Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    Auf dem Wall war weniger los als im Lager selbst. Sextus stand da und sah nach Außen in das gräßlich bergige Gebiet, das noch vor ihnen lag. Er mochte sich die Plackerei gar nicht vorstellen, die es bedeuten würde, die ganzen Männer mitsamt des die Mission so schrecklich verlangsamenden Trosses über dieses steinerne Bollwerk zu schaffen.


    Der Duccius wiederum eröffnete das Gespräch auf die denkbar schlechteste Art und Weise. Er war ihm 'über den Weg gelaufen'? Wollte der Mann nun von jedem Mann eine persönliche Einschätzung, dem er über den Weg lief? Das könnte bei der Fülle an Männern im Lager dann ein langes Gespräch werden. Die folgenden Sätze revidierten diesen Gedankengang leider auch nicht vollständig.
    Sextus schwieg zunächst zu der Frage. Er hielt den Atier weder für fähig noch für intelligent genug, sich so mit Leuten von Außen im Vorfeld unterhalten zu haben. Die Koordination einer solchen Sache hätte seinen doch recht einfachen Verstand sicher überfordert. Sextus erwartete von einem Mann, der sich nicht einmal über eine militärische Reihenfolge im klaren war, nicht unbedingt hohe kognitive Planungen, die in einer derartig großen Sache mündeten wie diese Zettelaktion.
    Auf der anderen Seite war der Atier ein perfekter Sündenbock. Wenn man dem Lager einen Spion präsentieren könnte, der die Schuld an der Aktion trug, einen Kollaborateur, den man hinrichten konnte, um die Schande des eigenen Versagens mit dessen Blut von sich zu waschen, war das eine disziplinfördernde Maßnahme. Und Sextus konnte nicht behaupten, dass er den Atier oder seinen Cousin in irgendeiner Weise vermissen würde.
    Kurz blickte Sextus zu dem Duccier. Würde jener wohl den kompletten Gedankengang verstehen können, so dass er Tacheles reden konnte? Wohl eher nicht. Zu jung, zu ungebildet, zu germanisch. Und zu ungewaschen.
    “Der Atier erschien mir ein recht einfach gestricktes Gemüt zu haben. Allerdings kann jenes auch nur vorgetäuscht sein. Vescularius hat die Prätorianer schon vor langer Zeit auf seine Linie gebracht und sie immerhin auch dafür eingespannt, Imperator Valerianus für ihn zu ermorden. Zwar schwört der Decurio, davon ncihts gewusst zu haben und den Mord an Valerianus rächen zu wollen und uns deshalb helfen zu wollen, aber wer weiß, wie gut er lügen gelernt hat. Ich würde nicht so weit gehen, zu behaupten, er habe sich absichtlich gefangennehmen lassen, allerdings mag es durchaus sein, dass er die Gelegenheit genutzt hat. Eine Begleitung des Feldzuges ist sicher allemal besser als ein Carcer in Mogontiacum.
    Nur wüsste ich nicht, wie er Kontakt aufgenommen hat. Dies herauszufinden dürfte wohl die schwerwiegendste Frage hierbei sein.“

    Einen kurzen Augenblick überlegte Sextus, ob er den Kerl vor ihm noch kannte. Aber offensichtlich war das Gesicht als eindeutig nicht wichtig genug erachtet worden, um erinnert zu werden. Erwartet hatte er eine der üblichen Anfragen zur Truppenkoordination oder die Einladung zu der einen oder anderen Besprechung. Angesichts des Desasters vom vorigen Tag wäre eine Besprechung auch nicht unwahrscheinlich gewesen. Aber nein, der kleine Optio vor ihm wollte dann doch etwas unerwartetes.
    Sextus Augenbrauen wanderten fragend nach oben. Er sollte über den Atier reden? Was er von ihm hielt? Nun, Sextus fielen so einige Bemerkungen ein, die er – zu beiden Atiern in ihrem Heer – sagen könnte, allerdings war er sich nicht schlüssig, was der Duccius davon halten würde. Und überhaupt,w arum er das wissen wollte, und in welcher Beziehung. Eine Einschätzung über die Trinkfestigkeit und die Saufeigenschaften des Prätorianers war sicher etwas anderes als eine Einschätzung zu dessen Loyalität. Wobei Rang und Fragestellung sowohl das eine als auch das andere hier avancieren könnten. Und keines der Themen etwas für diese Örtlichkeit so war. Nicht, dass Sextus' Wachen nicht wissen dürften, dass er abfällig über im Rang niedriger stehende dachte. Er war Patrizier und ihm war egal, ob ihn die Leute hier mochten. Ein wenig gehörte es fast dazu, dass er auf den stinkenden Haufen despektierlich herabsah. Allerdings war es dennoch kein Zeichen von dignitas, über irgendwelche Legionäre zu lästern.
    “Mitkommen“, befahl Sextus also einfach, kurz und leise und stapfte los. Ein wenig Bewegung konnte gut tun und verringerte die Chance, gehört zu werden. Sextus schlug eine zackige Gangart ein, hinauf zu den Wällen, und gab so dem Gespräch einen semioffiziellen Charakter in Bezug auf die Befestigungen.
    “Weshalb fragst du nach dem Atier?“ stellte Sextus zunächst eine Gegenfrage, um den Hintergrund etwas näher zu beleuchten und so die Richtung der passenden Antwort herauszufiltern.

    Nachdem es endlich konstant bergab ging, war es sicher, sie waren auf italischem Boden. Zwar noch in Gallia Cisalpina, aber dennoch Italia. Auch wenn es sich nicht so anfühlte. Sextus konnte nicht wirklich glauben, dass sie der Zivilisation wieder näher gekommen sein sollten, nachdem sie dieses gewaltige Bollwerk aus Stein und Wald namens Alpen nun endlich hinter sich gelassen hatten. Vor ihnen lag Venetia, und dahinter, wie eine glorreiche Verheißung, Padania, Etruria! Auch wenn Sextus nie ein Gefühl für Heimat oder ähnliches entwickelt hatte, diese Aussicht kam Heimweh doch recht nahe.
    Auf der anderen Seite nicht so ganz. Als das Lager wieder aufgeschlagen wurde und sein Tribunenzelt dann irgendwann auch einmal stand, hatte Sextus nicht im Mindesten das Gefühl, der Zivilisation auch nur ein bisschen näher gekommen zu sein. Noch immer war er von stinkenden Männern, stinkenden Viechern und stinkenden Lederzelten umgeben, zum Essen gab es – wie immer – einen Getreidebrei, dem jegliche kulinarische Raffinesse fehlte. Gab es tatsächlich mal eine Zeit, in der er Dinge wie Seesterne oder gebratene Singvögel gegessen hatte? Sextus glaubte es kaum.


    Müde und resignierend wollte er sich gerade hinlegen und so diesen Alptraum, in dem er gefangen zu sein schien, wenigstens für ein Paar Stunden durch einen hoffentlich angenehmeren Traum zu ersetzen, als ein Legionär vorbeikam und meldete, dass Annaeus Modestus ihn sprechen wollte.
    Also quälte er sich wieder auf, legte die ihm mittlerweile verhasste Rüstung wieder über der Tunika an, achtete auf einen ordentlichen Eindruck und einen fehlerfreien Sitz und stapfte los. Nachdem er der Wache vor dem Zelt des Legatus Augusti gemeldet hatte und eingelassen wurde, stand er also dann vor dem Mann und salutierte inzwischen schon eingeübt. “Tribunus Laticlavus Aurelius Lupus meldet sich wie befohlen“, grüßte er zackig korrekt und wartete auf das, weswegen er herbefohlen worden war. Solange es nicht wieder ein Auftrag war, der wochenlanges Herumklettern im Gebirge mit einer Horde Peregriner miteinschloss, war ihm im Grunde jeder Auftrag recht.

    Als Sextus anfänglich des Feldzuges gedacht hatte, er würde diesen hassen, hatte er noch nicht gewusst, wie entsetzlich dieser letzten Endes doch wirklich werden würde. Es schien ihm beinahe schon, als wäre es ein ganz anderes Leben gewesen, das er vor seiner Flucht und der Proskription geführt hatte, und als hätte er mehrere Jahre nun nur auf dem Rücken eines stinkenden Pferdes oder inmitten von stinkenden Männern verbracht. Gepflasterte Plätze, hohe Tempelbauten, tiefsinnige Gespräche, und vor allen Dingen: Ein Bad! Das waren Dinge, die so nach und nach zu einer vagen Erinnerung verblassten, als wäre Zivilisation nur eine Idee nach Vorbild Platos, etwas so unerfahrbares wie Gleichheit, Güte oder Gerechtigkeit. Sextus konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er sich zuletzt so wirklich sauber gefühlt hatte.
    Auch heute bildete da keine Ausnahme. Nachdem wegen einer nach wie vor unbegreiflichen Situation das Lager in helle Aufregung verfallen war und man nur eine notdürftige und alles in allem unbefriedigende Lösung gesucht hatte, dieser Zettel Herr zu werden, hatte sich Sextus mit sich ausbreitenden Kopfschmerzen zurückgezogen. Seine Lösung für diese Sache wäre weitaus brachialer gewesen. Weitaus brachialer. Er konnte beim besten Willen nicht verstehen, wie man darauf verzichten konnte, die säumigen Wachen hinzurichten. Das war seiner Einschätzung nach extrem schlecht für die Moral. Die römische Legion funktionierte auf den Grundsätzen von Disziplin und Ehre. Ehre konnte man nicht erzwingen oder forcieren, sondern nur herbeireden. Aber Disziplin war ein scharfes Schwert, das durch solche Geschichten wie heute deutliche Rostflecken offenbarte, die man auswetzen musste, nicht wegkuscheln. Wenn dieser Vorfall ungestraft blieb, verlor die Obrigkeit für den gemeinen Soldaten seinen Schrecken. Wenn selbst Feinde Unmengen an Zetteln einfach so verteilen konnten, wie sollte man dann den Soldaten erklären, dass man eben diese Feinde in der Schlacht besiegen könnte? Hatte man einen Schuldigen, wurde der Vorfall mit ihm ausgemerzt und wenn schon nicht der Glaube an den Sieg, so führte doch die Furcht vor Strafe dann dazu, dass die Legionäre ihre Pflicht taten. Aber so? Nein, Sextus war mit der Gesamtsituation mehr als unzufrieden.


    Als er sich also gerade hinlegen wollte und so etwas wie ein wenig Schlaf zu finden in diesem armeegewordenen Alptraum, hörte er schon das nächste Problem vor seinem Zelt. Ein Optio von der zweiten Legion. Und hätte dieser nicht rein zufällig als Name ein vernehmbares Duccius anklingen lassen, Sextus hätte ernsthaft überlegt, vehemente Maßnahmen einzuleiten. Wenn er schon niemanden wegen dieser Zettelgeschichte bestrafen konnte, so doch ganz gewiss wegen Störung seiner Ruhe.
    Allerdings hieß der Optio nun einmal Duccius – auch wenn Sextus sich nicht daran erinnern konnte, dass einer von Valas Verwandten unter dem Claudier den Adlern diente. Was aber nichts heißen musste, hatte Sextus sämtliche Namen der Verwandten seines Verbündeten doch vergessen, kaum dass er sie gehört hatte – und so wägte Sextus ab, ob er Vala so vor den Kopf stoßen sollte oder die Situation einfach über sich ergehen lassen sollte. Letztendlich fiel die Entscheidung auf letzteres.
    Als also einer der Wachhabenden vor seinem Zelt die Plane liftete, um einen Blick ins Innere zu werfen, stand Sextus schon da und begab sich nach draußen. “Optio?“begrüßte Sextus den Mann mit Rang und gleichsam der unausgesprochenen Frage, was es denn so dringendes gab, was ausgerechnet mit ihm besprochen werden musste.

    Warum genau er den Befehl über diese Meute erhalten hatte, wusste Sextus nicht. Er hatte einige Vermutungen, die nach Wahrscheinlichkeiten geordnet immer noch einiges an Spekulationsmöglichkeiten offen ließ. (Eine Sache, die Sextus von Grund auf verabscheute. Kalkulationen fußten auf Wissen, nicht auf Vermutungen, die immer einen gewissen Irrtum mit einschlossen. Sextus irrte sich äußerst ungern.) Die Erklärung mit der ihm am wahrscheinlichsten scheinenden Möglichkeit war, dass Annaeus Modestus ihn loswerden wollte – einen gewissen Prozentsatz der Hoffnung auf seine endgültige Absenz in einer der zahlreichen Schluchten der Alpen explizit mit eingeschlossen – und ihn deshalb damit beauftragt hatte, dieser ominösen Zettel-Sache nachzugehen, was das Kommando der Turma und damit eine mehrwöchige Absenz seinerseits mit einschloss.
    Überhaupt war Sextus im Zweifel darüber, was er von dieser Vorgehensweise halten sollte. Sein präferierter Plan wäre es gewesen, die offensichtlich schlafenden Wachen den militärischen Kodizes entsprechend zu bestrafen. Spießrutenlaufen wäre eine passende Strafe gewesen, hatten die Männer doch ganz offensichtlich sehr tief schlafen müssen, wenn ihnen Fremde mit BERGEN von Zetteln nicht auffielen, noch, dass diese angenagelt wurden – und das in einem Lager, wo selbst nicht Wachhabende zu Dutzenden wach hätten sein müssen – und dann wieder das Lager verlassen hatten. Es hätten auch Dolche statt Papyri gewesen sein können, und viele Männer wären im Schlaf einfach so abgeschlachtet worden. Sextus zweifelte nicht daran, dass diese Wachen von ihren Kameraden erbarmungslos zu Brei geschlagen worden wären, gab es doch keinen größeren Verrat, als die Vertrauensposition mit der Wache so schmählich zu verraten.


    Allerdings nützten all diese Wahrscheinlichkeitsrechnungen und Überlegungen recht wenig, Sextus war nun hier und trottete dem Bergführer hinterher, sein Pferd am Zügel führend, über einen wahnwitzig schmalen Geröllpfad hinweg im Gänsemarsch. In Cuma hatten die Reiter der Ala ihre letzten Hinweise aufgenommen, die unbequemerweise mitten ins Gebirge geführt hatten. Dies wiederum hatte dazu geführt, dass sie sich Hilfe in der einheimischen Bevölkerung hatten suchen müssen. Die einzige Sache, die Sextus weit mehr hasste als Wahrscheinlichkeiten, war ein Betteln um Hilfe bei Leuten unterhalb seines Standes. Bei jenen oberhalb seines Standes war es eine lästige Notwendigkeit, aber peregrinen Bauern gegenüber ein schier unerträgliches Übel.
    Und jetzt stapfte er einem der zwei angeheuerten Übel hinterher, einem alten Hutzelmännchen, der nur mehr 2 Zähne im Mund hatte und einen Bart, in dem Sextus mehrere Wühlmausnester vermutete und einem unaussprechbaren Namen. Wann immer Sextus den Fehler gemacht hatte, den Mann als Gallier zu bezeichnen, hatte der Kerl ihn mit einem Zähnefletschen (oder in seinem Fall Zahnfleischfletschen) berichtigt und etwas wie Celt hervorgespuckt. Als ob es einen Unterschied machte, ein raetischer Barbar oder ein narborensischer zu sein! Das zweite Übel war mit ihm verwandt, jünger und ohne Wühlmausbart, aber deshalb nicht weniger unangenehm. Beide stanken sie nach Ziege, und in Anbetracht der Art, wie die beiden sich hier über Stock und Stein hinfortbewegten, vermutete Sextus auch, dass Ziegen die einzig weiblichen Wesen in dieser Gegend waren und daher jeder der Männer eine zur Mutter hatte. Oder zumindest eine als redselige Geliebte.
    Allerdings waren seine Männer auch nicht sehr viel besser, nach Wochen im Gebirge und nur rudimentären Waschmöglichkeiten in kleinen, eiskalten Rinnsalen, die irgendwo aus einem Stein plätscherten, stanken sie alle wie ihre Pferde. Drei der Viecher waren auf dem Weg schon abgestürzt, nur das elende Vieh von Sextus weigerte sich, ihm den gefallen zu tun und so einen schmerzhaften Tod zu finden. Mit zittrigen Beinen stapfte es verdammt langsam seinem Herrn hinterher, glitt nur dann und wann ein wenig auf dem losen Geröll ein wenig aus, fing sich aber immer rechtzeitig. Bisweilen musste Sextus heftig ziehen und schieben, damit der Gaul auch größere Steigungen über kniehohe Felsen bewältigte, die wie von den Göttern hingewürfelt einfach mal im Ziegenpfad lagen, ohne erkennbaren Grund oder Ursprung.


    Sextus schwor sich, sollte er wieder nach Rom gelangen, er würde nie wieder dessen Komfort verlassen. Sollte ihm auch der Posten als Legat in Gallien oder Syrien oder sonstwo angeboten werden, er würde ablehnen und in Rom bleiben. In seinem ganzen Leben wollte er keine Schluchten und Wälder, keine Pferde und keine stinkenden Barbaren mehr sehen.
    Der Alte vor ihm schimpfte irgendwas, was Sextus nicht verstand. “Was will er?“ fragte Sextus den Kundschafter hinter ihm, der dieses Kauderwelsch einigermaßen beherrschte. Der Mann war selbst Peregrinus, wie so ziemlich alle Reiter, und hatte wohl ähnliche Wurzeln. Nicht, dass die Sextus interessierten.
    Es folgte ein kurzer Wortwechsel in unverständlichen Brummlauten, ehe der Mann übersetzte. “Da vorne kommen wir zu einer Brücke über eine Schlucht, aber irgendwas stimmt nicht. Er hört Stimmen.“
    Sextus verkniff sich einen Kommentar zu Stimmen, die nur manche Menschen hörten. Das Problem an diesen Bergen war, dass jeder hier Stimmen hörte. Das hatte wohl etwas mit dem Echo und der ganzen verfluchten Viecherwelt hier oben zu tun, so dass Stimmen von Menschen im Tal in die Berge wiedergeworfen wurden. Oder es hier oben auch einfach einige Naturgeister gab, die sich einen Spaß daraus machten, die Menschen zu narren und ihnen Dinge einzuflüstern. Die Faune und Silvani hier im Gebirge waren ein komisches Volk, ebenso wie die Bewohner, die aus alten, knorrigen Wurzeln ihr Ebenbild schnitzten und in ihre Häuser stellten.
    “Dann soll er vorgehen und nachsehen, was los ist, dafür zahlen wir ihn schließlich“, bellte Sextus seinen Befehl. Er hasste das Gebirge. Wirklich. Zweizahn grinste ihn nur an und verschwand mit seinen Ziegenbeinen hinter der nächsten Biegung. Sextus war nur froh, dass der zweite Führer irgendwo in der Mitte ihrer Truppe ging, was die Flucht des Hutzelmännchens unwahrscheinlicher machte – außer Gallier gaben nicht so viel auf Verwandtschaft.
    Die Sonne tauchte die Bergspitzen schon in glühendes Rot. Aus der Ferne hatte dieses blutige Leuchten durchaus interessant angemutet, und Sextus konnte zwar nicht verstehen, aber zumindest nachvollziehen, warum einige Dichter dieses Glühen als poetischen Aufhänger betrachteten. Aber hier und jetzt auf diesem Pfad hieß das nichts weiter, als dass es bald stockduster sein würde und sie schleunigst einen geeigneten Lagerplatz brauchen würden. Wobei das Vorhandensein einer Brücke auf das Vorhandensein einer breiteren Straße schließen ließ, die eine Übernachtung zulassen würde. Nur Idioten bewegten sich nachts im Gebirge.


    Nach einigen Momenten tauchte der Bergführer wieder auf und winkte sie zu sich, redete unaufhaltsam immer weiter. Sextus verstand von dem Mischmasch nur ein paar Fetzen. Irgendwas über Truppen und die Brücke. Auch wenn Sextus die Schweinehunde endlich gern erwischen würde, würde er ein Aufgreifen mittags mit einigen Stunden Licht einem solchen in der Dämmerung vorziehen.
    Erst, als er weit genug vorangegangen war, um einen Blick um die Biegung zu werfen und den Pfad, der sich serpentinenartig zu einer etwas breiteren Straße hinabschlängelte, sah er auch, was der Mann meinte. Hinter ihm hörte er ein schockiertes “Verfluchte Scheiße“. Eine Brücke gab es hier nicht mehr. Aber auf der anderen Seite der Schlucht, in Rufweite, machte er einige ihm bekannte Standarten aus.
    Die Prätorianer hatten die Brücke abgerissen, und die Truppen ihrer Legion so vom kürzesten Weg abgeschnitten. Das würde sie lange Zeit zurückwerfen. “Gibt es einen anderen Weg über die Schlucht?“ fragte Sextus ihren Führer. Der Mann hinter ihm übersetzte. Auf Schleichpfaden kam man in zwei Tagen herüber. Aber nur zu Fuß, geübte Männer. Kein Gepäck, keine Pferde, keine trotteligen Legionäre. “Inakzeptabel“, befand Sextus. “Du, du und du. Sobald wir an der Straße unten angekommen sind, geht ihr mit unserem Führer auf die andere Seite, erstattet Bericht und erklärt gegebenenfalls, wie man hier herüber kommt. Der Rest bleibt hier bei mir“, befahl Sextus und machte sich an den Abstieg. Sein Pferd schnaubte panisch und schlich hinter ihm her den Kiesweg hinunter. Jetzt war abzuklären, wie ihre Ressourcen besser eingesetzt waren: Diesseits der Schlucht beim Aufbau einer Überquerungsmöglichkeit zu helfen, oder die Prätorianer weiter zu verfolgen und ihnen endgültig den Gar aus zu machen.

    Den Vorfahren des Duccius sagte man nach, ungewaschene Wilde zu sein, die nicht bis drei zählen konnten, in Höhlen hausten und sich gegenseitig auffraßen. Zumindest in den schauerlicheren Geschichten, die im südlichen Raum über die Germanen existierten.
    “Noch ein Grund mehr, möglichst sparsam mit unseren Versprechungen umzugehen und möglichst bescheiden zu verhandeln, um dem Kaiser Möglichkeit zu lassen, großzügig bei der Einhaltung seines Wortes zu sein.“
    Sextus war es im Grunde egal, was in Ägypten beschlossen worden war und wieviel Korn noch übrig blieb. Ihm ging es hauptsächlich darum, dass der Kaiser nicht als Auslöser für eine Hungersnot auf italischem Boden gelten würde, er in Etruria seine Freunde behielt und vor allen Dingen, dass er hinterher etwas zum angeben hatte. Mordend und brandschatzend römische Bürger getötet zu haben war, Bürgerkrieg hin oder her, das Aus für jede politisch ambitionierte Karriere. Soldaten konnten sie töten, so viele sie wollten, das war im Krieg so. Soldaten waren Statisten in Statistiken. Soldaten wählten nicht. Römische Frauen und Kinder, das hing einem an, und Sextus wollte keine Flecken auf der Weste, die er durch diesen Krieg blütenrein zu waschen gedachte. Schon gar keine aus Frauenblut. Die waren für politische Karrieren besonders hartnäckig. Und im Gegensatz zu dem Annaeer hatte er seine Karriere nicht schon hinter sich, sondern noch vor sich. Und im Gegensatz zu dem Duccier hatte er auch einen Ruf, den er sich durch so eine Sache nicht zerstören lassen wollte. Nicht bei dem, was er noch vorhatte, sollten sie das hier überleben.
    Aber wenigstens diesen Vorteil hatte das Dasein als politische Geisel, dass ihm niemand unterstellen konnte, so eine Entscheidung mitgetragen zu haben. Also lächelte Sextus nur fein zu den weiteren Ausführungen des Ducciers und sagte nichts weiter zu Für und Wider (vor allem dem Wider) einer Stadtplünderung. Umstimmen würde er ohnehin hier niemanden können, das war ihm klar. Folglich waren Diskussionen obsolet.

    Ein ganz klein wenig albern kam Sextus sich schon vor, hier auf einem Stuhl zu sitzen, während der Legat wie ein Tiger durch seinen Raum stapfte und der Duccius wie ein Schluck Wasser in der Ecke an der Wand herumlümmelte. Aber ihm wurde angewiesen, sich zu setzen, also saß er eben. Und hörte sich an, was beide Herren zu seinen Worten zu sagen hatten, auch wenn er mit den Ausführungen beider nicht gänzlich konform ging.
    “Ich denke nicht, dass wir übermäßige Versprechungen machen sollten oder könnten, sondern diese sich auch an der Erfüllbarkeit unsererseits orientieren sollten“, gab Sextus zu bedenken. Man redete hier ja nicht davon, irgendwelchen Barbaren außerhalb des Imperiums irgendwas zu versprechen, sondern römischen Bürgern und römischen Verwaltungen im römischen Rechtswesen. Und wenn schon alles andere egal war, das Rechtswesen war es einem Römer niemals. “Wir geben ihnen immerhin das Wort des nächsten Kaisers, und der würde es uns wohl kaum danken, wenn wir unhaltbare Versprechungen machen, die wir nicht einmal zu halten gedenken.“ Alles auf dieser Welt hatte einen Preis. Und auch wenn es Sextus' vornehmliches Ziel war, erst einmal den Krieg a) zu überleben und b) zu gewinnen (in dieser Reihenfolge auch prioritätenanzeigend), so ließ er ganz sicher nicht die Zeit NACH dem Krieg außer Acht, in der er vornehmlich eine Karriere zu gestalten gedachte. Wenn der Preis des Sieges wäre, diese nicht mehr vollziehen zu können, so war er gewiss nicht selbstlos genug, um diesen Krieg zu führen. Und es galt, diesen Krieg für Palma zu gewinnen. Je dankbarer der Kaiser am Ende wäre, umso besser. Ein durch Erfüllungsverpflichtungen abgelenkter Palma könnte sie alle drei auch erst einmal aller Ämter entheben, bis er Zeit hatte, darüber zu befinden, ob sie denn irgend eines senatorischen Amtes würdig waren oder doch besser auf der Proskriptionsliste blieben.


    “Für Rom macht es wenig Unterschied, ob jedes zehnte Schiff doch nicht in Ostia anlegt, sondern weiter nach Norden nach Pisae oder Genua fährt, oder nach Ravenna. Solange das Korn wieder kommt, wird Rom zufrieden sein. Seinen Hunger gänzlich stillen ist denke ich auch mit fünf Ägyptens nicht möglich.“ Rom hatte immer Hunger, Rom war unersättlich. Die Subura konnte gar nie gänzlich gefüttert werden. Es zu versuchen war schon absolut witzlos. “Wir werden auch sicher nicht das ganze Korn, das wir verbrauchen werden, wieder zurückzahlen, geschweige denn es versprechen. Allerdings sind die Städte nicht dafür ausgelegt, mehr zu ernähren als ihre Bevölkerungen, und wenn wir ihre Vorräte nehmen, wird ein Ausgleich durch Ägypten zumindest in der Größenordnung stattfinden müssen, dass das Saatgut für das nächste Jahr zur Verfügung steht.“
    Wenn die Schafherden Etrurias dieses Jahr schrumpfen würden, war das kein Problem. Selbst wenn die Armee nach dem Krieg den Städten sämtliche Pferde überlassen sollte, damit diese geschlachtet werden könnte, wäre das kein Problem – mit Sextus' Gaul dürften sie auch gerne anfangen. Aber es musste genug Korn da sein, um im Spätherbst sähen zu können. Um dieses Versprechen kämen sie keinesfalls herum.
    “Ich bin mir sicher, mit den Stadtverwaltungen diesbezüglich Absprachen treffen zu können. Allerdings müssen wir definitiv diese Berge hinter uns lassen. Hier wächst außer den verfluchten Tannen nichts.“ Zumindest nicht in ausreichender Menge.


    “Was die gallischen Städte angeht, Legat, würde ich von Versuchen, uns gewaltsam Vorräte zu sichern, Abstand nehmen. Nicht nur bezüglich der Nachkriegszeit, sondern vor allem auch wegen ihrer Befestigungen.“ Auch wenn diese Städte keine eigenen Armeen mehr hatten wie noch vor zweihundert Jahren, ihre Mauern und Befestigungsanlagen hatten sie alle noch. Die hielten auch noch ein paar hundert Jahre. Und die Gehöfte in der Umgebung einer Stadt zu plündern würde wohl kaum auch nur annähernd genug einbringen, um ihre Probleme zu lösen. “Selbst wenn wir überlegen sind, würden solche Aktionen uns erheblich aufhalten und dem Feind nur Möglichkeiten geben, uns einzukreisen und seine Truppen zu bündeln. Außerdem sollten wir verhindern, dass der Feind noch übermäßigen Zulauf aus der Zivilbevölkerung erhält. Oder der ohnehin schon langsame Tross noch weiter durch Straßensperren und ähnliches dann aufgehalten wird, wenn wir weiterziehen und wir als Marodeure verschrien werden.“ Natürlich konnten die gallischen Bauern ihnen kaum ernstlich was entgegensetzen. Aber es genügte auch schon, wenn diese auf ihrem Weg Bäume so fällten, dass sie die Straßen versperrten, oder Flüsse aufstauten und so das Gelände in Matsch verwandelten, um sie so aufzuhalten. Jede Minute, die sie verloren, half nur dem Feind.

    Nachdem er so aufgefordert wurde, setzte sich Sextus natürlich auch hin. Wenngleich er lieber stand nach der ganzen verfluchten Reiterei, die seinen Allerwertesten mittlerweile in ein Stück sehr robustes Sitzleder verwandelt hatte, aber man wollte ja höflich bleiben und die Geiselhaft so unprätentiös wie möglich gestalten.
    Die frage war dann aber doch dergestalt, dass Sextus kurz fragend die Stirn in Falten legte. “Ich bin mir nicht sicher, Legat, wie ich deine Frage zu verstehen habe. Norditalia hat viele Städte, und es wäre vermessen von mir, zu glauben, ich könnte da für alle sprechen.
    Was ich dir sagen kann, ist, dass wir in den ehemals etruskischen Gebieten mit Unterstützung rechnen können. Wenn wir bis zum Padus gelangen können, sollten Nachschubfragen kein Problem mehr darstellen. Placentia, Cremona, Mantua, besser noch Bononia... sofern wir so weit in den Süden vordringen können, wird die mittelfristige Versorgung mit Nahrungsmitteln gewährleistet werden. Ich habe bereits das Collegium Haruspicum informiert und dort auch zahlreiche namhafte Fürsprecher für unsere Sache gefunden, so dass ich mir sicher bin, dass die Städte sich zwischenzeitlich von Salinator abgewandt haben. Sicher wird es sie nicht erfreuen, ihre Vorräte mit uns zu teilen, und es werden definitiv Versprechungen hilfreich sein, die Vorräte mit Getreide aus Ägypten nach dem Krieg aufzufüllen. Allerdings würde sich keine Stadt Etrurias oder Padanias gegen eine von einem Haruspex verkündete Entscheidung stellen. Und zufälligerweise besitzt diese Armee eine solche Rarität.“
    Sextus verkniff sich jegliches Grinsen bei dem letzten Satz, auch wenn es schwer war. Die anwesenden Personen im Raum hatten schon zu früheren Gelegenheiten deutlich gemacht, dass sie keinerlei Ahnung von Religiosität im Allgemeinen oder den Collegien im Besonderen, den Haruspices ganz im Speziellen hatten, und Sextus war sicher, dass sich das auf dem Weg über die Alpen nicht im Mindesten geändert hatte.
    “Was allerdings die nördlichsten Städte angeht, in Gallia cisalpina, über jene kann ich weniger Auskunft geben. Sicher hat auch hier die etruskische Kultur einen wichtigen Stellenwert eingenommen wie in der ganzen zivilisierten Welt“ – nicht umsonst sagte man, dass die Römer alles, was sie über Religion wussten, von den Etruskern gelernt hätten, und nicht umsonst wurde in der ganzen bekannten Welt die Frömmigkeit der Etrusker über die aller anderen Völker erhoben – “...allerdings sind Gallier eben Gallier. Mediolanum ist eine gallische Stadt, und ich bin mir nicht absolut sicher, ob sie uns helfen, nur weil ich ihnen sage, dass ihnen sonst der Himmel auf den Kopf fällt.“ Vermutlich würden sie ihnen dann dennoch helfen, auch wenn es Gallier waren. Wie alle Menschen war auch die gallische Bevölkerung zutiefst fromm und hatte im Laufe der Jahre und Jahrhunderte viel von den Nachbarn aufgeschnappt, und natürlich hatte jedes Volk tiefsten Respekt vor Sehern jeder Art. Auch die Gallier waren da nicht anders. Und kein Magistrat egal welcher Stadt war so dämlich, sich den Zorn der breiten Masse zuzuziehen, indem er einen anerkannten Seher zum Orcus jagte. Das hieß aber nicht, dass dort die Unterstützung sicher war, oder gar gerne kommen würde. Und es sagte auch nichts über den Umfang aus.

    Nachdem ihm ein Bote gesagt hatte, dass der Legat mit ihm zu sprechen wünsche, hatte sich Sextus auch sogleich aufgemacht, diesem Wunsch nachzukommen. Der Annaeer verlangte nicht oft nach seiner Gesellschaft. Im Grunde genommen hielt der Mann ihn auf mindestens einigen Armlängen Abstand von ihm, was Sextus in seiner Einstellung bestärkte, diese politische Geißelhaft auch als solche zu betrachten und nicht verklärterweise Möglichkeiten oder neue Kontakte zu wittern. Was auch immer er dem Mann getan haben mochte, Sextus hatte befunden, dass es vermutlich mehr Anstrengung seinerseits erforderte, das ganze zu seinen Gunsten zu wenden, als die ganze Sache wert war, so dass er von derlei Versuchen Abstand nahm. Es würde schon die gegebene Zeit geben, die Dinge gerade zu rücken. Frühestens in wenigen Tagen in Etruria, spätestens beim Aufeinandertreffen mit Palma, den Sextus als einer von noch zwei verbliebenen Männern als einziges persönlich kannte – und Flavius Gracchus war Sextus weit freundschaftlicher verbunden als jeder Mann hier und würde gewiss nicht gegen ihn agieren. Im Grunde genommen war also die jetzige Lage nur eine vorübergehende Unbequemlichkeit, die ertragen werden musste.
    Was natürlich umso außergewöhnlicher machte, dass der Legat ausgerechnet jetzt mit ihm sprechen wollte, wo sie nach einem beinahe endlosen und unbequemen Marsch durch dichte Nadelwälder und über schroffen Stein zum ersten Mal so etwas wie Ruhe für einen Tag hatten und er den gesamten Marsch nicht einmal eine kurze Gelegenheit zur Gesprächsaufnahme gesucht hatte. Daher ließ Sextus ihn auch nicht lange warten, um die durchaus unangenehme Situation nicht noch weiter zu verschärfen.


    Und so betrat der – dem Namen nach – Tribun der Ehrenwache das Haus, in dem der Annaeus Quartier bezogen hatte, und ließ sich zum richtigen Zimmer lotsen, in das er dann auch nach der üblichen Prozedur des Anklopfens und Hereingebeten-Werdens betrat.
    “Tribun Aurelius meldet sich wie befohlen“, grüßte er militärisch tadellos und zackig.
    Mehr aus den Augenwinkeln bemerkte Sextus die Anwesenheit des Ducciers. Auch so eine Sache, die in seiner langen Liste der Beobachtungen, die zu zurechtrückungswürdigen Dingen konkludiert wurden, ihren Platz sehr wohl schon zu früheren Gelegenheiten gefunden hatte.

    Bitte meine Kleintierzucht Pecuaria Aureliae Lupi einstampfen (oder wahlweise vom Staat beschlagnahmen lassen, falls das Spielpotential bietet oder sowas :D Hauptsache weg damit)

    Das beste daran, dass man mehr oder minder ohnehin nur ein politisches Pfand war, bestand in der immensen sich daraus ergebenden Freizeit. Genau genommen war sein Posten erst geschaffen worden, wurde die Ehrengarde doch von durchaus sehr fähigen Centuriones geführt, so dass es nur einen kurzen Wortwechsel mit eben jenen bedurfte, um alles nötige für die baldige Abreise zu regeln. Der Annaeus hielt Sextus auf Abstand, so dass ihm auch keine sonstige wichtige Aufgabe zuteil wurde, und darüber hinaus war noch immer alles geregelt. Immerhin waren sie auch die letzten tage marschiert, so dass ein Weitermarsch keine logistische Herausforderung darstellte, sondern nur eine Wiederaufnahme des bisher ohnehin vorherrschenden Themas.
    So allerdings hatte Sextus Zeit. Ursprünglich wollte er jene nutzen, um sich mit dem Duccius ein wenig zu unterhalten, allerdings wurde ihm auf Nachfrage mitgeteilt, dass dieser gerade in einem Gespräch mit einem Verwandten war. Daher entfiel diese Option auch sogleich wieder, von der duccischen Verwandtschaft hatte Sextus noch von den Floralia genug Erinnerung, die keiner Auffrischung zum jetzigen Zeitpunkt bedurfte. Abgesehen davon war Sextus nicht gerne das fünfte Rad am Wagen, und so dringend war sein Bedürfnis nach Kommunikation nicht. Der Marsch würde genug Zeit für Informationsaustausch bereithalten.


    Also fragte er sich stattdessen zu der Stätte durch, wo er sein zweites Bedürfnis stillen konnte: Die Therme. Vielleicht würden sie bald in einer dreckigen Schlacht auseinander genommen werden von feindlichen Truppen und dann in einem Matsch aus ihren eigenen Innereien sterben. Aber hier und heute war Sextus in einem befestigten Lager einer Ala, und diese hatte eine Therme für die körperliche Hygiene, welcher Sextus sich nun ausgiebigst widmen wollte.
    Und so saß er nicht einmal eine halbe Stunde später tatsächlich in warmem Wasser, den Dreck der Reise von sich waschend und annähernd das Gefühl von Zivilisation zurückerobernd.

    So gern Sextus die Beziehungen zu den Claudiern auch verbessert hätte, bei so einem Unfug konnte er sich nicht zurückhalten. Da stand der angeblich militärisch erfahrendste im Raum und wollte sämtliche Reiter auf das Gebiet von mehreren dutzend Meilen verteilen und noch dazu so weit in den Osten vordringen lassen, dass sie auf Wochen von ihnen abgeschnitten wären. Welchen Sinn sollte das denn machen? Arbeitsbeschaffungsmaßnahme?
    “Nun, Claudius, wenn du so genau weißt, wo unser Feind entlangmarschiert, so dass wir die Reiterei dort hinschicken können, so teile es doch bitte allen mit. Ich bin Haruspex, und dennoch haben mir die Götter keine Zeichen zu sehen gegeben, wo die feindlichen Truppen entlangmarschieren werden, so dass man eine gestaffelte Übermittlung dorthin einrichten könnte und nicht ein Gebiet von mehreren Tausend quadruplices auf gut Glück durchforsten müsste.“
    Der Claudier unterschätzte Sextus unmaßgeblicher Meinung nach so vollkommen die Dimensionen des Landes, dass es schon fast an Wahnsinn grenzte. “Wenn es verwertbare Anhaltspunkte gäbe, wo der Feind marschieren könnte, ich würde dir mit Freuden sämtliche Speculatores überlassen, die dieses ganze Heer nur aufbringen kann, um diese Aufklärung zu leisten. Aber es gibt diese Anhaltspunkte nunmal nicht, da der Feind ebenso wenig will, dass wir wissen, was er tut, wie wir wollen, dass er weiß, was wir tun. Zwischen unseren beiden Truppenteilen eine rasche Kommunikation zu errichten, ist eine gute Idee. Unsere Reiterei über mehrere Provinzen hinweg zu verteilen in der vagen Hoffnung, zufällig Nachrichten über den Feind aufzuschnappen und dann zu erwarten, dass diese Nachrichten zeitig bei uns eintreffen, ist utopisch. Selbst wenn wir jedem Reiter drei Pferde mitgeben, sind Wegstrecken von mehreren Wochen dennoch lang und reines Glücksspiel.“
    Frische Pferde waren vielleicht hier frisch, nachdem man mehrere hundert Meilen nach Osten geritten war, waren sie es aber nicht mehr. Und man konnte nicht mal eben am nächsten Bauernhof frische eintauschen.

    Welchen Grund der Legat hatte, seltsam zu schauen, als Sextus seinem Wunsch entsprechend mit der Berichtserstattung anfing, nachdem der Stab zusammengetreten und vollständig – Sextus würde angesichts des ein oder anderen sogar das Wort 'überfüllt' verwenden – war, konnte der Aurelier nicht mal mit halbwegs realistischer Wahrscheinlichkeit eingrenzen. Dass der auf Pattouille gemeldete Duccier nur Momente später verschwitzt und nicht minder müffelnd wie der Rest der hier versammelten Herrschaften ankam, konnte Sextus nicht wissen, allerdings brachte diese leichte Überraschung ihn auch nicht aus dem Redefluss. Und immerhin stimmte der Duccier ihm auch bezüglich der Notwendigkeit eines weiteren Vormarsches zu. Das anschließend allerdings scheinbar die Gesamte Planung des Annaeers einzig von der Zustimmung des Tribuns der Legio VIII abhängig zu sein schien, irritierte Sextus dann doch in nicht geringem Maß. Immerhin kannten die beiden Männer einander kaum, soweit Sextus wusste, und so sehr Sextus die Qualitäten seine Zweckverbündeten schätzte: Der Mann war ein ungewaschener Barbar (im Moment sogar wortwörtlich).


    Der Atier hatte sich wohl angesichts der Aussicht auf einen direkten Weitermarsch verschluckt – oder aber, Sextus kleine Lektion in militärischer Rangfolge hatte bessere Wirkung entfacht, als erwartet, so dass der Centurio nicht mehr ungefragt dazwischenquatschte.
    Legat Claudius aber übernahm sofort den Part des Diskutierens, und in gewisser Weise konnte Sextus ihm zustimmen, wenngleich nicht gänzlich.
    “Eine vollständige Aufklärung nach Osten wird nicht möglich sein, dafür ist das Gebiet zu groß und wir wissen auch nicht, welchen Weg die Gegenpartei einschlägt. Vielleicht wendet sie sich auch direkt nach Italia und versucht, sich zwischen Rom und Mantua in Stellung zu bringen.
    Allerdings stimme ich dir, Legatus Claudius, vollumfänglich zu, dass wir unsere vorhandenen Reitereien zum Nachrichtenaustausch und zur Aufklärung während des Marsches bestmöglich einsetzen sollten und uns keinesfalls von Feindbewegungen überraschen lassen sollten.“

    Fast wie herbeigerufen kam der Claudier auch schon zur Tür herein und machte damit eine Antwort auf die Frage obsolet. Ihm hinterhergedackelt kam auch sein pathetisch daherredender Neffe. (Wenn glorreich gleichbedeutend war mit 'Haufen Kerle, deren Körperausdünstungen man schon über Meilen riechen kann' , konnte Sextus zustimmen, ansonsten eher weniger. Und um die Gerechtigkeit der Sache wusste er hier wohl am ehesten Bescheid und würde sich hüten, dazu etwas zu sagen.)
    Auch die beiden Atier kamen hereingedackelt, wobei sich Sextus ernsthaft fragte, was einfache Decuriones hier machten. Sicher, die Ala war ihres Anführers verlustig, wenngleich der Verlust für Sextus nicht wirklich schlimm war, allerdings war der Mann wenigstens Ritter des Reiches gewesen, während die beiden Atier... Sextus wäre schon froh, wenn die beiden lesen könnten. Die Vorzüge einer adäquaten Bildung – der Hauptgrund, warum jedweder höhere Posten nur an Leute im entsprechenden Rang vergeben wurde – konnten die beiden nicht im ausreichenden Maße erfahren haben, so dass ihre Anwesenheit Sextus eher exotisch und vor allen Dingen überflüssig anmutete. Aber das war Entscheidung des Annaeers, der ja schon in der Vergangenheit mit seinen Entscheidungen nicht das beste Bild von sich gezeichnet hatte. Auch die Frage lieferte ihren Teil dazu bei, ebenso wie die halb gebrüllte Antwort.
    Was hätte er auch sagen sollen? Nein? Dann hätte er meinen Pugio eine Sekunde später zwischen den Rippen gehabt, schon aus Prinzip. Wortbruch ist nur dann angebracht, wenn man es sich leisten kann, dachte er sarkastisch, ließ sich aber nach außen hin rein gar nichts von seinen Gedankengängen anmerken.


    Sextus wartete also die Begrüßungsorgie ab. Als dann auch die restlichen Teile des Stabes dazugekommen waren, begann er mit einer Zusammenfassung der Berichte.
    “Tribunus Duccius befindet sich derzeit auf Patrouille. Er hat Kundschafter ausgesandt, vor allen Dingen Richtung Süden und Südosten, um möglichen Widerstand frühzeitig zu bemerken. Bislang gestaltet sich die Lage so, dass die Wege zu den Alpes noch frei sind. Raetia verhält sich abstimmungsgemäß ruhig, auch die Gallier in unmittelbarer Nähe zu den Alpes zeigen keine kriegerischen Tendenzen.
    Aus Augusta Vindelicum kamen zwei Boten an, dass auch dort das Heer das Lager inzwischen erreicht hat und ebenso Kundschafter ausgeschickt hat. Ihre Berichte, was den Süden angeht, decken sich mit unseren. Auch im Osten trafen sie auf keinen Widerstand. Gerüchteweise sollen sich Teile der Legiones der fünfundzwanzigsten und dreiunddreißigsten im Osten versammelt haben. Ihr Ziel war allerdings nicht so klar herauszubekommen, jedoch sollte klar sein, dass dieser Heerverband wohl gegen uns marschieren wird. Es ist nur die Frage, wohin sie marschieren. Sollten sie erst in den Norden kommen, haben wir die Berge schon lange hinter uns gebracht, wenn wir sofort weitermarschieren und hier nicht erst Wurzeln schlagen. Und sollten sie sich direkt nach Italia aufmachen, gebietet die Lage und die angedachte Vereinigung mit der ersten Legion ebenfalls einen zeitigen Aufbruch, ehe sie Legat Aurelius einkesseln können.“

    Sextus war sich nicht bei vielen Dingen sicher, aber dass es eine sehr schlechte Idee war, hier in Vindonissa mehr Zeit als nötig zu vertrödeln, da war er ganz sicher. Nur war er hier leider an den Annaeer gefesselt, der bislang eine doch sehr bemerkenswerte Gemütlichkeit und Unbesonnenheit an den Tag gelegt hatte, so dass Sextus kaum Hoffnung hegte, dass es hierbei anders sein würde.

    Im Grunde war Sextus mehr nach einem Bad als nach einer Besprechung, allerdings war er sich sicher, dass selbiges angesichts der Umstände ein ebensolcher Luxus wäre wie ein kompletter Tag in den Thermen und der Notwendigkeit absolut nicht angepasst. Dennoch erinnerte er sich nicht daran, jemals so verschwitzt und eingestaubt unterwegs gewesen zu sein wie in den letzten Tagen. Was daran so heldenhaft sein sollte, wie es in den glorreichen Geschichten immer angepriesen wurde, verstand er wirklich nicht. Sobald ein Lager abends aufgebrochen wurde, bestand sein erster Gedankengang üblicherweise darin, einen geeigneten Ort für die Aushebung einer Latrine zu sichten und einen entsprechenden Befehl zu geben. Eine Armee von mehreren Legionen und Alen war nämlich vor allem eines: Ein riesiger Produzent menschlicher und tierischer Ausscheidungen. Und wenn sie eine Sache nun wahrhaftig zu vermeiden hatten, dann war es Krankheit. Nach dem Sieg konnten alle Männer vorbehaltslos gerne tot umfallen, wenn es nach ihm ginge. Er hatte da keinerlei falsche Pietät. Allerdings erst nach einem Sieg und nicht schon vorher.


    Und so musste das Bad ebenso warten wie jeglicher anderer Luxus und schon fast vergessene Annehmlichkeiten, während Sextus sich die Berichte genauestens durchsah und sich von dem einen oder anderen Kundschafter auch Bericht erstatten ließ, während er auf das Eintreffen des Hauptheeres wartete.
    Vielleicht etwas später als von ihm vorausgesagt traf selbiges dann auch tatsächlich ein, kündigte sich schon durch eine Staubwolke auf der Straße in sommerlicher Hitze von weitem an. Sextus ordnete die Tabulae wieder fein säuberlich auf den Tisch, wo der Annaeer sie sich dann anschauen konnte, wenn er wollte. Bislang war Sextus ohnehin nur eine schlechtere Geisel und wurde ebenso behandelt. Der Zustand würde sich wohl auch erst ändern, wenn sie Mantua und die Legio I erreichten (was ein weiterer Grund war, diesen Feldzug zu beschleunigen, neben der mangelnden Hygienemöglichkeiten). An irgendwelche wahrhaft wichtigen Befehle oder gar ein Vertrauensverhältnis war nicht zu denken, zumal Sextus letzteres auch von seiner Seite inzwischen ablehnte. Der Annaeer hatte seine Abneigung zu explizit nach Außen zur Schau getragen, dazu noch seine charakterlichen Schwächen und fehlende pietas, so dass Sextus da mehr den Wunsch nach Abstand hegte als den Wunsch, den Mann auszunutzen. Das war die damit verbundene Mühe nicht wert.


    “Ja, habe ich, Legatus Augusti pro Praetore Germaniae“, erwiderte Sextus, wobei seine Stimme keine Rückschlüsse auf den in den Worten enthaltenen Spott zuließ. Dazu war Sextus ein zu geübter Schauspieler und schon zu lange in der Politik tätig. Dennoch registrierte er in Gedanken natürlich die Albernheit der vollständig ausgesprochenen Titel anstatt deren Vereinfachung und gegebenenfalls des Namens. “Sollte ich mit einer eventuellen Berichterstattung hierüber aber nicht besser warten, bis auch Legat Claudius und weitere Teile des Stabes eingetroffen sind?“ Sextus hörte sich selbst so gerne nun auch wieder nicht reden, dass er alles doppelt sagen musste, zumal die Ankunft des Claudiers auch nur im Bereich einer Stunde liegen sollte, sofern dieser dem sicherlich gleichermaßen vorhandenem Wunsch nach einem Bad nicht eher entsprach als der Aurelier.

    Nach einer endlos scheinenden Anzahl an Tagen, in denen ihre Kolonne sich durch das Land fräste, kam das erste Zwischenziel ihrer Reise in greifbare Nähe. Sextus beneidete Vala darum, schon vorausgereist zu sein und etwas Nützliches getan zu haben, anstatt mit dieser stinkenden Masse an Männern in langsamen Trott voranzurollen, Meile um Meile um Meile. Und so übernahm er auch nur zu gerne die Aufgabe, mit der Vorhut vorauszureiten und im Lager die Ankunft des Heeres anzukündigen.


    Und so saß er auf dem braunen, struppeligen Etwas, das er kurzerhand Lupa genannt hatte. Das Pferd war die häßlichste, kaltherzigste und bockigste Hure, die er je kennen gelernt hatte, und es würde ihm nicht einen Augenblick lang leid tun, sie zu verlassen. Aber noch war sein Ritt nicht zu Ende.
    Und so stieß er dem Tier die Fersen in die Flanken, um es zu einer etwas erhöhten (und damit unbequemeren) Gangart anzutreiben, zusammen mit der Schar Männer, die ihn begleiteten. Schon nach wenigen Minuten war der Abstand zum Hauptheer groß genug, um kurz wahrhaftig frische Luft zu riechen und nicht den Gestank von tausenden von Männern, Rüstungen und mit Öl eingeriebenen Schwertern.


    Allerdings währte der Augenblick nicht so lang, als dass er wirklich angenehm werden hätte können. Davon abgesehen, dass dies unter Berücksichtigung der Lupa unter ihm auch nicht wirklich möglich war, denn das Tier gab sich gerade wieder alle Mühe, ihn zu entmannen, kam nach etwas über einer Stunde das errichtete Lager und erste Zwischenziel ihrer Reise auch schon in Sicht.
    Sextus gab Zeichen, dass sie langsamer werden sollten, und gemächlich trabten sie auf den Zugang zum Lager zu. “Wo ist Tribun Duccius?“ erkundigte sich Sextus bei den Wachsoldaten. Allerdings wurde ihm mitgeteilt, dass der Duccier gerade selbst nicht im Lager verweilte, sondern auf Patrouille in Richtung Süden geritten war.* Der Glückspilz.
    “Gut, dann die Ranghöchsten Legionäre oder wer hier sonst das Sagen hat. Die Legionen werden in weniger als drei Stunden hier eintreffen, und ich erwarte sämtliche Späherberichte und Kundschafterauskünfte im Besprechungsraum der Legaten.“
    Die Soldaten grüßten, um dem Befehl nachzukommen, während Sextus sein Pferd schon ins Lager lenkte. Der Duccius hatte ganze Arbeit geleistet. Wenn er auch schon ordentliche Aufklärung betrieben hatte, konnte das hier sehr schnell weitergehen.


    Sim-Off:

    * In Absprache mit dem Spieler


    Ich hab hier shconmal parallel weitergemacht, damit wir endlich wieder etwas Schwung in die Sache bekommen und zügig weitermachen können. Ich würde gerne möglichst rasch weiter gen Süden auch aufbrechen und zur Legio I aufschließen.

    Den Rhetorikkurs sollte der junge Mann noch einmal besuchen, sofern er jemals in dieser Kunst unterrichtet worden war. Sextus erinnerte sich an seine Unterweisungen, und für jedes 'äh' oder 'hm' oder 'öh' hatte es mindestens einen Schlag mit dem Stock gegeben. Heute sprach Sextus nur mit sehr gewählt gesetzten Pausen, und nur dann zögerlich, wenn er es wollte. Und selbst dann, ohne sinnleere Füllwörter zu verwenden, bestenfalls ein 'nun denn' oder eine 'also'. Seine Lehrer hatten da ganze Arbeit geleistet.


    “Das ist hervorragend“, meinte Sextus mit einem Politikerlächeln auf den zögerlichen Vortrag hin. “So muss ich mir bei meiner Abreise hierüber keine Sorgen machen. Es ist immer schön, mitzuerleben, wie aufstrebende, junge Magistrate mit ihrer Arbeit das Leben ein wenig angenehmer machen.“ Sicher, nur eine Höflichkeitsfloskel, noch dazu in der üblich blumigen Art und Weise. Aber der Bursche schien schon sehr eingeschüchtert zu sein, so dass ein Gespräch, das über Floskeln hinaus ging, nicht im Bereich des Wahrscheinlichen lag. “Gibt es noch etwas für dich im Haus zu tun? Ich möchte dich nicht von deiner Arbeit abhalten.“

    Jetzt musste der Ianitor doch noch einmal näher kommen, damit er im richtigen Winkel zur Tür stand, um sehen zu können, was der Magistrat denn meinte. Er wusste zwar ganz grob, weswegen sein Herr den Handwerker hatte sehen wollen, allerdings hatte sich der Aurelius nicht zu größeren Erklärungen hinreißen lassen, weshalb der hier gebürtige Ianitor auch nicht viel schlauer war als der Hausgast.
    “Äh, der gehört zu seiner Amtstracht. Dominus Aurelius ist Haruspex.“


    “Und darüber hinaus mit einem Paar guter Ohren gesegnet“, kam es aus dem Raum, ohne dass Sextus sich umdrehte. Er gab dem Handwerker den Hut zurück und wechselte leise ein paar Woche, dass der Mann noch etwas auszubessern hatte, und wandte sich dann dem Atrium und damit dem Gast zu, über den er dank der kläffenden Köter ja mittlerweile im Bilde war. “Magister Petronius, ich hoffe, du fandest das Haus ausreichend gegen Brand gesichert bei deiner Kontrolle. Oder müssen gesonderte Maßnahmen noch ergriffen werden?“ gab Sextus sich interessiert, während er aus dem Tablinum heraus und ins Atrium eintrat. Rudimentär interessierte ihn der Befund sogar tatsächlich, hatte er ja nicht vor, hier nächtens sich selbst zu rösten, weil irgendwo ein Feuer ausgebrochen war. Auch wenn er nicht hier zu bleiben geschweige denn hierher jemals zurückzukehren gedachte, war das Haus an sich dennoch eine erhebliche Geldanlage seiner Gens, und die wüsste er gern gesichert.

    Ein klein wenig verwundert war Sextus schon, als der Statthalter sich an seine Centurionen wandte, anstatt die Befehlsreihenfolge einzuhalten und Sextus den Befehl zu geben, den dieser dann wiederum an die Centurionen weitergeben würde. Noch so ein Anhaltspunkt, der Sextus in seiner Meinung über den Annaeer bestärkte und es den Aurelier kaum erwarten ließ, zur Legio Prima aufzuschließen. Bei seinem Vetter konnte Sextus dann sich von dem germanischen Statthalter problemlos lösen und vielleicht würde sich auch die ein oder andere Gelegenheit geben, sich für diese Gefangennahme – zwar mit Titel ausgestattete, aber dennoch nicht weniger eine solche – zu revanchieren. Blieb zu hoffen, dass sie auf den Cornelius selbst treffen würden, denn hier war Sextus der einzig übrige Verschwörer neben Flavius Gracchus und Tiberius Ahala, der den Mann persönlich kannte. Und Sextus war sehr zuversichtlich, dass der Flavier von ihm beeinflusst werden konnte, schon allein aus der Verbindung mit Nigrina heraus und dem aus dieser Ehe entsprossenen Sohn. Und der Tiberier hatte noch nie von sich reden machen, und bei allen Versammlungen war er auffällig oft auf Sextus' Seite gewesen, da sah er keinen Grund, warum sich dies ändern sollte.


    Sextus also ließ sich von seiner Eskorte bewachen und reihte sich mit diesen in den Strom der Abmarschierenden ein. Das zottelige Pferd unter ihm tat dabei jetzt schon sein bestes, zum meistgehassten Geschöpf dieser Welt zu werden. Sextus schwor sich, wenn er wieder in Rom wäre, würde er als erstes den aurelischen Stall einreißen lassen, damit niemand auch nur auf die Idee käme, ihm nochmal ein Pferd unter seinen Hintern zu packen.


    Sim-Off:

    Ich war so frei: Von Mogontiacum nach Vindonissa

    Wie ein endloser Strom zog sich der Marsch der Legionen nach Süden. Die Vexilarii zogen ihren jeweiligen Einheiten voran, angetan mit ihren Tierfellen, die Standarten hoch erhoben. Die Caligae der Soldaten stapften im Takt der Cornicen auf den Boden, verloren überall Nägel, die Jahrhunderte später noch hier und da aus dem Erdreich auszugraben wären und Abend für Abend von den Soldaten, die sie verloren hatten, ausgetauscht wurden gegen neue Nägel, die dann andernorts verloren werden würden.
    Die Offiziere – ritterliche wie senatorische Tribune und die Legaten – saßen auf ihren Pferden und führten die Einheiten an. Ganz hinten im Staub der übrigen schließlich kamen die Maultiere mit der Ausrüstung.



    Sextus konnte nicht sagen, was ihm mehr missfiel: Das Tempo, mit dem man durch die Landschaft schlich, oder das Tier unter ihm, das scheinbar absichtlich jede Möglichkeit nutzte, um ihn besonders durchzuschütteln und mit seinem harten Gang seine Muskeln zu malträtieren. Hatte Sextus die Reise nach Norden schon als unangenehm aufgefasst, war diese kein Vergleich zu der nach Süden. Eine berittene Einheit von acht Männern kam wesentlich schneller voran als dieser Tausendfüßler, der sich langsam in Richtung des Lagers voranwalzte, das die achte Legion unter Duccius Vala schon vorbereitet hatte. Sextus hoffte, dass durch diese ganze – in seinen Augen – Trödelei der Weg über die Alpes noch immer frei wäre, so dass man rasch nach Mantua aufschließen könnte, wo sein Vetter mit der ersten Legion schon auf sie warten würde.


    Sim-Off:

    Angesichts der Tatsache, dass das gesamte Forum schon seit April darauf wartet, dass wir endlich im Süden ankommen und der Krieg beginnt, würde ich vorschlagen, die Reise nach hier: [Vindonissa] Castra Aestiva Legionum Germaniae Superioris möglichst kompakt zu gestalten, die Dauer der Reise zu komprimieren und/oder parallel schon die Ankunft und das weitere Vorgehen zu beschreiben.
    Ebenso fände ich ein Besprechungsboard im PF nicht schlecht, wobei ich nicht weiß, ob die Legio II uns in ihres hierzu einladen möchte. SimOn gibt es zwar eine Rangfolge, ich denke aber, SimOff sollten wir gleichberechtigt miteinander reden können und das nicht von SimOn-Reihenfolgen abhängig machen.