Beiträge von Azizos

    Manius Iavolenus war - so schien es jedenfalls Azizos - ins Grübeln geraten, was die Geschichte seiner Familie anging. Und offenbar führte ihn eine mögliche Neubewertung der Vergangenheit auch zu Plänen für die Zukunft.


    Auf die entsprechende Frage, die er an Azizos gerichtet hatte, antwortete der Syrer: "Ich könnte mir schon vorstellen, hier bei der Flotte zu bleiben, denn die Aufgaben hier sind doch ziemlich abwechslungsreich." Er hatte sich ja auch etwas dabei gedacht, als er ausgerechnet hier um Aufnahme nachgesucht hatte. "Weil ich ja aber, wie gesagt, das Bürgerrecht erwerben möchte, will ich eines Tages auch eine Familie gründen. Deshalb hängen meine Pläne auch daran, was dann für meine Familie das beste sein wird. - Wie sieht es denn bei dir aus?"

    "Ich bin Azizos", stellte der syrische Probatus sich vor und drückte die Hand, die Echion ihm entgegenstreckte. Er war erfreut darüber, dass sein neuer Kamerad sich doch hatte durchringen können, eine Weile mit ihm, Azizos, zu verbringen. Ihm dabei zu nahe treten und ihn seinen Überlegungen entfremden würde Azizos dabei ganz gewiss nicht, war er doch sowieso ein eher distanzierter Typ. Er hoffte vielmehr, an Echions Gedanken teilhaben und auch seine eigenen Gedanken mit ihm teilen zu dürfen.


    "Manche Philosophen sind allerdings auch dann wohl noch fein raus, wenn tatsächlich mal ein Soldat vor ihnen stehen und sie mit dem Schwert bedrohen sollte. Gibt es nicht diese griechische Philosophenschule, die lehrt, sich dermaßen abzutöten, dass man auch in einer solch aussichtslosen Situation noch die vollkommene Seelenruhe bewahren kann?" Azizos meinte natürlich die philosophische Richtung der Stoa, kam aber auf den Namen nicht, weil seine Kenntnisse in solcher Gelehrsamkeit doch sehr beschränkt waren. Ihm kamen dazu stattdessen noch andere Gedanken, doch bevor er diese äußerte, wollte er erst hören, was sein neuer Kamerad dazu zu sagen hatte.

    Sim-Off:

    Auch von mir ein herzliches Willkommen! Mach dich auf was gefasst, Echion! :D



    Wieder wurden die Probati zusammengerufen und stellten sich in Linie auf. Zu seiner Überraschung wurde Azizos aufgerufen, den richtigen Umgang mit der Balearischen Schleuder noch einmal zu demonstrieren. Er trat also vor an die Stelle, die der Centurio mit seiner Vitis bezeichnet hatte, und stellte sich dort mit seinem linken Bein nach vorne so auf, dass er in gerader Linie zu dem Pfahl stand, den Rücken parallel zu der Flugbahn, welche der Stein auf dem Weg zu seinem Ziel nehmen musste. Azizos spannte den Stein, den er in seiner rechten Hand gehalten hatte, zwischen die beiden Riemen der Schleuder ein.


    Nach seinem ersten Wurf und einigen weiteren Versuchen, die der Syrer in der Zwischenzeit absolviert hatte, hatte er sich schon wieder ganz gut auf diese Waffe eingestellt. Er ließ die Schleuder ein paar Mal neben seinem Körper hin und her pendeln und spürte das Gewicht des eingespannten Steines. Dann holte er aus und begann, die Schleuder über seinem Kopf kreisen zu lassen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, in welcher Position er den Stein würde losschleudern müssen, damit dieser die richtige Flugbahn beschreiben würde. Gleichzeitig streckte Azizos seinen linken Arm aus, so dass dieser auf den Pfahl zeigte. Die Augen fest auf dieses Ziel gerichtet, wanderte der Syrer mit seiner Aufmerksamkeit ganz in seinen Arm - jetzt, jetzt musste er den Stein losschleudern!


    Aus seinem Schultergelenk heraus und mit Unterstützung des gesamten Oberkörpers vom Rumpf an aufwärts peitsche er den Stein auf seinen Weg. Dieser surrte durch die Luft und traf mit einem lauten "Plopp" auf den Pfahl auf. An der Stelle, wo der Stein aufgetroffen war, blieb eine deutliche Delle im Holz des Pfahls zurück.

    Azizos war sich gar nicht sicher, ob er recht daran getan hatte, den Kameraden anzusprechen. Dieser hatte sich ihm zwar zugewandt und ihn auch angesprochen, doch entging dem Syrer nicht, dass er seinen Kameraden tatsächlich - wie befürchtet - aus seinen Gedanken gerissen hatte, denn dieser antwortete Azizos wie geistesabwesend und stellte am Ende eine Frage, von der Azizos nicht so ganz wusste, ob sie ernst gemeint war oder nur rhetorisch, und zwar als ein Mittel, um sich so schnell wie möglich wieder von Azizos zu entfernen.


    Auf der anderen Seite sah Azizos aber auch, dass sein Kamerad auch nicht einfach weiterging, sondern stehenblieb und ihn anschaute. Daher entschloss er sich, die Frage seines Kameraden als ernstgemeint aufzufassen und sie zu beantworten: "Du hast ganz richtig gesprochen. Wer allein sein will, sollte wohl nicht zur Armee gehen, sondern eher Philosoph werden." Wobei sein Gegenüber mit seinem vielen Nachdenken fast auch ein bisschen wie ein solcher wirkte.

    ... Azizos war am Boden, und damit war es Manius Iavolenus gelungen, den Befehl des Centurio zu befolgen. Mehr noch: Es wäre Manius zweifellos auch ein Leichtes gewesen, seinen syrischen Gegner am Boden zu halten und somit dem Kommando des Centurio vollends Genüge zu tun.


    Doch zu einer solchen weiteren Kraftprobe kam es nicht mehr. Denn schon klangen wieder die lang vermissten Kommandos des Centurios über den Exerzierplatz, und die Probati stellten sich in der Linie auf, welche die Vitis des Centurio bezeichnete, Augen geradeaus. Das Befolgen dieser Anweisungen ging mittlerweile problemlos und von daher auch sehr schnell; trotzdem fand Azizos noch die Zeit, Manius Iavolenus leise zu seinem Sieg zu gratulieren: "Gut gemacht, Manius! Du warst eindeutig der Bessere!"


    In der Zwischenzeit hatte der Centurio Balearische Schleudern herankarren lassen mitsamt einem geübten Werfer, der auch gleich einen Anschauungswurf unternahm, welchen der Centurio im Nachhinein mit Erklärungen versah. Azizos war diese Waffe durchaus nicht fremd, verwandte man sie doch auch in seiner Heimat recht häufig, und als Kind hatte der Syrer mit ähnlichen selbstgebauten Schleudern gespielt. Doch wie lange war das her...


    Als der Centurio nach dem ersten Freiwilligen der Probati fragte, der einen Wurf tun sollte, und Azizos niemanden sah, der sich meldete, trat er schließlich einen Schritt aus der Linie vor und meldete sich selbst: "Probatus Azizos, Centurio!" Er wollte die Scharte des verlorenen Ringkampfs unbedingt auswetzen.


    Dann ging er zu dem Karren, nahm eine Schleuder und einen Wurfstein heraus und spannte den Stein in den mittleren Teil der Schleuder ein, wo zwei Lederriehmen auf einem ganz kurzen Stück nebeneinanderliefen. Danach entfernte er sich eine ganze Strecke von seinem Trupp, um bei einem schlecht gezielten Wurf nicht etwa einen seiner Kameraden zu treffen; die grausame Wirkung dieser Waffe war Azizos schließlich nicht unbekannt.


    Als er an dem Platz angekommen war, den er sich ausgesucht hatte und der ein ganzes Stück von dem Ort entfernt war, von dem der erste Werfer aus geworfen hatte - dieser war ja aber auch viel geübter als Azizos und damit sicherer darin, nicht etwa einen Kameraden zu treffen -, wobei Azizos' Platz aber immer noch die gleiche Entfernung zu dem Pfahl aufwies, nahm der Syrer die Schleuder in seine rechte Hand und stellte linkes Bein so vor, dass sein Rücken parallel zur Wurfrichtung stand. Dann begann er, die Schleuder über seinem Kopf kreisen zu lassen, immer schneller und schneller, während er seinen linken Arm in Richtung auf den Pfahl hin ausstreckte, den es zu treffen galt. Schließlich streckte er seinen Oberkörper leicht vor und schleuderte den Stein über seinen Kopf hinweg los. Das Geschoss sauste durch die Luft, allerdings flog es um etwa einen halben Meter an dem Pfahl vorbei.


    Azizos begab sich wieder zu der Truppe und dem Centurio.

    Azizos hatte sich, im Wasser schwimmend, wieder zu Manius Iavolenus umgedreht und sah ihn nun aufmerksam an. Er ließ die Worte seines Kameraden einen Moment lang auf sich wirken und prüfte sie. Dann sagte er vollkommen ernst: "Ich dagegen glaube, du wirst den Göttern noch dankbar sein für die Vorfahren. Denn sie haben dir erstens ein lohnendes Lebensziel vor Augen gestellt, nämlich das Bürgerrecht für dich und deine Familie zu erlangen. Und zweitens wird man die Geschichte vom Aufstieg und Fall und Wiederaufstieg deiner Familie außerhalb dieses Flottenstützpunktes mit dankbaren Ohren vernehmen; man liebt schließlich dramatische Wendungen." Das war einfach etwas ganz anderes, als wenn eine Familie brave römische Bürger, danach brave römische Bürger und dann wieder brave römische Bürger hervorgebracht hatte - und sonst nichts. Und auch Azizos selbst musste sich eingestehen, dass er durch die Andeutungen des Manius Iavolenus nicht wenig neugierig geworden war auf die Geschichte von dessen Familie.

    Azizos hatte sich entschieden, diesen Abend einmal nicht in den Thermen zu verbringen. Dort blieb es einfach nicht aus, dass man mit anderen redete, Azizos aber wollte einmal ungestört seinen Gedanken nachhängen.


    Nur in einer Tunika, ohne Rüstung, streifte er deshalb über die Wege des Flottenstützpunkts und ließ alles in sich aufsteigen, was er an den vergangenen Tagen erlebt hatte. Er war gemustert worden, ausgerüstet, vereidigt, hatte einen festen Schlafplatz in seiner Baracke und einen bestimmten Stand in seinem Contubernium. Er hatte viel gelernt, konnte jetzt exerzieren, hatte im Staub gelegen und seine Blessuren gepflegt. Jetzt sah er auf in den blauen Himmel, den die untergehende Sonne beleuchtete. Er sah den Abendstern und dachte an seine Heimat, einen Garten in der Wüste.


    Wie er so ging und seinen Gedanken freien Lauf ließ, fiel ihm ein Kamerad auf, der trotz der fortgeschrittenen Stunde ebenfalls noch unterwegs war. Azizos hatte den Eindruck, dass es diesem Kameraden in diesem Augenblick vielleicht ähnlich gehen mochte wie ihm selbst, dass auch er seinen Gedanken nachhing und nachsann darüber, wozu er hier war und was seine Pläne waren. Doch Azizos war sich in solchen zwischenmenschlichen Dingen niemals so ganz sicher. Umso aufmerksamer blickte er den Kameraden an, als dieser an ihm vorbeizog, und sagte schließlich zu ihm: "Salve! Da treffen sich hier ja zwei, die allein sein wollen." Er wollte den Kameraden auch wirklich nicht stören, aber schließlich konnten es ja auch die Götter selbst gewesen sein, welche die beiden Probati an diesem Abend hier zusammenführten

    Sim-Off:

    Ich glaub', ich hab's gecheckt! :D


    Manius Iavolenus setzte an zum Endspurt. Entschlossen trat er von links an Azizos heran, stellte sein Bein hinter den Syrer und gab ihm zugleich einen ziemlich kräftigen Schubs.


    Da Azizos nach dem Tritt gegen sein Knie nun einmal nicht mehr stabil stand, geriet er durch den Schubser nach hinten erst recht ins Wanken. Um sich noch aufzufangen und sein Gleichgewicht wieder zu finden, musste er ein Bein nach hinten stellen, das den Stoß auffangen sollte - doch das ging ja gerade nicht, denn da stand ja noch das Bein des Manius Iavolenus. Und so fiel Azizos nach hinten über eben dieses Bein und landete auf Po und Händen. Er war am Boden.

    Diesmal gelang Azizos' Trick, aber es war ein echter Pyrrhus-Sieg, den er einfuhr: Er traf Manius Iavolenus zwar und brachte ihn auch, wie gewünscht, zu Fall, doch der wendige Grieche drehte sich schnell zur Seite und war, noch ehe Azizos es sich versah, schon wieder auf den Beinen.


    Und nicht nur das: Ein gezielter Tritt seines Gegners gegen sein Knie brachte Azizos - ganz gegen seinen Willen - dazu, sich vor Schmerz reflexartig nach vorne zu beugen. Sein stabiler Stand war dahin...

    Mit Interesse hörte Azizos den Worten zu, in denen sein neuer Kamerad Manius über seine Familie sprach: Wenn man diese Geschichte richtig ausschmückte, wäre sie zweifellos der Renner bei abendlichen Gesprächen der Schiffsmannschaft auf hoher See. "Bürgerrecht gehabt, Bürgerrecht verloren - da hast du ja schon einiges vorzuweisen. Ich komme nur aus einer einfachen syrischen Familie, möchte mir aber auch gerne das Bürgerrecht verdienen."


    Hoffentlich würden seine Nachkommen das mal zu schätzen wissen und das Bürgerrecht dann nicht wieder verlieren wie die Vorfahren des Iavolenus.

    Arrgh! Nun hatte der Centurio mit seiner "Vorstellung" den Trick zunichte gemacht, den Azizos gegen Manius Iavolenus hatte anwenden wollen. Denn auch diesen hatte es wie so viele andere Kameraden gleich nach Beginn des Vorführungskampfes als Zuschauer in die Nähe der beiden Kontrahenten gezogen, von denen der eine der Centurio war.


    Für Azizos gab dieser Kampf nicht viel her, und das nicht nur, weil er seinen eigenen Kampfplan gegen Iavolenus vereitelt und der Centurio obsiegt hatte. Denn obwohl Azizos kein geborener Ringer war, hatte er natürlich doch als Junge auf den Straßen und Hinterhöfen Palmyras mit anderen Jungs gerauft, auch mit Stärkeren, so dass er den Trick, den der Centurio hier vorführte, durchaus schon kannte.


    Und jetzt, als sich die Paare der Probati zur Fortsetzung ihrer eigenen Ringkämpfe wieder zusammen fanden, war Manius wieder am Drücker. Mit einer schnellen Körpertäuschung gelang es ihm, hinter Azizos zu kommen. Da der Syrer hinten natürlich keine Augen hatte - auch er musste sich den Hals verrenken, wenn er einer Frau nachsah - und dadurch nicht sehen konnte, was Iavolenus vorhatte, andererseits aber auch nicht in eine Falle des Griechen laufen oder seinen Hals drehen wollte, was seinem Gegner eine Angriffsfläche geboten hätte, wartete er erst einmal ab. Aber wiederum schien Manius dasselbe zu tun, nämlich abwarten, so dass Azizos seinen Gedanken von eben wieder aufnahm, nicht als Feigling dastehen zu wollen. Plötzlich trat er mit seinem linken Bein nach hinten aus - entweder um Iavolenus so direkt von den Beinen zu holen, oder aber....



    Sim-Off:

    Ja, oder aber was? Ich hab' noch einen in petto. :D

    "Also gut, dann nenne ich dich Manius." Das war kürzer; wie sich ein Ausruf dieses Namens aber über das Geräusch der Wellen hinweg auf einem Schiffsdeck anhörte, würde sich erst noch zeigen müssen.


    "Ist das nicht auch so ein Praenomen, mit dem man jemanden ruft? Manius - Iavolenus... hm. Irgendwas fehlt da aber noch, oder? Du hast kein Nomen gentile. Bist du denn kein römischer Bürger?" Azizos hatte nämlich die Auskunft des Iavolenus, römische Vorfahren zu haben, in dem Sinne gedeutet, dass dieser eben ein römischer Bürger sei, wenn auch eben aus Griechenland. Und da er selbst Peregrinus war, nahm er an dieser Frage ein gewisses Interesse.


    "Weißt du, ich kenne mich nicht so wirklich damit aus. Latein kann ich natürlich für den Alltagsgebrauch, aber wenn ich mit echten Römern rede, merke ich auch, wie beschränkt das ist." Und den syrischen Akzent hörte man Azizos ohnehin sofort an.

    Azizos sollte sich in seiner Einschätzung und seinen daraus resultierenden Befürchtungen nicht getäuscht haben: Flink und mit der Behendigkeit einer Gazelle sprang Manius Iavolenus hin und her; es würde sehr schwer werden, ihn zu packen, um ihn dann, dem Befehl des Centurios gemäß, zu Boden zu werfen und dort zu halten.


    Vielmehr war es sogar Manius Iavolenus selbst, der den ersten Angriff unternahm, und zwar über seine rechte Seite. Doch gelang es Azizos gerade noch rechtzeitig, sich zu drehen und sich seinem Kameraden dadurch in den Weg zu stellen, dies aber auch nur, weil er bei seiner Drehung ja innen einen kleineren Radius hatte als Iavolenus, der gleichsam von außen kam. Das gleiche wiederholte sich spiegelbildlich, als Manius noch einmal über die linke Seite angriff.


    Nach diesen ersten Angriffsversuchen belauerten sich beide Gegner erst einmal eine Weile. Azizos wusste oder ahnte vielmehr, dass er kein guter Ringer war; Feigheit aber wollte er sich nicht vorwerfen lassen. Und so machte er denn plötzlich einen leicht nach außen versetzen Ausfallschritt mit seinem linken Bein auf seinen Kameraden zu und versuchte, dessen Arme zu packen.

    Der zweite Tag der Ausbildung begann so, wie der Centurio es angekündigt hatte: mit Marschübungen durch den Optio. Allmählich war auch ein Fortschritt feststellbar: Das Marschieren im Gleichschritt funktionierte bereits nahezu reibungslos, und auch die Drehungen sowie der Wechsel von der Kolonne in die Reihe liefen flüssiger ab.


    Endlich erschien auch der Centurio wieder auf dem Exerzierplatz. Er ließ die Probati zu sich kommen und führte sie dann in das Ringen ein, die erste Nahkampfübung. Als die Probati Kampfpaare für das Ringen bilden sollten, dauerte es nicht lange, bis sich Azizos mit seinem neuen Kameraden Manius Iavolenus zusammenfand, mit dem er den gestrigen Abend in den Thermen hatte ausklingen lassen.


    Das Bad hatte natürlich eine gute Gelegenheit geboten, den jeweils anderen zu begutachten, doch auch ohne das wäre Azizos klar gewesen, dass sein Kumpel von seiner geringeren Körpergröße her, die trotzdem mit einem athletischen Bau verbunden war, im Ringen Vorteile besitzen würde. Der Syrer stellte sich mit gebeugten Knien breitbeinig auf, beugte auch seinen Oberkörper herab und spannte seine Arm-, Bein- und Bauchmuskeln an. Hochkonzentriert achtete er auf jede Bewegung seines Gegners, um nicht von einem Angriff des flinken Manius Iavolenus überrumpelt zu werden.

    Weiter ging es im Gleichschritt, und dies immer besser. Das galt sowohl für Azizos persönlich als auch für die Gruppe der Probati in ihrer Gesamtheit, wie der Syrer feststellte, als er sich aus seinen Augenwinkeln heraus ein wenig umsah, was er tun konnte, da er selbst eben schon recht sicher im Gleichschritt geworden war. Bei einigen Links- und Rechtsdrehungen, die der Centurio durchführen ließ, gewöhnte sich Azizos auch langsam an die für ihn noch unbekannten Befehle.


    Als dann aber der Centurio plötzlich den Befehl zum Stehen gab, hatte Azizos wieder Mühe, dies sofort umzusetzen. Er war noch zu sehr in der Vorwärtsbewegung des Marsches, und nachdem der Befehl ertönt war, musste er seine beiden Hände hochnehmen, um zu verhindern, dass er mit seinem gesamten Körper in seinen Vordermann hineinlief. Offenbar hatte er also zuwenig Abstand zum Vordermann gehalten oder war auch unaufmerksam geworden beim immer gleichen Rhythmus des Schritts zusammen mit der langsam eintretenden Routine darin.


    Das folgende Kommando, aus der Marschkolonne heraus wieder eine Schlachtordnung zu bilden, befolgten die Probati mit einer Linksdrehung in der Mitte der Kolonne. Allerdings wollte der Bogen, den besonders die äußeren Soldaten zu gehen hatten, nicht recht gelingen, und auch Azizos, obwohl in der Mitte stehend, hatte viel damit zu kämpfen, seinem Vordermann nicht in die Hacken zu treten. Schließlich aber stand die Reihe und wurde dann, auf den entsprechenden Befehl des Centurios hin, noch einmal ausgerichtet.


    Mit den Augen nach vorne hörten die Probati dann die abschließenden Worte ihres Vorgesetzten an. Obwohl er bisher keinen überzeugenden Eindruck von seinem Centurio gewonnen hatte, fand Azizos seine Schlussansprache treffend. Und auch die Aussicht, diese, für viele vermutlich langweiligen, Marschübungen von nun an jeden Tag zu machen, schreckte den Syrer keineswegs, denn er gab seinem Vorgesetzten darin Recht, dass es für die Soldaten unabdingbar wäre, in der Gruppe und als Einheit zu funktionieren.


    Als der Centurio schließlich den Befehl zum Abtreten gab, stand Azizos noch einen Moment lang unschlüssig herum. Dann aber folgte er einigen Kameraden nach in die Therme.

    "Das hätte ich jetzt wirklich nicht gedacht!", rief Azizos aus, als Manius Iavolenus ihm seine Herkunft mitteilte. "Aus Griechenland? Na, aber dass du römische Vorfahren hast, entschuldigt meinen misslungenen Rateversuch ja ein bisschen!"


    Azizos musste lachen und stieß sich mit seinen Füßen vom Beckenrand ab, so dass er rücklings auf dem Wasser trieb. "Griechenland - die Wiege der Kultur. Dann hast du ja das, was mir gerade fehlt: Bildung. Ich kann noch nicht einmal richtig Latein. Du", Azizos richtete sich im Wasser auf und sah seinen griechisch-römischen Kameraden an, "wie soll ich dich eigentlich rufen? ,Manius', ,Iavolenus' oder ,Manius Iavolenus'?" Wobei er die dritte Variante für entschieden zu lang hielt.

    Azizos stieß wieder Luft durch die Nase, und es hätte wohl niemand sagen können, ob er dadurch eher Verachtung oder eher Belustigung zum Ausdruck brachte; dabei lächelte er, doch für dieses Lächeln galt die gleiche Ambivalenz.


    Manius Iavolenus hatte jedenfalls den Eindruck des syrischen Probatus hinsichtlich des Centurio bestätigt: Er war ein schwacher Mann, war sich dieser Schwäche auch bewusst und doch nicht in der Lage, sie abzustellen. "Ja, das Verhalten des Centurio habe ich auch bemerkt. Er wirkte überhaupt ziemlich unsicher, finde ich. Zum Glück scheint es hier in der Flotte ja auch eine Art Ausbildungsplan zu geben, nach dem er vorgehen kann. Dieser Tribun hat auf mich dagegen einen guten Eindruck gemacht." In einer Gefahrensituation würde er, Azizos, jedenfalls lieber unter dem Kommando dieses Tribuns stehen als unter dem des Centurio.


    Die ganze Zeit schon hatte Azizos versucht, anhand des Akzents in der Stimme des Manius Iavolenus herauszufinden, woher sein Kamerad wohl stamme. Dies war ihm hier in der Therme aber ebensowenig gelungen wie tagsüber auf dem Exerzierplatz. "Sag mal, du kommst sicher aus Italia, oder? Dein Name klingt so eindeutig lateinisch. Aus Italia - oder überhaupt irgendwo aus dem Westen, stimmt's?"