Bis zu seiner Rede im Senat war es nicht mehr allzu lange hin. Höchste Zeit also für Sextus, noch ein paar alte Kontakte wieder aufblühen zu lassen. Wie beispielsweise den zu dem mittlerweile zum Consular gewordenen Purgitier, der glücklicherweise nach wie vor der Patron von Sextus' Verwandten Avianus war. Alles in allem also keine allzu schlechten Voraussetzungen für ein Gespräch.
Sextus hatte sich morgens eingefunden, gegen Ende der Salutatio, in der Hoffnung, mit dem Hausherrn sprechen zu können. Und just in dieser Absicht klopfte er also an.
Beiträge von Sextus Aurelius Lupus
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Manchmal war es redlich ermüdend, Haruspex zu sein. Wie erklärte man einem Idioten, dass er dumm ist? Mit diesem Problem hatte sich Sextus eben geschlagene drei Stunden herumgeschlagen, nur um einem Mann begreiflich zu machen, dass wenn er wirklich wünschte, dass die Götter ihm öffentlich für ein Vorhaben gute Vorzeichen bescherten und er das wirklich vor seinen Freunden und der gesamten Familie durchgeführt haben wollte und wirklich einwandfreie Vorzeichen brauchte, um sie für seinen Plan, das Familienvermögen in eine etwas risikobehangene Unternehmung zu stecken, begeistern zu können, dass er dann vielleicht ein wenig lukrativer in der Entlohnung des Haruspex sein sollte, der das Opfer durchführen würde. Sextus war wirklich kurz davor, dem Mann eine Zeichnung zu malen, in der Hoffnung, dass dieser dann die Anspielung verstehen würde. Mehr als Anspielungen konnte Sextus nicht fallen lassen, Bestechlichkeit war ja zumindest offiziell ein Vergehen. Solange er aber keine Bestechung forderte oder aktiv dazu aufforderte, war alles in ganz normalen Bahnen. Und dieser Kerl war wirklich der erste Mensch gewesen, den Sextus getroffen hatte, der das alltägliche Geschäft der Gefälligkeiten nicht zu verstehen schien.
Und so kam er nach Hause, froh, eben wieder dort zu sein, wo er seine Sätze nicht langsam dreimal wiederholen musste, so dass sie ins Bewusstsein seiner Umgebung einsickerten wie Honig auf besonders dummes Brot. Er ging in Richtung der Schlafzimmer, als er Stimmen aus dem Tablinum hörte. Seine Frau und noch eine weibliche Stimme, die er nicht kannte.
Kurz überlegte Sextus, dann änderte er seinen ursprünglichen Plan. Vielleicht gehörte die zweite Stimme ja einem potentiellen Abenteuer. Und Sextus hatte keine Skrupel, auch mit Freundinnen seiner Holden zu schlafen, sofern diese die Kriterien erfüllten: Hübsch, jung, willig, von keinem ihm gefährlich werdenden Stand (und damit unter Nigrinas Stand) und dumm genug, sich darauf einzulassen. Als er dann das Tablinum betrat und die beiden Frauen im Gespräch vorfand, kam er aber nicht umhin, die zweite Frau für ein wenig jung für ein Abenteuer wahrzunehmen. Nicht zu jung, aber doch sehr jung. Und potentiell zu gut gekleidet, um sämtliche zuvor aufgezählten Kriterien zu erfüllen. Und zumindest der des Standes war obligatorisch.
“Guten Tag, meine Damen“ grüßte er beschwingt beim Eintreten. “Ich wusste gar nicht, dass wir heute einen Gast erwarten“, wandte er sich mit seinem vollsten Charme dem Besuch zu, im Wissen, dass Nigrina sie einander vorstellen würde. Immerhin war sie die Hausherrin und Gastgeberin. -
Was speziell diesen Zeitpunkt ungünstiger machen sollte als jeden anderen Zeitpunkt, erschloss sich Sextus nicht so recht. Solange sein Patron keinen effektiven Weg gefunden hatte, den Praefectus Urbi aus dem Weg zu räumen und gleichzeitig seinen Kopf (und noch wichtiger, Sextus' Kopf) auf den dazugehörigen Schultern zu behalten, glaubte Sextus nicht, dass irgendein anderes Jahr wirklich als objektiv günstiger zu betrachten war. Vielleicht allerdings war der Duccier nur zu demselben Schluss wie auch Sextus gekommen, dass es bei den zehn letztjährig von Vescularius einberufenen Vigintivirn wohl nur wenige Quästorenstellen wirklich vakant sein würden, und so ihrer beider Kandidatur im Bezug auf ihr Zweckbündnis als kontraproduktiv einzustufen wäre. Was allerdings kein Grund für Sextus war, deshalb das Feld zu räumen. Es hatte nicht in seiner Verantwortlichkeit gelegen, dass der Duccier sein Tribunat auf zwei Amtszeiten ausgedehnt hatte, warum also sollte es nun in seiner Verantwortlichkeit liegen, es eben jenem durch seinen Rücktritt zu erleichtern, eine Quästur zu erreichen?
“Nur die kleineren Dinge. Gelegenheitsgespräche, Informieren der Gens mit der Bitte um Unterstützung, Werbung im Collegium Haruspicium et cetera. Mein Patron sollte dieser Tage zurück nach Rom kommen, dann kann ich mich bei ihm entsprechend einschleimen und danach den ein oder anderen Consular aufsuchen.“ Das übliche eben. Sextus überlegte einen Augenblick laut. “Vielleicht noch ein öffentliches Opfer an Iuppiter. Bei den Haruspices schulden mir ein paar Leute noch einen Gefallen.“
Dann wandte sich sein Blick wieder an den Duccier, der reichlich albern aussah, wie er sich immer wieder heißes Wasser über den Kopf laufen ließ. Man könnte meinen, es sei noch tiefster Winter, und dabei waren die in der Heimat des Ducciers weitaus härter als hier in italischen Gefilden. “Aber da du schon so fragst und ich nicht annehme, dass du dieses Treffen aus Gründen höflichen Palavers vorgeschlagen hast, kannst du mich auch gleich über deine weiteren Gedanken aufklären. Ich würde ja vorschlagen, dass wir uns einen Teil des Vorstellens bei den verschiedenen Persönlichkeiten der Stadt abnehmen, indem wir gemeinsam vorstellig werden. Unsere Patrone wären da eine gute Wahl.“ Und würden Sextus die Möglichkeit eröffnen, Kontakt zu den Viniciern zu knüpfen, die er bislang noch gar nicht kannte. -
Legatus Legionis Aurelius Ursus
Leg I Trai P F
MantuaSextus Aurelius Lupus consobrino Urso suo s.
Da die Seuche in Mantua abzuklingen scheint, hege ich die Hoffnung, dass dieses Schreiben dich zeitnah erreicht.
Zunächst einmal danke ich dir für die Worte, die uns aus Mantua durch dienen Boten erreichten. Die Ungewissheit und die nur langsam hereinkommenden Nachrichten aus Mantua ließen vor allem die Damen des Hauses bangend zurück. Zu hören, dass du diese Krise wohlbehalten überstanden hast und dies hoffentlich bald für ganz Mantua gilt, sind gute Neuigkeiten.
Ich hingegen habe nicht so gute Neuigkeiten für dich. Die erschreckendste zuerst, und da es keine Worte gibt, das ganze schonend zu sagen, schreibe ich es direkt: Narcissa ist tot.
Nicht nur, dass das Mädchen tot ist und sowohl uns als auch den Vestalinnen fehlen wird, scheint es so, als sei ihre Mutter an diesem Todesfall schuld. Lucretia scheint mir ihre mütterlichen Pflichten schändlichst vernachlässigt zu haben und den Mädchen das Reiten gestattet zu haben, was dann schließlich zum Tod Narcissas geführt hat. Ich habe bereits ihrem Boten, der die Nachricht überbracht hat, klar gemacht, dass er in dieser Angelegenheit zu schweigen hat und dass der Unfall keinesfalls als Reitunfall an die Öffentlichkeit zu gelangen hat. Ich habe hierzu entschieden, dass es für das ohnehin angekratzte Ansehen der Aurelia das vernünftigste ist, es als einen Sturz von einer Leiter zu deklarieren. Vielleicht möchtest du dich hierzu ebenfalls noch an Lucretia wenden und ihr ihre Pflichten als Witwe eines Aureliers in Erinnerung rufen. So tragisch der Verlust auch ist – und da sie meine direkte Cousine war, glaubst du mir sicher, dass mich ihr Verlust nicht mehr hätte treffen können, wenn sie meine Schwester gewesen wäre – dürfen wir überdies nicht vergessen, den angeschlagenen Ruf unserer Familie nicht noch weiter beschädigen zu lassen durch solche Geschichten. Kaum auszumalen, wenn Gerüchte erklängen, aurelische Frauen seien unfruchtbar und würden sich wie gemeine Bauernmädchen mit ihren Tieren vergnügen.Flora ist entsprechend am Boden zerstört und nicht mehr aus ihrem Zimmer zu bekommen. Ich überlasse es den Damen, sie wieder aufzubauen, fehlt mir für diese Art von Gespräch die weibliche Emotionalität. Dennoch mache ich mir Gedanken in Hinblick auf die bevorstehende Hochzeit mit Tiberius Durus. Wenn sie ihre Trauer nicht ablegen will, werden wir diese wohl verschieben müssen. Ich halte dies jedoch für politisch sehr bedenklich, vor allem im Hinblick auf das Alter des Tiberiers. Wenn wir eine stabile politische Verbindung zu den Tiberiern anstreben, sollten ein paar lebendige Nachkommen eben jene sichern.
Ich maße mir nicht an, Avianus nahe zu legen, sich gegebenenfalls eine Tiberia zur Frau auszusuchen. Aber vielleicht möchtest du einmal mit ihm darüber reden? Ihr kennt euch länger und steht euch weit näher, und in meinen Augen wäre es an der Zeit, dass er standesgemäß heiratet. Für einen Mann im Senatorenstand ist es unwürdig, ledig zu sein.Dann zu den weiteren Neuigkeiten aus der Stadt: Bei den Saliern wurde ein Claudier abgelehnt. Doch schreibe ich dir dies nicht nur wegen deiner Mutter, sondern weil ich dich über das wieso ebenfalls aufklären will.
Offensichtlich sitzt der alte Groll der Claudier wegen der geplatzten Hochzeit zwischen Corvinus und Claudia Deandra tiefer, als vermutet. Der Enkel des Claudius Menecrates, der der abgelehnte Bewerber war, meinte direkt, unsere Bildung im Allgemeinen und die in religiösen Belangen im Besonderen öffentlich in Frage zu stellen. Ich habe darauf verzichtet, eine Entschuldigung einzufordern, da ich den Graben zwischen Claudii und Aurelii nicht noch tiefer als nötig ziehen will. Allerdings dachte ich, es sei richtig, dich darüber zu informieren. Letztendlich wurde er von der Hälfte aller Salier abgelehnt, da er noch unter der patria potestas seines Großvaters steht. Offiziell zumindest. Lediglich ein fünftel, vornehmlich Anverwandte der Claudier, stimmten dennoch für ihn. Sollte dies ein neuerlicher politischer Bruch zwischen Claudiern und Aureliern darstellen, möchte ich, dass du informiert bist und gegebenenfalls über weitere Schritte befinden kannst. In diesem Fall vertraue ich auf deine Erfahrung.Zuletzt noch eine hoffentlich erfreuliche Nachricht: Ich habe mich für die Quästur beworben und warte nun darauf, vor den Senat geladen zu werden, um sprechen zu können. Da Vescularius im letzten Wahljahr fünf Quästuren direkt besetzt hat und ebenfalls 10 Vigintivirate, könnte es recht eng werden. Wenn wieder dermaßen viele Quästuren oder gar alle direkt vergeben werden, ist es wohl verlorene Liebesmüh, aber auch unter anderen Umständen dürfte die Konkurrenz aufgrund der letztjährig so ausgefallenen Quästuren groß sein.
Daher muss ich dich bitten, deinen Einfluss bei Freunden der Gens für mich geltend zu machen. Der Praefectus Urbi ist nicht als Freund der Patrizier bekannt, so dass einige Stimmen aus den Reihen der Senatoren nicht schaden können. Du hast mich bei meiner Kandidatur zum Vigintivirat schon so vortrefflich unterstützt, dass ich auch dieses Mal wieder auf deine Hilfe baue.Achja, falls du es nicht weißt: Nigrina erwartet mein erstes Kind. Es wird wohl um den Termin der Amtseinführung der Quästuren herum geboren werden. Bislang ist sie wohlauf, wenngleich etwas unleidlich wegen ihrer gesellschaftlich angekratzten Repräsentationsfähigkeit.
Soweit zu den Nachrichten aus Rom. Mögen die Götter über dich wachen und die Lage in Mantua bald gänzlich beenden.
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Ein wenig später als sein Verwandter kam auch Sextus zur Tür herein. Sein holdes Weib hatte ihn noch etwas aufgehalten – nicht absichtlich natürlich, aber doch. Auch wenn Sextus seiner Gemahlin nicht unterstellen würde, dass jene ihm Schwierigkeiten machen wolle, indem sie dafür sorgte, dass er zu spät kam (selbiges würde ja immerhin seine Stellung diskreditieren und damit ihren Machthunger behindern), so unterstellte er ihr sehr wohl, dass sie es nicht leiden konnte, zum einen nicht eingeladen zu sein, zum zweiten mit ihrem dicken Schwangerenbauch auch nirgends anders eingeladen zu sein, weil sie einfach nach schwangerer Frau aussah und nicht nach römischer Dame, und zum dritten wusste, dass das hier wichtig war, Sextus ihr aber nicht sagte, worum es ging. Und nun gegen Ende ihrer Schwangerschaft war seine Holde etwas empfindlich und er dazu verdammt, so zu tun, als interessiere ihn das.
Und so kam er ein paar Augenblicke nach Avianus, der schon vorgegangen war, und direkt nach Flavius Gracchus zur Villa Tiberia. Außer ihnen vier sah er allerdings noch niemanden – doch wusste er auch nicht, wer überhaupt noch alles kommen würde. Sextus rechnete mit dem Sohn des Tiberius und vielleicht noch dem ein oder anderen von dem Essen vor seiner Wahl zum Vigintivir, aber insgesamt wohl nicht mehr als noch 4 Leute.
“Salve, Patronus. Salve, Flavius. Avianus.“ Während sein Patron bei der Begrüßung die volle Aufmerksamkeit des Aureliers genießen durfte, erhielten der Flavier und vor allem Avianus ein eher kurzes, höfliches Nicken. Letzteren zu grüßen hatte ohnehin etwas befremdliches, sah man sich doch so gut wie jeden Tag.
“Tiberius, ich möchte mich noch einmal herzlich für die Einladung bedanken. Ich denke, uns erwartet wie immer ein denkwürdiger Abend.“ Was beabsichtigt zweideutig war und nicht nur ein Kompliment an den Hausherrn. -
Eine Hand wäscht die andere. Und just nach diesem Motto war Sextus hier vor der Porta der Casa Vinicia, seinen germanischen 'Freund' an der Seite, und möglichst fein herausgeputzt. Er kannte den Vinicier nicht, aber er wollte einen möglichst guten Eindruck bei diesem hinterlassen – auch wenn die Tatsache, dass er Vala ja auch als Klienten hatte, den Erfolgsdruck etwas milderte. Dennoch blieb Vinicius Hungaricus Senator Roms, Consular, ehemaliger Proconsul Hispanias, ehemals LAPP von Germania undundund. Die Liste seiner Posten war länger als Sextus' Arm.
Jetzt war nur zu hoffen, dass der Vinicier auch gerade in Rom residierte. Sextus hatte noch nicht mitbekommen, dass dieser wieder zurückgekehrt wäre. Aber er vertraute dem Duccier einfach, dass dieser wusste, wo sein Patron steckte. -
Auch wenn sein Patron ihn zum Essen eingeladen hatte, hatte Sextus beschlossen, zuvor noch zu dessen Salutatio zu gehen. Und mit dieser Idee war er wahrlich nicht alleine, denn die meisten Klienten von Tiberius Durus hatten wohl nach der langen Absenz ihres Patrons einen ähnlichen Gedankengang. Aber das störte Sextus auch nicht weiter, war dennoch dieser Ort hier und jetzt weitaus geeigneter, um über die kommende Wahl zu sprechen, als es das Essen je sein würde. Vor allem, da er hierbei seine Ressourcen mit seinem Verbündeten zusammenlegen konnte. Zu dem Essen hingegen konnte er den Duccier kaum mitbringen, und selbst wenn das möglich gewesen wäre und sein Patron ihm wegen des Vertrauensbruchs nicht einige gedungene Mörder auf den Hals hetzen würde – und dieser Konjunktiv war zweifelsohne eine unwägbare Größe – hatte Sextus so das dumpfe Gefühl, dass sein Patron wohl weniger seinen Klienten wie noch vor 2 Amtszeiten mit einem Essen unterstützen wollte, sondern viel eher, dass jenes Gastmahl ähnlich verlaufen würde, wie das letzte geendet hatte. Und da wäre es an Tiberius Durus, Sextus' Alliierten über seinen Plan aufzuklären. Sextus war klug genug, um seinen Mund zu halten – jedem gegenüber. Auch seinen vermeintlichen Verbündeten gegenüber. Gerade seinen vermeintlichen Verbündeten gegenüber, von denen einer ein Klient Salinators war.
Jetzt aber stand er erst einmal bereit zur Salutatio, poliert wie aus dem Ei, wie man so schön sagte, und wartete darauf, dass sein Patron Zeit für ihn finden würde. Und damit auch für den Duccier neben ihm, den er vorzustellen gedachte.
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Er kam den ganzen weiten Weg von Massilia, um Kontakt zu seiner Familie zu knüpfen? Sextus blinzelte einen Moment, ohne etwas zu sagen, und sah dann kurz mit undurchschaubarer Miene zu seiner Frau hinüber. Konnte er solche Gefühle nach Anschluss an die Familie verstehen? Nein, nichtmal ansatzweise. Er hatte eine Unzahl von Brüdern und Schwestern, und er vermisste nicht einen davon. Nicht einmal eine Minute lang. Warum auch sollte irgendwer so empfinden? Geschwister waren in gewissem Maße nützlich, sie härteten ab. Sextus würde nicht sagen, dass er keine positiven Erinnerungen an seine Geschwister hatte, aber er war erwachsen und kein Kind mehr. Seine Geschwister hatten ihre Leben, er hatte seines. Ab und an schrieb man sich. Das war's. Sein Blick ruhte kurz auf Nigrinas wachsendem Bauch, wo sein Kind heranwuchs. Auch dem gegenüber hatte keine übereifrigen Empfindungen. Schon gar nicht, wo es noch nicht auf der Welt oder geschweige denn in einem Alter war, in dem es ihm nützlich sein konnte. Konnte er also so einen Wunsch nach Kontakt verstehen? Nicht wirklich.
“Nun, dann hast du einen ungünstigen Zeitpunkt gewählt. Neben mir wohnen nur noch Aurelius Avianus und Aurelia Flora hier. Aurelius Ursus ist in Mantua und kann das Pomerium aufgrund seines Kommandos nicht betreten.“
Prisca ließ Sextus absichtlich weg. Dass Frauen verheiratet wurden, so bald es opportun schien, war selbstverständlich. Da rechnete niemand mit einem längeren Aufenthalt im Haus der Gens. Dass Prisca so lange hier im Haus gelebt hatte und nicht ordentlich nach der ersten Blutung verheiratet worden war, war schon fast schändlich.
“Flora ist verständlicherweise gerade nicht auf Besuch eingestellt.“ Was die freundliche Umschreibung war. Sie hatte sich in ihr Zimmer eingeschlossen und wollte nicht herauskommen. Besorgniserregend für Sextus, immerhin konnte es die Hochzeit mit seinem Patron gefährden. Doch hatte er noch keinen Weg gefunden, mit einer Frau verständlich reden zu können, wenn diese von Gefühlen überwältigt war. Da musste ein anderes weibliches Wesen die Drecksarbeit übernehmen, er war dafür nicht geeignet.
“Sie empfängt derzeit niemanden, ich denke nicht, dass sie für einen ihr unbekannten Halbbruder sich repräsentabel herrichten will. Wenn du es wünscht, kannst du aber morgen zur Saluatatio bei Aurelius Avianus vorbeischauen. Da er Ädil ist, ist die Chance dann am größten, mit ihm sprechen zu können.“
Sextus verstand nichts von den Gefühlen von Anbindung an die Familie, aber das hieß nicht, dass er nicht Auskunft über Avianus geben könnte. Wie jeder, den Sextus nicht kannte, konnte er Scipio auch weiterleiten, so dass Avianus sich mit dem Problem rumschlagen konnte. Und die Frage seines vermutlichen Vetters klang so, als würde er gerne mit weiteren Verwandten sprechen. -
So charmant aufgefordert wie durch die einfache Tabula wurde Sextus selten. Und vermutlich hätte sie jeden anderen auch darauf aufmerksam gemacht, dass gewisse Formen zu wahren waren. Da es sich aber beim Absender der Nachricht um eben jenen handelte, war das wohl relativ nutzlos. Und Sextus hatte die Wahl, sich entweder ineffektiv darüber aufzuregen, wie sein barbarischer Verbündeter ihn behandelte – was ihm außer erhöhtem Blutdruck und vielleicht besonders exzessivem Abreagierens mit einer Sklavin nichts brachte – oder aber er konnte einfach mal hingehen und hören, was der Duccier denn wollte – und es zu seinem Vorteil nutzen. Denn dass es nicht nur ein Treffen war, um zu zeigen, dass man noch nicht tot war, stand außer Frage. Sie waren beide nicht die Typen für diese Art von Zeitverschwendung.
Also kam er zur angegeben Stunde in die Thermen und schritt gemütlich durch die Hallen. Vala hatte bei der Knappheit der Nachricht ein paar Kleinigkeit vergessen, wie beispielsweise der Präzisierung der genaueren Lokalität, denn: die Thermae Aggripinae waren verdammt groß. Und Sextus hatte keine Muße, hier wie ein Köter auf der Suche nach Fressbarem alles durchzustöbern. Herzukommen war eine Sache, sich wie ein braver Gefolgsmann zu ein Bein auszureißen eine andere.
Und so dauerte es eine Weile, bis Sextus den Duccier in einem der warmen Becken entdeckte. Er unterhielt sich gerade mit einem Sklaven und tauchte dann unter. In der Zeit, bis er wieder auftauchte, ging Sextus sehr gemütlich zu dem Becken.
“Wie ich sehe, hat Mantua dich nur ordentlich durchgekaut, aber letztendlich wieder ausgespuckt.“ Kein Grinsen oder Vergleichbares, lediglich eine Feststellung. Sextus setzte sich an den Rand des Caldariums, ohne hineinzugehen. Ihm war jetzt nicht nach Baden, zumindest nicht warm. Wenn er es doch tun sollte, wollte er erst einmal den Grund hören. Wobei er ihn sich fast schon denken konnte. -
Beinahe hätte sich Sextus zu einer weiteren, ärgerlichen Erwiderung herabgelassen, aber er unterließ es. Er hatte schon zu viel gesagt, und ein höhnisch nachgesetztes 'Mir würde schon genügen, wenn du die bislang gestellten Fragen beantwortest' hätte nur Schwäche offenbart. Noch mehr als die jetzige Argumentation, die er im Nachhinein betrachtet ein wenig zu sehr ausgeführt hatte. Allerdings hatte er den Vorzug, für sich selbst die Leidenschaft der Jugend noch in Anspruch nehmen zu können, oder sich zumindest auf selbige herauszureden. Im allgemeinen tendierte er nicht zu extensiven Gefühlsregungen, außer in sehr überschaubaren Momenten.
So aber beherrschte sich Sextus und ließ die anderen Sodalii zu Wort kommen. Dass sein Vetter sich nicht schärfer ausgesprochen hatte, enttäuschte ein wenig. Allerdings lag die Vermutung nahe, dass er zum einen nicht emotionsbetont wirken mochte und zum anderen als Magister der Sodalität eine gewisse Neutralität wahren wollte. Dennoch hätte sich Sextus mehr erhofft, wobei er nicht allzu enttäuscht über ein Ausbleiben solch einer Reaktion war. Ebenso wirkte der Flavier sehr gefasst bei seinen Worten – wobei der Claudier diesen auch nicht erfolglos düpieren wollte – doch mit einem für Sextus durchaus sehr erfreulichen Endergebnis.Ebenso wie eine negative Reaktion blieb nun aber auch die positive Reaktion seiner Gesichtszüge aus, als er die Ablehnung des Flaviers vernahm. Ganz ruhig und gefasst wartete er noch auf ein paar weitere Stimmen, ehe er dann seine Stimme abgab.
“Ich stimme ebenfalls gegen eine Aufnahme aus dem von Flavius genannten Grund.“ Dass es eigentlich die zahllosen anderen Gründe waren, die er bereits angesprochen hatte, war selbstverständlich. Dennoch würde er das nicht so sagen, wenngleich alle Anwesenden sich wohl Vergleichbares dachten. Doch der höfliche Schein wollte gewahrt sein. -
Ad
Senator Manius Tiberius Durus
Casa TiberiaSextus Aurelius Lupus M. Tiberio Duro s.d.,
gerne nehme ich deine Einladung zum Essen an. Es freut mich sehr, zu hören, dass du wohlbehalten aus dem fernen Osten zurückgekehrt bist, und ich bin voller Vorfreude auf das Gespräch mit dir und deinen weiteren Gästen.
Mögen die Götter dich schützen
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Gut, genug gespielt. Sextus hatte genug von diesem aufmüpfigen Welpen. Er hatte ihm jede Chance gegeben, seine Arroganz abzulegen, seinen Fehler einzugestehen und sich wie ein vernünftiger Bewerber zu verhalten. Wenn väterliches Wohlwollen nicht zog, zeigte der Wolf eben doch seine Zähne.
“Nun, Claudius, mir scheint deine Meinung zu verworren, um diese klar zu erkennen, ebenso wie deine Worte nicht klar aussagen, was diese denn nun ist. Du willst die Aurelier nicht beleidigen, unterstellst ihnen aber Unwissen in religiösen Belangen. Du kennst die Vergangenheit von Aurelius Corvinus, und dennoch stellst du auch seine Bildung in Frage. Du bezeichnest die Fragen der Mitglieder dieses Collegiums als unwichtig, erklärst aber nicht, wieso du diese für unwichtig erachtest. Du erlaubst dir Vertraulichkeiten, die nur engen Freunden und Familienangehörigen zustehen würden, und beschwerst dich gleichzeitig über mangelndes Verständnis dir gegenüber.“
Sextus hatte wohl auch ebenso wie alle anderen Mitglieder des Gremiums mitbekommen, wie der selbstgerechte Bursche sich zwar indirekt bei der Gens Aurelia und bei Avianus entschuldigt hatte, Sextus dabei aber ausgespart hatte. Und angesichts der Worte, die der Claudier in seiner Einlassung schon hatte fallen lassen, konnte man dies durchaus als Beleidigung ansehen. Und Sextus sah es auch als nichts anderes an.
“Auch lässt du die Höflichkeit den Mitgliedern dieses Collegs, dem du beizutreten wünscht, gegenüber mehr als nur fehlen. Als Bewerber steht es dir nicht zu, eine Mitgliedschaft zu verlangen. Du erbittest sie.
Nach welchen Gesichtspunkten die Mitglieder dieser Sodalität dir diese gewähren ist keine Diskussionsgrundlage, auf die du Antwort verlangen oder gar aktiv mitgestalten kannst. Die Salier bestimmen ihre Mitglieder durch Kooptation, nicht danach, ob jemand einer möglichst alten Patriziergens entstammt.“Soviel zu den Zähnen, nun zum Zerfleischen der Beute.
“Um dir meinen guten Willen zu zeigen, Claudius: Nein, es ist nicht nötig, einem weiteren Gremium anzugehören. Wie dein Verwandter“ Sextus deutete leicht auf Claudius Iavolenus, der ja – ebenfalls mit seiner Ja-Stimme! - bereits Mitglied war. “...sicher bestätigen kann, ist es auch als Claudier und ohne weitere religiöse Betätigung durchaus möglich, diesem Collegium beizutreten. Allerdings werden charakterliche Integrität und eine Verbundenheit zu Mars durchaus vorausgesetzt.“
Sextus ließ sich nicht dazu herab, auch nur einen Moment die Stimme zu heben, zu funkeln oder sonst ein Zeichen von Unwillen erkennen zu lassen. Beinahe wirkte er gelangweilt, und im Grunde war er das auch. Ignoranten plattzumachen war keine große Herausforderung, jemand mit Witz und Geschick, der seine Meinung vertreten konnte, war da aufwendiger und auch befriedigender.
“Du allerdings sprichst nur davon, was dieses Gremium nicht versteht und wie es dich angeblich beleidigt. Von meiner Position aus unterstützt dich dein Großvater vermutlich – nicht wahrscheinlich, wie du mir zu sagen unterstellt hast. Sich über mangelndes Zuhören zu beschweren und selbst falsch zu zitieren ist ebenfalls ambivalent - , da weder du noch ich nun die Möglichkeit haben, ihn zu fragen. Ein Brief an ihn und wieder zurück würde Wochen in Anspruch nehmen und zu der Frage deiner Aufnahme hier und heute nichts beisteuern können.
Ebenso sprichst du von der Tradition deiner Gens und dem Willen deiner Gens, den Kommandanten deiner Gens... Deine Meinung aber bleibt nach wie vor im schwammigen Halbdunkel. Mir scheint, dass dir persönlich nicht viel an den Salii Palatini liegt, vielmehr nur eine Sodalität gesucht wird, um eben den Traditionen deiner Gens entsprechend untergebracht zu sein.“Sextus seufzte einmal leicht und lehnte sich zurück. “Alles in allem sehe ich also vor mir einen Mann, der die Mitglieder der Salier nicht schätzt, sich von diesen beleidigt fühlt und ihnen im Gegenzug einen Mangel an Bildung in religiösen Belangen unterstellt – oder dies zumindest in Frage stellt und impliziert andeutet. Der allerdings selbst bis auf den Verweis auf seinen Großvater und seine Zukunftspläne nicht das geringste vorweisen will, was seine Befähigung für die Mitgliedschaft glaubwürdig fördern könnte. Der sich den Werten und Traditionen seiner Gens durchaus bewusst ist und dies auch schätzt, allerdings selbst nicht das Engagement verspürt, Mars von sich aus dienen zu wollen. Der nicht gewillt ist, um Aufnahme zu bitten, sondern diese durch Stand und Herkunft als sein natürliches Recht ansieht, um das er sich nicht weiter bemühen muss. Der anstelle von Höflichkeit in der Rede nur selbstverständlichen Hochmut gezeigt hat und die Fragen der Mitglieder des Collegiums als unwichtig betitelt hat.“
Es folgte eine kleine, dramaturgische Pause.
“Alles in allem frage ich mich, wie ein weiteres Zusammensein in diesem Collegium unter solchen Gesichtspunkten funktionieren sollte. Und ob dein Platz nicht geeigneter bei den Salli Collini zu suchen wäre.“ Die nahmen immerhin ohne Rückfragen allein unter dem Gesichtspunktes des Standes auf. -
Da war aber einer empfindlich und leicht aus dem Konzept zu bekommen. Sextus hatte lediglich 2 Fragen gestellt, auch noch sehr spezifische und sachbezogene, und der Claudius echauffierte sich. Und anstatt die Fragen einfach zu beantworten, ging er dazu über, die Aurelier zu beleidigen. Wenn dieser Junge immer so vorzugehen pflegte, dürfte eine politische Laufbahn interessant sein. Was würde er wohl machen, wenn der Präfectus Urbi ihn in seiner Rede vor dem Senat befragen würde, und zwar in einer deutlich schärferen Art und Weise, als Sextus das jetzt tat?
Mit einem leichten und wohlplatzierten Schmunzeln wandte sich Sextus wieder an den jungen Kerl, der scheinbar keine Manieren hatte, und in geradezu beißend freundlichem Tonfall stellte er mal ein paar Dinge klar.
“Ich denke nicht, werter Claudius, dass wir beide so privat miteinander sind, dass die reine Benutzung meines Cognomens angemessen wäre. Erst recht nicht in diesem Gremium und schon gar nicht , während du dich bewirbst. Am Ende denken noch die anderen, hier würde Vetternwirtschaft betrieben, weil sie eine freundschaftliche Verbindung aus dieser Vertraulichkeit ableiten.“
Soviel einmal zum Thema Höflichkeit. Denn auch wenn der Claudier die Regeln der Konversation grob missachtete, Sextus kannte sie sehr wohl. Und fast schon wie einer seiner alten Lehrer fuhr er fort, zu reden.
“Desweiteren ist es taktisch äußerst unklug, die Gens beleidigen zu wollen, deren werter Vertreter Aurelius Avianus hier den Vorsitz führt, meinst du nicht? Um dich vielleicht über einige Dinge in Kenntnis zu setzen. Der verstorbene Aurelius Corvinus, der ebenfalls ehrenvolles Mitglied in dieser Sodalität war, war Pontifex. Aurelius Orestes war Augur. Ich persönlich bin Haruspex.
Auch der werte Flavius hier ist Pontifex. So wie einige weitere Mitglieder hier in dieser Sodalität Posten in unseren Kulten und religiösen Gremien wahrnehmen.
Und soweit ich weiß ist eine deiner Verwandten Vestalin. Ich hatte die Freude, Claudia Romana während meiner Tätigkeit als Vigintivir kennenzulernen. Ich unterstelle den Claudiern mitnichten, dass sie ihre Gensmitglieder nicht lehren, wie man opfert und welche Pflichten ein jeder römischer Bürger, ob nun Plebejer oder Patrizier, den Göttern gegenüber hat, um die pax deorum zu erhalten.“
So langsam kam sich Sextus wirklich vor, wie ein Lehrer. Müsste er nicht auf seine Worte hier achten – immerhin wollte er seine Kollegen noch dafür gewinnen, bei der kommenden Wahl ihre Unterstützung zu gewähren und ihren Einfluss für ihn geltend zu machen – er hätte den Claudius nur zu gerne verbal in den Boden gestampft. Vor allem, da dieser ihm so viel Gelegenheit dazu bot. So aber musste er wohl den Hauslehrer spielen und dem Burschen hier die Regeln der Rhetorik näherbringen, vor allem jene der gezielten Emotion. In seinem Fall empfand Sextus übertriebene Wut als Zeichen von Schwäche.
“Doch sind die Salier ein Kultverein des Mars, den du bislang noch mit keinem Wort auch nur erwähnt hast. Alles, was du gesagt hast, war, dass dein Großvater dich vermutlich unterstützt und du Consul werden willst. Dies aber hat nicht das geringste damit zu tun, warum du denkst, dass du dafür geeignet bist, Marspiter zu dienen, warum du für ihn tanzen willst und nicht lieber mit den Arvalbrüdern singen willst oder ähnliches. Und das ist sehr wohl von Wichtigkeit für diese Sodalität. Wobei du mich natürlich gern belehren magst, weshalb das unwichtig sein sollte und mich darüber hinaus aufklären darfst, welche Frage ich dir sonst hätte stellen sollen.“ -
Es war immer wieder interessant, wie Leute aus Fragen gleich ein Misstrauen ihnen gegenüber zu erschließen schienen. Und mit welchen Mitteln sie dachten, dieses auszuräumen. Dass sein Großvater den Burschen protegiert hatte, verstand sich indes von selbst und war kein Zeichen von Einverständnis für diese Sache hier und heute. Und Sextus dankte dem Flavier für seinen Einwand, ob Menecrates denn das Collegium verlassen wollte. Es war nicht üblich, wenn mehrere Generationen einer Familie im selben Collegium vertreten waren. Es hatte den unguten Beigeschmack der Vetternwirtschaft.
Sextus also lehnte sich nur bequemer zurück und dachte sich seinen Teil zu den Worten des Claudiers. “Und wie sieht es bei dir mit den römischen Kulten aus? Weißt du, was deine Verpflichtungen als Salier wären? Du hast zwar von deiner erträumten politischen Karriere gesprochen und woher du kommst, doch kein Wort über die Götter verloren.“ Immerhin waren die Salier ja kein Tanzverein für gelangweilte Patrizier, sondern eine wichtige Sozietät der römischen Religion. -
Sofern Sextus unterstellen würde, in dem Mann den vor sich zu haben, den dieser vorgab zu sein, hätte er wohl auch gesagt, dass diesem die Nachricht vom Tod des Bruders nahe ging. Natürlich bemerkte er den Schluck und das unsichere Huschen in den Augen, auch wenn sich sein Gegenüber den Göttern sei dank nicht zu größeren emotionalen Devotionen hinreißen ließ. Allerdings war das für Sextus kein Beweis einer tatsächlichen Verwandtschaft oder ähnliches. Nicht jedes Lächeln war ein Ausdruck von Freude, nicht jede Träne ein Ausdruck der Trauer. Manchmal war ein Lächeln einfach nur ein Lächeln, eine Träne einfach nur eine Träne, und ein Griff nach dem Wein einfach nur ein Griff nach dem Wein. Interpretationen solcherlei Dinge sollte man nur dann vornehmen, wenn man sein Gegenüber einzuschätzen gelernt hatte. Und so weit war Sextus noch nicht.
Der Grund der Anwesenheit des Mannes hier in diesem Haus erschloss sich Sextus indes auch nach der Erklärung nicht. Er war also in Roma, um ein paar Geschäftspartner für seinen Weinhandel aufzutun. In der Villa Aurelia würde er wohl kaum solche finden. Natürlich induzierte die Art und Weise der Antwort, dass sein Gegenüber Geld haben wollte. Wenn er aber darauf pokerte, dass Sextus ihm solches anbieten würde, dann kannte er seinen Verwandten schlecht. Selbst seinen eigenen Geschwistern hätte Sextus nur dann Geld gegeben, wenn diese eine für ihn vorteilhafte Begründung dafür geben konnten. Und Scipio hier stand ihm nicht einmal annähernd nahe genug, um das dafür nötige Vertrauen zu haben. Und Sextus glaubte auch nicht, dass dieser hier war, um einen Vertrag über eine Geldleihe mit ihm zu machen.
“Nun, dann wünsche ich dir bei deinen Geschäften viel Erfolg.“ Was sollte Sextus sonst sagen? Er brauchte keinen Wein, zumindest nicht in größeren Mengen und regelmäßigen Abständen. “Ich würde dir vorschlagen, du versuchst es in ein paar Tavernen. Auch wenn diese meist ihren Wein selbst zusammenpanschen. Doch vermutlich kennst du die potentiellen Abnehmer deiner Waren besser als ich, so dass mein Rat hier nur bedingt von Vorteil ist.“ -
Noch ein Claudier. Ein Umstand, der Sextus schon prinzipiell nachdenklich stimmte. Ja, er war der dritte Aurelier, der bei den Salii Palatini aufgenommen worden war, womit diese in diesem Gremium ein nicht unerhebliches Gewicht hatten. Aber dieser Claudier wäre nun ebenfalls der dritte seiner Gens, noch dazu der Enkel eines bereits bestehenden Mitgliedes. Das zugegebenermaßen ebenso außerhalb von Rom weilte wie Ursus, der die aurelische Übermacht in diesem Gremium sichergestellt hätte. Dennoch war ein weiterer Claudier etwas, dem Sextus prinzipiell abgeneigt gegenüberstand. Mach kumulierte man, man teilte sie nicht auf.
So hörte er sich skeptisch an, was der Mann zu berichten hatte, und konnte nicht umhin, innerlich zu schmunzeln. Die herausragenden und großartigen Spiele, die die Acta als mittelmäßig und langweilig beschrieben hatte, und die bei seiner Frau solche Langeweile hervorgerufen hatten, dass sie diese großartigen und herausragenden Spiele gleich nach dem zweiten Kampf verlassen hatte. Bei denen kein einziger namhafter Gladiator gekämpft hatte. Ja, wahrlich ein Glück, zu diesen wieder in Rom zu sein.Sextus betrachtete den Jungen, der vorgab, Consul werden zu wollen, den er aber bislang nicht in irgendeiner Weise öffentlich hatte auftreten sehen. Aber der neue Wahltermin war ja nun angesetzt, vielleicht änderte sich das ja.
Allerdings war das hier keine Wahlveranstaltung – wobei Sextus ohnehin nicht um die Frage herum kam, für wen der junge Mann Wahlwerbung machte: Für sich oder seinen formidablen Großvater – sondern ein ersuchen um Aufnahme bei den Saliern. Und da waren andere Dinge wichtig.
“Da dein Großvater nicht nur am Leben, sondern auch Mitglied dieses Collegiums ist, erlaube mir die Frage, was er über deine Pläne denkt. Leider ist er ja nicht selbst zugegen, um das kundzutun. Und darüber hinaus möchte ich die Frage stellen, ob du denn diesen schritt hier selbst zu gehen berechtigt bist.“ Wenn der Großvater noch lebte – vom Vater wusste Sextus nicht, von diesem Claudier hatte er noch nichts gehört – bestand die nicht geringe Möglichkeit, dass der Mann hier nicht sui iuris war. Was schonmal ein erstes Hindernis sein könnte. -
Um nicht am Ende den Termin für die Wahl zu verpassen, ließ Sextus wenige Tage nach der Bekanntgabe des neuen Wahltermines einen seiner Sklaven einen Brief zum Haus des amtierenden Consuls bringen.
Ad
Consul Marcus Vetilius Trigeminus
Casa Vetilia
Roma, Provincia ItaliaSextus Aurelius Lupus M. Vetilio Trigemino s.d.,
da du sicherlich vor der Wahl viel zu tun hast, möchte ich dich nicht nicht von deinen wichtigen Terminen abhalten und deine Zeit mehr als nötig beanspruchen, daher wählte ich den Weg des Briefes.
Ich, Sextus Aurelius Lupus, Sohn des Numerius Aurelius Fulvus, Enkel des Claudius Aurelius Crassus gebe also hiermit meine Kandidatur zum Quästor bekannt. Das Amt des Quästor Urbanus würde ich bevorzugt anstreben, doch werde ich jedes Amt, das der Senat für mich beschließen könnte, mit Freuden annehmen. Ich bitte, in dieser Angelegenheit zur rechten Zeit vor den Senat treten zu dürfen, um mein Anliegen in Person vorbringen zu können.Mögen die Götter dich stets beschützen!
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Es war nicht so, als hätte Sextus zu wenig zu tun. Aber im Hinblick auf seine weitere politische Karriere war es wohl unerlässlich, dass er sich in der einen oder anderen Hinsicht noch weiterbildete. Da waren Kurse an der Schola ein adäquates Mittel, den eigenen Wissensstand den anderen kenntlich zu machen, sahen sie doch im Lebenslauf meistens ganz gut aus. Vor allem, sollten sie mit einer Auszeichnung verbunden sein, welche wohl das Ziel jedweder Anstrengung war.
Und so schrieb er sich für den Kurs Rebus Mercatoris - Wirtschaft ein. Für den Anfang wohl nicht das schlechteste.Sim-Off: Geld kommt sofort
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Warum man so eine Sitzung nicht gemütlich am Nachmittag abhalten konnte, sondern am frühen Morgen, erschloss sich Sextus nicht so ganz. Er hatte sicherlich kein Problem damit, früh aufzustehen, allerdings hätte er den Morgen üblicherweise lieber anderweitig genutzt. Bei der Salutatio seines Patrons beispielsweise. Zumindest war dies generell eine vorzuziehende Möglichkeit der Morgengestaltung, weilte sein Patron doch dieser Wochen in Syria. Dieser Tage also um eine adäquate Ausweichmöglichkeit verlegen, war dieser Termin dennoch prinzipiell etwas ungeschickt terminiert seiner Meinung nach. Jedoch fragte nach dieser wohl niemand.
Und so saß Sextus schon in der Curia der Salii Palatinorum, als Avianus den Probanten begrüßte. Sextus schenkte beiden nur ein leichtes Nicken und wartete, was dieser Neuling wohl zu erzählen hatte. Neuerdings hatten sie wohl mehr Zulauf, schien es ihm, gab es doch immer wieder eine Sitzung. Vielleicht war es an der Zeit, auch mal die Pflichten des Collegiums wahrzunehmen und den – in Sextus Augen albernen – Kriegstanz aufzuführen oder zumindest zu proben. Doch heute bestand seine Pflicht nur darin, hier zu sitzen und sich anzuhören, was der Neuling denn vorzubringen hatte.
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Ach, in Massilia. Natürlich, wo auch sonst? Das war eine Schiffsreise von etwa 3 Tagen, plus 3 Tage zurück, plus ein Tag Aufenthalt dort, um die Dokumente zu suchen, plus jeweils ein Tag nach Ostia, einschiffen, oder von Bord gehen und nach Rom reisen. Alles in allem also eine satte Woche Zeit, sich einen Fälscher zu beschaffen und sich so ein Dokument herstellen zu lassen. Eins musste man dem Mann lassen, wenn er Betrüger war, beging er keinen Anfängerfehler, der ihn in Zeitnot bringen würde. Und auf der anderen Seite fiel er auch nicht durch Übereifer und besonderen Aktionismus auf, so dass man da misstrauisch werden könnte. Einzig sein steter blick gefiel Sextus nicht, schien er doch stetig prüfen zu wollen, ab welchem Zeitpunkt er ihm nicht mehr glaube.
Doch Sextus machte es seinem Gegenüber schwer, in ihm zu lesen. Seine Gedankengänge waren schließlich innerhalb seines Kopfes und dort sicher verwahrt, und weder durch Mimik noch Gestik zu lesen. Er saß gemütlich da, fast entspannt, und blieb so nonchalant wie eh und je. Es gab noch keinen Grund, sein Gegenüber mit offenkundig gezeigtem Misstrauen in Grund und Boden zu stampfen, zumal die winzige Möglichkeit bestand, dass dieser Kerl wirklich Sextus' Cousin war.“Nun, seit einem halben Jahr gleichbleibend. Er ist gestorben.“ Sextus sagte das weder humorvoll noch gehässig, es war lediglich eine kleine Feststellung, und allenfalls Nigrina konnte daraus wohl den beißenden Humor erkennen, dessen Sextus sich manchmal bediente, wenn er sich überlegen fühlte und eine Situation als unbereichernd empfand.
Bevor Scipio nun reagieren konnte, änderte Sextus ein wenig seine Haltung und kam seinem Gegenüber etwas entgegen. “Da es wohl nicht der Tod deiner Geschwister ist, der dich nach Rom treibt, erlaube mir die Frage, wie wir zu diesem Vergnügen kommen?“ Er hatte nichts übrig für ausgetauschte Höflichkeiten, die ihm weder kurz- noch langfristig etwas einbrachten. Da wollte er nun lieber wissen, was sein Vielleicht-Verwandter nun eigentlich wollte. Effizienz war etwas, das Sextus weitaus mehr schätzte als so etwas Ungreifbares wie Emotionalität.