigte. Aber es war einer der Gründe.
    “Ich werde Boten ausschicken und mich ebenfalls noch einmal nach ihm erkundigen, insbesondere, ob und wann er nach Rom zurückzukehren gedenkt.“ Schon allein, um seinem Patron die beständigen fragen nach diesem Kerl beantworten zu können.
    “Bei zwei Boten in kurzem Abstand sollte die Gefahr eines Verlorengehens minimal sein. Dann erhalten wir hoffentlich bald Antwort.“


    Die zweite Nachricht war... auch schlecht. Der Parthia-Feldzug eignete sich wohl wirklich nicht einmal Ansatzweise als Thema für Spiele, die dem römischen Volk etwas Größe, Glanz und vor allen Dingen Ablenkung bieten sollten. Da an den Tod eines weiteren Kaisers und einen verlorenen Krieg erinnert zu werden, konnte wohl als kontraproduktiv bezeichnet werden.
    “Nungut, dann werden die Hinrichtungen wohl unter einem anderen Motto stehen. Eine Schlacht wäre vermutlich ohnehin unabhängig von ihrem Glanz in der momentanen Lage vielleicht etwas gewagt.“ Und Sextus mochte keine Risiken, er war kein Spieler.
    Kurz überlegte Sextus, wurde dabei von der Frage nach dem Datum aus dem Konzept gebracht und antwortete daher eher beiläufig. “Nach den Ludi Romani in der Zeit, in der sonst keine dies feriae liegen, und vor dem Oktoberpferd. Vor den Kalenden des Oktober wäre angepeilt, je nachdem, wie schnell sich Tiere, Gladiatoren und die Factiones organisieren lassen.“
    Bei letzterem fiel ihm etwas ein. “Du bist nicht zufällig Mitglied in einer dieser Factiones? Ich muss zugeben, dass mich der Rennsport nicht besonders zu faszinieren vermag, ich weiß aber, dass Tiberius' Durus lange Zeit in einer der Factiones war. Daher wäre dieser Teil wohl doch verpflichtend für seine Leichenspiele.“ Dabei zuzusehen, wie Leute im Kreis fuhren, in der Hoffnung auf einen Zusammenstoß, war nicht seine Definition eines ausgefüllten Nachmittages. Aber es gab genug, die daran Spaß hatten.

    Jetzt kam der Kerl hier nicht allen Ernstes mit dem Cursus Res Vulgaribus! Wenn es Vala darum gegangen wäre, dieses unnütze Konstrukt abzuschaffen, hätte Sextus das ja noch befürworten können. Immerhin sollte jeder Mensch, der sich wählen lassen wollte, in seiner Jugend auch zumindest Lesen und Schreiben und ein paar Gebräuche gelernt haben. Dies öffentlich abzufragen und dafür auch noch Diplomae zu verleihen, war eine Beleidigung für jedes gesittete Elternhaus.


    Allerdings hatte Vala nicht danach gefragt. Nein, er hatte eine Fackel aufgenommen und brüllte hier nun laut Folgt mir!, und war beleidigt, wenn man ihn auf Steine auf dem Weg hinwies und lieber einen anderen Weg beschreiten wollte. Der nicht unbedingt darin endete, ein Gebäude niederzubrennen – bildlich gesprochen – sondern lediglich etwas abzuändern und ein paar Ketten zu lockern. Aber wie immer hatte Vala Probleme damit, wenn es nicht einzig und allein nach seinem Willen ging. Er hatte durch den Feldzug an etwas Macht geleckt und nun ganz offensichtlich damit Probleme, keine Befehle mehr erteilen zu können. Nur leider funktionierten weder Senat noch Bündnisse auf Befehlsbasis.


    “Sofern du auf deiner Vorgehensweise als einzigem Weg beharrst und noch nicht einmal bereit bist, weniger radikale Alternativen auch nur zu erörtern, ist das wohl bedauerlich.“ Und selbstverständlich war Sextus sich der Wortwahl des Ducciers sehr bewusst. Er fand es 'bedauerlich', aber es tat ihm mitnichten Leid, ein Zerwürfnis durch seine Wortwahl und sein Verhalten herbeigeführt zu haben. Nur ein Punkt in der langen Reihe an Dingen, die sich im Laufe ihrer Bekanntschaft nun ereignet hatten und die Sextus definitiv weder schätzte noch vergaß.

    Nachdem mit dem etruskischen Heer nicht nur Bewaffnete nach Rom gekommen waren, sondern auch etliche Männer aus dem hohen Stand der Haruspices, nutzte man diesen Umstand, einmal eine große Sitzung des Collegiums in Rom abzuhalten und von dem dualen Prinzip mit beiden Hauptsitzen in Rom und Tarquinia abzuweichen. Immerhin ermöglichte dieser wenngleich unglückliche Zustand einmal, sich intensiv auszutauschen, ohne Boten mit den jeweiligen Entscheidungen auf tagelange Reisen zu schicken.


    Und so war der Sitzungssaal des Collegium Haruspicum LX überraschend gut gefüllt – wenngleich er auch natürlich nicht die eigentliche Sollstärke von sechzig Mann aufwies. Letzteres allerdings hatte er in den vergangenen hundert Jahre ohnehin nie, da beständig Jungen fehlten, die diese schwierige und langjährige Ausbildung absolvierten.
    Und so wurde dieses eine Mal die Wahl erheblich erleichtert, wer für die nächste Zeit – bis zum Rücktritt oder der Entscheidung über einen würdigeren Amtsinhaber – eben diese Ansammlung von weitestgehend autark handelnden Männern nach Außen hin leiten würde.


    Sextus lehnte sich zufrieden auf seinem Sitz zurück. Ein Drittel des Collegiums schuldete ihm sein Leben, da er die Flucht von sage und schreibe 21 Mitgliedern möglich gemacht hatte, sehr zu Lasten seines eigenen Geldbeutels. Bei einem weiteren Drittel, vornehmlich der angekommenen Haruspices, baute er gänzlich auf den Einfluss seines alten Lehrers Marcus Cilnius Lanatus, der in Tarquinia wie auch in Velutonia großen Einfluss hatte. Leider war der Mann zu alt gewesen, um selbst am Feldzug teilzunehmen. Erfreulicherweise allerdings hatte er seinen Sohn mitgeschickt, ihn zu vertreten, und jener war Sextus noch aufgrund der einstigen Schülerzeit durchaus bekannt. Vor Beginn dieser Sitzung hatte er sich lange mit ihm unterhalten – bis sie schon beinahe zu spät gekommen wären. Erst als die anderen Mitglieder schon hineingegangen waren, schlossen sie sich schließlich an und unterbrachen ihre Unterhaltung.


    So oder so konnte Sextus äußerst zufrieden in diese Sitzung gehen. Und so hörte er zu, wie in seiner Muttersprache sich ausgetauscht wurde über die Zeichen, die gelesen worden waren – im Übrigen auch nach einem Schriftwechsel zwischen ihm und seinem Lehrer, wenngleich dies etliche Beteiligte nicht wussten. Und über den Krieg an sich. Über die neuen Zeichen, die aus dem soeben auch geopferten Schaf gelesen wurden – nicht nur aus der Leber, sondern aus allen Innereien und dem Rauch, während diese verbrannten. Natürlich beteiligte er sich auch hier und da mit einem Einwand,im großen und ganzen aber genoss er eher, sich hier einmal mit Gelehrten austauschen und fachsimpeln zu können.


    Noch mehr allerdings genoss er das, was folgte. Nach einem schier endlosen Vortrag über die Zeichen und die Zukunft und Zeitalter und wie man ihnen begegnen könne, ja, müsse, kam einer der Haruspices, die mit ihm zusammen damals bei der Prozession geflohen waren aus Rom, endlich zu dem entscheidenden Punkt “... und aus all diesen Gründen nominiere ich Sextus Aurelius Lupus für das Amt des Ersten unter uns, da sein Weitblick und sein Einfluss nicht nur in der Vergangenheit zum Nutzen und Wohl der Mitglieder des Collegiums und dem Ansehen der Haruspices gereichten, sondern er meiner Auffassung nach uns allen in diesem Amt noch weit mehr Einfluss, Voraussicht und Leitung zuteil werden lassen kann.“
    Und wie auf Bestellung applaudierte die Hälfte aller Anwesenden bei eben jenem Vorschlag, den Sextus mit stoischer Ruhe und augenscheinlicher Demut aufnahm. Wenngleich es hierbei durchaus schwerer war als zu anderen Zeiten, sich ein Lächeln zu verbitten.
    Noch drei weitere Männer wurden vorgeschlagen, konnten allerdings so natürlich nicht die nötige Mehrheit auf sich vereinigen. Also dauerte es auch nicht außerordentlich lange, die noch fehlenden, wenigen Stimmen bei der folgenden Abstimmung schließlich ebenfalls noch dazu zu bewegen, für den Aurelier zu stimmen.

    Die erste, gefloskelte Frage winkte Sextus nur kurz kommentarlos ab. Augenscheinlich war er gesund, folgerichtig ging es ihm der Definition nach gut. Abgesehen davon war dem Tiberier ganz offensichtlich auch nicht an seichten Verallgemeinerungen aus Höflichkeit gelegen, denn er kam sehr rasch auf den Punkt.


    “Erfreulich gut, möchte ich meinen. Es wird dich sicherlich ebenso freuen, dass du nun der Klient eines Klienten des Kaisers bist, was meine Möglichkeiten sicherlich erweitert hat.


    Darüber hinaus steht der Imperator meinem Vorhaben, munera zu Ehren deines Verwandten Tiberius Durus zu veranstalten, sehr wohlwollend gegenüber. Bezüglich eben jener habe ich auch gleich eine Frage an deine Person. … Um genau zu sein, sogar mehrere.
    Zunächst einmal würde mich interessieren, ob vielleicht zur Villa Tiberia Informationen über Tiberius Ahala angekommen sind? Der Kaiser hat sich auch nach Tiberius' Durus' Sohn erkundigt, allerdings liegen mir noch keine weiteren Nachrichten vor.
    Desweiteren: Gibt es irgendwelche berühmten Heldentaten in der Geschichte der Tiberier, unter deren Motto man die Spiele stellen könnte? Irgendwelche berühmten Schlachten unter tiberischen Feldherren?“
    Sextus hatte sich zwar schon erkundigt, aber nichts erwähnenswertes erfahren. Was daran liegen mochte, dass die Gens Tiberia so wie seine eigene Gens erst geadelt worden war und keines der gänzlich alten Geschlechter darstellte. Da konnte man nicht allzu weit in die Vergangenheit vordringen und damit die großen Schlachte noch aus Zeiten der Republik, als Rom beständig im Wachstum begriffen war, nicht nutzen.

    “... die dann einen Lohn erhalten, wenn sie unterrichten, wofür die Schüler wiederum Gebühren zahlen, die die Aufwendungen für den jeweiligen Lehrer im Allgemeinen übersteigen, wodurch die Schola hier mehr einnimmt, als sie an dieser Stelle ausgibt...“ wiederholte Sextus schon das, was er schon zuvor in den Holzkopf vor ihn hineinzubringen versuchte, im Bezug auf die erste Bemerkung seines Gegenübers.


    Allerdings empfand Sextus das Gespräch mittlerweile nicht mehr als nutzbringend, sondern lediglich als anstrengend – und das war die nette Umschreibung. “Bist du hergekommen, um mich um Hilfe zu bitten, oder um mich zu beleidigen? So langsam solltest du dich entscheiden“, merkte er reichlich trocken und emotionsfrei an. Wenn Vala im Senat ähnlich zu argumentieren gedachte, musste sich Sextus über die ganze Angelegenheit ohnehin keine Gedanken machen, da die Senatoren schon allein deshalb gegen ihn stimmen würden, weil sie ihn nicht leiden mochten, unabhängig vom Inhalt seiner Vorschläge. Als ob die Tatsache, dass er ein homo novus war, nicht ausreichen würde. Immer so vom Ehrgeiz zerfressen, dass sie nicht einmal das Ziel wirklich erkennen können, weil sie so auf den Weg fixiert sind...
    Wenn Germanicus Avarus nicht mit einem Mal im Senat einschlafen würde beim Thema Schola, würde Vala ihm so direkt ins Messer laufen. Und Sextus hatte nach dieser 'Diskussion' mehr Gründe, dabei zu applaudieren, als etwas dagegen zu unternehmen.

    Sextus hatte auch ganz sicher nicht vor, täglich dem Kaiser aufzuwarten. Er hatte immerhin auch eigene Klienten zu betreuen und sich deren Geschwafel geduldig anzuhören, um dem ein oder anderen weiterzuhelfen, da wollte er nicht auch noch seine Zeit damit verschwenden, seinen Patron mit ebenso nutzlosem Geschwafel täglich zu belästigen. Seinetwegen konnten zwischen den einzelnen Terminen ruhig zwei oder drei Wochen liegen, so dass es auch etwas halbwegs sinnvolles zu berichten gab. Arg viel anders hielt er es auch nicht mit seinen eigenen Klienten. Wenngleich einige von ihnen alle Tage wieder aufzutauchen schienen mit immer neuen Bitten...


    “Ich danke dir, Imperator. Ich werde die Zeit bis dahin hoffentlich sinnvoll nutzen.“


    Im Grunde war alles gesagt, aber dennoch konnte nicht einfach er den Abschied einleiten oder etwas sagen, das so gedeutet werden könnte, als wollte er weg. Er wollte zwar nun weg, aber die Etikette verlangte, dass der Kaiser sich zuerst verabschiedete. Und Sextus hatte sicher viele Fehler, aber nicht den, das Protokoll zu vergessen.