Nachdem mit dem etruskischen Heer nicht nur Bewaffnete nach Rom gekommen waren, sondern auch etliche Männer aus dem hohen Stand der Haruspices, nutzte man diesen Umstand, einmal eine große Sitzung des Collegiums in Rom abzuhalten und von dem dualen Prinzip mit beiden Hauptsitzen in Rom und Tarquinia abzuweichen. Immerhin ermöglichte dieser wenngleich unglückliche Zustand einmal, sich intensiv auszutauschen, ohne Boten mit den jeweiligen Entscheidungen auf tagelange Reisen zu schicken.
Und so war der Sitzungssaal des Collegium Haruspicum LX überraschend gut gefüllt – wenngleich er auch natürlich nicht die eigentliche Sollstärke von sechzig Mann aufwies. Letzteres allerdings hatte er in den vergangenen hundert Jahre ohnehin nie, da beständig Jungen fehlten, die diese schwierige und langjährige Ausbildung absolvierten.
Und so wurde dieses eine Mal die Wahl erheblich erleichtert, wer für die nächste Zeit – bis zum Rücktritt oder der Entscheidung über einen würdigeren Amtsinhaber – eben diese Ansammlung von weitestgehend autark handelnden Männern nach Außen hin leiten würde.
Sextus lehnte sich zufrieden auf seinem Sitz zurück. Ein Drittel des Collegiums schuldete ihm sein Leben, da er die Flucht von sage und schreibe 21 Mitgliedern möglich gemacht hatte, sehr zu Lasten seines eigenen Geldbeutels. Bei einem weiteren Drittel, vornehmlich der angekommenen Haruspices, baute er gänzlich auf den Einfluss seines alten Lehrers Marcus Cilnius Lanatus, der in Tarquinia wie auch in Velutonia großen Einfluss hatte. Leider war der Mann zu alt gewesen, um selbst am Feldzug teilzunehmen. Erfreulicherweise allerdings hatte er seinen Sohn mitgeschickt, ihn zu vertreten, und jener war Sextus noch aufgrund der einstigen Schülerzeit durchaus bekannt. Vor Beginn dieser Sitzung hatte er sich lange mit ihm unterhalten – bis sie schon beinahe zu spät gekommen wären. Erst als die anderen Mitglieder schon hineingegangen waren, schlossen sie sich schließlich an und unterbrachen ihre Unterhaltung.
So oder so konnte Sextus äußerst zufrieden in diese Sitzung gehen. Und so hörte er zu, wie in seiner Muttersprache sich ausgetauscht wurde über die Zeichen, die gelesen worden waren – im Übrigen auch nach einem Schriftwechsel zwischen ihm und seinem Lehrer, wenngleich dies etliche Beteiligte nicht wussten. Und über den Krieg an sich. Über die neuen Zeichen, die aus dem soeben auch geopferten Schaf gelesen wurden – nicht nur aus der Leber, sondern aus allen Innereien und dem Rauch, während diese verbrannten. Natürlich beteiligte er sich auch hier und da mit einem Einwand,im großen und ganzen aber genoss er eher, sich hier einmal mit Gelehrten austauschen und fachsimpeln zu können.
Noch mehr allerdings genoss er das, was folgte. Nach einem schier endlosen Vortrag über die Zeichen und die Zukunft und Zeitalter und wie man ihnen begegnen könne, ja, müsse, kam einer der Haruspices, die mit ihm zusammen damals bei der Prozession geflohen waren aus Rom, endlich zu dem entscheidenden Punkt “... und aus all diesen Gründen nominiere ich Sextus Aurelius Lupus für das Amt des Ersten unter uns, da sein Weitblick und sein Einfluss nicht nur in der Vergangenheit zum Nutzen und Wohl der Mitglieder des Collegiums und dem Ansehen der Haruspices gereichten, sondern er meiner Auffassung nach uns allen in diesem Amt noch weit mehr Einfluss, Voraussicht und Leitung zuteil werden lassen kann.“
Und wie auf Bestellung applaudierte die Hälfte aller Anwesenden bei eben jenem Vorschlag, den Sextus mit stoischer Ruhe und augenscheinlicher Demut aufnahm. Wenngleich es hierbei durchaus schwerer war als zu anderen Zeiten, sich ein Lächeln zu verbitten.
Noch drei weitere Männer wurden vorgeschlagen, konnten allerdings so natürlich nicht die nötige Mehrheit auf sich vereinigen. Also dauerte es auch nicht außerordentlich lange, die noch fehlenden, wenigen Stimmen bei der folgenden Abstimmung schließlich ebenfalls noch dazu zu bewegen, für den Aurelier zu stimmen.