Noch vor vier Wochen hätte Sextus die Thermen nicht einfach so besuchen können, ohne von einem Schwarm von Bittstellern umringt zu werden. Oder einem Tiro. Oder diversen Senatoren, die Fragen zu seiner Gesetzesinitiative hatten. Doch hier und heute konnte er das genießen, was wirklich Luxus war. Nicht das heiße Bad, nicht die freie Zeit, nicht die Ausstattung der Thermen und ihren Platz. Nein. Aber einfach etwas Zeit mit einem Freund verbringen zu können, ganz einfach miteinander ein Gespräch führen können wie alle anderen auch, das war der wahre Luxus.
Sextus hatte sich ja lange Jahre davor gescheut, als Aedil zu kandidieren, und nun, da seine Amtszeit vorüber war, wusste er auch wieder, warum. Und ließ ihn einmal mehr überlegen, wann er denn die Praetur in Angriff nehmen wollte. Eins stand fest: Nicht so schnell.
Sie stiegen also ins warme Wasser des Caldariums und Gracchus murmelte einige Worte zur Vergänglichkeit der Zeit – welchen Sextus noch zustimmen konnte – und zur Beständigkeit der Liebe – welche Sextus so nicht bestätigen würde. Aber er war weder Dichter, noch Philosoph, daher sah er sich auch nicht in der Verlegenheit, ausgerechnet diese Bemerkung zu kommentieren.
“Wenn ich es nur wüsste, Gracchus. Bisweilen frage ich mich, ob die Welt schon immer so kompliziert war, oder ob sie erst in den letzten Jahren so kompliziert wurde.“ Als Sextus jünger war, gab es klarere Grenzen. Klare Feinde, zumindest einigermaßen klare Freunde, klare Regeln. Alles schien dieser Tage im Umbruch, und Sextus konnte nicht ausmachen, worin dieser bestand, oder auch nur, wohin es führen sollte.
“Ich wünschte, ich könnte meine Hand auf diese Wunde legen, die Rom durchzieht und bisweilen bluten lässt. Aber sie scheint so undeutlich.... was war die Welt doch früher einfach, als es klare Schuldige gab für die Zustände in Rom. Aber jetzt?
Ich meine, es gibt zwar Theorien, aber ist auch nur eine darunter, die wahrhaft schlüssig ist?“ Sextus hatte vieles raunen gehört. Die Christen seien schuld. Naja, das waren sie immer, wenn etwas passierte. Das hieß nicht, dass es stimmte. Oder die Weiber seien schuld. Die waren anstrengend, aber die ermordeten selten Senatoren. Vielleicht hatte er ein Zeichen übersehen, welches die Götter ihm gesandt hatten? In dieser Beziehung war er zwar immer sehr gewissenhaft und genau, aber er machte sich nichts vor: Auch Sextus Aurelius Lupus war letzten Endes nur ein Mensch. Ein großer, kluger, gutaussehender, reicher Mensch, aber ein Mensch.