Beiträge von Sextus Aurelius Lupus

    Der Bote war abgehetzt und müde, seine Kleidung von oben bis unten mit einem feinen Film Reisestaub bedeckt. Welche Farbe seine Kleidung auch gehabt haben mochte, jetzt war sie graubraun. Sein Pferd zitterte leicht, als es am Tor anhielt. Es schwitzte, die Flanken waren nass. Noch ein wenig mehr, und Schaum würde sich auf dem Fell zeigen, und noch etwas mehr, und es würde unter seinem Reiter zusammenbrechen. Der Atem ging schnaubend und zittrig. Mit dem würde der Bote sicherlich nirgends mehr hinreiten.


    Er blieb auf seinem Pferd sitzen und wandte sich an die Wache. Seine Stimme war kratzig vom Reisestaub, und immer wieder räusperte er sich. Die Übermüdung war dem Mann deutlich ins Gesicht geschrieben. “Ich habe eine dringende Nachricht für den Legatus Legionis Aurelius Ursus. Für ihn persönlich.“ Dass es eilig war, musste er bei seinem Aufzug wohl nicht hinzusetzen.

    Dieser verdammte Idiot! Dieser verdammte, feige Idiot! Sextus stand da, nackt, an den Fensterrahmen gelehnt, und schaute hinaus in die Dunkelheit. In einer Hand hielt er einen Becher Wein, nur leidlich verdünnt, die andere lag auf dem kühlen Stein. Hinter ihm brannte nur eine einzelne Lampe, deren Licht nicht bis zu ihm herüber reichte.
    Er hörte hinter sich das Atmen der Sklavin, die noch auf seinem Bett lag. Dieses ängstliche Keuchen, erstickt in dem verzweifelten Versuch, möglichst leise und unauffällig zu sein, als würde er vergessen, dass sie da war, wenn sie nur still genug war. Er hatte noch ihren Geruch in der Nase, sein Körper dampfte noch die Beschäftigung der letzten Stunden aus. Es war nicht zärtlich gewesen, und nicht sehr erfüllend. Er hatte nur einen Weg gebraucht, sich abzureagieren. Macht auszuüben. Aber wirklich zufrieden war er nicht.
    Warum nur musste das ausgerechnet jetzt passieren? So kurz, bevor die Wahl anstand! Hatten die beiden nichts besseres zu tun gehabt? Celerina, diese verführerische Hexe. Anstatt, dass sie sich irgendwo ein schönes Bordell sucht und sich dort vorzugsweise mit ihm des Ehebruchs schuldig gemacht hatte, hatte sie geweihten Boden nutzen müssen. Wobei noch nicht feststand, was dort nun eigentlich genau passiert war, aber das war Sextus auch völlig gleichgültig. Entscheidend war nur, dass sie sich umgebracht hatte, und ihre Sklaven hatten es ihr gleich getan. Auch noch im Haus seines Patrons! Als wäre die Tatsache, dass sie es getan hatte, nicht schlimm genug! Man musste kein Genie sein, um zu sehen, dass es mit dem Nemoralienvorfall zusammenhing. Sie war dort gewesen, das stand fest. Und danach war sie zum Pontifex pro magistro gebracht worden. Das wussten zumindest die Personen hier im Haus. Allzu große Gehirnwindungen musste man da nicht anstrengen, um Schlüsse zu ziehen. Und DAS war etwas, das absolut nicht ging. Nicht vor der Wahl.
    Vielleicht, wenn sein Patron und das Collegium Pontificium mitspielten, konnte man es so darstellen, dass sie einfach von dieser rasenden Rinderherde getroffen worden war und dabei verstorben war. Das mit dem Tiberier wusste kaum einer. Das konnte man hinbiegen. Das würde gehen, und wenn dafür etwas Geld zu fließen hatte. Aber es durfte ganz sicher NICHT bekannt werden, dass Celerina irgendwie in den Vorfall verwickelt war. Schon zweimal nicht, da er sich jüngst mit Nigrina verlobt hatte. Er konnte niemanden aus der Familie einer Frevlerin heiraten. Das wäre Gift für seine Reputation.


    Aber das war nicht das eigentliche Problem. Das konnte man hinbekommen. Das Problem war Corvinus. Musste der sich umbringen? Wieso? Wegen einem Weib, das ihm Hörner aufgesetzt hatte? Wegen des Skandals? Das war lächerlich! Absolut lächerlich! Der Mann war Senator, war Ädil gewesen, war Pontifex. Warum bei Plutos haarigen Eiern hatte er es für nötig befunden, sich umzubringen? Man sollte ein wenig Durchsetzungsvermögen von jemandem in seiner Position erwarten können, aber nein. Anstatt das ganze wie ein Mann zu regeln und an den richtigen Stellen Drohungen sprechen zu lassen, wo Bestechungen nicht wirkten, musste er ihm die Wahl versauen!
    Und mehr noch, sein Tod vereitelte auch noch weitere Pläne. War ja nicht so, dass er Corvinus für gar nichts gebraucht hätte. Für eine Sache hatte er ihn sogar ganz konkret gebraucht, und diese hieß Prisca. Wenn jetzt Ursus ihr Tutor wurde, war seine schöne Abmachung bezüglich eines Gefallens hinfällig. Außer aber, sein Vetter war so großzügig, ihr doch noch eine Heiratserlaubnis zu erteilen, dann könnte er unter Umständen das ganze so darstellen, als sei das auf seinem Mist gewachsen. Dass er mit Corvinus gesprochen hatte, das war ja offenkundig gewesen. Das würde auch Prisca wissen. Nur waren dann ja diese prügelnden Inventarträger hereingeplatzt, denen Sextus, wäre es nach ihm gegangen, die Haut in Streifen hätte abziehen lassen.


    Er nahm noch einen kräftigen Schluck Wein. Sein Kopf wurde langsam schwerer davon, nur seine Wut linderte das Getränk nicht. Er musste etwas tun. Verdammt, er konnte jetzt nicht untätig herumsitzen. Schon zweimal nicht, wenn jede verschwendete Minute gegen ihn arbeitete. Er hasste es, keine Kontrolle zu haben. Er hasste es, wenn seine Pläne nicht funktionierten.
    “Bring mir was zu schreiben“ meinte er düster, ohne sich nach dem Mädchen umzudrehen. Er hörte ein kurzes Rascheln der Decke, als sie sich erschreckt kurz bewegte, dann aber Stille. Kein Tappsen von Füßen auf dme Boden, keine Bestätigung. “Na, wird’s bald?“ drehte er sich um und warf den mittlerweile leeren Weinbecher nach ihr, der sie am Arm traf, als sie aus dem Bett aufsprang. Eilig schnappte sie sich ihre Tunika und streifte sie über, um mit hastigen Schritten das Gemach zu verlassen. “Und bring frische Laken mit!“ rief er ihr noch unerfreut hinterher, ehe er sich wieder der Dunkelheit vor dem Fenster zuwandte. Er würde Ursus schreiben müssen. Nein, mehr noch, einen Boten schicken, gleich noch heute Nacht. Er brauchte jetzt hier einen starken Fürsprecher mit der Macht, das alles zu vertuschen, und vorzugsweise jemand aus der Familie, der kein Vermögen kosten würde.

    Dieser Mann hatte ein Talent dafür, sich so auszudrücken, dass sein Gegenüber nicht wusste, worauf er hinaus wollte. Eine Fähigkeit, die sicher bei der ein oder anderen Debatte im Senat durchaus nützlich war, die Sextus im Moment aber eher als störend empfand, da sie ihn traf. Es wäre um vieles einfacher, wenn er wüsste, was dieser Mann hören wollte, nur konnte er leider, leider keine Gedanken lesen.
    “Nun, was möchtest du wissen? Ich bin Enkel des Aurelius Crassus, der seinerzeit die Ehre hatte, LAPP verschiedener Provinzen zu sein. Meine Mutter ist Etruskerin, weshalb ich die Haruspizien studiert habe und mich aktuell darum bemühe, im Collegium aufgenommen zu werden. Den Großteil meines Lebens und meiner Studien verbrachte ich in Athen, geboren wurde ich allerdings in Rom.“
    Für einen angehenden Haruspex war es vielleicht eine Schande, aber was gäbe er darum, in diesem Moment ein paar Zeichen zum Lesen zu erhalten! Aber dieser Plebejer machte es ihm wahrlich nicht einfach. Sextus versuchte einfach, das beste daraus zu machen und gab sich so locker wie eh und je.

    “Während der Amtszeit des damaligen Consuls Flavius Furianus, bei dem ich das Glück hatte, ein Tirocinium fori zu machen, führte mich mein Weg zurück nach Rom“, beantwortete Lupus die Frage. Zeit genug, um sich auf einen Wahlkampf vorzubereiten und ein wenig die römischen Machtverhältnisse zu klären. Fast schon zu viel Zeit, wenn man es genau nahm, um untätig zu sein, und doch erschien es ihm, als sei es gar nicht so viel Zeit im Endeffekt gewesen.

    Das Zuhören erwies sich wirklich als recht aufschlussreich. Ohne irgendetwas preiszugeben, erhielt Sextus einiges an Informationen, und das, indem er einfach ruhig da saß und die Klappe hielt. Wie hieß es so schön? Reden war Silber, Schweigen Gold.
    Der Pompeier war etwas übereifrig und forderte alle zur Meinungsabgabe auf. Und auch, als diese geschehen war, trieb er die Runde voran, indem er selbst einiges an Informationen über sich preis gab. Der Quintilier hingegen gab sich schon bedachter. Ohne selbst groß Einblicke in seine Verbindungen zu gewähren, stellte er gleich die Notwendigkeit eben davon subtil heraus und gab damit Aufforderung an die anderen. Vor allem verlangte er sehr exakte Angaben zu den Dingen, die wohl kaum einer hier so offen ausbreiten würde. Nun, außer der Pompeier, der ein scheinbar großes Eigeninteresse an der Sache hatte, wenn er so bereitwillig mit allen teilte.
    Der Claudier hingegen war beinahe amüsant. Und auch informativ, auch wenn er so nichts sagte, aber es waren die Kleinigkeiten, die seine Aussage so aufschlussreich machten. Er sprach von Ehrenkodex. Gut, dass Sextus seine Lektion in Dingen der Stoa gelernt hatte und nicht seinem Instinkt folgte. Ehrenkodex war etwas, das in seinem Begriffshorizont einfach nicht vorkam, nicht viel mehr als eine bloße Hülle, um eine Rechtfertigung für gewisse Taten zu haben, die logisch betrachtet Unsinn waren. Um künstliche Vertrautheit und Verlässlichkeit auf unsicherem Gebiet zu erschaffen und so eine gemeinsame Basis miteinander zu fundamentieren im Vertrauen darauf, dass der andere diese ebenso beachtete wie man selbst. Aber was sollte man denn machen, wenn der andere eben nicht so ehrenhaft war wie man selbst? Weinen und es Mutti petzen? Nein, Sextus vertraute nur sich selbst vollkommen, und allen anderen in den Bereichen, in denen es unablässig war. Von daher war Ehre für ihn nur ein hohles Wort, das einen Vorgang zur Schaffung einer Vertrauensbasis beschrieb, die er nur bedingt als nützlich erachtete.
    Aber allein, dass er diese Frage stellte, hieß für ihn, dass dieser Mensch noch einige Skrupel besaß und an solche Dinge glaubte – oder aber geschickt und subtil eben diesen Eindruck erweckte. Und die zweite fundierte Annahme, die er tätigen konnte: Der Claudier, der Quintilier und der Duccier kannten sich schon. Er und der Pompeier waren scheinbar dazugeladen worden, diese drei aber waren einander näher bekannt. Der Claudier sprach nur den Pompeier und ihn an. Sonst niemanden. DAS wiederum war doch eine Information, die beachtenswert war.
    Dennoch entbrannte in Sextus der Wunsch, den Claudier spöttisch zu fragen, was er denn vorschlage: Fragebögen oder doch eher einen ausgearbeiteten Lebenslauf in dreifacher Ausführung, das blaue Formular abzugeben an Schalter 35, zu erfragen beim Pförtner? Doch dazu kam es nicht, da wie bereits erwähnt der Pompeier sich ereiferte, möglichst viel zu reden und dabei möglichst wenig zu sagen. Kenntnisse über die gesamte römische Befehlsstruktur? Das war vermutlich der Euphemismus für „Einsicht in die Mannschaftslisten“. Gut, Kanzlei und Classis war nicht schlecht. Da er als Patrizier aber nicht zwingenderweise ein Militärtribunat zu übernehmen hatte auf seinem Weg in den Senat, für ihn persönlich zweitrangiger als für den Quintilier oder den Duccier.
    “Deine bereits erwähnten Feinde wären aber fast interessanter, Pompeius, wenn diese es wagen, einem so engen vertrauten des Praefectus Urbi in die Quere zu kommen.“ Sextus' Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass diese Bemerkung durchaus spöttisch gemeint war, allerdings hatte seine Stimme und auch seine Gestik nichts abfälliges dabei. Selbst wenn es ihn amüsierte, wie sich das alles hier entwickelte.
    “'Kennenlernen' dürfte etwas schwierig werden, denn ich bezweifle nicht, dass unser gemeinsamer Freund Vala hier alle sorgfältig ausgewählt hat. Und bis ich euch nahe genug kenne, um mir selbst ein Urteil zu bilden, werde ich wohl auf das seine vertrauen.“ Was nichts anderes als die implizierte Aufforderung war, sie sollten auch demjenigen trauen, der momentanes Bindeglied zwischen ihnen war, bis sich die Nützlichkeit des ganzen hier eingestellt hatte. Keiner hier würde alles offenlegen, was er zu bieten hatte, nur das, was so oder so herauszufinden war. “Und ich denke ebenso, dass die Nützlichkeit jedes einzelnen hier genauso geprüft wurde wie seine Eignung. Doch um den Prozess zu beschleunigen: Abgesehen davon, das sich der Gens entstamme, deren Name ich trage: Ich werde in das Collegium Haruspicium eintreten. Bei der nächsten Wahl werde ich mich für den Posten des Decemvir litibus iucandis bewerben. Und ich werde eine Flavia heiraten.“ Das waren alles samt Informationen, die die vier mit etwas Recherche und in einiger Zeit ohnehin herausgefunden hätten, und andererseits ebenso die Informationen, die ihn in nächster Zeit vielleicht nützlich machten. Als Haruspex konnte er, wenn er in dem Amt war, viele kleine Dinge beeinflussen. Einen Bauplatz als ungeeignet erklären, beispielsweise. Oder bei einem öffentlichen Opfer lautstark verkünden, wie gewogen die Götter doch dem einen oder anderem hier waren. Wen interessierte da schon die tatsächliche Meinung der Göttlichen? Position hatte er noch keine, aber seine Familie und die seiner Frau würden da schon dafür Sorge tragen, dass sich das änderte. Und für den Rest würde er persönlich sorgen.

    “Dann kann ich mich wohl schon auf viele rauschende Feste freuen, wenn wir verheiratet sind. Wenn sie allerdings immer mit solchen Leckereien aufwartet, dann hast du mich bei der Mitgift über den Tisch gezogen.“ Ein Scherz, noch dazu ein offensichtlicher. Aber da der Flavier bald sein Schwiegervater war und sie sich eigentlich bei den Verhandlungen sehr gut verstanden hatten, und sich Sextus zudem sicher war, dass der Mann den Scherz als eben solchen verstehen würde, hielt er ihn für angemessen. Sollten ruhig die Gäste sehen, dass die Aurelier und die Flavier einen freundschaftlichen Umgang miteinander pflegten und diese Ehe nicht dazu da war, irgendwelche Zwistigkeiten beizulegen. Im Gegenteil, diese Ehe würde das Band zwischen beiden Familien festigen und die Stellung der beiden gentes festigen. Und jedes Zeichen, das dazu beitrug, eben jenen Eindruck zu vermitteln, kam gerade recht.
    Er wurde also einem Tarpeius vorgestellt, der offensichtlich in Geld schwamm. Natürlich lenkte der sofort beschwichtigend ein und meinte übertrieben peinlich berührt, dass Aetius zu scherzen beliebe, ehe dann das berühmte aber kam. Aber ein wenig Geld hätte er schon, und wenn Sextus wirklich etwas brauchen würde, dann könne er – zu günstigen Zinsen – sicher eine gewisse Menge aufbringen. Aber das wäre ja nur ein persönlicher Gefallen dann, und eigentlich könne er sich solche Großzügigkeit kaum leisten. Aber immerhin sei die Sponsalia der Tochter eines so guten Freundes, da könne er eine Ausnahme machen.


    Sextus gab sich also durchaus interessiert. Geld war immerhin eine sehr launische Geliebte. Verärgerte man sie einmal, kam sie womöglich nie wieder, sondern sprang fröhlich durch die Betten anderer Männer. Aber so wirklich ging er auf den Tarpeier nicht ein, vor allem, da auch schon die ersten anderen Gäste eintrafen. Aetius begrüßte die Claudier gekonnt charmant, und Sextus schenkte dem bislang ihm unbekannten Senator zum Zeichen, dass er ihn gesehen hatte, ein respektvolles Nicken. Dem Purgitier und seiner ja tatsächlich liebreizenden Frau prostete er einmal kurz zur Begrüßung zu. Leider kam er von diesem wandelnden Geldverleih nicht wirklich los, ohne unhöflich zu werden, aber die Flavier war ohnehin Gastgeber. Er wurde erst wichtig, sobald seine Verlobte sich mal dazu begnügte, hier zu erscheinen. Bis da hin hatte er hier nicht das geringste zu melden, und er war klug genug, dem Flavier erstmal die Bühne zu überlassen. Zwei Platzhirsche auf einer Lichtung war einer zu viel. Sextus hatte noch genügend Zeit, bei der eigentlichen Feier alle auf viel subtilere Art anzusprechen als im Moment noch. Abgesehen davon dass der Flavier ihm früh genug bei dieser Sache das Feld würde räumen müssen und er sich so der Mittelpunktes gewiss sein sollte. Nigrina musste sich lediglich herbequemen, und die Zeit des Flaviers war vorbei. Und bis dahin würde er ihn einfach machen lassen.


    Und dann kam noch ein weiterer Gast, der Sextus Konzentrationsfähigkeit auf das belanglose Gerede des Geldverleihers doch auf eine sehr harte Probe stellte. Er hatte keine Ahnung, wer sie war. Niemand, der auf seinem Teil der Gästeliste gestanden hatte, und damit leider, leider jemand, bei dem er noch behutsamer würde vorgehen müssen, solange er und die Flavia nicht verheiratet waren. Doch vermutlich auch jemand, der nicht wichtig genug war, erkannt werden zu müssen. Aber bei Venus' Titten, er würde nur zu gern herausfinden, wohin das Muster an ihrem Bein führte. Sofern der Flavier sie begrüßte, wollte er sich einmal ihren Namen merken. Man wusste nie, ob es nicht doch einmal noch auszahlen würde. Wenn nicht heute, dann vielleicht an einem anderen Tag.
    Er war sicher weit davon entfernt, irgendwelche Gefühle für sie zu hegen. Abgesehen von jenen, die durch leichte Verlagerung der Blutzirkulation hervorgerufen worden waren. Und er würde sicherlich nicht riskieren, wegen einem letztlich austauschbaren Bettwärme seine ihm doch wichtigere Bindung zu den Flaviern mit all den Vorteilen, die sich daraus ergaben, zu gefährden.

    Der Tiberier wollte ein Gastmahl geben, um unter anderem für ihn beim Wahlkampf zu werben? Nur ein Idiot hätte ein solches Angebot ausgeschlagen. Selbst keine Arbeit zu haben und dennoch alle Vorteile genießen zu können, was gab es besseres?
    “Ich bin dir sehr dankbar, sowohl für deine Hilfe als auch für den guten Rat. Ich denke, das Wort des Pontifex pro Magistro und geschätzten Senators hat sicherlich weit mehr Gewicht als meines. Dein Vorschlag ist mehr, als ich erhofft habe.“ Und das war sogar ausnahmsweise ehrlich gemeint. Die Großzügigkeit, mit der der Tiberier für ihn Partei ergreifen wollte bei der Wahl, überraschte ihn nun doch ein wenig. So ein Essen mit den Größen des Senats war kostspielig und musste gut organisiert sein. Sextus mochte zwar nicht daran glauben, dass es nur wegen ihm stattfinden sollte, dafür war selbst sein Selbstwertgefühl nicht gigantisch genug. Aber dennoch hatte er mit Unterstützung in kleinerem Rahmen gerechnet und war durchaus sehr zufrieden.


    Die Frage nach der Juristerei musste er allerdings verneinen. “Nein, ich bin kein Jurist. Zumindest nicht gegenwärtig. Zunächst wollte ich im Collegium Haruspicium aufgenommen werden, die Verlobung regeln und den Wahlkampf betreiben. Ich denke, damit sind meine Kapazitäten derzeit gut ausgelastet, ich will ungern einen dieser Teile vernachlässigen für einen Cursus Iuris. Aber er ist nach der Wahl angedacht.“ Sextus war sicher nicht dumm und konnte sicher auch den Überblick über mehrere Dinge gleichzeitig behalten, dennoch wusste er, wo seine Grenzen lagen. Manchmal musste man Prioritäten setzen, und die Juristerei gehörte da momentan einfach nicht dazu.

    “Dann werde ich mich schon freuen, dich dort zu begrüßen. Und Flavius Aetius als Gastgeber sicher auch.“ So, wie Sextus ihn kennengelernt hatte, fehlte dem Flavier eigentlich nur eines, um ein guter Politiker zu sein: Die Kunst, diejenigen, die man verabscheute, es nicht spüren zu lassen. Von daher war er sich recht sicher, dass dieser einen weiteren Senator auf der Gästeliste durchaus zu schätzen wissen würde.


    Und dann war man auch schon beim eigentlichen Thema seines Besuches, und Sextus war zwar lieber schweigsam, allerdings hatte er auch kein Problem damit, die ihm zuteil gewordene Ausbildung in Sachen Rhetorik auf ihren praktischen Nutzen hin zu testen und folglich anzuwenden.
    “Mein Vater ist Numerius Aurelius Fulvus, Sohn von Claudius Aurelius Crassus. Meine Mutter entstammt einem etruskischen Zweig der Antonier. Meinen Paenomen habe ich nicht von ungefähr, ich habe reichlich Geschwister. Ich selbst wurde in Rom geboren, allerdings zog es meinen Vater nach Achaia, in die Nähe von Athen, als ich zehn Jahre alt war. Dort habe ich die artes liberales studiert. Später studierte ich noch zwei Jahre in Alexandria.“
    Was sollte er noch erzählen? Er wollte sein Gegenüber ja nicht mit langweiligen Anekdoten aus seinem Leben erschlagen. Was interessierten den Purgitier die Dinge, die er und seine Brüder angestellt hatten? Ebenso wie die endlosen Lehrstunden zu den Haruspizien, die hier nun völlig uninteressant waren, über die er mit seinem Patron aber gesprochen hatte. Eben jener war ja aber auch immerhin Pontifex und damit potentiell wertvoll, um im das Collegium zu kommen, während der Senator hier da wohl herzlich wenig ausrichten könnte. Abgesehen davon, dass Sextus nie mehr sagte – oder sich zumindest dessen bemühte – als es erforderlich war.
    “Mein Vater war der Meinung, dass mein Talent und meine Ausbildung hier in Rom im Cursus Honorum am besten zum Tragen kämen. Und gleichzeitig nutzten wir die Gelegenheit, eine weitere Verbindung zu den Flaviern zu knüpfen, eben durch die bereits angesprochene Verlobung.“ Er redete nicht zu schnell, nicht zu langsam. Insgesamt gab er sich sehr locker, schmunzelte das ein oder andere Mal beim Reden, aber nie so, dass er als leichtfertig gelten mochte. Es war einfach alles die perfekte Inszenierung von jemandem, der wusste, wie er entspannt wirken mochte, ohne dabei Selbstsicherheit einzubüßen. Es war nicht das erste Gespräch dieser Art, das er führte.

    Noch vor dem eigentlichen Beginn der Feierlichkeiten traf auch schon Sextus im Haus der Flavier ein. Auch wenn er nicht Gastgeber war und Aetius um diesen Posten wahrlich nicht beneidete, musste er auch anwesend sein, um die Gäste zu begrüßen. Immerhin galt es nicht nur, hier eine Verbindung zu den Flaviern zu schaffen, sondern möglicherweise auch sich die ein oder andere Stimme für seine Wahl zu sichern. Es waren ja doch einige Senatoren eingeladen worden. Ebenso war der Haruspex Primus eingeladen worden, der hoffentlich bei seinem Erscheinen dann auch einer Aufnahme in das Collegium Haruspicium nicht abgeneigt war. Alles Faktoren, die dieses Fest für Sextus zu mehr als einer bloßen Verlobung machten.
    Gefühle hingegen waren hierbei vollkommen irrelevant. Welche Gefühle sollte er schon haben? War er nervös? Nein, war er nicht. Er hatte sich vorbereitet, Nervosität war etwas für Leute, die sich ihrer Sache nicht sicher waren. Er war sich seiner Sache sicher. Und verliebt war er definitiv auch nicht. Noch nie wirklich gewesen. Weswegen auch, wozu sollte das gut sein? Wenn er seinen Verstand ausschalten und alles beschönigt sehen wollte, konnte er sich auch betrinken. Es gab wenig Gelegenheiten, in denen Sextus die Kontrolle aus der Hand gab, folglich gab es sehr wenige Gelegenheiten, in denen Gefühle für ihn irgendeine Rolle spielten.


    So betrat er, für den Anlass entsprechend elegant gekleidet in feiner Toga das Tablinum, um seinen künftigen Schwiegervater zu begrüßen. “Flavius, ich bin beeindruckt. Wenn die Feier als solches so exquisit wird wie der bislang sichtbare Teil der Vorbereitung, wird man über sie noch in Jahren Lieder singen.“ Eine Übertreibung, aber nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt.
    Sextus ging schonmal an dem ihm zugedachten Platz, um ebenfalls die Gäste in Empfang nehmen zu können. Seine zukünftige Verlobte indes sah er noch nicht, sagte aber nichts hierzu. Was sollte er auch sagen? Im Grunde musste sie nur nachher bei der Unterzeichnung der Verträge anwesend sein, um sich einmal küssen zu lassen. Mehr wurde von ihr heute nicht erwartet. Den Vertrag würden Sextus und Aetius unterschreiben. Und da heute morgen ein Brief aus Athen eingetroffen war, konnte Sextus das auch selbst, und nicht nur sein Vater. Denn heute, sobald die Verlobung entstand, heute würde er endlich frei sein von der Patria Potestas seines alten Herrn. Nicht, dass er dieser bislang übermäßig große Beachtung geschenkt hätte. Dennoch ein weiterer Schritt auf dem Weg, den er sich vorgestellt hatte.

    Sextus folgte dem Ianitor ins Innere der Casa. Seine Statussymbole, auch bekannt als Sklaven, blieben zurück. Ob sie in die Küche geführt wurden oder vor der Tür versauerten, was Sextus reichlich egal, solange sie wieder vor der Tür waren, wenn er hier fertig wäre.
    Er begab sich also ins Atrium, und kurze Zeit später erschien auch schon der Hausherr. “Senator Purgitius, danke, dass du mich empfängst. Und mich führt zweierlei zu dir. Zunächst einmal wollte ich dich und deine liebreizende Gemahlin“ von der Sextus keine Ahnung hatte, ob sie tatsächlich liebreizend war. Aber sie hätte auch mehr wiegen können als ein ausgewachsener Ochse und einen Buckel haben können, seine Einladung wäre dennoch gleichermaßen charmant ausgefallen. “...zu meiner Sponsalia einladen. Ich werde mich mit Flavia Nigrina verloben. Die Feier findet ANTE DIEM VI NON OCT DCCCLX A.U.C. (2.10.2010/107 n.Chr.) zur hora quinta in der Villa Flavia ihren Anfang. Als Patron meines Vetters wollte ich dir diese Einladung gerne persönlich aussprechen.“
    Zunächst einmal das seichtere Thema vorbringen und damit eine positive Grundstimmung schaffen. Dies war in den meisten Fällen eine gute Vorgehensweise und verhinderte, dass man solch unwichtiges Geplänkel am Ende nicht noch vergaß. Das Ganze garniert mit dem dezenten Hinweis, dass er ja Patron eines Aureliers war, um ihn für das folgende auch schon einzunehmen. “Und zum zweiten hatte ich gehofft, ich könnte dich dafür gewinnen, mir Unterstützung in meinem Wahlkampf zu gewähren. Ich habe vor, mich für das Vigintivirat aufstellen zu lassen und hoffe auf Fürsprache.“ Im Grunde war es Sextus zuwider, um Hilfe zu betteln, aber so lief es nunmal in der Politik. Also gab er sich so bescheiden und aufrichtig wie möglich.

    Zitat

    Original von Quintus Germanicus Sedulus
    Sedulus nickte und entgegnete.


    Das sind schöne und vielleicht auch weise Worte, aber eben nur Worte. Du möchtest also den Weg des Curus Honorum bestreiten. Wie hast du dir deinen Einstieg vorgestellt und was hast du die ganze Zeit über für Ämter inne gehabt?


    Kam Sedulus nun auf den Punkt ohne noch länger drumherum zu reden.


    Na, was sollte er denn sonst machen, außer Worte? Hätte er schon Taten, die für ihn sprachen, er wäre nicht hier, um einen homo novus um Hilfe zu bitten. Daher verstand er die Frage des Senators auch nicht so ganz. Er wollte sich für ein Einstiegsamt wählen lassen, und er fragte, welche Ämter er bereits innegehabt hatte.
    “Ich hatte noch keine Ämter inne, ich interessiere mich für die Einstiegsämter. Um genau zu sein vorerst das des Decemvir litibus iucandis, ehe mich der Weg weiter zur Quästur und später zum Ädilat führt, so der Kaiser in seiner Weisheit mich zum Senator ernennt.“ Der andere Teil der Frage war noch etwas verwirrender. Wie sollte er sich den Einstieg vorgestellt haben? Er warb bei den richtigen Leuten um Unterstützung, verkündete seine Absicht, sich wählen zu lassen, und hoffte darauf, dass nach seiner Rede im Senat eben jene, die ihm Unterstützung zugesagt hatten, sie auch gewährten. Wie jeder, der sich wählen lassen wollte.
    “Ich bin mir nicht sicher, ob ich deine Frage zum Einstieg richtig verstehe.“ Sie konnten hier ja kaum offen und ohne Umschweife über Dinge wie Bestechung und dergleichen reden. Das wäre zwar mal erfrischend anders, nur glaubte Sextus, dass der Senator sich dann wohl doch in seiner Pietät verletzt fühlen könnte. Und er wollte ihn ja dazu bewegen, ihm Unterstützung zuzusagen.

    Manchmal war es schon beinahe unheimlich, wie sehr die Menschen auf das reagierten, was man nicht sagte. Sextus Mundwinkel zuckten ganz kurz bei der Frage, die der Senator ihm stellte, aber nicht genug, als dass man es als Lächeln hätte werten mögen.
    “Ein Tölpel würde dir versichern, dass es so ist, ein Weiser würde es bezweifeln, ein Gelehrter erörtern, was denn der Wert des Menschen sei. Allerdings bin ich keines davon und muss sagen, dass ich dich nicht genügend kenne, um zu wissen, was dir wert erscheint und was nicht. Mein Verwandter hielt mich für wert genug, dass er dir deshalb geschrieben hat. Ich kann nur hoffen, dass du am Ende unseres Gespräches seiner Meinung bist.“
    Was sollte er denn lange im Trüben fischen und herausfinden wollen, auf was der Senator wohl ansprang? Wenn er schon so direkt war und auf diese Weise fragte, würde er sicher wenig Hemmungen haben, genau das zu fragen, was für ihn wichtig war.

    Zitat

    Original von Quintus Germanicus Sedulus
    Sedulus erhob sich und nickte seinem Gast zu.


    Salve Aurelius Lupus. Gerne doch. Komm setz dich doch bitte. Möchtest du etwas zu Trinken?


    Bot Sedulus seinem Gast einen Platz an. Er selbst wartete noch ein wenig denn es hatte sich bei Sedulus eingebürgert zumindest hier seine Gäste selbst zu "bewirten."


    Im Grunde waren die kleinen Floskeln des Einstieges in ein Gespräch recht lästig, aber es waren notwendige Übel. Und sie schulten einen im (unehrlichen) Umgang mit seinem Gegenüber, denn wer meinte es schon ehrlich, wenn er von der Freude, jemanden zu sehen, sprach? Menschen (zumindest kluge Exemplare dieser Spezies) verfolgten stets und immer ein Ziel, und dieses war stets und immer egoistisch.
    “Wein, halb und halb, bitte“, war daher die freundliche wie egoistische Erwiderung auf die freundliche Floskel. Natürlich nahm man ein Getränk an, immerhin gab es dem ganzen einen Anschein von echter Gastlichkeit. Auch wenn Sextus gar keinen Durst hatte. Er setzte sich also, wie ihm angeboten worden war und wartete darauf, dass sein Gastgeber die unausweichliche Floskel verbalisierte, die da ja kommen musste und die unfreundlich kurz hieß: Was willst du von mir?

    “Meine gens verfügt über vielerlei Kontakte und unterstützt mich bezüglich meiner politischen Ambitionen.“ Seinen Vater konnte Sextus nicht unbedingt als Referenz für politisches Geschick angeben. Der gute Numerius Aurelius Fulvus hatte eigentlich als einzige Stärke vorzuweisen, genug Verstand besessen zu haben, rechtzeitig aus Rom zu gehen, ehe er sich ernsthaft Feinde machen konnte, und einen Haufen Kinder in die Welt zu setzen, die nicht ganz so ungeschickte Trampel waren wie er. Doch zum Glück gab es ja noch andere Ressourcen, auf die man zurückgreifen konnte. “Und durch die angedachte Hochzeit mit einer Flavia habe ich auch von den Flaviern Unterstützung in Aussicht gestellt bekommen.“ Um exakt zu sein eigentlich nur Flavius' Gracchus Zusage, bezüglich des Haruspex Primus ein gutes Wort für ihn einzulegen. Aber er war sich auch recht sicher, dass der Consular Flavius Furianus ihn nicht vergessen haben würde und ihn unterstützen würde. Aber es gab immer verschiedene Arten, einen Sachverhalt zu schildern. Warum also nicht positiv?

    Bei aller Güte, das Weib war häßlich! Sextus folgte ihr und mühte sich, nicht auf sie zu achten. In ihrer Jugend mochte sie vielleicht mal ansehnlich gewesen sein, aber das war lange, LANGE vorbei. Zum Glück verschwand sie auch bald aus seinen Augen, und stattdessen konnte er endlich den Senator begrüßen.
    “Senator Germanicus. Danke, dass du mich empfängst.“

    “Dann wird es mir ein besonderes Vergnügen sein, dich zu vorgerückter stunde begrüßen zu dürfen.*“ Solange Sextus sich nur des Einflusses des Tiberiers versichern konnte, war es ihm recht, wenn dieser später oder auch gar nicht käme. Wobei letzterer Fall vielleicht ein etwas seltsames Licht nach Außen werfen würde, aber vielleicht kamen ja dessen Sohn und Cousine dafür.


    Als nächstes kam nicht gleich das erwartete Hilfsangebot, sondern zunächst einmal die Fragen, die Sextus schon früher erwartet hätte. Er nickte nur einmal, und begann dann, zu erzählen.
    “Ich bin 25 Jahre alt. Die ersten 10 Jahre meines Lebens verbrachte ich in Rom, danach zog es meinen Vater nach Achaia. In Athen habe ich die artes liberales studiert, und später zwei in Alexandria die Studien vertieft. Mein Vater ist kein Senator, nein. Mein Großvater, Claudius Aurelius Crassus, war aber Senator, sogar Princeps Senatus und LAPP verschiedener Provinzen.“ Bestimmt würde sein Name dem Tiberier etwas sagen, und wenn nicht, war es auch nicht schlimm, es gab genügend Aufzeichnungen über ihn.
    “Meine Mutter, Antonia Iavolena, ist Etruskerin, weshalb ich auch die Haruspicien studiert habe und mich aktuell darum bemühe, einen Platz im Collegium Haruspicium zu bekommen. Ansonsten stehe ich gerade noch am Anfang meiner Karriere.“ Wenn er schon etwas erreicht hätte, hätte er ja vermutlich auch schon längst einen Patron gehabt. Im Moment war sein Leben so unspektakulär wie das der meisten Patriziersöhne.


    Sim-Off:

    Lass dich nicht hetzen. Ich denk ohnehin, dass die Sponsalia "etwas" länger als 3 Tage gehen wird, und so eine Wohnung bezieht sich ja auch nicht von allein ;) Viel Spaß beim Kisten schleppen :D

    Gut, er schenkte ihm einen Moment seiner Zeit. War ja auch kaum anders zu erwarten gewesen. Ein frisch geschlossenes Bündnis musste schließlich erst einmal gestärkt werden, ehe es belastet werden konnte.
    “Nun, Patron, ich habe vor, bei den nächsten Wahlen zu kandidieren. Wenn mir der Senat den Wunsch gestattet, hatte ich vor, Decemvir litibus iucandis zunächst zu werden. Allerdings habe ich bereits gehört, dass der Praefectus Urbi nicht sehr erbaut ist, wenn patrizische Sprößlinge sich auf den Cursus Honorum begeben. Daher hoffe ich auf deinen Rat, wie das beste Vorgehen wäre, ebenso wie deine Einschätzung der Lage als solches.“
    Sextus machte eine kleine Pause, zu kurz für eine Antwort für den Tiberier, aber lang genug, um die Themen stilistisch voneinander zu trennen. “Desweiteren wäre es mir eine große Freude, dich, deinen Sohn Ahala und deine Cousine Arvinia zu meiner Sponsalien-Feier einzuladen. Ich werde mich mit Flavia Nigrina ANTE DIEM VI NON OCT DCCCLX A.U.C. (2.10.2010/107 n.Chr.) offiziell verloben, und es wäre mir eine Ehre, wenn ihr kommen würdet.“

    Und recht gehabt. Ihre Entrüstung war nur gespielt, sonst würde sie sich jetzt nicht die Mühe machen, ihn wieder zu locken. Aber das Spiel war jetzt schon viel weiter gediehen, und Sextus war nicht hier, um zu bedienen und zu bedienen, und am Ende keinen Lohn einzustreichen. Für ihn war die Rechnung sehr einfach. Prisca hatte klar gemacht, dass sie in absehbarer Zukunft nicht gedachte, mit ihm ins Bett zu steigen. Wenn sie dann dennoch erwartete, dass er dennoch wie ein braver Hund artig bei Fuß lief und Männchen machte, dann schätzte sie ihn falsch ein. Natürlich würde er sie auch weiter immer wieder umgarnen, natürlich verteilte er an die Frauenwelt schmeichelnde Worte. Aber das war nicht, was eine Frau einzufordern hatte. Wenn er eine Frau mit dieser Art der Aufmerksamkeit beschenkte, dann nur dann, wenn es für sie ein Geschenk war, eine Kostbarkeit. Kein kleiner Zeitvertreib aus Langeweile, nach dem man sich wieder interessanteren Dingen zuwandte, wie der neuesten Mode aus Mantua.
    Sextus richtete also sein Kissen, das ihn eben noch leicht getroffen hatte, und machte es sich bequem. Prisca reizte weiter und meinte, damit ihm einen Gefallen getan zu haben. Diesmal lachte Sextus dann doch laut und voll auf, und lehnte sich ein wenig kopfschüttelnd einfach bequem zurück. Er machte sich nicht viel Mühe damit, ihr möglichst bequem platz zu lassen, so dass sein Bein direkt an ihrem lag und sie eigentlich nur die Wahl hatte, weiterhin mit ihm Körperkontakt zu behalten oder doch beiseite zu rücken. Die Hände hatte er bequem hinter den Kopf gelegt und stützte sich so zusätzlich noch etwas.


    Er betrachtete sie eine Weile mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht, ehe er sich kopfschüttelnd der Decke zuwandte und dort einfach einen Moment hochschaute. “Ich denke, ein wenig größer als ein Kissen wird der Gefallen schon ausfallen, und ich werde ihn auch etwas direkter einfordern.“ Ihm war jetzt nicht danach, das Spiel erneut aufzunehmen. Nicht, wenn es so gänzlich aussichtslos war, dafür etwas adäquates zu erhalten. Er bediente nicht, auch wenn er sich manchmal als Diener der holden Weiblichkeit gab.
    “Von daher wird meine Göttin wohl noch weiter ein wenig in der Ungewissheit harren müssen. Vor allem, da auch erst ihr getreuer Götterbote sein Geschick unter Beweis stellen muss, nicht?“ Sextus sah nur einmal zu ihr hinüber, hob fragend die Augenbrauen und lehnte sich dann wieder bequem auf seine Arme zurück. Sollte sie ruhig denken, dass er vor Eifersucht eingeschnappt war. Aber wenn sie Komplimente wollte, hatte sie definitiv mehr zu liefern als das hier. Für heute hatte er doch wirklich genug unter Beweis gestellt, dass er sie wollte. Betteln würde er sicher nicht.

    Auch an der Porta Germanica klopfte ein pflichtschuldiger Sklave an, während sein Herr im Hintergrund wartete. Als die Tür sich öffnete, verkündete er “Mein Herr Sextus Aurelius Lupus möchte gernn mit dem ehrenwerten Senator Germanicus Sedulus sprechen.“


    Nachdem Ursus es ihm so an die Hand gegeben hat, wollte Sextus nun keine Zeit verlieren und seine Karriere in Schwung bringen. Und wenn das aufgrund von plebejischen Senatoren wäre, war es ihm auch recht. Auch wenn er das seinem Patron nicht erzählen würde.