Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    Den Zustand der Straße als katastrophal zu bezeichnen hielt Sextus noch für geschmeichelt. Regen, Schlamm, dazu diese stinkenden Viecher unter sich, die ihm Muskelkater an Orten bescherten, wo er nichtmal gewusst hatte, dass er Muskeln dort hatte. Die Gesellschaft war auch nicht die beste gewesen. Sextus hatte sich neben einigen Sklaven auch ein paar bezahlte Männer, die den Aureliern nahe standen und öfter Dienste für sie verrichteten, mitgenommen, um den langen Weg zurückzulegen. Er hatte keine Lust gehabt, von Räubern irgendwo abgeschlachtet zu werden und verblutend in einem dreckigen Graben zu enden. Dreimal waren sie an auffällig bebachtenden Hirten vorbeigezogen, die wohl die Größe der Gruppe dann doch abgeschreckt hatte. Elendes Gesindel, über die Hälfte der Burschen verdiente mehr durch Wegelagerei als durch Käse und Wolle.
    Und was auf dem Weg nach Mantua als Lupanar für gehobene Gesellschaft durchging war nicht mehr feierlich! Sextus hatte selten so häßliche Weiber vorgesetzt bekommen. Als ob die Zuhälter hier sich keine Sklavinnen leisten könnten, die wenigstens noch alle Zähne hatten! Natürlich hatte Sextus nicht den vollen Preis für diese visuelle Beleidigung bezahlt.


    Das einzig positive an dieser ganzen Reise war vermutlich, dass Nigrina in Rom geblieben war und er so hatte reiten können, was schneller ging als mit einem Wagen. Oder schlimmer, einem plärrenden Kleinkind womöglich noch. So hatte er sich nur mit mieser Gesellschaft, miesem Essen und einem Haufen zwielichtiger Gestalten, die noch zwielichtigere Gestalten davon abhalten sollten, ihm spitze Dinge in den Leib zu stecken, herumschlagen müssen. Dazu noch die Pferde, die nach nunmehr 5 Tagen in ihm den Wunsch erweckten, spontan eine eigene kleine Opferzeremonie zum Equus October abzuhalten. Wie konnte sich ein Mensch mit Verstand freiwillig auf deren Rücken setzen und das auch noch toll finden? Fell und Sattel scheuerten alles wund, sie stanken und bissen, wenn man sich nicht umsah, bockten, wenn man auf ihnen saß und waren schlicht unbequem.


    Aber schließlich war er doch hier. Nass vom Regen, schmutzig von der Straße, nicht unbedingt bester Laune, aber er war in Mantua. Und sein erster Weg führte ihn wie bereits angedroht zunächst zu seinem Vetter. Er hatte zwar weder viel zu berichten noch besonderen Bedarf an Gesprächen, aber soviel forderte wohl die Höflichkeit, zuerst bei der eigenen Verwandtschaft vorstellig zu werden, ehe man sich ebenso lästigen außerfamiliären Pflichten zuwandte.
    Und so brachte er seinen Gaul vor dem Lager zum stehen, seine Eskorte etwas weiter hinter sich zurücklassend.
    “Ich bin Sextus Aurelius Lupus und wünsche meinen Vetter, den Legaten Titus Aurelius Ursus zu sprechen.“

    Ad
    Titus Aurelius Ursus
    Leg I Trai P F
    Mantua


    Salve Vetter,


    wie das Schicksal so wil,l wurde ich vom Collegium Haruspicium damit beauftragt, die Haruspizien für die Stadt Mantua bei den anstehenden Feierlichkeiten zu lesen und gegebenenfalls Maßnahmen zur weiteren Entsühnung vorzuschlagen.


    Aus diesem Grund werde ich wohl die Reise nach Mantua auf mich nehmen müssen, trotz des anhaltenden Herbstwetters. Ich sende diesen Boten voraus, damit du auch darüber informiert bist. Mein erster Weg wird mich auch zu dir führen, damit wir einander einmal wieder in die Augen sehen können. Meine ganze Quästur hindurch ergab sich die Gelegenheit ja leider nicht so wirklich.
    Da mir allerdings klar ist, dass die Stadt und vor allem die Legio mit genug organisatorischen Schwierigkeiten bezüglich des Aufbaus zu kämpfen haben wird, habe ich bereits bei den ausführenden Stadtmagistraten um standesgemäße Unterkunft gebeten. Natürlich wäre es mir auch eine Freude, dir ein paar Tage Gesellschaft zu leisten, allerdings möchte ich nicht, dass du dich dazu genötigt fühlst, deswegen deine Pflichten gegenüber der Stadt und deinen Männern zu vernachlässigen. Ob ich also bei dir im Castellum oder in der Stadt bei Magistrat Artorius – so der Name des Mannes – nächtige, können wir in ein paar Tagen von Angesicht zu Angesicht besprechen. Wenn dich diese Nachricht erreicht, bin ich vermutlich schon auf dem Rücken eines gräßlichen Pferdes auf dem Weg nach Mantua, begleitet von einigen ebenso gräßlichen Wachen.


    Vale,


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    Das rottriefende Organ landete auf der Patera, und einer der Ministri reichte sie ihm demütig an. Sextus hielt sich auch nicht lange auf, und berührte das Organ, prüfte Festigkeit und Form, drehte es ein wenig im Licht, um hellere wie dunklere Flecken zu erkennen, vielleicht einen goldenen Schimmer. Er fuhr vorsichtig über die Oberfläche, um nach Verknotungen und Verwachsungen zu fühlen, die ein Hinweis auf göttlichen Willen sein mochten.
    Und doch war die Leber herrlich unergiebig. Der Widder war ein gesundes und kräftiges Tier gewesen, der keine Krankheiten in sich trug, und dementsprechend ereignislos präsentierte sich auch sein Innenleben. Was auf der einen Seite natürlich gut war, denn immerhin konnte Sextus so sicher sein, die Götter im Allgemeinen und Merkur im Besonderen nicht gegen sich aufgebracht zu haben. Auf der anderen Seite war es aber auch sehr unergiebig und löste mitnichten sein momentanes Problem. Andererseits konnte er wohl kaum erwarten, dass die Götter selbst für den geringen Preis eines Schafes tätig werden würden. Da musste er sich schon selbst behelfen. Und so langsam fanden sich auch ein paar Gedanken ein, wie er das bewerkstelligen konnte.
    “Litatio!“ verkündete er also dennoch laut für das spärlich vorhandene Publikum ohne tiefergreifend neue Erkenntnisse, außer einer positiven Grundstimmung und einem vagen Plan, wie er seinen Plan in die Tat umsetzen konnte.

    Natürlich waren die Worte nur Schmeichelei, das wusste Sextus. Dennoch nahm er das sehr wohlwollend zur Kenntnis und tat seinem Gegenüber den Gefallen, einen geschmeichelten Gesichtsausdruck aufzusetzen und dankbar zu nicken. “Dein Wort in der Götter Ohren, Purgitius“, erwiderte er halb im Scherz. Er persönlich glaubte ja eher, dass er für seinen Namen auf so einer Liste noch ein wenig Hilfestellung würde leisten müssen. Nur die Frage über die angemessenen Mittel zur Erreichung dieses Ziels war nach wie vor strittig.
    “Ich werde Tiberius Durus und meiner Frau gern deinen Gruß ausrichten. Vielleicht findet sich ja bald noch einmal die Möglichkeit eines Treffens, das nicht so sehr von Terminen beansprucht wird?“ Sextus hatte zwar nicht vor, den Consular jetzt sofort noch zu einem Essen einzuladen – seine Frau wäre von solch spontanen Entscheidungen wenig angetan – aber wenn sich hier die Möglichkeit ergab, sagte er auch nicht nein. Kontakte mussten gepflegt werden.

    Mit seiner Frau an seiner Seite betrat auch Sextus schließlich die Feier. Auch wenn seine volle Amtstracht sicherlich die nötige Macht seiner Aufgabe betonte und die übrigen Collegien auch nicht unbedingt modischere Kleidung trugen: Er fand er sah so... so... blöd aus. Die kurze Tunika aus heller Wolle war für das draußen derzeit vorherrschende Wetter etwas frisch, auch wenn der darübergelegte lange Mantel aus dem Leder eines Opfertieres Kälte, Wind und Regen doch gut abhielt. Der spitz zulaufende, konische Hut allerdings war dann doch trotz aller Ehre und Würde etwas gewöhnungsbedürftig, wenngleich die Flamines mit ihrer Kopfbedeckung sicher ähnlich albern aussehen mochten.


    Sich seiner Auffälligkeit also durchaus sehr bewusst betrat Sextus dennoch selbstsicher den Raum und behielt die stoisch gefasste und ernste Miene auch bei, obwohl er hier und da bekannte Gesichter erblickte. Eben jene würde er begrüßen, sobald er seine Aufgabe wahrgenommen hatte, so dass ihm niemand, erst recht nicht seine beiden Auftraggeber, vorwerfen könnte, er wäre nicht mit dem nötigen Ernst daran gegangen, die Zeichen des Tages zu lesen.
    Zu eben jenen begab er sich dann auch sehr zielstrebig und begrüßte sie, als er bei ihnen war, beide mit einem kleinen Nicken. “Decima, Terentius. Ich freue mich, dass ihr mir die Ehre zuteil werden ließet, die Opfer für diesen Tag und diese Verbindung auf das Wohlwollen der Götter zu prüfen.“ Soweit zur Höflichen Begrüßung, jetzt zur höflichen Überleitung an die anderen Gäste. “Bis ihr mit der Begrüßung eurer Gäste soweit fortgeschritten seid, dass das Opfer vollzogen werden kann, werde ich mir das Opfertier mit eurer Erlaubnis ansehen.“ Immerhin war auch das äußere Erscheinungsbild des Tieres schon ein Zeichen. Hatte man ihm zuviel Betäubungsmittel gegeben und es brach zusammen, galt das gemeinhin als sehr schlechtes, so dass Sextus hoffte, der kleinen Absprache kam nicht ein wirklich göttliches Zeichen dazwischen.

    Gut, die beiden holden Weiblichkeiten übernahmen die gemeinsame Organisation eines Festes und hatten damit scheinbar aufkommende Feindseligkeiten auch fürs Erste begraben. Sextus war jeder dieser Umstände nur mehr als recht, hatte er doch so keinen Ärger und keine Arbeit, noch dazu die Aussicht auf ein paar gewinnbringende Gespräche, die sein Vorankommen beschleunigen würden. Etwas besseres konnte er von den zwei Damen, die ihm am nächsten standen, nicht erwarten. Fehlte nur noch ein gewinnbringender Mann für seine Schwester, und es wäre wirklich alles perfekt.


    “Die Sklaven werden dir deine Räume zeigen, dann kannst du bis zur Cena ausruhen. Fühl dich frei, Dinge ändern zu lassen, die dir nicht gefallen.“ Solange sie nicht zu teuer waren, würde Sextus vielleicht sogar in Betracht ziehen, sie zu bezahlen. Vielleicht. Wenn es vernünftig vertretbar war.
    Ein Wink genügte, und ein Stück sprechendes Inventar trat auch schon fleißig vor, um Messalina den Weg zu zeigen.

    “Das wirst du“ meinte Sextus nur sachlich und ruhig zu ihrer Bemerkung, dass sie herausfinden wollte, was der Präfekt bevorzugte. Es war weder beruhigend noch aufmunternd, wie er es sagte, sondern eher eine feststehende Tatsache, als hätte sie soeben gemeint, am nächsten Tag würde die Sonne aufgehen. Sextus hatte keinen Grund, an ihren Fähigkeiten und ihrer Pflichterfüllung zu zweifeln. Er hätte sich keine bessere Gattin wünschen können und war froh, dass sein Vater für ihn diese hier ausgesucht hatte.


    Doch dann löste sie sich unvermittelt von ihm, und Sextus blieb allein im Fenster stehen. Wo ihr Körper gewesen war, hinterließ der Nachtwind eine unangenehme Kühle. Er sah ihr nach, wie sie hinüber zu der Weinkaraffe ging und sich etwas einschenkte, einen Schluck nahm. Das Blitzlicht tauchte sie in grellen Kontrast zur Umgebung. Sie hatte diesen Gesichtsausdruck, den sie häufiger hatte, wenn sie etwas störte.
    Sextus merkte, wie andere, weniger trübsinnige Gedanken wieder anfingen, sich in seine Überlegungen zu schleichen. “Ich werde es dir unverzüglich mitteilen. Ich denke, innerhalb der nächsten zwei Wochen.“ Etwas Vorlaufzeit musste er seiner Frau für so eine Feier auch zugestehen.
    Was er ihm anbieten wollte, die Frage gestaltete sich schon schwieriger. “Ich hoffe, er gibt sich mit Geld zufrieden“, antwortete er so wahrheitsgemäß wie vage. Für den Fall, dass Salinator mehr wollte, hätte Sextus durchaus etwas von Wert anzubieten, allerdings war er nach wie vor unschlüssig, ob er dieses Mittel einsetzen sollte. Es war ein gefährliches Spiel, ebenso gefährlich wie das, was er ohnehin schon spielte. Und Sextus war kein großer Spieler.


    Sie bot ihm Wein an, und Sextus kam langsam und schweigend zu ihr herüber. Er hatte keinen Durst, nicht nach Wein. Achtlos schob er den dargebotenen Becher im Näherkommen beiseite und zog sie wieder an sich, an seine nackte Haut, wo sie ihn zuvor schon gewärmt hatte. Dieses Mal aber mit anderer Intention.
    “Wollen wir nicht aufhören, zu reden?“ küsste er ihren Hals. Er merkte durchaus, dass sie irgendwas verstimmt hatte. Aber er kannte einen guten Weg, ihre Verstimmung in Wohlwollen umzuwandeln. Vor allen Dingen aber, ihre Verstimmung zu genießen. Nigrina war besser, wenn sie wütend war. Widerborstig und leidenschaftlich.
    “Lass uns doch noch ein wenig das Bett kaputt machen“ raunte er ihr zu, während seine Hände schon sehr besitzergreifend auf Wanderschaft zu gehen anfingen. Nein, er wollte sich jetzt definitiv nicht weiter den Kopf zerbrechen.

    Offenbar bedauerte der Purgitier die mangelnde Bereitstellung von Volkszerstreuung in den letzten Jahren. Allerdings hatte er recht, die letzten Ädile hatten sich alle nicht mit besonderer Spendierfreudigkeit hervorgetan, was Spiele und gerade Wagenrennen anging. Der letzte hatte seines Wissens nach gar keine Spiele ausgerichtet, und der jetzige hatte bislang noch nichts angekündigt.


    Da spielte Sextus die folgende Frage natürlich insgeheim in die Karten.
    “Nun, für heute erst einmal zu meinem Patron und später nach Hause zu meiner Frau. Nun, da meine Amtszeit vorüber ist, habe ich wieder mehr Zeit für meine privaten Kontakte und eben deren Pflege.“ Auch wenn Sextus trotz noch so charmanter Worte diese Freizeit eigentlich weder wollte noch brauchte. Im Grunde hasste er Müßiggang. Verschwendete Zeit, in der man nichts produktives zum eigenen Vorankommen beitrug. Und eben jenes lancierte er nun beiläufig.
    “Und auf lange Sicht hoffentlich demnächst in den Senat und weiter ins Ädilat, wo es mir eine persönliche Freude wäre, für ein wenig Beschäftigung der Factiones zu sorgen.“

    Sollte er sie nun aufklären, dass man Bestechungen im Allgemeinen im Vornherein zahlte? Natürlich gefiel es Sextus nicht, dass sie so elend kleinlich war, den Betrag auch noch zu stückeln. Die Frau hatte wirklich weniger Anstand als die Lupae unten am Tiber in der Nähe der Färbereien (die man im Allgemeinen auch im Voraus bezahlte und nicht einen Teil erst 'nach Erbringung der Dienstleistung'). Aber andererseits war es Sextus die Mühe nicht wert, diese Frau zu erziehen. Er hatte kein weitergehendes Interesse an ihr, und wenn sie sich so sehr bemühte, ihren zukünftigen Mann lächerlich zu machen, warum sollte er sie aufhalten? Es war nicht seine Familie und stand nicht in näherem Zusammenhang zu Sextus' persönlichen Plänen.
    “Es wird meiner Frau eine ebenso große Freude sein wie mir“, schloss er also galant und ging über ihre erneuten Unhöflichkeiten hinweg. Wo sie sich doch mit der Einladung grade so brav an ihre Manieren zu erinnern versuchte...
    “Ich werde dann deinen Sklaven in den nächsten Tagen erwarten. Ich nehme an, das Opfertier wird von dir bereitgestellt und vorbereitet werden?“ Eigentlich eine eher obligatorische Frage, bevor am Ende aber kein annehmbar benebeltes Schaf zur Verfügung stand, stellte er sie lieber dennoch.

    Es konnte ein Bluff sein, konnte wirklich so sein, dass der Terentier bescheid wusste. Sextus kannte den Mann nicht, so dass er einschätzen hätte können, ob der wirklich eine Frau zum verhandeln vorschicken würde. Nach allem, was er gehört hatte, war der Mann erfahrener Kommandant und ein harter Hund. Das machte unwahrscheinlich, dass er das dann einer Frau überlassen würde. Auf jeden Fall wusste er wohl nicht, wie sich dieses Frauenzimmer hier gebärdete. Sextus kam noch immer nicht darüber hinweg, wie sich die Decima verhielt. Sie war hübsch und könnte sicherlich liebreizend sein, aber sie benahm sich wie ein Kerl, und dazu noch nicht einmal wie ein kerliger Kerl. Entweder hatte der Terentier insgeheim gern eine Frau, die ihn unter ihren Pantoffel drückte, oder aber er konnte einem redlich leid tun.


    Allerdings war ihm von diesen Gedanken nicht das geringste Anzumerken, während er sich ihre Worte durch den Kopf gehen ließ. Wenn es ein Bluff war, konnte sie nicht für das Wohlwollen ihres Mannes garantieren. Wenn es allerdings keiner war, dann konnte das recht nützlich sein. Wobei es noch recht schwammig war.
    “Nun, Decima, ich kenne weder dich noch deinen zukünftigen Gatten gut genug, um beziffern zu können, wie wertvoll dieses Wohlwollen sein mag. Manche Leute pflegen ihre Freundschaften intensiver als andere, für die eine Gefälligkeit nur ein leeres Wort ist.“ Oder anders gesagt: Er hatte keinen Grund, ihr zu trauen. Und er tat es auch weiterhin nicht, als er dann scheinbar wohlwollend und wie als Vertrauensbeweis anfügte: “Ich denke, fünfzehn Aurei sind gut.“ Plus eben angesprochenes Wohlwollen. Ein Risiko, sicherlich. Allerdings waren auch schon die zwölfeinhalb Aurei eigentlich genug Bestechungsgeld gewesen für ein kleines „Die Götter sind höchsterfreut über diese Verbindung und segnen sie“ oder ähnlich hochtrabende Plattitüden.

    Na also, ging doch! Auch wenn Sextus den Tauschwert für seine Bemühungen dann doch ambivalent sah. “Pferde können krank, alt und gebrechlich werden, und Goldschmuck, so er nicht ohnehin mit Blei versetzt ist, trage ich keinen. Und wollte ich ihn meiner Frau schenken, würde sie mit vorwerfen, ich hätte etwas ausgefressen und wolle sie besänftigen.“ Abgesehen davon, dass Sextus keine Ahnung hatte, nach welchen Kriterien sie ihren Schmuck auswählte. Während er einige ihrer Stücke wegen dem Warenwert durchaus schätzte – waren sie mit Granat oder Türkis geschmückt und damit besonders teuer – gab es andere, die eingeschmolzen weniger wert wären als der Preis, für den seine Frau sie erstand. Und ihm versicherte, sie wären es wert. Er hatte keine Ahnung, was diesen wert ausmachen sollte.
    Dennoch blieb es dabei, dass ihm diese Aussage doch etwas vage war. “Ich bevorzuge die Art Goldschmuck, auf die das Konterfei des ein oder anderen Kaisers gedruckt ist.“ Was wollte Sextus mit Pferden? Er hatte keinen Rennstall und keine Zucht, und er setzte sich nicht häufiger als notwendig auf eines dieser Viecher. Und auch für Schmuck hatte er keine Verwendung. Das konnte auch nur einer Frau einfallen, sowas anzubieten. Er würde kaum mit Goldkettchen rumlaufen. Liebe kalte, bare Münze.
    Kurz überschlug Sextus, was sie ihm grob angeboten hatte. Wenn er ein Pferd mit 250 Sesterzen für den mittelitalischen Durchschnittsgaul ansetzte, dann wären das in etwa zwölfeinhalb Aurei. Ordentlicher Preis eigentlich. Andererseits: Ritter hatten Geld, sollten sie etwas davon ausgeben.
    “Ich denke, dein Mann dürfte genug Erträge haben, dass er sich auch zwanzig Aurei leisten kann.“ Es war nicht ganz das doppelte von dem, was sie bot, aber doch ein deutlicher Sprung nach oben. Und ganz nebenbei konnte Sextus mit seiner Bemerkung herausfinden, ob der PP von dieser Unterredung überhaupt wusste – oder gegebenenfalls getrennt zur Kasse gebeten werden konnte.

    Ganz definitiv hatte sie ein Höflichkeitsproblem. Er war die ganze Zeit über freundlich gewesen, nicht zu vergessen, dass er ihr Gast war, und abgesehen vom anfänglichen rhetorischen Geplänkel legte sie einen Ton an den Tag, der unfreundlicher wohl nur durch Beleidigungen ging. Dabei hatte er ihr nicht einmal etwas getan, sie nicht einmal gerügt oder düpiert, obwohl sie ihm nun wirklich jeden Anlass der Welt dazu gegeben hatte.
    Aber gut, dann klärte er eben jetzt einmal sie auf, wie das lief. “Nun, brauchen tue ich nur ein passendes Opfertier, am besten ein Schaf. Die Frage ist eher, was du mir anbietest, damit dieses möglichst positiv angenommen wird.“ Er war ja kein Handwerker, der für einen hergestellten Schuh wie auf dem Markt einen Preis hinausschrie, den sie dann nach unten handelte wie eine echte Krämerseele. Er war Haruspex, und wenn sie ihn bestechen wollte, lag es an ihr, ein Angebot zu machen – das er dann nach oben korrigieren konnte.

    Freunde des Hauses und die Familie seiner Frau. Sextus hatte eigentlich vorgehabt, seine Schwester außerhalb seines Freundeskreises – innerhalb dessen es ohnehin keinen Heiratskandidaten gab – oder der Familie seiner Frau zu verheiraten. Mit den Flaviern verbanden die Aurelier ohnehin schon so viele Verknüpfungen, dass eine weitere Verbindung kaum vorteilhaft wäre. Abgesehen davon hatte es schon fast etwas anrüchiges, wenn zwei Geschwister in dieselbe Familie heirateten. Sextus überlegte, wen er noch einladen könnte. Die Tiberier in jedem Fall, würde sein Patron etwas anderes doch als Kränkung verstehen. Mit Floras Eheschließung allerdings waren auch hier neben dem Patronat schon eheliche Bande geknüpft.


    Während Nigrina also Messalina fragte, ob sie gemeinsam die Feierlichkeit planen wollten – ein Umstand, den Sextus freudig begrüßte, da er ihn andernfalls wohl ohnehin auf seine Frau würde abgeschoben haben. Die Planung von Feiern gehörte nicht zu den Dingen, mit denen er sich allgemein sehr beschäftigte – wog er in Gedanken schon die Möglichkeiten einer möglichen Ehe ab. Theoretisch am meisten bringen würde eine Ehe mit den Claudiern, aber da war das Verhältnis der beiden Gentes reichlich frostig, nachdem Sextus diesen jungen Schnösel damals nicht in die Sodalität der Salii Palatini aufgenommen hatte noch viel mehr.
    “Ich bin mir sicher, ihr beide könnt schon eine wunderbare Feierlichkeit organisieren, wo du, liebe Schwester, sicher genug Bekanntschaften wirst schließen können“ , warf er eine freundliche Phrase ein, während seine Gedanken eigentlich mit etwas anderem beschäftigt waren.

    Da konnte Sextus nur hoffen, dass der Pompeier klug genug war, seinen Mund zu halten, oder versessen genug, das alles als Wirken seines Einflusses hinzustellen. Vala war zum Glück erst einmal außerhalb jeglicher Befragungsreichweite, so dass hier schonmal ein Unsicherheitsfaktor mittelfristig ausgeschaltet war. Dennoch beschlich Sextus bei den Worten des Purgitius ein ungutes Gefühl. Doch gab er auf letztere im Allgemeinen recht wenig, so auch jetzt nicht.


    Glücklicherweise waren die heiklen Themen damit ohnehin beendet, und die Konversation ging mehr auf Sextus' Gesprächspartner ein, was ihm persönlich sehr zupass kam.
    “Soweit ich weiß, wollte noch Quintus Ventidius Achelos heute sprechen, allerdings weiß ich das nicht von ihm persönlich, so dass ich es nicht mit Sicherheit sagen mag.“ Sextus hatte mit kaum einem von Salinators Günstlingen längeren Kontakt. Lediglich Caius Gavius Apicius war ihm leidlich bekannt, da dieser ihm in seiner Arbeit als Decemvir litibus iucandis nachgefolgt war und jetzt Quaestor in Pannonia war. Wohlgemerkt ohne dazwischen erfolgtes Tribunat. Dieser Umstand machte nähere Bekanntschaften ohnehin schwer. Und mit besagtem Günstling, der diesjährige Decemvir litibus iucandis, hatte er überhaupt keinen Kontakt bislang gehabt.
    “Aber für morgen hat sich der Tribunus Plebis schon ankündigen lassen.“ Was definitiv wohl hörenswerter war als irgendwelche Erbschaftsangelegenheiten.


    Macer erwähnte die Factio, und Sextus musste kurz überlegen, welcher er angehörte. Die Aurelier waren traditionell in der Aurata, die Sextus ausschließen konnte. Deren Mitglieder waren ihm alle namentlich, die meisten sogar persönlich bekannt. Auch zur Veneta gehörte Macer nicht, die die „Erbfeinde“ der Aurata waren. Bei den übrigen drei Möglichkeiten kam die passende Information dann aus den Tiefen seines Gedächtnisses.
    “Ist demnächst ein Rennen geplant, an dem die Russata teilnehmen wird, oder kümmerst du dich nur um andere Formalia?“ Sextus selbst war nicht rennbegeistert. Er war auch nicht allzu gladiatorenbegeistert. Überhaupt begeisterte er sich für nur sehr, sehr wenige Dinge, und jene mit nicht voraussagbaren Ergebnis gehörten selten dazu. Allenfalls hatte er eine kleine Freude am fließenden Blut, allerdings nichts übermäßig auffallendes.

    Zur vierten Stunde des Tages war auf Roms Straßen schon viel los. Auch hier in der Nähe des Tibers am Forum Boarium herrschte reger Betrieb, selbst – oder vielleicht auch vor allem – vor dem Tempel des Merkur. Immerhin war er auch Gott der Händler und der Diebe, und beides fand sich hier auf dem Platz und auf den weiterführenden Straßen sicherlich zuhauf.


    Sextus hatte bereits am frühen Morgen mit dem Aedituus des Tempels gesprochen und war jetzt einige Stunden später mit passenden Opfergaben bewaffnet bereit, den Gott um einen persönlichen Gefallen zu bitten. An einem der Becken wusch sich der Aurelier noch einmal die Hände, ehe er gefolgt von einigen Opferdienern den eigentlichen Tempel betrat. Im Gegensatz zur strahlenden Helligkeit draußen war es hier vor dem Kultbild des Gottes fast schon dunkel zu nennen, obwohl er zu den lichten Göttern gehörte. Doch das störte Sextus eher weniger, hatte Turms, das etruskische Pendant, doch trotz der vielen Gemeinsamkeiten auch deutlich dunklere Züge, die die Leute bei Merkur gern vergaßen. Denn er war nicht nur der jugendliche Gott der Reisenden und Händler, der findige Dieb und listenreiche Erfinder. Er war auch derjenige, der als einziger zwischen der Welt der Götter, der Menschen und der Toten nach Belieben hin und herreisen konnte, und den Verstorbenen den richtigen Weg ins Jenseits zeigte. In einer Gesellschaft, die sich weit mehr mit dem Tod als dem Leben beschäftigte und der Nachwelt gar prächtige Nekropolen hinterließ, hatte dieser Aspekt bei den Etruskern ein deutlich höheres Gewicht.
    Allerdings wollte Sextus den Gott gar nicht um Weggeleit für einen Verstorbenen bitten. Überhaupt hatte seine Bitte nur indirekt etwas mit dem Tod zu tun, und schon gar nicht von einem Menschen, für den Sextus Beistand erbitten würde. Was mit dem Vescularier geschehen mochte, nachdem ihre Verschwörung Früchte getragen hatte, war ihm relativ egal, solange der Mann tot wäre und tot bliebe.


    Nein, Sextus wollte etwas zeitlich deutlich näherliegendes erbitten und hoffte auf das Wohlwollen des Gottes. Das Kultbild zeigte ihn jung und stark, und Sextus ließ seinen Blick einen Moment auf der Statue ruhen, ehe er begann.
    “Turms, großer Gott der Wohlstands und des Handels, Lenker des Zufalls. Trivius, Dreiwegsgott, höre mich an.“
    Um die Pforte zwischen dieser und der Götterwelt zu öffnen, nahm Sextus etwas mitgebrachten Weihrauch von einer Schale und warf ihn auf das neben dem foculus stehende Kohlebecken. Es knisterte kurz, ehe es schön zu qualmen anfing und den Raum mit süßlichem Duft einhüllte, der die Sinne hob. “Ich bringe dir Weihrauch aus Syria, edel und wohlriechend. Nimm ihn als Geschenk für dich, und nur für dich.“
    Ein weiterer Griff auf eine andere von einem Opferhelfer gehaltene Platte, und Sextus hatte einen kleinen Lederbeutel in der Hand. Das Gewicht täuschte über den eigentlichen Inhalt hinweg. Sextus drehte den Beutel so, dass hell klimpernde Bronzemünzen, allesamt versehen mit Bildnissen des Gottes, sich über den Foculus verteilten und dabei helle Geräusche von sich gaben. Man sagte sich, dass der Gott den Klang von klimpernden Münzen mochte, und so hatte Sextus jede Menge Bronzemünzen aufgetrieben, die insgesamt zwar keine drei Aurei an Wert hatten, dafür aber so reichlich waren, dass sie teilweise von dem kleinen Opferalter herunterkullerten und auf dem Boden landeten.
    “Ich bringe dir Münzen, oh Herr des Handels, der du den Reichtum mehrst. Sie sollen ein Geschenk für dich sein und nur für dich!“
    Auf das Verstreuen von Blumen und ähnlichem verzichtete Sextus. Geldopfer waren bei Merkur durchaus üblich, und es sollte ja noch weiteres folgen.


    “Großer Turms, der du alle Wege kennst. Ich will dich um etwas bitten.“ Seine Stimme wurde leiser, damit nicht unbedarfte Ohren mithören konnten, was er hier sprach. Es war eine Sache zwischen ihm und Merkur, ein Versuch, der erfolgreich sein konnte oder auch nicht. Aber Sextus wollte es zumindest versucht haben.
    “Ich bitte dich um deine Hilfe bei einem bevorstehenden Geschäft. Mach Potitus Vescularius Salinator dem Geschäft gewogen, lass meine Bemühungen Früchte tragen. Gib mir die richtigen Argumente, die passende Summe zu finden, um das zu erreichen, was ich möchte, gib ihm den Sinn für das richtige Maß, ohne Gier. Hilf mir bei meinem Vorhaben, und ich will dir an der Kreuzung vor meinem Haus eine Herme aufstellen, auf dass ganz Rom lesen kann, wie groß du bist, Bote der Götter, Hüter der Pfade, Herr all jener, die mit Witz und Verstand vorgehen.“
    Damit war das Voropfer mit einer Drehung nach rechts auch schon beendet.


    Sextus schritt nach draußen, wo ein Helfer auch schon mit einem weißen Widder wartete. Hufe des Tieres waren vergoldet worden, auch wenn das Tier deshalb erheblich teurer im Preis war. Aber Sextus wollte gute Omen.
    Der Aedituus besprengte ihn mit Wasser, um ihn nochmalig zu reinigen, ehe Sextus die Menge auf dem Platz mit einem lauten “FAVETE LINGUIS!“ zum Schweigen aufforderte.
    “Mercurius, ich bringe dir diesen weißen Widder als Geschenk! Ich bitte dich, mir zu gewähren, worum ich dich gebeten habe. Do, ut des!“
    Ihm wurde eine Schüssel gereicht, um sich die Hände zu waschen, und anschließend das mallium latum . Während er sich abtrocknete, wurde der Widder mit mola salsa eingestrichen. Der Cultarius stand auch schon bereit und blickte auf das Tier, das sehr ruhig seinem Schicksal harrte. Der Verkäufer hatte nicht übertrieben bei der Wirkung der Kräuter, die man dem Tier zu fressen gegeben hatte. Es stand ohne Klage, senkte sogar einmal leicht nickend den Kopf, als wäre es einverstanden mit seiner Opferung. Ein besseres Tier konnte er sich kaum wünschen.
    Schließlich bekam Sextus das Messer gereicht, mit dem er vom Kopf bis zum Schwanz des Tieres knapp über dem Fell einmal entlangstrich, um es endgültig als Opfertier zu weihen, ehe er sich wieder dem Tempel des Gottes zuwandte. Der Cultarius wartete noch einen spannungsgeladenen Moment, ehe er die eine Frage stellte: “Agone?“
    “Age!“ antwortete Sextus laut, deutlich und ohne Zögern in der Stimme. Und kurz darauf hörte er auch schon das Zusammenbrechen des Widders neben sich, als dieser in die Kehle gestochen und stark blutend zusammensackte.


    Heute hatte er den vorteil, nicht als Haruspex gerufen zu sein, und so die lästige Arbeit des Ausnehmens dem Cultarius überlassen zu können. Lediglich die Leber ließ er sich persönlich auf der patera anreichen, um das Organ zu untersuchen, ob der Gott das Opfer angenommen hatte oder nicht. Oder ob er ihm noch weitere Dinge mitteilen wollte. Eine Schafsleber bot schließlich für einen Haruspex vielfältige Interpretationsmöglichkeiten, abseits von „ja“ und „nein“

    Sextus hoffte für den Terentier, dass seine Frau noch ein Mindestmaß an Höflichkeitsformen erlernen würden. An diesen kalten Fisch gefesselt tat der Mann ihm schon fast etwas leid.
    Es war aber auch eine paradoxe Situation. Eine Frau verhandelte anstelle ihres zukünftigen Mannes – der eigentlich als Präfekt der Prätorianer ein Minimum an Autorität und Befehlsgewohnheit haben sollte. Dazu tat sie das über ihre eigene Hochzeit – wo eigentlich zumindest ihr Tutor anwesend sein sollte – auf einer Kline wie ein Mann liegend – anstatt züchtig und aufrecht auf einem Stuhl zu sitzen – mit ihm gänzlich alleine. Und jetzt machte sich eben diese Frau, die ihn offensichtlich auch für zu dumm hielt, eine Bestechung zu erkennen und sie ihm haarklein erklärte, sich darum Sorgen, ob er beim Essen darüber reden wollte oder nicht? Das war schon beinahe eine makabre Art von Humor, den diese Frau mit todernster Miene an den Tag legte.
    Was Sextus nun betraf, er nahm noch einen Bissen Brot und legte den Rest des abgebrochenen Stückes zurück auf den Teller, spülte alles mit einem Schluck Wein noch in aller Seelenruhe hinunter. Man musste ja nicht hetzen.
    Danach setzte er sich auf und sah zu seiner Gesprächspartnerin herüber. “Was mich betrifft, so bin ich mit Essen fertig.“ Um der Ehrlichkeit den Vorzug zu geben, er hatte kein Interesse daran, den Abend charmant in die Länge zu ziehen. Die Decima hatte nichts Weibliches an sich, wie sie sich gebärdete, und das rief bei Sextus doch einiges an Antipathie hervor. Auch wenn er das nach Außen nicht zeigte und so leichtherzig sich gab wie eh und je. “Daher überlasse ich die Entscheidung über den passenden Zeitpunkt gerne dir und deinen Befindlichkeiten.“

    Davon, dass seine bessere Hälfte mit seinen Ausführungen nicht so glücklich sein mochte, bekam Sextus nichts mit. Für seine Verhältnisse war er schon sehr offen ihr gegenüber gewesen, pflegte er doch derlei Dinge überhaupt nicht mit ihr zu diskutieren. Dass er allein ihre Meinung erfragt hatte, war für ihn schon außergewöhnlich. Gewöhnlicherweise beschränkten sich ihre Gesprächsthemen auf andere Dinge, sofern sie sich überhaupt längere Zeit ernsthaft unterhielten.


    Ihre Reaktion auf den Vescularier fiel erfreulich ruhig aus. Nicht einmal ihre flavischen Augenbrauen zuckten verräterisch in die Höhe, wie sie es sonst gern taten, wenn ihr irgendwas missfiel. Sie überlegte zwar, es arbeitete hinter ihrer Stirn, aber er musste keine Angst haben, dass sie ihren Gast mit dem dargereichten Essen zu vergiften versuchen würde, oder ihn mit Unhöflichkeit vergrätzen. Insofern war Sextus sehr zufrieden und nickte zu ihren Worten.
    Als sie dann aber nach weiteren Spezifika des Essens fragte, war es an Sextus, zu überlegen und zu grübeln. Was hatte er sich vorgestellt? Ein Tisch mit Essen drauf und einer Kline davor, allenfalls noch Korbsessel für Nigrina. Aber wenn er das so sagen würde, wäre seine bessere Hälfte wohl weniger begeistert.
    “Nun, ich hatte gehofft, dass du dich um die näheren Details kümmerst. Es sollte natürlich eine exquisite Qualität aufweisen, allerdings nicht zu protzig sein. Immerhin ist der Praefectus Urbi kein Freund von Patriziern und könnte allzu opulente Darbietung als Angebertum missinterpretieren, was meiner Absicht abträglich wäre.“ Nigrina als Herrin des Hauses war seines Verständnisses nach ja für derlei Fragen auch zuständig. So wie er sie nicht in seine Zuständigkeiten hineinreden ließ, mischte er sich nur bei gebotenen Einzelfällen in die ihren.

    Das Gespräch hatte sich ganz definitiv so ausgewirkt, dass das Gesetz aufgrund dieser Tatsache entstanden war, dass Sextus es in kleinem Kreise dem Pompeier und dem Duccier erzählt hatte, und letzterer gerade vom PU den Auftrag erhalten hatte, sich genau um solche Kleinigkeiten zu kümmern, mit denen man Senatoren ärgern konnte. Nur war Sextus da klug genug, seinen Schnabel zu halten und seine Rolle bei diesem Gesetz für sich zu behalten. Es war eine Sache, wenn etwas durch eine Senatsdebatte entstand, wie der Purgitius es vorgehabt hatte. Eine gänzlich andere war es, wenn der Vescularier etwas zum Gesetz erhob. Noch dazu, wenn er damit ja ganz offensichtlich einige Senatoren verärgerte. Letzteres sollte gepflegt werden angesichts der zukünftigen Planungen seines Patrons. Es war gut, wenn der Vescularier sich möglichst viel mit dem Senat anlegte, auch wenn er in dieser Sache Vala vorgeschickt hatte, damit dieser den Zorn der Senatoren abbekam.
    So oder so, Zeit, diplomatisch zu bleiben. “Es ist gut möglich, dass Bemühungen des Procurators schließlich zur Erstellung dieses Gesetzes geführt haben. Ich habe seitdem kein weiteres Gespräch mit dem Pompeius geführt, um es hinreichend beantworten zu können.“


    Und auch die zweite Angelegenheit war nicht minder diplomatisch anzupacken. “Ich konnte leider nichts genaueres herausfinden, eben außer, dass der Octavius abwesend ist. Aber sicherlich wird er den Aufgaben seines Amtes sehr gewissenhaft nachgehen und daher keine Zeit haben.“
    Nur machte diese ganze Diplomatie ein flüssiges Gespräch natürlich recht schwierig. Daher beschloss Sextus, seine rhetorischen Fähigkeiten noch etwas auszubauen und das Gespräch galant weiterzuführen. “Doch sag, Purgitius, was führt dich auf das Forum? Doch sicher nicht nur meine kleine Rede.“ Vielleicht sprang sogar irgendwas für Sextus heraus, für das er sich den nun entgangenen Gefallen wieder verdienen konnte.

    Gut, sie hatte die Andeutung nicht verstanden. Überhaupt schien sie Andeutungen gegenüber sehr abgeneigt zu sein, denn sie redete in einer Art und Weise, dass selbst dem dümmsten klar sein musste, was sie wollte. Sie hätte es ebensogut schriftlich für die Nachwelt festhalten können. Sextus verzichtete darauf, mit den Augen zu rollen, auch wenn es Momente wie diese waren, die ihn beinahe dazu trieben, und nahm sich statt dessen noch ein wenig Brot und einen Schluck Wein.
    “Ich weiß...“ kommentierte er nur äußerst lapidar ihre Ausführungen, was sie wollte. Es war anstrengend, mit jemandem zu reden, der einen offensichtlich für unterbelichtet hielt. Wie sollte Sextus seine Andeutungen vorher schon sonst gemeint haben, als dass er bereit war, sich bestechen zu lassen? Musste man da wirklich ausführen, in welchen Punkten die Bestechung bestand? Weiber....


    Er nippte in aller Seelenruhe an seinem Wein, ließ sie mit seiner kurzen Feststellung etwas Grübeln. Aus Gründen wie diesen Gesprächen verhandelte Sextus Geschäftliches weit lieber mit Männern. Doch vielleicht begriff sie jetzt rückwirkend, was er ihr hatte sagen wollen, und in welchem Rahmen solcherlei üblicherweise besprochen wurde. Zumindest aber nahm es ihr hoffentlich etwas Wind aus den weit aufgeblähten Segeln.

    Neblig. Sextus Mundwinkel zuckten amüsiert. Dass Nigrina seine Ausführungen nicht zufriedenstellten, war nur allzu deutlich zu hören. Aber deutlicher zu werden hatte er keine hinreichende Veranlassung. Noch nicht. Ob er jemals genügend Anlass haben würde, würde sich zeigen.
    Als sie dann aber meinte, er solle Skylla wegen dem hübscheren Gesicht wählen, musste er tatsächlich einen Moment lang fast lachen. Kurz zuckte sein Körper und er kicherte lautlos, als er sich fragte, wer wohl das hübschere Gesicht hatte: Sein alternder Patron mit dem kaputten Bein oder aber der fette glatzköpfige Vescularier. Wenn das rein nach Schönheit zu entscheiden wäre, hätten beide wohl schlechte Aussichten zu gewinnen. Am Ende würde Sextus noch den Kaiser selbst wählen ob dessen bezaubernder Gemahlin.


    Nein, solche Aussagen wie die jetzige waren es, die Sextus in seiner Meinung bestärkten, dass Frauen für die Politik schlicht nicht geeignet waren. Sie waren viel zu sehr auf das Oberflächliche beschränkt, auf Äußerlichkeiten, um hinter die Fassade des Ganzen zu schauen und die tiefgreifenden Verknüpfungen richtig zu verstehen. Er hatte da eine Theorie, dass dies damit zusammenhängen mochte, dass sie selbst kaum Aufgaben hatten, außer schön auszusehen und sich eben um den Schein nach Außen zu kümmern. Natürlich gab es auch politisch interessierte Frauen und solche, die ihre Möglichkeiten zur Einflussnahme sehr effektiv nutzten. Dennoch war sich Sextus darüber sicher, dass nur der kalte Verstand eines Mannes für ernsthafte Politik die Befähigung verlieh.
    Dennoch sah er sich mit echtem Interesse das Spiel des Lichtes in ihren Augen an, immer wieder erhellt von einem der immer ferner einschlagenden Blitze, als sie nach der passenden Antwort auf seine Frage suchte. Sie wollte, dass ihr Sohn Erfolg hatte, und wenn das Collegium dazu ein geeignetes Mittel darstellte, war es ihr nicht unrecht. Eine fast schon nüchterne Einstellung. Sextus nickte einmal und zog sie dann an sich heran, küsste sie auf die Stirn. Er ließ sie nicht wieder los, als dass sie von ihm hätte abrücken können. Er musste seine soeben erfolgte Entscheidung, die so wohlüberlegt wie gleichzeitig paradoxerweise plötzlich gefällt war, noch einmal rekapitulieren, und ihre Nähe und wärme war dabei angenehm.


    “Morgen werde ich Turms opfern.“ Inzwischen hatte sich Nigrina sicher daran gewöhnt, dass er mitunter die etruskischen Namen für Gottheiten wählte, wie seine Mutter es getan hatte. Und diesen Gott hatte er unter vielen Namen kennengelernt. Sein Großvater nannte ihn Turms, sein Vater Mercurius. Seine Freunde in Athen hatten ihn Hermes genannt, in Alexandria schließlich nannte man ihn Thoth, oder manchmal auch Anubis, was dem etruskischen Pendant eigentlich am nächsten kam. Aber alle hatten sie gemeinsam, dass sie ein Gott des Handels waren. Und damit auch der Bestechung.
    “Und ich werde mich darum bemühen, den Preafectus Urbi zum Essen einzuladen.“ Bei diesen Worten sah er noch einmal zu ihr herunter in ihre Augen, wollte ihre Reaktion auf den Vescularier abschätzen. Dass er kein Freund von Patriziern war, war wohl jedem klar. War nur die Frage, in welchem Maße seine Frau im Gegenzug den Vescularier nicht leiden konnte. “Und mit etwas Glück nach diesem Essen zum Senator Roms ernannt werden.“ Dass dies Sinn und Zweck des ganzen war, war seiner Frau vermutlich schon zuvor bewusst, er sagte es aber dennoch, um ihre Vermutung in Gewissheit zu verwandeln.
    Vermutlich war dieser Weg der risikoärmere. Auch wenn Sextus Verschwendung aufrichtig hasste.