Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    Mit einer gewissen Beruhigung nahm Sextus die Worte seines Patrons und des Senatoren Aenneus auf. Positive Stimmen gleich zu beginn verhießen eine gute Grundstimmung. Wenn diese so blieb, konnte er die Zweifler hoffentlich leichter überzeugen.
    Doch dann meldete sich die erste kritische Stimme, und diese gehörte niemand weniger als dem Praefectus Urbi. Sextus wusste schon, dass dieser in dem Ruf stand, Patrizier nicht unbedingt zu mögen. Allerdings sollte das für ihn kein Hindernis sein, ihn sich dennoch gewogen zu machen. Oder zumindest, seine Abneigung nicht zu verschlimmern.


    “Eine gute und berechtigte Frage, Praefectus Urbi, und ich danke dir, dass du sie stellst.“ So konnte er wenigstens noch etwas mehr sagen, als nur mit seinen Referenzen um sich zu werfen, wenngleich ihm ein paar vorzeigbare Taten noch immer lieber wären.
    “Ich hatte das große Glück und die Ehre, seit frühester Jugend einen Lehrer dieser Disziplinen zu haben. Sowohl der Vater meiner Mutter, als auch später ein Haruspex namens Marcus Clinius Lanatus, lehrten mich das Wissen der libri fulgurales, rituales und insbesondere haruspicini. Und auch, wenn die Griechen mit ihren Lehren nicht an die römischen Tugenden herankommen, sind sie doch ganz brauchbare Kosmologen. Gleiches gilt für das Wissen, das ich mir in Alexandria aneignen konnte in der großen Bibliothek, insbesondere in den Bereichen der Astronomie, Metereologie und Botanik.“ Und dass diese Bibliothek sehr umfangreich war, war wohl weltweit unstrittig. “Allerdings, da gebe ich dir recht, konnte ich nicht in Tarquinii oder Caere studieren. Allerdings, um der Form genüge zu tun, legte ich im Alter von Zwanzig in Velutonia eine Prüfung an der dortigen Schule ab. So es der Wunsch des Collegium Haruspicium ist, kann ich diese gerne in Tarquinii oder einer der anderen zwölf Städte wiederholen und so mein Wissen erneut unter Beweis stellen.
    Ich weiß, es sind lange Reisen für ein junges Leben. Doch haben sie mich sicher nicht vergessen lassen, dass ich Römer bin und Rom dienen möchte.“

    Eigentlich war Sextus über die Frage an sich nicht unglücklich. Diesem Bereich seiner Ausbildung hatte er notgedrungen sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet, da ihm hierbei nie eine Wahl gelassen worden war. Und so war er sich auch sehr sicher, einer solchen Prüfung mühelos standhalten zu können. Damit konnte der Präfekt ihn nicht aus dem Gleichgewicht bringen, und im Grunde musste er ihm dankbar sein, so nochmal Gelegenheit zu haben, seine Kenntnisse darzulegen.
    “Ich hoffe, damit sind deine Bedenken ausgeräumt, ehrenwerter Preafectus Vescularius.“ Er blieb höflich und ruhig. Fragen hatte er erwartet und sich darauf vorbereitet. Wenngleich nicht diese zu seiner Vergangenheit, vor allem, da er über die Einzelheiten der Ausbildung zum Haruspex ohnehin nichts sagen durfte. Und selbst wenn er dies dürfte, von den Senatoren hier auch höchstens der ein oder andere, der selbst einem etruskischen Geblüt entstammte, wissen würde, wovon er da eigentlich überhaupt redete.

    Ohne exakte Zeitmesser war das Bestimmen eben jener Zeit mehr Kunst denn Wissenschaft. Und so dachte sich Sextus auch nichts dabei, als er kurz nach den übrigen Gästen eintraf. Überhaupt, er würde in dieser Runde wohl derjenige sein, der aufgrund von Rang und Titel am Wenigsten dem Tischgespräch beisteuern könnte. Er war sicher nicht schüchtern oder rhetorisch minderbemittelt, nur was sollte er beitragen, wenn es um aktuelle Senatsdebatten ging? Nein, ihm würde heute die Rolle wohl zufallen, möglichst zielstrebig zu wirken – was leicht fallen dürfte – und möglichst viel von diesen Männern in der kurzen Zeit zu lernen – was etwas schwieriger werden würde.
    Und so betrat er das Haus seines Patrons zwar etwas später als die bereits eingetroffenen, nach allgemeinem Verständnis aber wohl durchaus pünktlich das Triclinum. “Salvete“, begrüßte er die versammelte Runde. Einige der hier Versammelten kannte er schon, spätestens von seiner Sponsalia, aber es waren auch ein paar neue Gesichter darunter, was sich wohl als nützlich erweisen würde. So er es schaffte, zu überzeugen, oder wenn nicht er, so doch sein Patron.
    Einzig, als sein Blick auf Avianus fiel, war er eine Sekunde irritiert, ließ sich aber nichts anmerken. Er hatte nicht gewusst, dass sein Verwandter ebenfalls eingeladen war, aber in der letzten Zeit hatten sie einander kaum gesehen. Nicht einmal wirklich beim Essen, denn seit Corvinus Freitod war das Ritual der täglichen, gemeinsamen Cena etwas aus den Fugen geraten, vornehmlich weil die weiblichen Haushaltsmitglieder das Ganze doch 'etwas' schwerer nahmen.
    Aber es machte nichts, etwas Unterstützung, wenn auch überraschenderweise, konnte nie schaden. Und die anderen konnten ja von dem kleinen Kommunikationsloch innerhalb der Villa Aurelia nichts wissen und würden sich nichts weiter dabei denken, wie Sextus annahm.

    Memme. Das war das erste, was Sextus über Piso dachte. Nein, im Grunde war es das einzige, was er über ihn dachte. Weibischer hätte eine Drohung nicht daherkommen können als so, wie der Flavier sie vortrug. Keinen Sinn für subtile Politik, der Mann, und kein Gespür dafür, dass Sextus, nett wie er war, ihn gerade vor einer Blamage gerettet hatte und ihn sein Gesicht wahren ließ. Soweit dies angesichts des Trauerflors denn möglich war. Hand aufs Herz, selbst Brutus und Cassius hatten durch ihre Abwesenheit auf der Beerdigung von Iunia Tertia Ruhm erlangt (und damit ein sarkastisch gemeintes Sprichwort begründet). Nur sein künftiger Schwager war dazu wohl nicht in der Lage. Sei es wie es sei, Sextus nahm ihn nicht besonders ernst, und seine Drohung noch viel weniger. Um den schönen Schein zu wahren nickte er ihm also nur einmal kurz zu und begab sich dann mit Nigrina zu dem Tisch, den Aetius gerade vorbereiten ließ.


    Da lag er, der Vertrag. Schönes Papier, sorgfältig beschrieben, glatt gestrichen, nur darauf wartend, unterschrieben und gesiegelt zu werden. Beinahe schon unscheinbar in seiner Schlichtheit, und doch so präsent wie nichts anderes in diesem Raum. Zumindest für Sextus. Wenn er diesen Vertrag unterschrieb, konnte er sich die Unterstützung der (meisten) Flavier versichern. Es würde ihn politisch und gesellschaftlich voran bringen, würde ein festeres Band zwischen ihren Familien knüpfen. So Celerina und Corvinus (die zu diesem Zeitpunkt noch lebten) keine Kinder haben würden (und das würden sie ja nicht mehr, nur konnte Sextus das zu diesem Zeitpunkt nicht wissen. Und hätte er es gewusst, er hätte nicht so vorteilhaft dieser Möglichkeit gedacht), war diese Ehe die Hauptverbindung zu den Flaviern derzeit. Eine gute Ausgangsposition. Noch dazu die vielen Kleinigkeiten, die mittels Mitgift an ihn erst einmal übergehen würden und die so beinahe beiläufig in dem Text erwähnt wurden. Und darüber hinaus würde er die Patria Potestas seines Vaters los sein, hatte dieser ihm doch jenes zugesagt. Dazu noch das Wissen, dass Nigrina keine bucklige, zahnlückige Hexe war, sondern durchaus repräsentativ. Ja, er konnte wahrlich nicht klagen und gestattete sich ein leichtes Lächeln, als er an den Tisch schritt.


    Kurz überflog er noch einmal die Verträge. Er setzte unter nichts seinen Namen, was er nicht gelesen hatte, und auch, wenn die Schriftstücke mehrfach abgeändert worden waren, ehe sie in ihrer finalen Form nun vorlagen, und er diese bereits kannte: Er überflog es dennoch. Es war nicht so, als ob er Aetius nicht traute. Nur: Er traute ihm nicht.
    Aetius gebot den Gästen auch sogleich Schweigen, indem er eine kleine Rede hielt und somit die einzelnen Gespräche untereinander kurz unterbrach.
    “Ich danke dir, Flavius Aetius, für diese schöne Einleitung. Und mehr noch natürlich für dein Vertrauen, mit dem du mir deine Tochter Nigrina übergeben willst. Ich kann aufrichtig sagen, dass es mir eine große Freude ist, dieses Band der Freundschaft auf diese angenehme Weise zwischen unseren Gentes zu knüpfen.
    Und euch, meinen lieben Gästen, möchte ich für euer zahlreiches Erscheinen herzlich danken. Ihr sollt Zeugen eben jenen Bandes sein, und die Freude dieses Tages mit uns teilen.“

    Im Grunde war das hier rein politisch. Da war nicht viel von Vertrauen oder von Freude, oder gar Freundschaft, die man feiern sollte. Es war ein Mittel zum Zweck, für alle Beteiligten. Aber man wollte ja den schönen Schein wahren und der ganzen Welt versichern, dass es eben doch nicht nur darum ging, die eigene Position möglichst effektiv zu zementieren. Das klang einfach nicht so schön wie Worte von Liebe, Sitte, Wort und Gegenstand, die der Freundschaft Band schlossen. Und letzten Endes war der schöne Schein manchmal wichtiger als jede kalte Wahrheit. Grundleitsatz eines jeden aufrechten Politikers.


    Nacheinander griffen Aetius und Sextus zu der fast schon übertrieben großen Feder, um ihre Namen unter den Vertrag zu setzen. Anschließend brachte einer der sprechenden Haushaltsgegenstände noch Siegelwachs, und ein Klecks und ein Hineindrücken von zwei Siegelringen später war der Vertrag auch schon unterschrieben.
    Nun ging es zu dem Teil, an dem seine Verlobte nunmehr einen Anteil hatte. Bislang hatte sie nur nicht protestieren dürfen, nun aber musste sie doch mitspielen. So also wandte er sich ihr zu, ergriff deutlich sichtbar für alle ihre Hände. “Nigrina, so du einverstanden bist, nimm dies als Zeichen meiner Zuneigung für dich.“
    Ein aurelischer Sklave trat heran mit einem kleinen, samtbezogenen Kissen. Darauf lag ein einzelner, goldener Ring, wundervoll gearbeitet. Sogar graviert war er, und Sextus ließ ihr einen Moment Zeit, die Inschrift zu lesen. Pignus amoris habes. Du hast meiner Liebe Pfand. Furchtbar albern und kitschig, wenn man ihn direkt fragen würde, aber Frauen mochten sowas. Außerdem war diese Inschrift nicht zu ungewöhnlich und damit angemessen. Hätte er sie nicht angebracht, hätte er wohl eher weibliches Missfallen fürchten müssen.
    Mit einem einfachen Griff also nahm er den Ring in seine Linke, und ihre linke Hand in seine Rechte. Er blickte sie direkt an, versuchte in ihrem Blick und dem feinen Lächeln zu lesen, wie sie wohl diese ganze Romantik hier aufnahm. Dies würde zu nicht unerheblichen Teilen bestimmen, wie er sich ihr gegenüber in der ersten Zeit der Ehe verhalten würde. Verhalten musste. Und ganz langsam, steckte er ihr den Ring an.

    Zitat

    Original von Quintus Germanicus Sedulus
    Einige Geschwister also? Bei den Göttern! Aber gut die Fruchtbarkeit der Mutter des Aureliers konnte Sedulus eigentlich egal sein. So nickte er nur und ließ es dabei gut sein. Wollte Sedulus noch etwas wissen? Gab es denn noch etwas, was er über diesen Aurelier wissen mußte?


    Sollte ich sonst noch etwas über dich wissen, was ich vielleicht vergessen habe zu fragen oder was ich wissen sollte?


    Fragte er schließlich. Vielleicht kam ja noch etwas interessantes heraus, wer wußte dass schon so genau?
    Ansonsten würde er ihm wohl zur Seite stehen, schon alleine weil Ursus ihn darum gebeten hatte.


    Sicher gab es da einiges, das Sextus ihm hätte erzählen können. Tat er aber wohlweißlich nicht. Es gab Dinge, die erzählte man niemandem, mit dem man Geschäfte machte. Zumindest nicht diese Art von Geschäften, die in völliger Legalität abliefen. Und wenn man vorhatte, in die Politik zu gehen, erzählte man sie schon zweimal nicht.
    “Ich bin bei den Salii Palatini, falls das von Interesse für dich ist. Ansonsten wüsste ich nichts mehr, was ich dir erzählen könnte.“ Oder besser, nichts, was den Senator interessieren sollte, worauf er eine ehrliche Antwort geben würde. Da aber das Gespräch (Verhör mochte man sagen) schon recht ausführlich war, dachte Sextus, dass die für den Germanicer relevanten Informationen schon darunter gewesen sein mochten.


    “Nein, mein Patron. Du hast mir bei allen meinen Anliegen geholfen, und mehr als das.“
    Ja, es war besser als erwartet verlaufen. Sextus konnte sich wahrlich nicht beklagen. Er hatte nicht nur einen Patron erhalten, sondern auch mehr Unterstützung, als er nach diesem kurzen Wortwechsel hätte erwarten dürfen.
    “Und da dem so ist, und so du selbst nichts mehr hast, will ich deine Zeit nicht noch länger in Beschlag nehmen. Ich danke dir, Patron.“

    Dann stell' mal bei deiner Vorstellung im Senat nichts dummes an, sonst kann ich dich nicht wählen.
    Von allen Sätzen von all den Leuten, mit denen er vor der Wahl gesprochen hatte, von all den unzähligen Dingen, die er gesagt hatte und zu hören bekommen hatte, war es dieser Satz des Purgitius Macer, der ihm in diesen Momenten durch den Geist hallte. Und das war doch reichlich verstörend für jemanden wie Sextus. Sein ganzes Leben hatte sich eigentlich in dem stetigen Wissen abgespielt, dass er besser war. Besser als seine unzähligen Geschwister, besser als diejenigen, die sich als seine Freunde wähnten. Besser als sein Vater. Mit unendlichem Selbstvertrauen war er bis hierher gelangt, stets der Vernunft und seiner Taktik folgend, und nun, einen Schritt davon entfernt, seinen Plänen endlich Werke folgen zu lassen, dachte er daran 'nichts dummes anzustellen'. Wie ein blutiger Anfänger. Wie ein gefühlsduseliges Weib! Und das war, mit Verlaub, sehr verstörend für jemanden, der die Ratio stets der Imagination vorgezogen hatte.


    Die wenigen Schritte nach vorne, nachdem sein Name aufgerufen worden war, nutzte Sextus dazu, die Punkte seiner Rede noch einmal durchzugehen. Er wollte schließlich nichts dummes anstellen. Und er würde nichts dummes anstellen, nicht so knapp vor dem Ziel! Ein letzter, tiefer Atemzug, und er begann.
    “Patres conscripti! Ehrenwerte Senatoren, ich danke euch für die Gelegenheit, in diesen Hallen das Wort an Euch zu richten.
    Ich bin Sextus Aurelius Lupus, ein Enkel des Claudius Aurelius Crassus, der einst die Reihen mit euch teilte. Viele Jahre hat er dem römischen Reich und dem Kaiser gedient, und stets hat er davon gesprochen, welch Ehre ihm dies war. Ich trete nun vor euch, mit der bescheidenen Bitte, mich seines großen Namens als würdig zu erweisen, indem auch ich den Weg des Cursus Honorum beschreite.“


    Eine kurze Pause, ein kleiner Atemzug. Nicht zu blumig werden, nicht zu sehr ausschweifen. Die Senatoren mussten den ganzen Tag schon Reden über sich ergehen lassen, er sollte nicht übertreiben. Nur nichts dummes anstellen.


    “Mein Vater ist Numerius Aurelius Fulvus. Meine Mutter ist Antonia Iavolena. Sie entstammt dem etruskischen Zweig der Familie, wodurch es mir erlaubt war, die Haruspizien zu studieren. Ich erhoffe mir, einen Platz im hiesigen Collegium einnehmen zu können, um so den Magistraten und den Göttern mit meinem Wissen dienen zu können.“
    Gut, die Haruspices waren nicht unbedingt die angesehensten Mitglieder der verschiedenen Collegia, aber sie waren ganz sicher mit die Nützlichsten. Für jede zweite Kleinigkeit brauchte man einen Haruspex, um sie gemäß den Regeln durchführen zu können. Sextus konnte nur hoffen, dass die Senatoren diese Nützlichkeit sehen würden. Oder aber, dass der Rest an Worten diesen Punkt unwichtiger werden ließ.


    “Den Großteil meiner Ausbildung in den artes liberales und der Philosophie erhielt ich in Athen, später schloss ich meine Studien in Alexandria ab. Nach Rom und damit zum Stammsitz meiner Gens kam ich während der Amtszeit des Consular Flavius Furianus. Ich hatte das große Glück, ein Tirocinium fori bei eben jenem zu absolvieren und so schon erste Einblicke in die römische Politik zu gewinnen, während ich ihm zur Hand ging.“ Da dieser mit seiner umstrittenen Reform nicht allzu weit kam, vielleicht nicht die beste Referenz, aber er hatte erste Eindrücke für die Politik sammeln können und machte so nicht den Eindruck, unvorbereitet hier zu erscheinen. Hoffte er zumindest.


    “Ebenso hatte ich das Glück, den ehrenwerten Senator Tiberius Durus als Patron zu gewinnen, auf dessen Rat ich sowohl in politischen wie auch in religiösen Fragen bauen kann.“ Immerhin war dieser der Pontifex pro magistro.
    “Daneben absolvierte ich den Cursus Res Vulgares mit Auszeichnung und vertiefte meine Kenntnisse religiöser Themen.“


    Nichts dummes anstellen. Es war beinahe geschafft. Seine Haltung war ruhig und gerade, seine Stimme laut und klar.
    “Wenn es mir gestattet ist, einen Amtswunsch auszusprechen, so fiele meine Wahl auf das Amt eines Decemvir litibus iucandis.“ Zu dem wieso sagte er nichts. Er wusste, dass es viel Arbeit war und viel Zeit beanspruchte, aber er wollte sich seinen weiteren Werdegang verdienen. Nur klang das doch ZU pathetisch, selbst für diese Hallen. Und es klang so gar nicht nach dem kalten Analytiker, der er eigentlich war und der Dinge aus kalter Berechnung tat. Es klang mehr nach jemandem, der etwas dummes tat.


    “Ich danke euch, dass ihr mir Gehör geschenkt habt, ehrenwerte Senatoren.“

    Seine erste Frage als rhetorische Floskel nehmend war Sextus froh, dass anscheinend seine Cousinen für Ablenkung gesorgt hatten. Selbst ohne ihre körperliche Präsenz schienen sie ein Talent dafür zu besitzen, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Und dieses eine Mal war Sextus ihnen dafür sogar so etwas ähnliches wie dankbar.


    Die Frage nach den Geschwistern schließlich lenkte das Gesprächsthema in seichtere Gefilde, und Sextus erlaubte sich ein leichtes Lächeln. “Ja, ich habe einige Brüder und Schwestern. Ältere wie jüngere.*“ Und beinahe ein Wunder, dass seine Mutter noch immer lebte, waren sie doch allesamt ihrem Schoß entsprungen. Aber er hatte seinen Namen nicht von ungefähr, wenngleich von seinen fünf äteren Geschwistern auch nicht mehr alle am leben waren. Zwei hatten nichtmal die ersten zehn Jahre ihres Lebens hinter sich gebracht.
    “Gibt es sonst noch etwas, das du von mir wissen willst, ehe du eine Entscheidung triffst?“


    Sim-Off:

    *Entschuldige an der Stelle die vage Antwort, aber wir haben an der Ecke des Stammbaums bewusst Platz für eventuelle Geschwister gelassen, falls jemand so ein Ekel wie Sextus mal zum Bruder haben möchte.

    Sextus lehnte sich an eine Säule am Rand des Atriums. Er musste hierbei nicht in erster Reihe stehen und Trauer heucheln, es reichte, wenn er sie durch seine Kleidung und Anwesenheit zeigte. Ein gutes hatte die Sache: Schwarz sah gar nicht mal so schlecht aus. Nur etwas trist.
    Die letzten Tage hatte er schon damit zugebracht, zu versuchen, seine Cousinen zu trösten. Diese nahmen den Verlust wohl am schwersten. Sextus vermutete dahinter eine weibliche Anwandlung, die einfach bei Tod mit Heulen reagieren musste. Eine seiner Schwestern hatte auch mal ein Kätzchen gehabt, und als das eines Tages tot dagelegen hatte, hatten alle seine Schwestern geheult. Selbst seiner Mutter war eine Träne entwichen. Das hier war wohl ähnlich, nur etwas größer. Und er konnte ja verstehen, dass man traurig sein konnte, wenn man eben ein gefühlskontrolliertes Wesen (also ein Weib) war. Nur machte es ihm die Situation nicht unbedingt leichter. Wie sollte er bitte seinen Status als mitfühlender Frauenversteher UND Kerl etablieren, wenn sich alles um ihn herum in Tränen auflöste und er nicht viel mehr als 'Es wird schon wieder gut' sagen konnte? Weiber...


    Und so überließ er den Platz in der ersten Reihe denen, die den Tod von Corvinus und Celerina beklagen wollten. Als Senator war es sowieso Avianus, der hier nun erstmal der Hausherr war und sich damit der Trauergemeinde stellen musste. Und die Frauen würde ohnehin da vorne niemand wegbekommen. Er hingegen konnte sich im Hintergrund halten und nur dann einspringen, wenn er gebraucht wurde.
    Eines wenigstens musste er Celerina lassen: Sie war eine hübsche Leiche. Gut, nun so kurz vor dem Trauerzug wurden hier und da schon Spuren ihres Totseins erkennbar, aber sie hielt sich gut. Auch nach den ganzen Tagen, in denen sie aufgebahrt war. Das Gift hatte sie nicht entstellt oder verfärbt, das musste er ihr anrechnen. Corvinus hingegen sah da schon etwas toter aus, so blass und blutleer. Ein sehr römischer Tod, zweifellos, aber dennoch war sich Sextus nicht sicher, ob er denselben Weg je gehen würde, wenn es wirkliche Gründe gab, das zu tun. Und nicht, weil die Frau einem Skandal ausgesetzt war, den man seiner Meinung nach hätte vertuschen können. Aber allzu sehr musste er sich mit diesem Gedanken ja auch nicht befassen. Vermutlich würde er ohnehin mit einem Dolch im Rücken sterben, da waren solche Gedanken dann überholt.


    Und so lehnte er da und beobachtete die Szenerie der Trauer mit mäßigem Interesse und zeigte eigentlich nur betroffene Präsenz im Sinne der gensbetreffenden Einigkeit.

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    Original von Claudia Antonia, Manius Flavius Gracchus, Aurelia Flora


    Das Kind schien abgelenkt, aber im Grunde war es Sextus ja auch gleich. Kinder waren... eben da, und man musste sie beachten, um bei den Eltern Pluspunkte zu sammeln. So einfach war das. Er lächelte also, auch noch, als die Mutter das Kind tadelte, dass man niemanden so anstarren solle. Sextus hingegen drehte sich nicht um, er war sich sicher, er würde den Grund des Starrens noch früh genug erfahren. Immerhin musste er heute jedem einzelnen Gast hier die Hand schütteln.
    Da versuchte er lieber den Worten zu folgen, die Flavius Gracchus für seine beiden Cousinen übrig hatte. Als er mit ihm vor einiger Zeit im privaten Gespräch war, hatte er noch angenommen, diese exakte und doch komplizierte Ausdrucksweise sei Teil seiner Amtssprache für Geschäftsanlässe. Doch jetzt wurde er eines besseren belehrt, anscheinend sprach der Flavier immer so. Was es notwendig machte, etwas mehr Konzentration auf das Gespräch als solches aufzuwenden, um nicht hinterher nur dümmlich grinsend über das Wetter zu palavern. Dennoch ließ er erst einmal Flora und Narcissa auf das Kompliment reagieren, ehe er selbst wieder etwas anbrachte und die beiden damit dann am Ende gar überging.
    Stattdessen beschwichtigte er lieber die besorgte Mutter mit einem galanten Lächeln. “Dein Sohn scheint ein aufgewecktes Gemüt zu haben.“ Dass er in seinem Alter irgendwen anstarrte, war Sextus eigentlich egal und es wäre ihm noch nicht einmal wirklich aufgefallen, so wenig Beachtung hatte er dem Kleinen im Grunde genommen geschenkt.

    Zitat

    Original von Aulus Flavius Piso
    ...
    Genug der Süßholzraspelei, dachte er sich. Er hüstelte zögerlich. “Ähm, bevor wir beginnen“, machte er mit gedämpfter Stimme, leicht gesenkten Kopfes, schließlich musste nicht jeder wissen, wovon er sprach, “es ist mir wirklich peinlich, Aurelius, aber ich würde dich gerne um etwas bitten. Auf dieser Feier treibt sich ein Germane, ein gewisser Duccius Vala herum, er dürfte von dir eingeladen sein. Denn ein Flavier hat den sicher nicht eingeladen.“ Er schaute auf und blickte dem Aurelier geradewegs in die Augen. “Dieser Germane ist ein gefährliches Subjekt. Ich nehme dir sicherlich nicht übel, dass du ihn geladen hast, schließlich weiß er seine niederträchtige Art und Weise gut zu verbergen“, beeilte er sich zu versichern. “Aber mir gegenüber hat er schon sein wahres Gesicht offenbart, und ich weiß, dass er nichts Gutes im Schilde führt. Aus diesem Grund habe ich ein unbezwingbar schlechtes Gefühl in mir drinnen. Deshalb möchte ich dich fragen, ob es möglich wäre, ihn zu entfernen? Nicht dass er noch ein Unglück provoziert oder die Pax Deorum stört.“...


    Leider kam Aetius noch nicht ganz dazu, zu antworten, als sein Sohn auch schon an ihn herantrat. Und hier im Zentrum der Aufmerksamkeit hatte Sextus noch weniger Möglichkeiten, zu reagieren, als damals schon im Theater. So blieb ihm nichts weiter, als zuzuhören.
    Aha. Mimimi, Vala ist gemein, mimimi, wirf ihn raus? Hatte er das richtig verstanden? Es war manchmal unglaublich, wieviel sich innerhalb des Bruchteiles einer Sekunde alles abspielen konnte. In diesem gerade mikrospkopischen Augenblick, nachdem Piso geendet hatte und bevor Sextus Reaktion einsetzte, kam ein ganzes Feuerwerk an Überlegung und Erkenntnis zum Tragen. Sextus widerstand der menschlichen Reaktion, sich nach dem Grund dieses Gespräches umzudrehen. Piso hatte glücklicherweise leise gesprochen, dass außer Sextus selbst, Nigrina und Aetius wohl niemand etwas davon mitbekommen haben dürfte. Und man musste ja nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf den Duccier lenken. Und Sextus verarbeitete einige Erkenntnisse. Der Mann, der es wagte, hier in TRAUER aufzukreuzen, sprach von einer möglichen Bedrohung der Pax Deorum wegen Vala. Der eigentlich nur herumstand und etwas zerschunden ausschaute, und dazu eine hochkarätige Begleitung an seiner Seite hatte, während der Flavier hier herumlief, als wäre diese Veranstaltung hier ein Unglück. Und jetzt, anstatt dass er ihn den Vertrag unterzeichnen und die Festivitäten einleiten ließ, hielt er ihn auf, weil er Vala für gefährlich hielt? Nun, Vala war gefährlich, doch bezweifelte Sextus ernsthaft, dass der Flavier davon auch nur das geringste mitbekommen hatte oder verstand. Andernfalls würde er hier nicht stehen und Sextus bitten, seinen eigens eingeladenen Gast rauszuwerfen.
    Sextus Reaktion also, die innerhalb eines Sekundenbruchteils einsetzte, war ein amüsiertes Lachen. Kein lautes Brüllen, kein abfälliges Schmunzeln, sondern just so ein perfekt geschauspielertes Lachen, als hätte Piso eben einen kleinen Scherz gemacht. Um das Ganze noch zu toppen – und um ihrer beider Gesicht zu wahren, immerhin stand man im Mittelpunkt – legte er dem Flavier brüderlich eine Hand auf die Schulter. “Was bin ich froh, dich bald meinen Schwager nennen zu können.“ Es war laut genug gesprochen, dass die Umstehenden es hören konnten, und freundlich genug, als dass sich niemand dabei etwas denken mochte. Außer Piso. Er patschte ihm einmal kumpelhaft auf die Schulter, ehe er die Hand wieder weg nahm. “Sei dir versichert, ich genieße diese Feier in vollen Zügen. Es ist einfach alles wundervoll. Auch wenn ich fürchte, meine Liebe“, und jetzt wandte er sich Nigrina zu, die hoffentlich mitspielte, um diese peinliche Szene ebenfalls zu überspielen. “...dass du mich arm machen wirst, wenn alle diene Feste so herrlich sind. Auch wenn du es zweifellos wert bist.“ Ein kleiner, nicht übertriebener Handkuss, womit die Sache hoffentlich nun ausgestanden war. Deutlicher musste er dem Flavier wohl nicht klarmachen, dass er seiner Bitte ganz sicher nicht nachkommen würde. Es ging um einen geladenen Gast, bei Iuppiter! Er hatte dasselbe Gastrecht, wie jeder andere hier auch, und er würde ihn ganz sicher nicht rauswerfen, nur weil es einem anderen Gast – und in diesem Fall war Piso nichts anderes – nicht passte, dass er anwesend war. Und im Gegensatz zu Piso hatte seine bloße Anwesenheit ihn auch noch nicht beleidigt. Dass er es wagte, von schlechten Omen zu reden, in seiner Aufmachung, grenzte an Tollheit.
    Aber Sextus gab sich ruhig, betrachtete seine Verlobte, als wäre er ihr durchaus freundlich zugetan, und hoffte, dass Aetius nun einfach die vermaledeiten Verträge auf den Tisch packte und die Sache damit final machte.

    Er mochte diese Frau. Vor allem die Bilder, die sie in seinen Geist pflanzte. Sein Grinsen wurde etwas breiter, bis er schließlich verteidigend die Hände heben musste. “Oh, Sabina, ich wasche meine Hände in Unschuld. Es war die Entscheidung meines Vaters. Du weißt ja, was man manchmal alles der lieben Verwandten wegen über sich ergehen lassen muss.“ Und damit meinte er nichtmal Vala, immerhin hatte er keine Ahnung, weshalb sie ihn begleitete. Er hatte eine Theorie, aber die hatte ein paar entscheidende Schwachstellen: Der Duccier konnte nicht so ein Glückspilz sein, die Vinicia rangierte etliche Stufen über ihm und sie war wie er selber, nur als Frau. Das schloss irgendwelche Gefühle gegenüber Vala aus.
    Er neigte sich leicht in ihre Richtung, um etwas leiser sprechen zu können. Vala würde es zwar ohne Zweifel dennoch hören, aber nicht der Rest des Raumes, der heute an seinen Lippen zu hängen schien. “Athen hat aus mir sicher vieles gemacht, nur hat es das, was ich war, sicher auch nie ausgelöscht. Nenne es eine Erweiterung meines Repertoires. Und du bist atemberaubend, da muss ich nicht schmeicheln.“ Ein wölfisches Lächeln in ihre Richtung, ein unausgesprochenes Angebot, ehe er sich wieder etwas zurückzog. Zwar war Vala momentan kein Gegner, doch mochte sich das noch sehr schnell ändern und sich weniger auf der armierten Ebene physikalischer Gesetzmäßigkeiten abspielen als vielmehr politisch. Und da brauchte er den Duccier noch, und da hatte er auch ganz klare Prioritäten. Kein Weib, egal wie lockend, war so berauschend, dass er dafür sein Ziel aus den Augen verlieren würde.
    Vala brachte schließlich eine gepresste Erklärung hervor. Straßenköter also? “Wenn ich nicht wüsste, du würdest es sowieso ausschlagen, würde ich dir meine Unterstützung bei der Jagd anbieten. Doch für manche Dinge benötigt ein Wolf kein Rudel.“ Das war nichts weiter, als ein 'Falls du es dir überlegst, kann ich dir vielleicht einen Gefallen tun' in andere Worte verpackt. Und Vala würde ohnehin nicht darauf eingehen, daran hatte Sextus keinen Zweifel.


    Er wollte gerade noch etwas anfügen, als ein Sklave lautstark seine Gleich-Verlobte ankündigte. Wie der Rest des Raumes verstummte auch Sextus und sah hinüber zu dem Eingang, wo seine Verlobte an der Seite ihres Bruders erschien. Verdammt, irgendwie war er schon ein Glückspilz. Wenn sie sich nicht gerade als frigide und unfruchtbar entpuppte oder von der charmanten Frau, die er im Theater kennengelernt hatte, zu einer Furie mutierte, würde die Ehe wohl durchaus aushaltbar sein. Sie war definitiv ein Blickfang, und wenn sie das bleiben würde, würde er sicher noch vieles dank ihr erreichen können.
    Nur ihr Bruder brachte in Sextus den Reflex hervor, sich mit der Hand einmal klatschend auf die Stirn zu packen. Trauer. Dieser verweichlichte, zum erbrechen romantische und mit dem Mut eines Huhns ausgestattete Typ trug tatsächlich Trauer. Auf einer Sponsalia. Trauer. Er. Der Drang, sich auf die Stirn zu klatschen wurde abgelöst von dem Wunsch, ihn eigenhändig zu erwürgen. Zum Glück war der Haruspex Primus noch nicht unter den Gästen, denn sonst wäre sein Eintritt in das Collegium unter Umständen extrem teuer geworden angesichts eines so leicht als schlechtes Omen zu erklärenden Auftritts. Aber eines war sicher, bei passender Gelegenheit bekam er das zu spüren.
    Sextus also machte gute Miene zum bösen Spiel, behielt ein ganz leichtes Lächeln beim Anblick seiner Zukünftigen und wandte sich an seine Nähere Umgebung. “Ihr entschuldigt mich, aber ich fürchte, das folgende geht nunmal nicht ohne meine Anwesenheit.“
    Er drehte sich also seinem Schwiegervater in spe und Nigrina zu und machte einen Schritt in ihre Richtung. Hier lag nun das Zentrum der Aufmerksamkeit des ganzen Raumes. Hier könnte er sich wohl fühlen.
    “Ich danke dir, Flavius Aetius, dass du mir dieses Juwel anvertraust.“ Er wartete, bis sich Nigrina ihm wirklich an die Seite gestellt hatte und ihn begrüßte. “Scheint so, meine schöne Jägerin. Und wenn es mir erlaubt ist, das zu sagen, siehst du noch strahlender aus als an jenem Abend bereits.“ Und das tat sie tatsächlich. Vermutlich auch, weil an diesem Tag ihr Erscheinungsbild deutlich durchgeplanter war als an jenem Abend vor einigen Wochen noch.
    “Nun, Flavius, ich will sicher nicht ungeduldig erscheinen, aber angesichts solch reizender Aussichten und unseres sicher gespannten Publikums stelle ich dennoch die frage: Wollen wir?“

    War da leichte Anspannung im Raum? Sextus konnte nur hoffen, nichts falsches gesagt zu haben. Nicht wegen Avianus, sondern wegen der Möglichkeit, dass sein Vetter ihm selbst nun alles versaute, weil sein Patron wütend auf Avianus war. Dennoch nickte Sextus nur einmal leicht, als wäre nichts weiter gewesen.
    “Dann bleibt mir nichts, als dir für deine Zeit zu danken. Ich hoffe, ich sehe dich und deine Gemahlin vor der Wahl bei der Sponsalia. Es wäre mir eine große Freude. Vale bene, Senator.“ Und damit verabschiedete sich Sextus auch schon, um den Purgitier seinen Tagesgeschäften zu überlassen.

    Ruhig Blut, ruhig Blut. Dieses Gespräch war doch irgendwie komplizierter, als er es angenommen hatte. Die Fragen des Senators erschienen ihm nicht wirklich zusammenhängend, aber gut, wenn er dadurch dessen Stimme bekam...
    “Wie ich schon sagte, er unterstützt mich nach Kräften, ebenso wie er meinen Cousin Orestes schon bei all seinen Tätigkeiten unterstützte und sich auch um meine liebreizenden Cousinen kümmert.“ Die auch ein hervorragendes Ablenkungsthema bildeten. “Und ja, ich glaube, sie sind näher mit deiner Frau bekannt. Sie erwähnen sie das ein oder andere Mal bei der Cena. Ich denke also, dass es durchaus zutreffen mag, dass du sie bei eurer Hochzeit gesehen hast. Als Zwillinge fallen sie doch recht auf.“

    “Das werd ich, ganz sicher“, meinte Sextus und zeigte ein wenig taktischer Freude, ohne dabei aber allzu dankbar zu erscheinen. Dafür machte er doch zu sehr den Eindruck des namensgebenden Tiers seines Cognomens.
    “Und nein, ich weiß noch von keinen anderen Kandidaten. Mein Vetter Avianus überlegt wohl, eventuell ebenfalls zu kandidieren, allerdings wird er sich sicher mit dir da noch in Verbindung setzen, wenn seine Überlegungen über bloße Gedanken hinausgehen sollten.“ Immerhin war der Purgitius sein Patron. Aber ansonsten hatte er noch von keinen namhaften Kandidaten bislang gehört.

    Nach zahlreichen Händen und Glückwünschen war seine Anvertraute noch immer nicht zu sehen. Aber Sextus machte das beste daraus, nickte hier, schüttelte dort, scherzte, war ernst, stellte vor, ließ sich vorstellen, schüttelte noch mehr Hände und übte sich ein wenig im Reden über Belanglosigkeiten und dem unauffälligen Werben von Stimmen. Zumindest, was das Politische betraf, war diese Sponsalia das beste, was ihm überhaupt passieren konnte. Neben den viele Freunden des Flavius Aetius mit zweifelhaftem Ruf und noch zweifelhafteren Methoden – die Sextus sich aber dennoch für zweifelhafte Taten zu merken gedachte – gab es hier mehr als genug Senatoren, denen er sich vorstellen konnte. Perfekt, wenn man gerade in Wahlvorbereitungen steckte und den eigenen Namen etwas bekannter machen wollte. Im Grunde fehlte zu seinem absoluten Glück nur noch der Consul und der Haruspex Primus. Sollte er die beiden noch erfolgreich einlullen können, seine Pläne für die nächste Zeit würden besser als gedacht gedeihen.


    So verabschiedete Sextus gerade einen Antonier, der sogar über fünfzig Ecken mit seiner Mutter verwandt zu sein schien und nicht müde geworden war, das zu betonen, als ihm jemand entgegenkam, der nur aus einem Grund hier war: Sextus tat ihm einen Gefallen, um ihm Gegenzug einen anderen zu erhalten. Nur, bei den Göttern, welcher Wagen hatte ihn überrollt? Er sah schrecklich aus.
    “Duccius, schön, dass du hergefunden hast und danke für diese so eloquent vorgebrachten Glückwünsche.“ Er entgegnete seine Worte ebenso trocken, wie er die Glückwünsche erhalten hatte. Direkt darauf aber verzog er seinen Mund zu dem breitesten Lächeln, dessen er imstande war. Die Begleiterin des Ducciers war ihm wohlbekannt. Und verdammt, er hatte fast vergessen, wie sie sein konnte, wenn sie wollte. “Vinicia Sabina, lass dich anschauen. Zu sagen, dass du umwerfend aussiehst, wäre zu untertrieben, um meinen Eindruck auch nur annähernd anzureißen.“ Er ließ seinen Blick unverholen von oben nach unten an ihr entlang gleiten, und schüttelte lächelnd dann den Kopf. “Ich glaube, du bist die einzige Frau, für die ich wahrlich keinen passenden Vergleich habe. Löwin, Tigerin, doch alles graue Kätzchen im Vergleich zu dir.“ Zum Glück war Nigrina nicht da, ansonsten hätte er auf diesen doch sehr anregenden Wortwechsel verzichten müssen. Der Duccius hingegen störte ihn dabei keineswegs. So ramponiert, wie er wirkte, schon zweimal nicht.


    Die Nymphe von vorhin schob sich vorsichtig näher und blieb fast in Griffweite stehen. Sextus schaute kurz zu ihr herüber, aber es war wohl nicht er, dem ihre Aufmerksamkeit galt. Das wäre dann auch eine zu herrliche Zwickmühle geworden, würde Venus ihm heute so viele schöne Frauen vor die Nase setzen, die ihn wollten, wenn er doch gerade heute dieser Leidenschaft nicht nachgeben durfte. Zumindest nicht, bis die Feier vorbei war.
    “Doch sag an, Duccius, unter welchen Ochsenkarren bist du geraten? Du wirkst wie Vulcanus an der Seite der Venus. Die Flavier haben auch sehr bequeme Sitzgelegenheiten, wenn du dich ausruhen möchtest...?“ Das war eigentlich keine Sorge um Vala, die da aus Sextus sprach. Eher die Sorge, was für Gerede es gab, wenn ein Gast hier auf dieser Feier erst herbeigehumpelt kam und schließlich auf dem Boden zusammenbrach. Ein schlechtes Omen konnte Sextus nicht gebrauchen.

    Immer mehr Leute erschienen. Nur seine Verlobte ließ auf sich warten. Sextus hoffte, dass sie nicht wartete, bis wirklich alle Gäste eingetroffen waren und er die ganzen Glückwünsche noch einmal über sich ergehen lassen musste. Außerdem sah das ganze weit repräsentativer aus, wenn sie sich bereits an seiner Seite befand. Doch noch hatte er kein Glück, und nachdem Flavius Aetius die Gäste begrüßte, wanderten diese schnurstracks zu ihm weiter. Allerdings hatte es auch eine sehr positive Seite: Er war den Geldverleiher mit seiner aufdringlich unaufdringlichen Art losgeworden.


    Der Raum füllte sich langsam, und sein Patron brachte eben einen Segensspruch auf das Paar aus, ehe er von Flavius Aetius auch schon begrüßt wurde. Sextus nickte ihm kurz zu, dann stand auch schon der nächste vor ihm, der ihm die Hand reichen wollte.
    Zum Glück erschien direkt darauf Flavius Gracchus nebst Gemahlin und Sohn und gab ihm damit jemanden an die Hand, der ihm nun doch einen Vorteil verschaffen konnte. Sofern sich der Senator an sein Versprechen noch erinnerte, ihm nach erfolgter Verlobung zu helfen, dem Collegium Haruspicium beizutreten.
    “Salve, Flavius, und danke für das herzliche Willkommen.“ Nun streifte Sextus Blick die strenge Schönheit an der Seite des Flaviers. Ein hübsches Weib, der man das edle Blut sofort ansehen konnte. “Claudia, es ist mir eine besondere Freude. Dein Mann muss sich besonders glücklich schätzen, eine solche Schönheit an seiner Seite zu wissen.“ Er hätte noch viel blumigere Worte wohl sagen können, nur hatte er den Flavier nicht als humorvolle Person kennengelernt. Und er wollte es sich mit ihm nicht verscherzen, nur weil er mit dessen Frau flirtete. Noch dazu, auf seiner eigenen Sponsalia, bei der er mit einer Verwandten eben jenes Mannes verlobt werden sollte.
    Aber es gab ja noch das Kind. “Salve, junger Mann. Amüsierst du dich gut?“ Sextus gab sich nett und freundlich. Er hasste Kinder ja. Diese Minihektiker mit maximaler Durchschlagskraft waren bestens dazu geeignet, einem Mann das Leben schwer zu machen. Wären sie für einen Stammbaum nicht unablässig und ein eigener Sohn nicht so vorteilhaft, Sextus hätte keine Verwendung für sie allgemein. Dennoch hieß das nicht, dass er das nach außen auch zeigen musste, schon gar nicht, wenn es um den Sohn eines potentiellen Verbündeten ging.


    Aus den Augenwinkeln entdeckte er da gerade seine beiden Cousinen. Als Zwillinge waren sie immer recht auffällig, wo sie auch hingingen, da war es nicht weiter schwer, sie auch hier auszumachen. Vor allem, da sie auf ihn zutraten. “Flavius, Claudia? Ihr kennt meine liebreizenden Cousinen? Flora und Narcissa?“ Als die Mädchen näher gekommen waren, stellte er sie gleich vor. Dabei war er sehr sicher, was die jeweiligen Namen anging. Regel Nummer 1 bei Zwillingen war: Nie verwechseln! Egal, was auch passierte, egal, wo man auch war, und sei es mitten in einer Keilerei, wenn man blutend zu Boden ging: Nie verwechseln! Und wenn man eine Weile mit Zwillingen verbrachte, dann sah man auch die kleinen Unterschiede, bis man schließlich zu dem Punkt gelangte, wo man nicht einmal mehr fand, dass sie gleich aussahen.
    Und so war es auch hier. Inzwischen konnte Sextus die beiden einfach auseinander halten. Wenn er eine von beiden allein erwischte und sie ihn fragte, wie er das machte, antwortete er jedes Mal mit dem Brustton der Überzeugung: “Ist doch ganz einfach: Du bist die Hübschere.“ Normalerweise hatte das ein belustigtes Kichern zur Folge, das er mit einem breiten Grinsen quittierte.
    Nun, im Moment grinste er nicht, sondern stellte die beiden nur vor. “Meine Diamanten, das ist Senator Flavius Gracchus, seine geehrte Gemahlin Claudia Antonia und ihr Sohn, Flavius Gracchus Minor.“

    Das war wiederum eine etwas schwierigere Frage. So genau wusste Sextus das selbst nicht. Im Grunde teilten sie denselben Namen und hatten irgendwo gemeinsame Vorfahren, aber das genau zu erörtern, das bedurfte wohl eines Ahnenforschers.
    “Ich fürchte, nicht allzu eng. Ich entstamme demselben Zweig der Aurelier, dem auch Aurelius Orestes oder die Zwillinge, Aurelia Flora und Narcissa, entstammen. Ursus und ich bezeichnen uns als Vettern, auch wenn die tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnisse wohl etwas komplizierter sind, als dieses Wort es vermuten lassen mag.“ besser konnte Sextus das auch nicht beantworten. “Allerdings verbindet uns dennoch mehr, als es dieser Verwandtschaftsgrad schließen lassen könnte. Er unterstützt meine Kandidatur nach Kräften.“ Sextus wusste ja, dass er dem Senator hier auch bereits einen Brief geschrieben hatte. Und er war sich sicher, auch sonst [strike]ihn ausnutzen[/strike] auf seine Hilfe zählen zu können.

    Das war ein ja! Nun erlaubte sich auch Sextus, etwas zu lächeln als Erwiderung des Scherzes, wenn auch nicht zu stark. Man war ja kein Weib, das in stupides Grinsen verfiel.
    “Ich habe es zumindest nicht vor. Mögen die Götter geben, dass es auch nicht passiert.“ Oh nein, Sextus würde sich gründlich auf seinen Vortrag im Senat vorbereiten. Es würde nichts dummes dabei passieren. Davon war er felsenfest überzeugt.
    “Dann danke ich dir, Senator Purgitius. Gibt es etwas, das ich für dich noch tun kann?“ Geben und nehmen, so funktionierte alles in Rom. Und auch, wenn Sextus nicht glaubte, dass es etwas gäbe, fragen musste er schließlich.

    Ein Bote brachte einen Brief zum Haus des Konsuls, den er an der Porta dem Ianitor überreichte.



    Ad
    Consul Aemilius Cerrinius
    Casa Aemilia
    Roma, Provincia Italia


    Sei gegrüßt ehrenwerter Consul Aemilius,


    da du sicherlich vor der Wahl viel zu tun hast, möchte ich dich nicht nicht von deinen wichtigen Terminen abhalten und deine Zeit mehr als nötig beanspruchen, daher wählte ich den Weg des Briefes.
    Ich, Sextus Aurelius Lupus, Sohn des Numerius Aurelius Fulvus, Enkel des Claudius Aurelius Crassus gebe also hiermit meine Kandidatur zum Vigintivir bekannt. Das Amt des Decemvir litibus Iucandis würde ich bevorzugt anstreben, doch werde ich jedes Amt, das der Senat für mich beschließen könnte, mit Freuden annehmen. Ich bitte, in dieser Angelegenheit zur rechten Zeit vor den Senat treten zu dürfen, um mein Anliegen in Person vorbringen zu können.


    Mögen die Götter dich stets beschützen!


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    Nachdem er nun endlich vorgelassen wurde, bemühte sich der Bote, nicht ganz so abgehetzt auszusehen. Er klopfte sich noch kurz den Staub leidlich von der Kleidung (was allerdings nur dazu führte, dass sein Aufzug nun staubige Flecken anstatt einer geschlossenen Staubschicht aufwies) und trat ein.
    “Legatus Aurelius, ich habe eine dringende Nachricht von eurem Vetter Aurelius Lupus aus Rom“ fing er auch schon ohne Umschweife an, nachdem er den Aurelier mit einem knappen Salut gegrüßt hatte. Es brachte nichts, erst auf die „Was willst du“-Frage zu warten. Sein Auftraggeber hatte ihm eingebläut, wie der Wind zu reiten. 4 Pferde hatte er verbraucht, und geschlafen hatte er nicht. Aber seine Belohnung war stattlich.


    Er hielt eine versiegelte Rolle vor sich, so dass der Senator sie nehmen konnte, und verneigte sich dabei respektvoll. Er hatte keine Ahnung, was in der Rolle stand, nur, dass er auf Antwort warten solle. Und den Brief nur persönlich übergeben sollte.



    Vetter,


    verzeih die eilig niedergeschriebenen Zeilen und die knappe Begrüßung, aber für höfliches Geplänkel bleibt keine Zeit. Es ist schreckliches passiert.
    Marcus hat sich das Leben genommen. Die Sklaven fanden ihn, ein Dolch im Herzen. Wieso er das getan hat, das wissen nur die Götter. Aber ich vermute, er wollte dem Skandal um seine Frau entgehen. Celerina war in die Vorfälle bei den Nemoralia verwickelt. Ich weiß nicht, was geschehen ist, nur dass sie sich im Haus meines Patrons das Leben noch an dem Abend genommen hat. Marcus brachte sie von dort nach Hause, wo sie aufgebahrt wurde, anstatt bei den Flaviern aufgebahrt zu werden, wie es Sitte und Recht gewesen wäre. Und einen Tag später nahm nun er sich das Leben.


    Ich muss dir denke ich nicht die Wichtigkeit der nächsten Tage vor Augen führen. Ich denke, alle sind sich einig, dass nichts davon an die Öffentlichkeit dringen darf. Weder davon, dass Celerina im Haus des Pontifex pro magristro gestorben ist, noch, dass Marcus sich deshalb das Leben nahm.


    Ich versuche, die Frauen hier in ihrem Kummer zu trösten, so gut es geht. Nur denke ich, es ist notwendig, dass du möglichst rasch nach Rom kommst, um der ganzen Gens Halt zu geben und ein Zeichen nach Außen zu setzen. Ich weiß, es ist dir nicht gestattet, das Pomerium zu betreten, aber zumindest bei der Beerdigung in sieben Tagen auf der Gräberstraße wäre deine Anwesenheit nicht nur persönlich, sondern politisch mir ein großes Anliegen.


    Verzeih, wenn diese Zeilen harsch erscheinen, aber die Sonne über der Aurelia ist im sinken begriffen, und ich versuche, möglichst viel von ihrem Feuer für uns zu retten. Den Boten habe ich angewiesen, auf Antwort zu warten, so du ihm eine mitgeben möchtest.


    Vale,


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