Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    Da musste Sextus doch ein wenig schmunzeln, und es war nicht gänzlich nur berechnend, um sich ein wenig menschlich zu präsentieren. “Es stimmt, dass die meisten in ihren Studien andere Wissenschaften vertiefen als Astronomie und Mathematik. Allerdings habe ich noch niemanden getroffen, der sich lieber über die Berechnungen von konzentrischen Kreisbahnen unterhalten hätte, als über das Geschehen im Senat oder auch philosophische Ansätze, was der rechte Weg ist, zu leben. Und Gespräche über Mathematik sind auch meistens nicht so humorvoll.“
    Das würde wohl durch sämtliche Jahrhunderte gleich bleiben. Man brauchte wohl einen sehr schrägen Humor, um Mathematikerwitze lustig zu finden. Und die meisten Personen, die mit dieser Art von Humor nichts anfangen konnten, fanden Personen, die damit etwas anfangen konnten, eher seltsam als sympathisch.
    “Allerdings wäre es sicher einmal eine interessante Abwechslung zu den üblichen Gesprächen.“


    Sim-Off:

    Für die Nerds unter uns: Eine Pizza mit dem Radius z und der Dicke a hat das Volumen pi*z*z*a :D

    Man musste wohl zwangsläufig fließend griechisch sprechen, wenn man in Alexandria auch nur irgend etwas lernen wollte. Und in Athen tat man sich ebenfalls erheblich leichter. Man musste schließlich wissen, wann man sein Gegenüber anlächeln sollte und wann ihm eine reinhauen. Aber wie bei allen Dingen war es auch mit dem griechischen so, dass er das als Kind spielend nebenbei gelernt hatte, während andere Dinge weitaus schwieriger waren. “Attisch und Koine, ja. Auch wenn in letzter Zeit die Übung fehlt.“
    Die Frage nach seinen Studien indes war da schon weitläufiger. Sextus hätte nicht angenommen, dass das etwas war, das den Consular interessierte. Und er war sich im Moment auch nicht sicher, ob er ihm das nicht schon bei dem ersten Gespräch, als es um die Unterstützung bezüglich des Vigintivirates ging, alles erzählt hatte. Aber Sextus war auch nicht so vermessen, zu glauben, dass der Senator sich das gemerkt hatte. So wichtig und interessant war Sextus noch nicht, als dass man seinen genauen Werdegang hätte kennen müssen. Aber das würde wohl noch kommen. Zumindest arbeitete der Aurelier daran.
    “Hauptsächlich Astronomie und Mathematik, insbesondere die Werke des Euklid. Für Philosophie war nur recht wenig Zeit, so dass ich mich Plato und Aristoteles oder anderen nicht allzu ausführlich gewidmet habe, oder nur im Bereich der Mathematik. Die Pythagoräer sind in Alexandria ja recht zahlreich vertreten. Und im Bereich der Mathematik und Astronomie ist die Forschung dort sehr reichhaltig und aufschlussreich.“ Was eine stattliche Untertreibung war. Nirgends auf der Welt gab es mehr Schriften über diese Themen, und es war auch nicht sehr verwunderlich, dass sehr viele Erfindungen im Museion gemacht wurden. Nicht umsonst würden Euklids „Elemente“ für Jahrhunderte das Wissen um Mathematik und Astronomie für Jahrhunderte bestimmen. Was Sextus nicht wusste (was ihn aber wenig gewundert hätte), dass der in ein paar Jahrzehnten in Alexandria entstehende Almagest von Claudius Ptolemäus für anderthalb JahrTAUSENDE das Standardnachschlagewerk für jedwede Astronomie sein würde.
    “Die Studien waren hauptsächlich aus Gründen für meine Prüfungen zum Haruspex später und weniger politischer Natur“, setzte er noch erklärend hinzu, da ja nicht unbedingt jeder junge Mann sich der Astronomie verschrieb. Wer aber die Gesetze von Raum und Zeit lernen sollte, kam um dieses Thema nicht herum.

    'Weil ich so ein netter Kerl bin und ganz lieb Bitte gesagt habe' zählte vermutlich nicht als Argument. Abgesehen davon, dass Sextus nicht Bitte gesagt hatte. Oder unter die engere Definition von 'netter Kerl' fiel. Oder er selbst so einen Schmarrn als Argument hätte gelten lassen.
    “Abgesehen von der Bekanntschaft mit deinem Klienten Duccius sprechen mein bisheriger Werdegang und mein Name hoffentlich für mich. Wie du bereits festgestellt hast, war ich vor zwei Amtszeiten Vigintivir. Um genauer zu sein bekleidete ich das Amt eines Decemvir litibus iucandis. Desweiteren bin ich Salier und habe einen Platz im Collegium Haruspicium.“ Vor allem letzteres konnte, musste aber nicht für den Vinicier interessant sein. Sofern man ein öffentliches Opfer publikumswirksam begehen wollte, war es sehr nützlich, den die Leberschau durchführenden Haruspex gut genug zu kennen, um zu wissen, was dieser verkünden würde. Allerdings sah der Vinicier nun nicht unbedingt so aus, als müsse er irgendetwas wichtiges dem Pöbel möglichst eindrucksvoll vorführen.
    “Mein verstorbener Verwandter Marcus Corvinus, der ebenfalls dein Klient war, sprach stets voller Achtung von dir und deiner Unterstützung. Auch stehst du bei meinem Patron Tiberius Durus in hohen Ehren. Eingedenk dieser Freundschaften hatte ich gehofft, dass du mir diesen Gefallen erweisen könntest, auf dass ich ihn zu gegebener Zeit erwidern kann.“ Schließlich wusch eine Hand die andere.

    “Das ist eine Sache der Definition. Mein Vater wanderte nach Achaia aus, als ich noch klein war. Die meiste Zeit meines Lebens war ich in Athen, dann später für meine Studien in Alexandria. Abgesehen von einem kürzeren Aufenthalt bezüglich der Prüfungen als Haruspex kam ich erst vor etwas mehr als zwei Jahren nach Rom. So gesehen war ich wohl eher kaum in Rom. Allerdings hatte ich bislang keine Ämter in den Provinzen inne.“ Vielleicht war damit die Frage des Purgitiers hinreichend beantwortet.

    Sextus hatte gewusst, dass so eine Geburt laut war und lange dauerte. Aber hätte sich sein holdes Weib nicht entschließen können, den Vorgang des Gebärens auf die Tagesstunden zu verschieben, vorzugsweise diejenigen, in denen er nicht im Haus, sondern auswärts war? Die Villa Aurelia war zwar groß, aber dermaßen groß, als dass man von dem Stöhnen, Keuchen und Schreien von Nigrina nichts mitbekam, dann doch nicht. Schon gar nicht während der Nachtstunden, in denen die ganze Nachbarschaft ruhig war – denn man wohnte glücklicherweise so, dass nicht zig Fuhrwerke des Nachts vorbeirumpelten aufgrund des Tagfahrverbotes.
    Kurzum, Sextus hätte es bevorzugt, in dieser Nacht ruhig schlafen zu können, um am nächsten Tag seinen Wahlkampf noch ein wenig voran zu treiben. Doch konnte er wohl kaum zu der Kreißenden gehen und dort alle Beteiligten bitten, etwas ruhiger zu sein. Und irgendwo ganz weit hinten in seinem Bewusstsein, wo bei anderen Menschen ein Gewissen saß, machte er sich ein klein wenig Sorgen um Nigrina. Aus rein praktischen Gründen, natürlich, wenn sie kurz vor der Wahl starb, würde die Senatorenschaft das noch als schlechtes Zeichen deuten und ihn ablehnen, weil die Aurelier offensichtlich verflucht waren oder etwas vergleichbares. Ganz abgesehen von der mühseligen Suche nach einer adäquaten Nachfolgerin. Sextus hatte nicht vor, unverheiratet in den Senatorenstand zu treten.
    So aber hatte er sich dann nur irgendwann in Wachs getränkte Wolle bringen lassen und sich etwas davon in die Ohren gestopft, um endlich schlafen zu können. Am nächsten Morgen war er zwar dennoch deutlich durchnächtigt, aber bei weitem nicht so schlimm, wie es hätte sein müssen. Und ein Wunder war geschehen, es schien auch überstanden zu sein. Zumindest hörte er momentan kein kreischendes Schreien mehr, sondern nur Ruhe. Beinahe gespenstische Ruhe. Er ließ sich von einem Sklaven beim Ankleiden helfen und versuchte beim Gang zum Frühstück in den Gesichtern der Sklaven, die ihm entgegenkamen, zu lesen. Doch nichts, sie wichen seinem Blick zwar wie üblich aus, aber nicht auf die beschämend-wissende Art, die ihn wirklich besorgt hätte werden lassen.
    Irgendwann – er hatte ein wenig Brot gegessen – kam der große Bursche, den seine Frau zum Gladiator ausbilden ließ. Er könne nun das Cubiculum seiner Frau betreten, wenn er es wünsche. Höflich. Freundlich. Sextus blickte ihn statt einer Antwort nur einmal taxierend an und ging, ohne ein Wort zu sagen, an ihm vorbei. Er mochte den Burschen nicht besonders, fand aber keinen Grund, das Spielzeug seiner Frau kaputt zu machen.


    Die Tür zu Nigrinas Räumlichkeiten schien ihm seltsam ins Bewusstsein zu springen. Er hatte sich nie die Zeit genommen, das Ding zu betrachten, bemerkte aber jetzt, wo er sie öffnen wollte, die feine Maserung, die dunklen Flecken, wo Astlöcher waren, wie glatt sie abgeschliffen worden war. Seltsam, dass sein verstand sich auf solch eine Nichtigkeit für einen Moment lenkte, anstatt dass er einfach hindurch ging. Er schüttelte den lästigen gedanken beiseite und trat durch die Tür.


    Drinnen stank es. Das war das erste, was ihm auffiel. Man hatte zwar gelüftet und diese lächerlichen, kleinen Schüsseln mit Blütenblättern aufgestellt, aber man musste schon die Nase eines Gerbers haben, um den penetrant süßlichen Geruch von Blut nicht zu bemerken, der trotz allem in der Luft hing. Blut und etwas, das Sextus nicht kannte. Was er auch gar nicht kennen wollte, geschweige denn identifizieren.
    Das zweite, was ihm auffiel, war seine Frau. Sie sah aus wie ein Gespenst. Seine Amme hatte ihm als Kind Geschichten erzählt, um ihn zu erschrecken, wenn er nicht artig war. Von Manen und Lemuren, die die Lebenden heimsuchten oder warnten. Die waren auch allesamt blutleere Gestalten mit glasigem Blick, so wie seine Frau jetzt. Sie sah irgendwie fiebrig aus. Und ihr Bauch war zwar nicht mehr so prall und rund, sah dafür irgendwie verbeult aus. Mussten Frauen nach einer Geburt so unvorteilhaft aussehen?
    Die Hebamme sah wohl seinen leicht skeptischen Blick, und klärte ihn über ein paar Dinge auf. Er hatte sie nicht gefragt, und eigentlich interessierte es ihn auch nicht weiter, aber das Weib redete, und er war einen Moment zu langsam, als dass er sie stoppen konnte. Nigrina habe viel Blut verloren. Schwierige Geburt. Schmale Hüften. Anstrengend. Blablabla. Das Kind ein Junge. “Das einzige, Weib, das mich interessiert, ist, ob meine Frau überlebt.“
    Sextus fixierte die Hebamme, starrte sie regelrecht nieder. Er erhielt als Antwort nur ein recht unbefriedigendes Schulternzucken und einen blick, der nach ihm eine ganze Zeit lang stand hielt, ehe er beiseite ging. Sextus schnaubte.
    Sie hatte ihm das Kind gleich aufschwatzen wollen, aber er schickte sie einfach mit einer Handbewegung weg. Er trat neben die Wiege, in der sein Sohn lag. Eine dünne, aber weiche Decke war über ihn gelegt, und er schlief. Sextus zog die Decke soweit beiseite, dass er Sicherheit über das Geschlecht haben konnte, und winkte dann eine Sklavin herbei, dass diese das Kind wieder richtig einpackte. Es hieß immer, kleine Kinder hätten Ähnlichkeit mit ihrem Vater, um diesem zu zeigen, dass sie sein Fleisch und Blut waren. Wenn dem so war, hatte seine Frau zur Zeit der Zeugung dieses Kindes eine heftige Affäre mit einer Backpflaume gehabt. Er nahm das Kind nicht jetzt auf. Natürlich erkannte er es an, natürlich hatte seine Frau nicht wirklich eine Affäre mit einem Stück Trockenobst oder sonstwem gehabt. Er würde das Kind aufnehmen an dem Tag, wenn es seinen Namen bekommen würde, ganz offiziell und vor dem gesamten Haus. Aber erst einmal sollte dieses kleine Leben beweisen, dass es diese Mühe wert war, indem es diese Tage überlebte.


    Sextus hingegen trat ans Bett seiner Frau, setzte sich schweigend an den Rand. Er beobachtete sie, wie sie ihn beobachtete aus müden, glasigen Augen. Vorsichtig ergriff er ihre Hand und erwartete schon, hindurch zu fassen. Aber sie war da, und er patschte zweimal sanft mit seiner Hand darauf, ehe er sie wieder weg nahm. “Ein hübscher Junge“, log er glattzüngig, um seiner Frau anzuzeigen, dass er mit dem Ergebnis zufrieden war.

    Sextus hatte sich darin geübt, es der Inneneinrichtung gleichzutun, während er dem Gespräch zwischen Klient und Patron aufmerksam lauschte: Still sein und gut aussehen. Solange er nicht an der Reihe war, wollte er nicht dadurch auffallen, dass er herumhampelte oder ungefragt seine Meinung zum Besten gab. Die paar Augenblicke hatte er nach der restlichen Warterei nun auch noch Zeit, und so lauschte er einfach aufmerksam und wartete darauf, an die Reihe zu kommen.
    Als der blick des Viniciers auf ihm zu ruhen kam, war dieser Zeitpunkt scheinbar gekommen, auch wenn sein Gegenüber nichts gesagt hatte. Lediglich hatte er einen kurzen Kommentar zur Erklärung seines Klienten abgegeben, dass dieser kandidieren wolle.
    “Salve, Consular Vinicius. Wie dein Klient schon richtig gesagt hat ist mein Name Sextus Aurelius Lupus, Sohn von Numerius Aurelius Fulvus.“ Über den kleinen Schnitzer mit dem Namen seines Vaters ging Sextus einfach hinweg, indem er ihn richtig stellte. “Zunächst einmal möchte ich dir danken, dass du mich empfängst. Leider hatte ich bislang noch nicht die Gelegenheit, mit dir zu sprechen.“ Zwar hatte Sextus ihn sowie seine Gemahlin zu Sponsalia und Hochzeit damals geladen, allerdings war der gute Vinicier zu dieser Zeit LAPP von Germania gewesen, und es hatte niemand ernstlich damit gerechnet, dass er kommen könnte. Allerdings wollte man ja höflich sein und hatte dennoch geladen. Nur dass Sextus jetzt nicht so plump sein wollte, dem Vinicier das in Erinnerung zu rufen. So etwas klang immer etwas verzweifelt, und von Resignation war Sextus weit entfernt.
    “So wollte ich diese Gelegenheit gleich zweifach nutzen, um diesen Zustand zu ändern und um dich in aller Bescheidenheit um Unterstützung bei meiner Kandidatur zum Quästor zu bitten.“

    Über die Provinzen hatte Sextus sich natürlich auch Gedanken gemacht. Prinzipiell war gegen diese nichts einzuwenden, aber sie waren eben nicht Rom. All die feinen Gefüge, die er als Haruspex aufgebaut hatte, würden ein Jahr lang brach liegen. Sicherlich ein verschmerzbarer Preis für seinen politischen Aufstieg, aber eben auch einer, den man vermeiden konnte.
    “Wenn der Senat beschließen sollte, dass meine Fähigkeiten in den Provinzen von größerem Nutzen wären, würde ich mich dem selbstverständlich nicht entziehen. Allerdings habe ich keine militärische Erfahrung, welche in den Provinzen ja meist doch gefragt und wohl auch benötigt ist. Das und mein Amt als Haruspex erscheinen mir als gute Gründe, ein Amt in Rom oder zumindest in Italia anzustreben.“

    Und wieder war es der Präfectus Urbi höchstselbst, der Sextus eine scheinbare Falle stellte. Doch schon wie beim letzten Mal hatte der Aurelier nicht vor, sich davon aus dem Konzept bringen zu lassen, im Gegenteil.
    “Natürlich nicht, immerhin sind die meisten Händler ohnehin ohne nennenswerten Landbesitz. Und doch besuchen jeden Tag eine Vielzahl von ihnen unsere Stadt. Auf den Straßen Italias transportieren ihre Maultiere und Fuhrwerke die Schätze aus Syria, Arabaia, Aegyptus, von Norden her bringen sie uns die feinen Glaswaren aus Germania, übers Meer kommen die Eisenwaren aus Iberia, die dann von Ostia hierher transportiert werden, um auf den Märkten Roms angeboten zu werden. Die meisten Überfälle auf Reisende sind solche gegen diese Karawanen von Gütern, die uns zu unserem Wohlstand gereichen.
    Daher sehe ich sehr wohl einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Belangen und denen des Reiseverkehrs. Es gibt wenig andere Gründe nicht-militärischer Art, seinen Heimatort zu verlassen. Von daher kann Wissen über diese Vorgänge in ihrer Gesamtheit, abseits des rein mechanischen Ablaufs des Reisens, nur zu größerem Verständnis und damit zu besserer Problemlösung führen.


    Aber natürlich bin ich auch gerne bereit, mein Wissen auch in einer anderen Quästur zur Verfügung zu stellen, wenn der Senat meint, dass dem Imperium dadurch mehr gedient wäre. Ich bin mir sicher, dass die ehrenwerten Senatoren weit mehr Erfahrung in solchen Belangen besitzen als ich.“
    Auch wenn seine Worte Bescheidenheit implizierten, hatte seine Haltung und seine Stimme nichts davon. Er war der festen Überzeugung, dass seine Argumente richtig waren, und so sah er keinen Grund, sich da kleiner zu machen, als er war. Nur natürlich konnte er das nicht sagen. Er wollte ja immerhin dennoch gewählt werden.

    Und schon waren sie mitten im Thema. Sehr schön, Sextus schätzte Effizienz in allen Belangen.
    “Die Consuln werden sich vermutlich ihre Quästoren wieder selbst aussuchen wollen, und da ich keinen der Kandidaten näher kenne, wäre das wohl eine vergebliche Bewerbung. Ähnlich verhält es sich beim Posten des Quästor Principis, der zwar sehr erstrebenswert ist, aber wohl unerreichbar. Ich schätze, der Präfectus Urbi wird auch dieses Mal den Willen des Kaisers bezüglich dieses Postens dem Senat sehr direkt verkünden. Von daher finde ich das Amt des Quaestor Urbanus sehr erstrebenswert und auch erreichbar.“

    Mit jedem Wort seines Patrones fühlte Sextus den Kopf auf seinen Schultern deutlicher, und wie verwundbar der Hals dazwischen doch war. Es klang einiges schon sehr solide, anderes hingegen klang eher so, als wäre es Wunschdenken.
    Dass der Vinicier ihren Plan einfach so an den Stellvertreter der Classis weitergegeben hatte, fiel unter letztere Kategorie. Wer sagte, dass dieser auch Kommandant wurde? Und dass dieser Hadrianer die nötige Macht und Befehlsgewalt hatte? Nach allem, was Sextus wusste – was zugegebenermaßen nicht viel war – war der Decimer, der eigentlich Kommandant war, nicht unbedingt bester Gesundheit. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis Rom einen anderen schickte, und ob der auf ihrer Seite wäre...? Sextus wollte lieber nicht mit der Classis rechnen.
    Auch dass die Legiones in Syria nicht sicher auf ihrer Seite standen, war mehr als bedenklich. Eine feste Zusage war schon ein Risiko, konnten es sich besagte Männer doch stets anders überlegen. Aber ein Vielleicht war noch einmal ein um ein Vielfaches erhöhtes Risiko. Und ohne die Legionen brauchten sie den Umsturz nicht einmal versuchen. Es hatte sich noch keine Verschwörung – und nichts anderes war das hier – halten können, ohne die nötige militärische Rückendeckung zu haben.
    Sein Vetter warf eine weitere nicht unwichtige Frage in den Raum. Was wollten sie genau tun, wie genau vorgehen, vor allem im nicht-militärischen Raum? Die Erklärung seines Patrons fand Sextus da schon ein wenig sehr vage und optimistisch. Er fand es doch sehr blauäugig gedacht, dass sie da schnell genug vorgehen könnten, dass ganz Rom ncihts mitbekäme. Vor allem lamentierte sein Patron eben noch, dass die Prätorianer ein erhebliches Problem waren, und forderte gleichzeitig, den Kaiser umzubringen. DAS wiederum war eine überhaupt sehr heikle Angelegenheit, denn das zu Bewerkstelligen dürfte extrem schwierig sein.
    “Verzeih, Patron, aber wie soll das mit dem Gift bewerkstelligt werden – und ich sage nicht, dass ich es goutire? Wie du schon sagtest, er ist von den Prätorianern so gut wie vollständig abgeschottet, und darüber hinaus werden seine Köche wohl streng kontrolliert sein. Ist bekannt, ob er einen Vorkoster hat? Es erscheint mir schwierig, eine Person, die vertrauenswürdig genug ist, soweit in den kaiserlichen Haushalt einzuschleußen, so dass so ein Plan überhaupt durchführbar wäre.“
    Sextus mochte es nicht, seinem Patron zu widersprechen, aber er mochte seinen eigenen Hals nunmal etwas lieber als seinen Patron, und wollte da gewisse Dinge geklärt haben. “Desweiteren ist der moralische Aspekt so einer Tat schwer zu widerlegen. Salinator zu beseitigen ist eine gerechte Sache“, womit Sextus direkt auf Durus' erstes Gespräch dieser Art verwies “... bist du dir auch der Unterstützung besagter Truppen gewiss, wenn du den Mann, auf den sie eingeschworen sind, tötest? Du müsstest nicht nur das Gericht davon überzeugen, dass Salinator dahinter steckt, sondern letzendlich auch sie.“
    Sextus konnte noch nicht so recht daran glauben, was hier passierte. Allein darüber zu sprechen, den Kaiser umzubringen, war schon Hochverrat. Sie mussten es noch nicht einmal versuchen, allein hier zu sitzen hieß schon, dass jeder einzelne von ihnen zum Tode verurteilt werden konnte. Und Sextus hatte nicht vor, in nächster Zeit vom tarpejischen Felsen zu springen. “Und sofern auch Maioranus getötet wird, wird es umso schwieriger, dem Volk einen testamentarischen Nachfolger zu präsentieren, an den es glauben kann. Dass ein Vater sein Kind zum Nachfolger ernennt, ist logisch und wirft keine fragen auf. Doch warum sollte ein Mann, der ein gesundes Kind hat, einen anderen in seinem Testament erwählen? Abgesehen vom moralischen Aspekt“ gegen den Sextus im Grunde nichts hatte. Sollten sie die halbe Welt vergiften, solange er zur anderen Hälfte gehörte und davon profitierte. Er war da moralisch äußerst flexibel. “... wirft die Wahl eines anderen Fragen auf. Dazu kommt noch die Schwierigkeit, den richtigen Mann hierfür zu bestimmen. Wer soll der nächste Kaiser dann werden? Jemand aus dieser Runde?“
    Oh, Sextus hätte sicher nichts dagegen, Imperator zu sein. Ganz und gar nicht. Nur war er Realist genug, zu sehen, dass dieser Fall wohl nicht eintreten würde. Und bei den anderen gab es auch die ein oder andere Unwägbarkeit. Tiberius Durus war alt. Der Vinicier war ihm persönlich zu blauäugig. Der Annaer? In Germania und ihm nicht bekannt genug. Es musste schließlich jemand sein, den das Volk akzeptieren würde. Der Flavier hatte vielleicht eine Chance, diese Rolle einzunehmen, doch war er gerade einmal Prätor und noch nicht einmal Consul gewesen. Alles Fragen, die es genau zu überdenken galt, ehe man irgendwelche Schritte einleitete.

    “Na, gemacht hab ich's auch“, murmelte Sextus lapidar in seinen nicht vorhandenen Bart und zuckte gleichgültig die Schultern. Er hatte viele Geschwister, ältere wie jüngere, und hatte dementprechend auch viele Nichten und Neffen. Er wusste, was eine Geburt bedeutete: Lärm. Jede Menge Lärm. Eine schreiende Frau, schreiende Hebammen, schreiende Weiber allgemein. Und hinterher ein schreiendes Kind. Und da sah er doch sehr wohl, dass er das im Wahlkampf nicht unbedingt brauchen konnte. Das war anstrengend genug, ohne erhöhten Geräuschpegel innerhalb der Villa Aurelia. Und er konnte wohl kaum sein Kind, sofern es überlebte, mit vernünftigen Argumenten dazu bewegen, ruhig zu sein. Oder ihm einen Korken reinstopfen, wenn es das nicht wäre. Und genauso wenig konnte er seine Frau fragen, ob sie es denn nicht noch ein wenig halten konnte bis nach der Wahl. Frauen waren im letzten Viertel der Schwangerschaft reizbar, und seine stellte keine Ausnahme dar. Und so wenig Sextus im allgemeinen von Frauen und ihren Fähigkeiten hielt, war er sich doch sicher, dass es ein sehr böses Ende nehmen würde, wenn er seine Frau etwas diesbezügliches Fragen sollte.
    So oder so, er hatte dabei kaum eine Auswahlmöglichkeit, und folgerichtig war es auch nichts, was ihn über die Maßen beschäftigte. Er hoffte nur, dass Nigrina den Prozess lebend und weiterhin fruchtbar überstehen würde, denn eine neue Ehefrau zu finden war wohl in der momentanen Situation schwierig, standen doch keine geeigneten Flaviae zur Auswahl. Höchstens vielleicht ihre kleine Schwester... was allerdings bei Verhandlungen mit ihrem Vater zu einer schlechteren Verhandlungsposition führen würde.


    So oder so, er nahm die Glückwünsche des Ducciers entgegen und horchte interessiert auf, als dieser kurz meinte, seine eigene Situation sei ein Dilemma. Sicher, der Duccier war ein halbbarbarischer Kerl ohne nennenswerten Einfluss, aber innerhalb der plebejischen Gentes musste es sicher auch solche geben, die sich mit einem angehenden Quästor schon zufrieden gaben. Vor allem, da es von da nur noch ein Steinwurf bis zum Senator war. Dass dem nicht so war, war natürlich ärgerlich, hätte eine Frau den Duccier als Verbündeten doch wertvoller gemacht. Immerhin hatten Frauen neben den offensichtlichen Vorteilen zwischen ihren Schenkeln auch noch andere Begabungen, die das Leben mit ihnen erträglich machten. Beispielsweise ihre Fähigkeit, Klatsch zu filtern und auch zu verbreiten, um so gezielt Informationen zu erlangen oder auszustreuen.
    “Dann hoffe ich, diese Möglichkeit und vor allem ihr Vormund sind dir wohlgesonnen“, meinte Sextus noch freundlich.


    Nachdem der Duccier sich nun also als Mensch zu Erkennen gegeben hatte und seinen Spott abgelegt hatte, war Sextus auch in großmütiger Stimmung, von sich aus noch ein wenig zu plaudern, was in Rom los war. “In deiner Abwesenheit hat sich einiges ergeben und doch nichts großes. Dass dein Gastgeber das Zeitliche gesegnet haben soll, weißt du vermutlich besser als ich. Die Entsühnung des Hains der Nemoralia hat endlich stattgefunden. Der Auftritt des Präfectus Urbi war dabei etwas bedenklich ob der Anzahl seiner Liktoren. Ich denke, der Mann ist sich seiner Machtstellung sehr bewusst. Objektiv betrachtet kann er das ja auch. Dementsprechend haben auch die netten Inschriften gegen ihn an diversen Wänden zugenommen.


    Meine Cousine Flora hat sich mit meinem Patron verlobt, allerdings wird die Hochzeit vermutlich verschoben werden müssen. Meine andere Cousine, ihre Zwillingsschwester, ist gestorben, und du weißt ja, Frauen und Trauerzeit... Nunja, solange die beiden lebende Nachkommen zeugen, soll es egal sein.


    Ansonsten das übliche Trara von Hochzeiten und Verlobungen. Die Octavier versuchen wohl, sich in die Tiberia einzuheiraten, die Bavia versucht es bei der Oppia, und letzten Monat hat eine Antonia einen Horatius geheiratet. Beides der patrizische Zweig.“ Das übliche eben. Interessanter, aber nicht so wichtiger Kleinkram. Und über die große Neuigkeit, die sein Patron durchzuführen gedacht, würde Sextus nicht reden.

    Trotz der mittlerweile 2 vergangenen Jahre, in denen erstaunlich vieles geschehen war, musste Sextus wieder an den allerersten Satz denken, der ihm damals durch den Kopf gegangen war, als er zum ersten Mal hier vor die Senatoren getreten war: Stell nichts dummes an. Oh, er hatte seine Rede geübt, hatte sich vorbereitet, hatte beim ein oder anderen Senator vorgesprochen und ihre Unterstützung erfragt. Er hatte seinen Vetter eingespannt, und seine Frau hatte wohl auch die Fäden gezogen, die Männern für immer verschlossen bleiben würden. Er war vorbereitet. Und dennoch stellte er sich nun wieder vor die versammelte Senatorenschaft, gekleidet in seine Toga Candida, äußerlich ruhig wie ein Fels, und dachte nur an diese eine Sache, die ihm damals Purgitius Macer nahegelegt hatte: Stell bloß nichts dummes an.


    “Patres conscripti! Ehrenwerte Senatoren, ich danke euch für die Gelegenheit, in diesen Hallen das Wort an Euch zu richten.
    Ich bin Sextus Aurelius Lupus, ein Enkel des Claudius Aurelius Crassus, der einst die Reihen mit euch teilte. Einige von euch werden mich von den Wahlen vor zwei Jahren kennen, als ihr mir die Ehre zuteil werden ließt und mir ein Vigintivirat bei den Decemviri litibus iucandis anvertraut habt.“

    Gut, soweit zur Vorstellung. Und noch war nichts dummes passiert.


    “Auch dieses Mal hoffe ich auf Euer Vertrauen, wo ich mich zur Wahl zum Quästor stellen will und damit den nächsten Schritt im Curus Honorum tun möchte. Den ersten habe ich mit meiner Zeit als Vigintivir begangen. In diesem Jahr diente ich dem Imperium durch die Bearbeitung zahlreicher Erbschaftsangelegenheiten und deren Zuweisung an die rechtmäßigen Erben. Auch konnte ich hierdurch Einblicke in die Verwaltung gewinnen.
    Doch ebenso war ich abseits des Amtes tätig, vor allem im Dienst für die Götter. Ich bin Mitglied der ehrenwerten Salii Palatini, ebenso bin ich Mitglied im Ordo Haruspicium und versuche als Haruspex, den Willen der Götter zum Wohle des gesamten römischen Volkes zu ergründen, wie ich es auch mit Hilfe der Götter und meiner Kollegen getan habe, um die Mittel zur Beschwichtigung des Zorns der Diana zu finden.“
    Vielleicht war es gar nicht schlecht, den göttlichen Zorn zu erwähnen und seine kleine Rolle bei dessen Bereinigung. Auch wenn er diese vor allem aus gänzlich anderen Gründen eingenommen hatte. “Zudem habe ich mich weiter gebildet, vor allem im Bereich der Wirtschaft.


    All meine Erfahrungen möchte ich nun Rom zur Verfügung stellen als Quästor. Wenn es mir gestattet ist, einen Amtswunsch auszusprechen, so fiele meine Wahl auf das Amt des Quästor Urbanus, da ich denke, dass mein Wissen in wirtschaftlichen Belangen hier am weitesten Früchte tragen würde, sind die meisten Reisenden doch Händler. Doch wäre ich auch mit jeglicher anderen Quästur zutiefst geehrt.
    Aus diesem Grunde bitte ich euch, mir im selben Maße eure Unterstützung zuteil werden zu lassen, wie ihr sie mir schon vor zwei Jahren gewährt habt.“

    Viel mehr gab es eigentlich nicht mehr zu sagen.
    “Ich danke euch, dass ihr mir Gehör geschenkt habt, ehrenwerte Senatoren.“

    Für den Bruchteil eines Augenblickes brachte die Begrüßung Sextus wohl vorbereitete Rede durcheinander. Eigentlich hatte er vorgehabt, den Duccier vorzustellen, da sein Name aber schon bekannt war dank eines sehr eifrigen Nomenclators, fiel die Einleitung nicht. Dann musste Sextus eben improvisieren.
    “Salve, Patronus. Zunächst einmal wollte ich dir noch einmal persönlich sagen, wie sehr es mich freut, dich wohlbehalten und gesund zurückgekehrt zu wissen.“ Wobei das mit dem gesund mehr Schmeichelei war. Der Tiberier wirkte fast noch älter als vor seiner Reise in den Süden. Sextus hoffte nur, dass er noch lange genug lebte, um seine Cousine zu heiraten und lebende, vorzugsweise männliche Nachkommen zu produzieren.
    “Und dann wollte ich dir Duccius Vala vorstellen, einen guten Freund. Er war mein Amtsvorgänger als Vigintivir und diente unter meinem Vetter als Tribun. Ebenso wie ich stellt er sich zur Quästur zur Wahl.“
    Alle wichtigen Informationen verpackt, ohne wirklich eine Bitte zu äußern. Sein Patron wusste nun, dass Sextus a) Quästor werden wollte, b) einen Bekannten hatte, der das ebenfalls wollte, c) sich Unterstützung ausrechnete (auch wenn er nicht explizit danach gefragt hatte und d) den Mann neben sich als vertrauenswürdig erachtete. Was sein Patron nun mit diesen Informationen anfing, war wiederum Sache des Tiberiers. “Aber vielleicht stellt er sich dir besser selbst vor“, fügte Sextus bescheiden an, um Vala das Feld zu überlassen. Vorerst, hieß das natürlich. Immerhin war das hier sein Patron, der sicher auch ihn das ein oder andere Fragen würde zur bevorstehenden Quästur.

    “Nun, dann will ich die wenige Zeit, die mir bleibt, möglichst effektiv nutzen. Etwas, das so knapp bemessen ist, ist zu kostbar, um es zu vergeuden.“ Philosophie war schon etwas herrliches. Man konnte unendlich viel reden, und musste doch nichts wirklich sagen, und man konnte alles sowohl als Kompliment als auch als alles mögliche andere auffassen. Sextus wusste, warum er das Studium seiner Jugendzeit nicht als verschwendete Zeit ansah.
    “Wie du vielleicht weißt, bemühe ich mich um das Amt eines Quästoren im kommenden Jahr. Ich hatte gehofft, dich auch dieses Mal wieder als Fürsprecher gewinnen zu können, nachdem deine Stimme schon bei meiner Wahl zum Vigintivir von solchem Gewicht war. Und angesichts der Tatsache, dass der Präfectus Urbi bei den letzten Wahlen einen nicht unerheblichen Anteil der Quästuren direkt besetzt hat, hätte das Wort eines Consular für die diesjährig zu vergebenden Quästuren sicher nicht unerhebliches Gewicht.“

    Sextus lächelte sein wohl bemessenes Lächeln, das ihn etwas jünger wirken ließ, als er eigentlich war, und das fast ertappt wirken mochte. Im Grunde aber war es nur ein genau kalkuliertes Mittel, um etwas Menschlichkeit zu heucheln und seinem Gegenüber das Gefühl der Überlegenheit zu vermitteln. Ein wenig Schmeichelei schadete bekanntlich nie. “Es war weniger Scham, die mich ans Ende deiner Salutatio trieb, sondern vielmehr Respekt vor deiner knapp bemessenen Zeit, die sicher viele deiner Klienten in Anspruch nehmen wollen. Es wäre vermessen von mir, wenn du mich ihnen vorziehen würdest, nur damit ich weniger warten muss.“ Geheuchelte Lügen, nichts weiter, aber vorgetragen wie die reinste Wahrheit.
    “Meine Zeit hingegen ist momentan noch etwas großzügiger bemessen, so dass ich leichter warten kann und so auch nach deinen Klienten mich einreihen kann, ohne dass du oder ich ihren Unmut auf uns ziehen müssen.“, philosophierte er glattzüngig weiter. Im Grunde war das alles ohnehin nur Vorgeplänkel zu der einen großen Frage, was Sextus hier wollte. Die allerdings musste vom Purgitier kommen, der konnte Sextus nur schwerlich vorweg greifen. Und ein wenig müßiger Palaver war ein durchaus angenehmer Zeitvertreib und eine gute Übung.

    Nachdem sie sich die Holzpantinen angezogen haben, gingen sie ins Sudatorium der Thermen. Sextus mochte die feuchte Hitze nicht besonders, die einem hier wie eine Wand erst einmal entgegenschwappte, aber er verzog nicht einmal eine Miene. Ein wenig Schweiß hatte noch keinen umgebracht, ebensowenig wie ein Kräuteraufguss. Angeblich war es ja gesundheitsfördernd, Sextus empfand es aber eher als lästig. Er schwitzte lieber beim Ringen in der Palaestra als beim Dasitzen und Atmen.
    Offenbar hatte die kleine, erzieherische Maßnahme auch den Hauch einer Wirkung bei sienem Gegenüber erzielt, denn dieser war wohl durchaus an Informationen interessiert und fragte jetzt weitaus höflicher. Warum denn nicht gleich so? Auch wenn Sextus Stimmung noch weit davon entfernt war, selbstzufrieden oder gar erfreut zu sein, bemerkte er diesen Umstand doch positiv.
    “Sie arbeitet daran, in ein paar Wochen sollte die Geburt sein. Sie fällt etwas ungünstig mit den Ansprachen vor dem Senat und der Wahl zusammen, sofern diese Hexen von obstetrices Recht behalten.“ Er zuckte etwas gleichmütig mit den Schultern. Im Grunde war es nicht wichtig, solange Nigrina überlebte. Er brauchte die Verbindung zu den Flaviern, im Moment vielleicht sogar dringender als zuvor, und dafür brauchte er eine lebende Ehefrau. Prisca war ihm nicht eng genug verbunden, dass sie auf ihren Mann für ihn Einfluss ausüben würde, ohne dass er dafür explizit einen gefallen einforderte.
    Ob sein Kind die Geburt überleben würde oder nicht, war ihm indes reichlich gleichgültig. Überhaupt war der ganze Vorgang ihm noch gleichgültig, fürchtete er nicht um seine Seele, wenn er nicht rechtzeitig etwas Männliches nachproduzieren sollte, das brav an einem Altar für ihn opferte. So alt war er noch nicht, als dass er sich darüber den Kopf zerbrach. Mädchen, Junge, lebendig, tot... das einzige, gegen das er Maßnahmen ergriffen hätte, wäre ein lebendiges, missgestaltetes Kind gewesen. Aber solcherlei musste er wahrlich nicht mit seinem Gesprächspartner klären.
    “Bei dir hat sich noch nichts Vorteilhaftes ergeben, das zu heiraten sich lohnen würde, oder?“ hakte Sextus einfach einmal nach. Nicht, dass er sich um Vala sorgte. Sollte er ledig bleiben und sich allein durch den Dschungel der Intrige, die sich Rom nannte, kämpfen. Nur sollte der Duccier heiraten, wäre es natürlich gut, so eine Information zu haben – und gegebenenfalls an seine bessere Hälfte weiterzuleiten, damit diese sie für Sextus gewinnbringend investierte.

    Es waren nur noch wenige Klienten übrig, die vor Sextus mit dem Hausherren sprechen durften, und so musste er nicht allzu lange warten. Mit einer der Hauptgründe, warum er diese späte Stunde gewählt hatte. In einer fein säuberlich gelegten Toga stand es sich nicht so bequem, wollte man den präzisen Faltenwurf nicht gar am Ende noch zerknittern.
    Und so wartete Sextus geduldig, bis er an der Reihe war, dem Hausherrn gegenüberzutreten. Und so den zweiten Grund für sein spätes Erscheinen hoffentlich ausnutzen zu können. Er hoffte, dass der Purgitier nun mürbe genug vom zuhören war, das folgende Gespräch nicht allzu bohrend zu gestalten, aber nicht so mürbe, dass er gänzlich nicht mehr zuhörte. Wobei letzteres auch verschmerzbar wäre, solange er ihn unterstützte. Deswegen war Sextus schließlich hier.
    “Salve, Consular Purgitius, und danke, dass du mich empfängst.“ Sie beide hatten sich schon desöfteren getroffen, so dass Sextus auf seine eigene Vorstellung verzichtete. Sollte sich der Consular nicht an ihn erinnern, vertraute der Aurelier da ganz auf den Nomenclator, der seinem Herrn geschickt den Namen zuflüstern würde. “Es ist eine Weile her, seit wir das Vergnügen eines Gespräches hatten. Ich meine... bei der Hochzeit deines Klienten und meines Schwagers Flavius mit meiner Verwandten Prisca.“ Natürlich wusste Sextus es sehr genau, wann das letzte Gespräch gewesen war, auch wenn es nur das seichte Gerede unter Hochzeitsgästen gewesen war. Aber so war der Gesprächseinstieg etwas lockerer, menschlicher, und der Purgitier dadurch hoffentlich gewogener.

    "Salve. Mein Name ist Sextus Aurelius Lupus, und ich würde gern den ehrenwerten Consular Purgitius sprechen. Sofern er gegen Ende oder nach seiner Salutatio noch etwas Zeit für ein Gespräch erübrigen könnte, wäre ich sehr verbunden." Sprachs und wartete auf Einlass.

    “Da du so ein schlauer Bursche bist, dachte ich eigentlich, du hättest dich darüber bereits informiert“, gab Sextus nur in gelangweiltem Ton zurück. Er konnte es nicht leiden, so behandelt zu werden, und da war er ein wenig zu selbstbezogen, um es einfach zu übergehen und dem Duccier diese Marotte durchgehen zu lassen. Auch wenn er ein Barbar war und sie ein Zweckbündnis hatten, hieß das nicht, dass Sextus sich vorführen ließ von einem Kerl mit Schwamm auf dem Kopf. Vor allem nicht, da ihm dieses Bündnis bislang noch nichts nennenswertes eingebracht hat. Er war nicht endlos bereit, in Vorkasse zu treten, wenn sein Zweckverbündeter sich derart als Alpha-Tier aufzuspielen meinte.


    Und so ließ Sextus die Angelegenheit einfach im Raum stehen, ohne den Duccier wie ein braves Hündchen über alles zu informieren, was vorgefallen sein mochte. Er war nicht sein Scriba. Stattdessen machte er einfach weiter im Text und nahm die Information mit der Abwesenheit des Viniciers einfach erst einmal so auf.
    “Tiberius sollte binnen dieser Woche wieder zurück in Rom sein. Definitiv nicht mehr als 2 Wochen und noch weit vor der Wahl. Zeit genug.“
    Eigentlich galt es ja auch noch eine Hochzeit vorzubereiten, wobei nach Narcissas Todesfall fraglich war, ob diese stattfinden konnte. Die übliche Trauerzeit für einen erwachsenen Menschen betrug 10 Monate, und während dieser Zeit konnten keine Hochzeiten oder sonstigen Feste gefeiert werden. Außer, Flora würde die kürzere Trauerzeit akzeptieren und diese beenden, ehe der geplante Termin gefährdet wurde. Aber wer wusste so etwas schon zu sagen?
    “Logierst du noch bei den Prudentii, oder hast du dir eine andere Unterkunft besorgt? Ich würde dich wohl relativ kurzfristig zwecks des Termines dann informieren.“